Ihretwegen toben die Republikaner: Sängerin Taylor Swift. Buda Mendes/Getty Images/TAS

Kann sie Trump verhindern?

Taylor Swift hat alles, was Joe Biden fehlt.

Von Jean-Martin Büttner, 06.02.2024

Vorgelesen von Danny Exnar
0:00 / 15:21

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Wenig beschäftigt die USA zurzeit mehr: Wird sie sich zu ihm bekennen? Oder will sie sich heraus­halten angesichts der grotesken Angriffe der amerikanischen Rechten? Sie: Taylor Swift, 34, die erfolg­reichste Sängerin der Welt. Er: Joe Biden, der baufällige Demokrat und amerikanische Präsident, der trotz seiner 81 Jahre für eine Wieder­wahl kandidiert.

Der Politiker hat zwar eine weit bessere Legislatur absolviert, als seine Gegner behaupten. Mit dem «Inflation Reduction Act» beschleunigt er die Abkehr seines Landes von den fossilen Brenn­stoffen und sorgt damit für neue Arbeits­plätze. Vor allem hat er nach dem Chaos der Jahre unter Präsident Donald Trump für politische Stabilität gesorgt. Dennoch wirkt Biden angeschlagen, zeigt offensichtliche Konzentrations­schwächen.

Dass die Republikanerinnen ihn deswegen so verhöhnen, hat allerdings auch damit zu tun, dass sie von ihrem eigenen Kandidaten ablenken wollen: Auch Donald Trump, bloss vier Jahre jünger als sein Rivale, leidet immer häufiger an geistigen Aussetzern. Ausserdem sieht er sich mit mehreren Verfahren konfrontiert, unter anderem wegen versuchten Wahl­betrugs und Angriff auf die amerikanische Demokratie.

Jedenfalls könnte sich Joe Biden nichts mehr wünschen als eine Unter­stützung durch Taylor Swift. Denn die Musikerin hat alles, was dem Präsidenten fehlt: Sie ist jung und vielseitig begabt, auf der ganzen Welt beliebt und hat Erfolg wie keine Musikerin in der Geschichte der Populär­kultur. Ausserdem erreicht sie die Jungen, die besonders schwer für eine Wahl zu gewinnen sind. Wichtiger noch: Sie wird sowohl von liberalen urbanen wie auch von ländlich-konservativen Fans geliebt.

Eine singende Rorschachtafel

Das hat mit ihrer Herkunft und Entwicklung zu tun. Taylor Swift begann ihre Karriere als Country­sängerin, also in einer konservativen Musik­kultur, erst recht im ehemaligen Sklavenstaat Tennessee, wo sie einen Teil ihrer Jugend verbrachte und in der Country-Hauptstadt Nashville als Musikerin debütierte. Geschickt erweiterte sie ihren Stil in der Folge zu einer schillernden Tanzmusik, die elektronische Beats, Popmelodien, Folkweisen und Elemente des Hip-Hops mit der Bekenner­lyrik des klassischen Song­writings kombiniert.

Sie hat keine besonders starke, aber eine vielseitig verwendbare Stimme. Das verstärkt eine Wirkung, zu der die keimfreie Erotik ihrer Auftritte beiträgt: Weil sie mit ihrem Image und ihrer Musik zu allem passt, kann sie von allen geliebt werden. Taylor Swift wirkt wie eine Rorschach­tafel im Pailletten­kleid, die Projektions­fläche von Millionen. Eine Verruchte für die Boys, eine Freundin für die Girls.

