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Ich finde diesen Gedanken in der Schluss-Utopie so wichtig: dass wir uns den Schaum vom Mund wischen und mit Gelassenheit an die Dispute herangehen, auch wenn wir uns spontan furchtbar aufregen. Es verändert alles, wenn man mal einen Schritt zurückgeht, und Daniel Graf tut in diesem Text genau das, was er fordert. Der Ton ist so wichtig wie die fein abgewogene, weitsichtige Argumentation.
Weil unser Geist vom Drama lebt, wird dieser Text leider nicht viral gehen, obwohl er es tausendmal mehr verdient hätte als die ganzen Aufreger, denen wir in den sozialen Medien so gern hinterherhecheln (ich nehme mich davon nicht aus).
Ich hoffe nun, dass er in der Republik möglichst viele Leser findet. Für mich ist es einer der wichtigsten Texte bisher. Also bitte: Maus zücken und teilen, teilen, teilen!

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Klasse Text. Dialektisch super aufgebaut. Und das Schlusswort ist auch toll.

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Herzlichen Dank!

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Es bleibt mir nur etwas, was nicht so schon an Positivem zu diesem erhellenden, hilfreichen, anregenden Text gesagt worden ist: Er hat mich das ganze Wochenende begleitet, ich habe ein Vielfaches der angegebenen Lesezeit damit verbracht, ohne das auch nur im Geringsten als Belastung zu empfinden. Im Gegenteil. Ich will Bücher erneut zur Hand nehmen, von denen ich sicher war, bereits dran gescheitert zu sein (Honneths "Das Ich im Wir") und bin sehr gespannt auf Eddo-Lodge und Tristan Garcia, die ich noch nicht kannte. Die weiterführenden Links erweitern meine Leseliste um Neues wie "The Blood of Emmett Till" oder wieder in Erinnerung zu rufendes wie Adornos "Was bedeutet: Aufarbeitung der Vergangenheit". Etwas Besseres kann einem bei der Lektüre eines Onlinemagazins nicht passieren. Danke.

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Vielen Dank. Wenn es zu weiterer Lektüre und Beschäftigung mit dem Thema anregt, freut mich das am allermeisten.

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, , , besonders gut hat mir das Bild mit den verschiedenen Layers oder Ebenen unserer Identitäten gefallen . . . es ermöglicht komplexe Solidarität mit anderen Spezies und einen neuen geselligen Umgang damit, so hoffe ich . . . dadurch entstehen neue Erfahrungsebenen und Geschichten und die gewonnene neue Wahrnehmung führt zu neuen Wahrheiten, die wir so dringend brauchen . . .

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Ja, Garcias Metapher ist ausgesprochen hilfreich! Dabei dachte ich anfangs beim Lesen noch, weil das Buch zunächst etwas langatmig ist und man nicht so genau weiss, worauf er hinaus will: Was wird das jetzt, Garcias Bastelstunde? Erst vom Ende her versteht man so richtig, was das am Anfang soll. Ziemlich clever aufgebaut, das Buch. Empfehlenswert ist übrigens auch sein erstes, "Das intensive Leben". Eigentlich gehören beide sogar ziemlich eng zusammen, weil Garcia Intensität und Identität sehr schlau verknüpft.

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nicht nur "ausgesprochen hilfreich", daniel, sondern auf ganz unaufgeregte weise dermaßen treffend, daß ich mich frage, warum ich bisher zu vernagelt war, um es selbst genau so zu formulieren. mir ist als (experimenteller) biologe die reduktionistische arbeitsweise gut vertraut, und ich liebe sie (platonisch). aber ich weiß seit langem ebenso, daß ich mich zu klimmzügen zwischen den ebenen ("layers") aufraffen muß, wenn die "rabbit holes" zu tief werden. merci vielmal, daß du mich auf diesen autor aufmerksam gemacht hast.

fun fact: das mit der "bastelstunde" und dem vom-ende-her-verstehen gibt es auch bei einem anderem garcía : bei dem, der cien años de soledad geschrieben hat.

