Die Republik ist nur so stark wie ihre Community. Werden Sie ein Teil davon und lassen Sie uns miteinander reden. Kommen Sie jetzt an Bord!

DatenschutzFAQErste-Hilfe-Team: kontakt@republik.ch.



Sehr gut. Die EU muss aber noch demokratischer und föderalistischer werden.

19
/
0

Und wie das gehen könnte, zeigt, wie ich finde, gut Ulrike Guérot mit ihrer Forderung nach einer "Europäischen Republik".

Ich würde zwar nicht wie Herr Hegetschwiler und Frau S. sagen, dass Demokratie und Föderalismus "grundsätzlich widersprüchlich" sind, also das Eine, das Andere ausschliesst. Aber sie stehen in einem spannungsvollen Verhältnis zueinander. Und so wie es verschiedene Typen der Demokratie gibt, gibt es auch verschiedene Typen des Föderalismus. Manchen gelingt ein mal besseres, mal schlechteres prekäres Gleichgewicht.

Die Schweiz verfügt bspw. über sehr demokratische Institutionen, ist aber auch sehr föderalistisch. Geregelt wird es u. a. mit dem Subsidaritätsprinzip. So steht in der Bundesverfassung:

Art. 3 Die Kantone sind souverän, soweit ihre Souveränität nicht durch die Bundesverfassung beschränkt ist; sie üben alle Rechte aus, die nicht dem Bund übertragen sind.

Eine "starke" Demokratie kann ein ein "föderatives Defizit" haben, das in extremis darauf hinausläuft, dass "kleine" Teilstaaten durch die demokratische Mehrheit stets übergangen werden. Dies wird in der Schweiz u. a. durch das Zweikammersystem kompensiert, wo im Ständerat auch die bevölkerungsärmeren Teilstaaten im Grunde überproportional vertreten sind. Oder dass es bei Volksabstimmungen neben dem "Volksmehr" auch ein "Ständemehr" braucht.

Die EU hat im Gegensatz dazu ein "gesamtdemokratisches Defizit", d. h. Parlament und Bevölkerung besitzen gegenüber Kommission und Ministerrat zu wenig Macht. Sie ist sozusagen zu föderalistisch und gleichzeitig zu zentralistisch. Also institutionell mehr ein "Exekutivföderalismus" eines relativ losen Staatenbundes ohne politische Union.

Politische Union, Stärkung des Parlaments, Initiativ- und Referendumsrecht usw. würden dem Abhilfe schaffen. Und mit "föderalistischer" könnte M. A. auch gemeint haben, dass die EU "republikanischer" werden soll. Die so wie die Schweiz einerseits klare Bundeskompetenzen hat, die durch Unionsbürger*innen und Parlamentarier*innen inhaltlich mitbestimmt werden. Und andererseits ein Subsidaritätsprinzip, das Kompetenzen der Teilstaaten bis Kommunen regelt.

Das ist natürlich alles äusserst komplex und langwierig. Nichtsdestotrotz ist es für Beobachter*innen hochspannend, unsere Nachbar*innen in actu dabei zuzuschauen, wie sie zu einer Republik zusammenwachsen - oder auch nicht.

5
/
1

Initiativ- und Referendumsrecht setzen einen Bundesstaat voraus, was die EU noch sehr lange nicht ist. Und: direkte Demokratie mit Sachabstimmungen ist eher etwas für Kleinstaaten und nicht für ein kulturell äusserst heterogenes Gebilde mit 500 Mio BürgerInnen. Sich die Schweiz als Vorbild für die EU zu denken, nährt nur Illusionen (wir treten der EU erst bei, wenn sie wie die Schweiz ist ...)

1
/
0

Vielen Dank für diese Ausführungen. Soweit ich weiss, meine ich schon föderalistisch – im Sinne, dass die EU aus Mitgliedern besteht, die zum Teil zusammen und zum Teil alleine Entscheidungen treffen. Welche (wie z.B. die Schweiz) selbst wiederum föderalistisch aus Bundesstaaten/Kantonen bestehen).

0
/
0

"Die EU muss demokratischer und föderalistischer werden", hört sich gut an, ist aber nicht gleichzeitig zu haben. Wie @Hans Hegetschweiler schon schreibt, ist das grundsätzlich widersprüchlich. Wenn die EU noch föderalistischer würde, als sie es bereits ist, müssten noch mehr Entscheidungen den einzelnen Mitgliedern überlassen werden. Angesichts der Tatsache, dass bereits heute alle Entscheidungen zu Fragen/Themen von einiger Tragweite nur zentral geregelt werden, wenn alle Mitglieder zustimmen, bleiben diese Fragen/Themen schlicht in der Kompetenz der einzelnen Mitglieder, sobald keine Einstimmigkeit besteht. Siehe die Regelung zur Verteilung der Flüchtlinge. In anderen Fragen gibt die EU zwar einen Rahmen vor, umsetzen müssen das aber die einzelnen Länder - die das dann gerne mal auf die lange Bank schieben (siehe z.B. Deutschland und die Luftreinhalteverordnung oder die Bestimmungen zur Nitratbelastung der Gewässer/Böden). Noch mehr Föderalismus und die EU gibt jede Entscheidung in die Hände der einzelnen Staaten.