Um es in Zahlen zu sagen

Mit ihrer Musik und ihrem aggressiven Marketing hat die Musikerin, Song­schreiberin, Performerin und Schau­spielerin alle Rekorde gebrochen. Allein auf ihrer laufenden Tour, die sie in diesem Jahr auch nach Europa bringen wird, wird sie 2 Milliarden Dollar verdient haben, pro Konzert sind das 17 Millionen; schon heute hält sie damit die erfolgreichste Musik­tournee aller Zeiten ab. Ihre Konzerte sind Monate zuvor ausverkauft, für eine Karte zahlt man auf dem Schwarz­markt mehrere tausend Dollar. Sie hat über 200 Millionen Platten verkauft. Auf Tiktok hat sie Milliarden von Aufrufen ausgelöst, auf Instagram folgen ihr 280 Millionen Fans. Die Musikerin ist so einflussreich, dass das «Time Magazine» sie im Dezember 2023 zur Person des Jahres kürte und «Forbes» sie zu einer den fünf mächtigsten Frauen der Welt erklärte.

Taylor Swift verfügt über ein Netto­vermögen von über einer Milliarde Dollar, dazu kommen die Rechte an ihren Songs, die ebenfalls bis zu einer Milliarde wert sind. So viel hat noch niemand allein mit der Musik verdient. Die Künstlerin wurde mit unzähligen Preisen behängt und wird auch von der Kritik bewundert. Noch am Sonntag gewann sie in Los Angeles ihren dreizehnten und vierzehnten Grammy, darunter den vierten für das beste Album. Auch das ist zuvor noch niemandem geglückt. Auffälliger­weise dominierten Frauen die ganze Preis­verleihung, was sich auch als Kommentar zu den USA lesen lässt.

Seit Michael Jackson und Madonna hat kein Star mehr die Welt so fasziniert, seit den Beatles hat diese Faszination keinen solchen Überschwang ausgelöst.

Sie bestimmt ihre Karriere selber

Bemerkenswert an dieser Karriere ist die Autonomie der Karrieristin. Denn Taylor Swift macht ihren Job zu eigenen Bedingungen. Also nicht als singende Dekoration und blosse Männer­fantasie. Sie schreibt ihre Songs selber, und zwar mit cleveren und auch witzigen Texten; sie gibt schlagfertige Interviews, brilliert auf der Bühne und in ihren Videos. Und nimmt, weil sie mit der Produktion nicht zufrieden war, gegen den Willen ihrer Platten­firma jedes ihrer Alben neu auf – die sich nun noch viel besser verkaufen als die Originale. Ihre Musik ist nicht frei von Künstlichkeit und besingt die Gefühle auf kühle Weise. Aber niemand kann bestreiten, dass diese Musikerin grosse Talente hat. Und viele junge Frauen inspiriert, die sich sehr stark mit dieser so erfolg­reichen, so unabhängigen Frau identifizieren.

Ausserdem hat sich Taylor Swift im letzten Herbst in Travis Kelce verliebt. Der wuchtige American Footballer spielt bei den Kansas City Chiefs im Angriff spiel­entscheidend mit. Zum vierten Mal in fünf Jahren hat sich seine Mannschaft für die Superbowl qualifiziert. Das diesjährige Final­spiel, der wichtigste Sport­anlass der USA, wird am 11. Februar vor einem Millionen­publikum ausgestrahlt.

Gefeiert, als wären sie Prinz und Prinzessin: Travis Kelce und Taylor Swift nach einem Spiel der Kansas City Chiefs. Patrick Smith/Getty Images

Seit Taylor Swift im Stadion die Spiele von Kelce verfolgt, wird praktisch jede ihrer Reaktionen live übertragen, jeder Kuss zwischen den beiden schafft es auf die Front­seiten. Allein die Frage, ob die Sängerin es nach ihrem Konzert in Tokio rechtzeitig zur Superbowl schafft, die wenige Stunden später in Las Vegas ausgetragen wird, wird seit Wochen diskutiert. Ausserdem hat Swifts Beziehung dazu geführt, dass sich viel mehr junge Frauen für American Football interessieren: Gemäss der National Football League haben noch nie so viele Frauen die Spiele verfolgt wie aktuell.

Seit die Liebes­beziehung bekannt wurde, wird das Paar in den USA gefeiert, als wären sie Prinzessin und Prinz. Mit ihrer Beziehung verkörpern Swift und Kelce die Vermählung der beiden grössten Unterhaltungs­branchen Amerikas: Pop und Sport.