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Etwas vom Besten - wenn nicht das Beste - das ich bisher in der Republik gelesen habe! Trotz der bewussten "Unaufgeregtheit" meines Votums: mit Ausrufezeichen;-)

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Oh, haben Sie vielen herzlichen Dank. Das freut mich sehr.

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Gern geschehen. Es ist Ihre Offenheit (gegenüber allen politischen Richtungen), in der es um Suche nach den überzeugendsten Antworten und Argumenten geht. Where ever they may be found....Und Sie haben einige davon gefunden, was sehr erhellend ist. Viele AutorInnen haben da einen engeren Horizont, ohne es zu wissen, auch bei der Republik. Aber ich habe kein Interesse an einem weiteren "linken" oder "durchschnittlichen" Medium.

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Wirklich toll geschrieben. Ich hätte mir die eine oder andere (ausführlichere) Begriffsklärung gewünscht, weil ich nicht alle diese Bücher gelesen habe. Aber dennoch ein Lesevergnügen.

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Mir gefällt gerade der Anspruch sich diesem Thema anzunehmen und es auch in seiner (begrifflichen) Komplexität darzustellen.

Entgegen der heutigen allgemeinen Praxis soll Journalismus den Leser fordern und fördern. Der Text als Anstoss, an dieser Stelle genial gelungen.

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Lieber Severin Keller, haben Sie vielen Dank, das freut mich! Sie sprechen einen sehr wichtigen Punkt an, weil es bei diesem Thema – und auch in diesen drei Büchern – von voraussetzungsreichen Begriffen nur so wimmelt. Meine Faustregel war deshalb: die zentralen Begriffe, an denen man nicht vorbeikommt, knapp zu erklären; und viele einfach ganz wegzulassen und die Phänomene anders zu beschreiben. Das ist natürlich nur ein Behelf, mit einer guten Portion Spekulation – denn was bekannt ist und was erklärungsbedürftig, variiert von Person zu Person. Aber es ist eine Frage, die sich uns bei jedem Text stellt – und wo Feedback besonders wichtig ist. Deshalb wollte ich Sie gerne fragen: Wären Sie bereit uns zu sagen, welche Begriffserläuterungen Sie sich z.B. gewünscht hätten? Und so als grobe Hausnummer: Wie viele neue Begriffe, würden Sie sagen, sind okay und ab wann schalten Sie ab? Ich frage aus reiner Neugier, bitte fühlen Sie sich in keiner Weise verpflichtet! Vielen Dank nochmals für Ihren Kommentar.

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Beim zweiten Mal lesen fand ich irgendwie keinen Begriff, den ich nich geklärt haben möchte...
Es ist vielleicht die hohe Dichte an Konzepten, Texten und Begriffen, die herangezogen werden, die der Leser erst Mal für sich füllen muss. Zum Beispiel "Verfassungspatriotismus". Vage habe ich eine Idee, was damit gemeint ist. Aber ist es die richtige Lesart? Das lässt subjektiv ein etwas diffuses Gefühl zurück manchmal. Und so sind wir schon bei sehr generischen Betrachtungen plötzlich.
Aber nochmal, der Text liest sich gut, auch wenn er eigentlich sehr dicht ist.

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ein sehr guter Text der Übersicht und Einsichten zu einem der wichtigsten Themenfelder verschafft - ein guter Anfang der Klärung der Problemlage - aber es fehlt noch der Schritt zum Handeln: was wäre der Minimalkodex in der freien gesellschaftlichen Fortschrittsdebatte verschiedener Identitäten innerhalb einer übergeordneten Leitkultur? Wir freuen uns auf die Fortsetzung.