Mehr EU-Demokratie dagegen würde bedeuten, das EU-Parlament bekommt mehr Entscheid-Kompetenzen (und kann z.B. auch Gesetze initiieren). Diese Kompetenzen wiederum wären nur zu haben, wenn man den nationalen Parlamenten die entsprechenden Kompetenzen entzöge. Dann wären EU-Parlamentsentscheide eben auch für die einzelnen Staaten - ohne eigenen Spielraum - verbindlich. Womit der Föderalismus abnähme. Der gleiche Effekt träte ein, wenn es eu-weite Volksabstimmungen gäbe.

3
/
1

Ich habe oben etwas genauer erklärt, was ich damit meine. Ich bin nämlich sowohl der Meinung, dass die EU zu wenig demokratisch ist (zu wenig Macht den gewählten Instanzen) als auch dagegen, dass die EU eine Zentralregierung wie z.B. Paris wird. Die EU soll nicht alles entscheiden. Sondern dort, wo europaweite Richtlinien und Gesetze auch Sinn machen.

0
/
0

Demokratisch und föderalistisch ist grundsätzlich widersprüchlich. Demokratisch bedeutet, dass die proportional zur Bevölkerung gewählten Repräsentanten (das Partlament) oder die Bevölkerung (Referendum) selber die Entscheide treffen, föderalistisch bedeutet, dass die einzelnen Staaten (der europäische Rat) die Entscheidung treffen. Gauland, der in vielen Belangen extrem denkt und der mit seiner AfD für mehr Volksentscheide und eine Demokratie nach Schweizer Muster für Deutschland eintritt, will in der EU das Parlament (also die Demokratie) abschaffen. Das ist von einem föderalistischen Standpunkt aus folgerichtig gedacht. Lustig ist, dass diese Diskussionen: Demokratie oder Föderalismus bei der Gründung der USA eine Riesenrolle spielten (federalist papers) und noch heute spielen (state rights) und auch bei der Gründung der neuen Schweiz wichtig waren. Gewisse Probleme können nie gelöst werden.

3
/
2

Das ist so. Was ich aber mit Demokratie und Föderation meine, ist im Prinzip das System der Schweiz: Auf jeder Ebene (Gemeinde, Kanton/Bundesstaat, Staat, EU, ev. sogar UNO) muss es demokratisch legitimierte (gewählte) Instanzen geben, die sich um die Angelegenheiten kümmern, die auf der entsprechenden Stufe Sinn machen. Klimapolitik: global. Bauzonen: Gemeinde. Währung: EU/global. Details der Steuerpolitik: Kanton/Staat. Beispiel Schulwesen: Alle Schüler müssen Rechnen, Lesen, Schreiben und mindestens eine Fremdsprache lernen (global). Aber: Französisch wird ab der dritten Klasse unterrichtet (kantonal).

0
/
0

Danke für die prima Übersicht über die neue EU-Landschaft. Und die positive Grundhaltung im Text tut auch gut. Bei all dem Lärm, der um den Erfolg populistischer Ganzrechts- und -ganzlinks-Parteien gemacht wird, neigt man eigentlich eher zu Pessimismus. Aber so wird neue Zuversicht vermittelt und mit Daten belegt.

15
/
0

Zwei Bemerkungen:

  1. Die Liberalen kann man zu den progressiven Kräften zählen, man sollte aber nicht vergessen, dass zum Beispiel die FDP in Deutschland gegen wirksame Klimaschutzmassnahmen auf Gesetzesebene und damit sogar noch konservativer als die Europäische Volkspartei ist.Das wird wegen der Dominanz dieses Themas ein Riesenproblem bei der Zusammenstellung der Kommission geben.