Panik bei den Republikanern

Doch das gefällt nicht allen. Jetzt, wenige Tage vor der Superbowl, sieht sich die Sängerin einer Kampagne ausgesetzt, die selbst für amerikanische Verhältnisse extrem wirkt. Geschürt wird sie von der Republikanischen Partei, dem Präsidentschafts­kandidaten Donald Trump und dem Fernseh­sender Fox News. Sie verbreiten auf allen Kanälen Verschwörungs­theorien, deren Ausfälligkeit zunehmend wahnhafte Züge trägt.

So wird unter anderem behauptet, Swift wolle über die Superbowl die amerikanischen Wahlen im demokratischen Sinn beeinflussen; der Finalsieg der Mannschaft ihres Boyfriends sei bereits festgelegt; sowieso sei die Beziehung der beiden inszeniert, um demokratisch Wählende zu gewinnen; sie selbst sei eine Agentin des Pentagons, würde von ihm kontrolliert und zur psychologischen Kriegs­führung eingesetzt; obwohl sie immer mit Männern ausging, sei Taylor Swift in Wahrheit lesbisch, worauf schon ihr Engagement für Trans­menschen, Schwule und Lesben hindeute. Vereinzelt wird zu einem heiligen Krieg gegen die Künstlerin aufgerufen.

Es erstaunt nicht, dass Fox News sich mit dringenden Appellen an die Sängerin richtet, sich «aus der Politik fernzuhalten, denn wir wollen dich dort nicht haben»; würde sie Biden unterstützen, sagt der Sender voraus, werde sie Millionen von Fans verlieren.

Dass die Republikaner sich dermassen aufregen, überdeckt eine andere Reaktion: nicht Wut, sondern Panik. Taylor Swift hatte sich schon bei den letzten Wahlen für Joe Biden ausgesprochen und zuvor Barack Obama unterstützt. Zudem bezeichnet sie sich als Feministin, feiert die sexuelle Toleranz, engagiert sich philanthropisch, motiviert ihre Fans zur Wahl­beteiligung und hat Donald Trump wiederholt kritisiert. «Ich möchte auf der richtigen Seite der Geschichte stehen», sagte sie in einer Dokumentation über sie.

Als arische Göttin verehrt

Doch es war lange nicht klar, wo sich Taylor Swift politisch positioniert. Es sei nicht ihre Aufgabe, sagte sie in Interviews, ihre Fans zu belehren. Das taten andere für sie, als Donald Trump zum ersten Mal für die Präsidentschaft kandidierte. Der «Daily Stormer», eine national­sozialistische Website, nannte Swift eine «reine arische Göttin und heimliche National­sozialistin», die nur darauf warte, dass Donald Trump ihr die Sicherheit biete, der Welt ihre arische Agenda zu verkünden. Auch «Breitbart News», die von Steve Bannon befeuerte rechts­extreme Website, stand schwer auf Taylor Swift. Kein Wunder, dass Donald Trump sie grossartig fand.

Während Trumps Präsidentschaft realisierte die Umworbene die Folgen ihrer politischen Abstinenz, die sie bis heute bereut. Damals habe sie jedes Mal Applaus bekommen, zitiert sie das Magazin «Variety», wenn sie gesagt habe, «ich bin 22 Jahre alt, und die Leute wollen nicht wissen, was ich zur Politik finde». Nachdem die extreme Rechte sie zu verein­nahmen versucht hatte, reagierte die Künstlerin darauf, spät, aber energisch. Sie bekannte sich zu liberalen Werten, gegen die Republikaner und distanzierte sich im Interview mit der Musik­zeitschrift «Rolling Stone» scharf von rechts­extremen Überzeugungen; diese seien krank, sagte sie.