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Lieber Leo Keller, besten Dank. Das ist natürlich die grosse Frage, aber als erste Reaktion: Ich glaube, bei den unzähligen Malen, die Menschen sich diese Frage bereits gestellt haben, waren auch schon ein paar exzellente Antworten dabei. Die meiner Meinung nach noch immer beste, die wir haben, lautet: Menschenrechte. Jede Verfassung, der es mit diesen wirklich ernst ist, wäre eine Grundlage für ein emphatisches Ja. Und ein Minimalkodex, der die vielleicht grösste Errungenschaft kollektiven Nachdenkens ist. Mehr Leitkultur braucht es da womöglich gar nicht. Sondern eher das gemeinsame Arbeiten daran, dass die grossen Übereinkünfte wie die Menschenrechte seltener an der Einhaltung/Umsetzung scheitern. Was das Handeln angeht, würde ich natürlich vehement den Satz unterstreichen: Auch Sprache ist Handeln. Die Frage nach der Identität führt ganz entscheidend auf Fragen der Sprache; auf die Art und Weise, wie wir miteinander über die Probleme sprechen, die wir wahrzunehmen meinen. Können Sie damit was anfangen? Auf jeden Fall können Sie sicher sein, wir werden weiter diese Fragen thematisieren ...

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In etwa Dies wollte ich hier auch antworten, danke! Die Menschenrechte immer zentral im Fokus haben und wenn nötig laut einfordern und einander immer respektvoll als Menschen behandeln. Auch in Wut und Missverständnis und unterschiedlichen politischen Positionen. Das reicht. (Es ist verdammt schwierig und wir sind es nicht mehr gewohnt! ) Das ist genug "Leitkultur", nämlich das Erbe und die Aufgabe der Aufklärung. Es bedient das Anerkennungsbedürfnis und appelliert an Vernunft und Intelligenz, was die bestmöglichen Strategien in schwieriger Lage sind. Leider haben gerade auch die Medien die letzten 30 Jahre vor allem die Aufgeregtheit angestachelt und die Unvernunft und eher die niederen IQ-Gefilde: Der unhinterfragte Quotenwettbewerb in neoliberalen Zeiten, das reine Bewirtschaften der Aufmerksamkeit. Die Minderheit, die am lautesten schreit und die schrägsten Stories bietet, wird gehört. Für einen Moment, dann weiter. Alles Oberfläche. Das führt zu nichts. Dieser Umgang war/ist aber auch besipielhaft für den Umgang untereinander und zwischen Gruppen geworden: Identität gegen Identität. Die Schrägsten gewinnen. Trump ist ein fleischgewordenes Beispiel dafür.

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Das Argument von Mark Lilla finde ich sehr berechtigt.
Ich würde niemals bestreiten, dass die linken Parteien sehr viel mehr für die Arbeiterklasse tun, als eine FDP oder SVP, aber hier geht es ja um Identitätspolitik. Die SVP wettert gegen “die da oben”, “Diktat aus Bundesbern” und “Eliten”. Wenn ich jetzt nur nach Identität und nicht nach Resultaten wählen würde, müsste ich wohl auch SVP statt SP wählen. Schliesslich bin ich gegen “die da oben” (auch wenn ich wohl jemand anderen im Sinn habe als die SVP), gehöre aber nicht zu dem Prozent der Transsexuellen in der Bevölkerung.
Ich denke die Linke hat hier ein ernsthaftes Vermarktungsproblem.
Identitätspolitik für Minderheiten zu betreiben kann nicht funktionieren. Sie sind ja -wie der Name schon sagt- in der Minderheit, was sich bei Wahlen eher negativ auswirkt. Da eine Gruppe für eine Identität auch ein Feindbild benötigt (weiss, männlich, alt, hetero, Cissexuell, etc.), werden weitere Wähler vergrault. Wenn sich diejenigen abwenden die von Linker Interessenpolitik profitieren (Arbeiterklasse), weil sie mit der Identitätspolitik nichts anfangen können ist das Desaster komplett.