  2. Die SVP wird hier ganz selbstverständlich zu den Rechtsnationalen gezählt. Das kann man tun (ich würde das auch tun). Es ist aber nicht zu übersehen (und erklärt auch, warum sie einen höheren Wähleranteil hat als die Rechtsnationalen in Oesterreich, Deutschland, Frankreich, Soanien und vielen anderen Ländern), dass die SVP zwar Repräsentanten wie Glarner, Schlüer, Köppel, Blocher hat, die ohne Weiteres auch in der FPÖ Unterschlupf fänden, dass sie daneben aber auch viele Mitglieder und Wähler hat, die eher mit Unionswählern in Deutschland verglichen werden können. Das liegt wohl daran, dass die CVP anders als die Unionsparteien historisch gesehen nie in der Lage war, auch Wähler aus dem protestantischen Lager und dem städtischen Milieu an sich zu binden und es in der Schweiz deshalb an einer konservativen aber verfassungspatriotischen Partei (das ist jetzt mit Bezug auf die SVP etwas polemisch, stimmt aber im Grundsatz schon) fehlt. Ich glaube deshalb nicht, dass die SVP ihren Zenit überschritten hat, auch wenn sie nun ein paar Prozent verlieren wird, und denke mir, dass diese toxische Mischung von Rechtsaussen und braven Bürgern weiterhin ein Bremsklotz für die Entwicklung unseres Landes sein wird. Besonders problematisch ist, dass die braven Bürger in der SVP partout nicht wahrhaben wollen, mit welchen Bettgenossen sie ihre Partei teilen und dass diese Bettgenossen, anders als zum Beispiel in Bayern, wo die CSU auch weit rechts steht aber den Verfassungsstaat befürwortet, das Bild der Partei prägen und diese mit den Milliarden des alten Mannes vom herrlichen Berg auch beherrschen.

14
/
0

Vielen Dank Simon Schmid für den persönlichen Kommentar zur Wahl des EU-Parlaments, der einerseits sachlich die Ergebnisse ins richtige Verhältnis zueinander setzt und andererseits eine eigene politische Perspektive für die Schweiz eröffnet.

Meine Frage ist nun eher medienpolitischer Natur.

Sie sagen, dass Medien "zweitweise über nichts anderes" als das Risiko eines starken Rechtspopulismus schrieben. Dadurch schwebte das Oxymoron einer "nationalistischen Internationale" wie ein Damoklesschwert über dem Elektorat, das sich um die Europäische Union sorgte, es letztendlich mobilisierte und sich damit als widerstandsfähig zeigte.

Doch "praktisch vergessen ging der andere grosse Trend". Die Berichterstattung wirkte wie ein Brennglas, das anderes klein, ja unsichtbar erscheinen lässt. Oder wie ein Sprachrohr, der anderes ungehört oder gar verstummen lässt. Selbst wenn es das eine kritisiert.

Dieses Ungleichgewicht hat natürlich verschiedene Gründe. Unter anderem auch die Watchdog-Funktion der liberal-aufklärerischen Presse, das Prinzip "schlechte Nachrichten, sind gute Nachrichten", das negative campaigning, das erfolgreiche rechtspopulistische framing etc.

Ich frage mich deshalb, ob aus "progressiver" Sicht ein positive campaigning bzw. ein positiver oder konstruktiver Journalismus, über den 'praktisch vergessen gegangenen anderen grossen Trend' nicht ebenso wirkungsvoll, ja womöglich sogar noch wirkungsvoller gewesen wäre.

Oder fehlt für ein solches framing der entsprechende content?

13
/
1

Lieber Michel Rebosura

Ich denke, die anderslautenden Nachrichten waren schon da, wenn man sie wahrnehmen wollte. Über den gestiegenen Eurobarometer wurde schon berichtet. Aber im Vorfeld der Wahl gingen solche unterschwelligen Trends natürlich angesichts der spektakulär inszenierten Rechtspopulistenkoalition vergessen.

Ich weiss nicht, ob ich mich persönlich für ein "positive campaining" begeistern könnte. Das hiesse ja dann auch, als Journalist bewusst einen Spin in die ganze Sache zu geben. Ich bin mir ehrlich gesagt auch nicht sicher, ob das wirklich etwas genützt hätte. So wie es jetzt ja gelaufen ist, wurden durch den Populisten-Bias in der Berichterstattung ja vor allem die anderen Wähler mobilisiert.

Wichtig scheint mir, als Medienschaffender vor allem die Augen offen zu halten und mit der angebrachten Nüchternheit auf die Zahlen zu blicken. Und diese sagen mir in diesem Fall, und da bin ich auch nicht der einzige, der das bemerkt, dass die populistische Welle eben längst nicht so stark ist, wie es manchmal den Eindruck macht.

Herzlichen Gruss
Simon

0
/
0

Lieber Simon Schmid, danke für die Antwort, der ich im Grossen und Ganzen zustimmen kann. Positive campaigning wäre natürlich idealerweise den Aktivist*innen und Parteien vorbehalten, den Journalist*innen hingegen der konstruktive Journalismus, der nicht nur problemorientiert wäre.

Denn das Problem wiederum bei der einseitigen Berichterstattung über die anti-europäischen Rechtspopulist*innen ist ja bekanntlich, dass man deren Zweck der spektakulären Inszenierung erfüllt und zum «nützlichen Idioten» und Erfüllungsgehilfen degradiert wird. Sie können so den Diskurs bestimmen, die frames setzen und über deren bubble bzw. Milieu hinausreichen. Dadurch gewinnen sie das mediale Spiel der Aufmerksamkeitsökonomie mit dem Ergebnis disproportionaler Grössenverhältnisse.

Und wenn Aktivist*innen bzw. Parteien sich ebenfalls auf dieses Spiel einlassen und immer nur negativ auf die Anderen verweisen, übernehmen sie letztlich bloss das populistische Muster, den Teufel an die Wand zu malen. Dies vermag zwar die eigene Basis aus Furcht mobilisieren, doch nützt sich dies schnell ab und bietet allein noch keine Zukunfts-Perspektive.

Besser wäre es mit positiven messages selbst den Diskurs zu setzen und mit konstruktiven Lösungen nüchtern analysierte Probleme anzugehen. Dies darf auch spektakulär inszeniert werden. Um letztendlich die Menschen aus Hoffnung zu einem Zukunfts-Projekt zu mobilisieren.

Dies versucht etwa Sanders, Cortez & Co. (oder DiEM25) mit ihrem «Green New Deal». Und auch die Europa-Wahl kann man zwar auch als Wahl gegen den Rechtspopulismus interpretieren, aber v. a. war sie eine Wahl für eine zukunftsfähige Umweltpolitik - die nur europäisch sein kann oder gar nicht.

1
/
0

Sich dem Euro-Währungsraum anzuschliessen, bzw den CHF abzuschaffen, klingt vorerst „unmöglich“. Aber dann müsste die Exportindustrie nicht mehr über den teuren CHF klagen, bzw ohne der Währungsmanipulation beschuldigt zu werden, hätten wir ein fixes Wechselkursverhältnis.

1
/
0

Dieser Text, und auch viele andere zu den Wahlen, sind aus meiner Sicht schönfärberisch und interpretieren die Zahlen viel zu positiv.
Was die Konservativen verloren haben, haben die Liberalen gewonnen. Was die Sozialdemokraten verloren haben, haben die grünen und die Populisten dazu gewonnen. Was EU-Skeptiker und Linke verloren haben, haben Rechtspopulisten gewonnen. Dabei haben die Rechtspopulisten mehr dazu gewonnen als die Grünen.
Wenn sie schreiben, es gäbe keinen Rechtskurs und betiteln ein plus von 26 Sitzen als "leicht zulegen", ist das wohl schwer untertrieben. Vor allem wenn sie dann im nächsten Absatz bewusst einen inhaltlich nicht existierenden Block zusammenbasteln, nur um eine grosse Zahl und einen Gewinn zu präsentieren, welcher gerade mal halb so gross ist wie jener der Rechten, aber diesen viel grösser und wichtiger schreiben. Es tut mir leid, das verstehe ich nicht.
Ich finde es bedenklich, wenn solche Parteien auf einen Viertel der Stimmen und Sitze in einem Parlament kommen, gleichzeitig die Grünen, obwohl gerade alle von einer Klimawahl reden, gerade mal knapp 10% holen.
Das wichtigste Thema der nächsten Jahre wird, ja muss, die Klimapolitik sein. Höchstwahrscheinlich auch mit radikaleren Massnahmen als sich das die meisten wünschen. Die Sozialdemokraten haben bis jetzt keinen Mut dazu gezeigt, konservative und liberale werden auch weiterhin alles möglichst schwach und wirtschaftsfreundlich umsetzen wollen. Angesichts dessen macht mir das Resultat wenig Mut, denn es wird auch in der Schweiz ähnlich laufen, und auch wenn dann alle über ein paar Prozente mehr bei den Grünen jubeln und von Klimawahl reden werden, wird sich im Grundsatz doch zu wenig ändern.

0
/
1

Zu den Grünen Europas innerhalb der jeweiligen Kräfteverhältnisse ist der Artikel «Wer sind diese Grünen?» empfehlenswert.

Und damit Ihre Mutlosigkeit nicht in Resignation mündet: Was wäre Ihrer Meinung nach (parteipolitisch) zu tun?

0
/
0

Es geht mir vor allem um die Einordnung. Wie in dem Artikel zu den Grünen erwähnt, werden sie trotz historischem Erfolg wenig bewirken können. Sie sind immer noch eine Minderheit. Trotz dem Pariser Abkommen findet die Diskussion immer noch vermehrt darüber statt, ob es den Klimawandel gibt anstatt Lösungen zu finden. Auch in den Medien.
Die Republik zeigt in vielen tollen Beiträgen zur Klimaforschung etc auf, wie es steht und dass dringend Handlungsbedarf besteht. Mit dieser Erkenntnis sollte die aktuelle politische Lage und das Resultat dieser Wahl viel kritischer und pessimistischer beurteilt werden. Denn konservative und liberale werden mit ihrer aktuellen Einstellung keine wirksame Klima-Politik machen.

0
/
0