Einen sehr lesenswerten Artikel dazu gibt es hier.
https://geschlechterallerlei.wordpr…ftseliten/

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Lieber Herr Surber, vielen Dank für Ihren Kommentar. Dass es ein gewisses PR-Problem gibt (ein womöglich nie ganz lösbares), finde ich gar nicht ganz falsch. Auch wenn man es, glaube ich, nur sehr bedingt der Linken anlasten kann. Aber zu Ihren zentralen Punkten: Ich glaube, Sie übersehen zwei ganz wesentliche Dinge. Zum einen: Wenn man mit statistischen Mehrheiten argumentiert, kann man die Idee einer pluralistischen Gesellschaft und die Vorstellung von überindividuell teilbaren Werten ja gleich beerdigen. Auch die Mehrheit - das versuchte ich im Text zu argumentieren - ist von Minderheiten-Anliegen ganz direkt betroffen, weil es dabei auch um die (in der Verfassung festgeschriebenen, über Jahrhunderte des Nachdenkens erarbeiteten) Werte der Mehrheitsgesellschaft selbst geht. Anders gesagt: Wenn nur Homosexuelle ein Problem mit Homophobie, nur People of Colour ein Problem mit Rassismus hätten, dann könnte eine Gesellschaft einpacken. Zum anderen kann man an einem Beispiel besonders gut sehen, dass Fragen von Benachteiligung nicht zwangsläufig mit rein statistischen Mehrheitsverhältnissen, sondern mit Machtverteilung zu tun haben: an den Frauen nämlich. Sie sind keineswegs in der statistischen Minderheit, sehr wohl aber seit jeher unterrepräsentiert und benachteiligt. Schon immer war es für die politische Linke zentral, auf der Seite der Benachteiligten zu stehen; und eben gerade nicht notwendigerweise, selbst benachteiligt zu sein. NUR nach Identität zu entscheiden, wie Sie schreiben, genau das fordert also, soweit ich sehe, gar niemand. Deswegen können Sie meines Erachtens weiter völlig unbesorgt so wählen wie bisher :-)

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Eine pluralistische Gesellschaft ist für mich sehr schwer mit einer Besinnung auf Identitäten vereinbar. Dass Homosexuelle die gleichen Rechte haben sollen wie Heterosexuelle, ist für mich eine Selbstverständlichkeit. Bsp. ein Ehegesetz hier anzupassen, sehe ich nicht als eine “Extrawurscht” einer bestimmten Identität, sondern als die Aufnahme/Akzeptanz in die pluralistische Gesellschaft.

Problematisch wird es für mich, wenn Gruppen aufgrund ihrer Identität zusätzliche Rechte erhalten. Um gleich einen fliessenden Übergang zum zweiten Punkt zu schaffen nehme ich das Beispiel einer Quote. Eine (Frauen-)quote in der Politik ist, als würde man einer Gruppe bei einem Rennen einen Vorsprung geben, weil ihre Vorfahren früher bei diesem Rennen nicht mitlaufen durften.
Sie schreiben Frauen sind seit jeher unterrepräsentiert und benachteiligt. Diese Aussage ist empirisch schwer zu halten. Nehmen wir hier das Beispiel der Gleichheit vor dem Gesetz (Bundesverfassung Art. 8.1). Bis vor (schändlich) kurzem durften Frauen in der Schweiz nicht wählen und der Mann war der Vorstand der Familie. Dies war definitiv eine Benachteiligung. Deswegen wurden diese Rechtsungleichheiten abgeschafft. Bis heute halten sich aber massive Gesetzliche Benachteiligungen von Männern (Wehrpflicht, Rentenalter, Familien- & insbesondere Sorgerecht, Männer können laut CH-Gesetz nicht vergewaltigt werden). Das Männer aber in irgendeiner weise gegenüber Frauen benachteiligt sein könnten, ist aber (zumindest in den linken Kreisen die ich kenne) ein absolutes Tabuthema. Feminismus ist für mich ein Paradebeispiel wie eine Identität zum Selbstläufer wird, die immer neue Feindbilder (Patriarchat, angry white men, Mikroagressionen, etc.) finden muss um sich selbst zu rechtfertigen.

Ich möchte damit in keiner Weise sagen, dass real existierende Benachteiligungen nicht angegangen werden sollen (bzw. dass man nicht die Partei wählen soll, die diese angeht) aber ich denke, dass Identitäten zum aufblasen von Problemen führen. Ein "Sonderproblem von Kleingruppen" wird somit zum Verstoss gegen elementarste Verfassungsgrundsätze hochstilisiert.

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Ich spreche nicht gerne von Identität(en) und viel lieber von Charakter(en).
Die Identität ist für mich vergleichbar mit Kleidern, etwas äusserliches, wie Muttersprache, Gestik, durch kindliche Imitation erworbene Art, sich zu bewegen.
So sprechen Menschen aus dem Balkan ausgesprochen laut, was uns SchweizerInnen, die wir in der Öffentlichkeit oft in den Flüsterton verfallen, weil wir uns vorstellen, dass wir die anderen Leute stören würden (was oft tatsächlich so ist, aber nicht immer!).
Aufgrund dieser kulturellen Gewohnheiten kann es dann zu Missverständnissen kommen:
Schweizer können sich von lauten Südländern erschrecken, weil sie glauben, diese seien aggressiv. Und die Südländer werden misstrauisch, weil sie glauben, die Schweizer hätten etwas zu verheimlichen, dass sie so leise sprechen, was auf sie falsch und hinterhältig wirkt.
Nun, solche Missverständnisse im zwischen-identitären Dialog lassen sich mit der Zeit aufklären und beheben. Und sie geben auch die Grundlage ab für viel Spass, Aufregung und Verwunderung.
Viel tiefer als solche oberflächlichen Identitäts-Spielereien und Auseinandersetzungen rund um kulturell bedingte Verhaltensweisen liegt aber der CHARAKTER!
Ist ein Mensch ehrlich, vertrauenswürdig, ehrenwert, liebevoll?
Oder ist ein Mensch verlogen, gierig nach Geld und Macht, skrupellos, abstossend?
Diese grundlegenden Fragen sind für mich WIRKLICH wichtig!
Herkunft, Identität, Aussehen, Hautfarbe, Kultur, Geschlecht, Religion, Körpergeruch, etc. sind für mich natürlich auch nicht ganz unwichtig.
Aber wenn der Charakter nicht stimmt, sind alle äusserlichen und identitären Gemeinsamkeiten "für die Füchse"!
Meine Frau kommt aus den Philippinen, aus einem Land, das -verglichen mit der Schweiz- kaum verschiedener sein könnte, sie kommt aus einer traditionell eingestellten Grossfamilie, bekennt und praktiziert den Katholischen Glauben, und sie ist als ausgebildete Krankenschwester über den halben Erdball in die Schweiz geflogent, als es noch keine Personenfreizügigkeit mit der EU gab, sondern Kontingente für Arbeitskräfte aus "Drittländern".
Ich selber bin von einer alleinerziehenden, berufstätigen Mutter und tagsüber teilweise Patchworkfamilienmässig betreut aufgewachsen, mit einer Pionierin der Frauen-Emanzipation, ohne Traditionen, ohne viele Verpflichtungen und Erwartungen, aber auch etwas verloren und orientierungslos...
Als ich meine Frau zum ersten Mal sah, war es sofort um mich geschehen!
Sie strahlte etwas aus, was mir so sehr fehlte, wie mir überhaupt etwas fehlte!
Und ich meine jetzt nicht "die Frau an sich" sondern auch "das Andere", "die andere Welt".
Und umgekehrt war das offensichtlich auch der Fall.
Unsere Liebesbeziehung war nach traumhaftem Start alles andere als einfach und wurde sehr kompliziert und ein ständiges Hin- und Her zwischen Anziehung und Abstossung, im "Bermuda-Dreieck" zwischen Kopf, Herz und Sexuellem Zentrum.
Am Anfang waren sehr viele Missverständnisse, die zu sehr viel Drama und "sich nicht verstanden fühlen" führten. Später wussten wir zwar voneinander, wie der/die Andere auf gewisse Aktionen reagieren würde, verstanden aber diese Reaktionen trotzdem nicht wirklich.
Wir versuchten, einander gegenseitig umzuerziehen, in einem klassischen "Clash of Cultures", einem Kleinkrieg zwischen verschiedenen Identitäten.
Irgendwann aber gaben wir es auf, den Anderen umerziehen zu wollen.
Denn dieses "Anders sein" hatte ja genauso seine Vor- und Nachteile, wie ein "Ähnlich sein" Vor- und Nachteile hat!
Ausserdem entdeckten wir unsere Gemeinsamkeit im Emotionalen.
Seither erleben wir in unserer Beziehung eine neue Verliebtheit IN DER VERSCHIEDENHEIT!
Dagegen geriet ich in einen endlosen und zermürbenden Kleinkrieg mit einem Eidgenossen aus meinem eigenen Kulturkreis:
Er ist ein "typischer Schweizer":
(Scheinbar!) top-seriös, pingelig bis zum Geht nicht mehr, immer korrekt (weil eigentlich nichts sagend und nichts machend), beruflich erfolgreich, im Militär ein hohes Tier, kennt die Paragraphen des Gesetzes sehr gut und ist -vermutlich auch darum- ausgesprochen klagefreudig...
Mit DIESEM einheimischen Charakter möchte ich möglichst bald möglichst nichts mehr zu tun haben!
Und meine Frau und Ich sind uns für einmal TOTAL EINIG!
Wenn zwei Menschen mit sehr verschiedenen Identitäten mit einem Charakter nichts mehr zu tun haben wollen, dann MUSS ihre Entscheidung zwangsläufig richtig sein!
Verstehst Du diese Logik des "Mehrperspektivischen Denkens"?

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Veränderungs- statt Verurteilungslust! Vielen Dank für diesen tollen Text!

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Vielen herzlichen Dank!

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Ich bin nicht ganz mit der Aussage einverstanden, dass Fukuyama nicht zwischen legitimen & illegitimen Forderungen unterscheiden kann. (Als Relativierung meiner Aussage muss ich erwähnen, dass ich “Identity” nicht gelesen habe, sondern nur einige Interviews mit dem Author gehört/gelesen habe.)
Er beschreibt wie gewisse Gruppierungen mit ursprünglich durchaus berechtigten Anliegen “über das Ziel hinausschiessen”. Durch gemeinsame Erfahrungen wird eine gemeinsame Identität gebildet. Durch die Linse dieser vorherig geformten Identität betrachtet erscheinen dann viele Dinge wie eine Diskriminierung der eigenen Gruppe, obwohl es inzwischen andere, belegbare andere Gründe für die Unterschiede zwischen Gruppen gibt.
Die Identität führe zu einer Vermischung von Korrelation und Kausalität.

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Mein Text behauptet nicht, dass Fukuyama nicht zwischen legitimen und illegitimen Forderungen unterscheiden KANN – sondern dass es für seine Argumentation keine Rolle spielt. Es gibt innerhalb dieses Textes einige Widersprüche und immer mal finden sich Sätze, bei denen man den Eindruck hat, er hat sie pflichtschuldig oder auf Anraten eines Lektors eingebaut. Konsequenzen aber für die Argumentation zieht er nicht. So heissen z.B. die allerletzten Sätze: "Identität kann zur Spaltung, aber auch zur Einigung benutzt werden. Letztendlich wird diese Erkenntnis das Heilmittel für die populistische Politik der Gegenwart sein." Das steht da, nachdem er über 200 Seiten lang null mit dieser Dialektik argumentiert, keinerlei Ambivalenz herausgearbeitet hat und nirgendwo Kipp-Punkten nachgegangen ist (wie Garcia das tut). Im Grunde sind die Schlusssätze wie eine Laufmasche, mit der man den ganzen Text vom Ende her auflösen und neu stricken müsste.

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Lieber Herr Graf, Danke dass sie sich die Zeit nehmen auf meine Kommentare zu antworten. Die Diskussion mit den Autoren eines Textes finde ich etwas unglaublich spannendes an der Republik.
Wie gesagt kenne ich Herrn Fukuyamas Werk nur aus interviews. Im Buch scheint er auf die Legitimität der verschiedenen Forderungen nicht ausreichend einzugehen. Da ich das Buch nicht gelesen habe vertraue ich auf ihre Beurteilung.

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