Taylor Swifts Worte haben Gewicht: Als die Sängerin im September 2023 ihre Follower auf Instagram aufforderte, sich zum Wählen registrieren zu lassen, folgten 35’000 ihrem Aufruf. Sollte sie sich jetzt wieder für Joe Biden aussprechen, würden gemäss einer «Newsweek»-Umfrage viele ihrer Fans für ihn stimmen. Das wären potenziell Millionen neue junge Stimmen für den amtierenden alten Präsidenten – mit ein Grund, warum die Republikanerinnen dermassen ausser sich sind. Bereits sind Gerüchte zu hören, der Demokrat könnte kurz vor der Wahl an einem Konzert der Sängerin auftreten und ihre Unterstützung live zugesprochen bekommen. Biden könnte wohl auch ohne Swift gewinnen, aber sie würde ihm enorm dabei helfen.

Der Rock ’n’ Roll mag keine Republikaner

Sowieso bekundet die Republikanische Partei seit Jahrzehnten grosse Mühe, Kultur­schaffende für ihre Anliegen zu gewinnen. Es gibt deutlich weniger bekannte Sängerinnen, Regisseure oder Schau­spielerinnen, Maler oder Schrift­stellerinnen, die republikanisch wählen. Und noch viel weniger Rock­musiker, welche die Partei unterstützen.

Das geht so weit, dass Donald Trump bei seinen Wahl­auftritten zwar Songs der Rolling Stones, von Adele, Aerosmith, Bruce Springsteen, Creedence Clearwater Revival, Elton John und vielen anderen abspielen liess, sich aber alle Musikerinnen explizit und öffentlich dagegen verwahrten. Schon Ronald Reagan hatte 1984 versucht, «Born in the USA» von Bruce Springsteen für seine Politik zu instrumentalisieren. Der Republikaner George H. W. Bush verwendete «Don’t Worry, Be Happy» von Bobby McFerrin, Mitt Romney setzte auf «We Are the Champions» der Gruppe Queen, sein Kollege John McCain auf «Take a Chance on Me» von Abba. Nur wollte sich keine Band und kein Musiker zur Partei bekennen. Der republikanische Hass auf Taylor Swift hat also auch damit zu tun, dass man sie selber nicht bekommt.

Die Verfassung machts möglich

Dass der Meinungs­kampf mit dermassen aggressiven Unter­stellungen geführt wird, hat einen historischen Grund; er gründet im modernsten Beschluss der amerikanischen Verfassung. Denn schon 1789 schrieben die Gründer­väter Amerikas im ersten Zusatz der constitution das Recht auf die freie Rede fest. Dieses wird, neben dem Recht auf das Tragen einer Waffe (das zweite Amendment), bis heute bei jeder Gelegenheit zitiert. Beide Zusätze werden in den USA extensiv angewendet.

Vor allem die extreme Rechte hat auf diese Freiheit gesetzt, weil sie früher als alle anderen erkannte, wie gut sich das Internet als Instrument der Propaganda und der Mobilisierung verwenden lässt. Weil man in Amerika alles sagen darf, dürfen Menschen selbst dann ihre Meinungen öffentlich machen, wenn sie die Demokratie abschaffen wollen oder Minderheiten offen bedrohen. Ebenso ungehindert dürfen Verschwörungs­erzählungen und Behauptungen verbreitet werden, die Fakten offen leugnen.

«Bleib der Politik fern», verlangt Fox News von Taylor Swift und behauptet, die Wahl von Joe Biden würde zu einem Chaos führen. Die Frau aus dem Show­geschäft habe keine Ahnung, hinter wen sie sich da stellen würde. Man hört und staunt. Denn es war derselbe Sender, der viele Jahre lang einen Politiker mit seiner Propaganda belohnte, der als Medien­prominenter gewirkt hatte, in Filmen als sich selber auftrat und sich in der New Yorker Gesellschaft herumtrieb. Er heisst Donald Trump.

Zum Autor

Jean-Martin Büttner ist freier Autor und lebt in Zürich. Er promovierte über «Sänger, Songs und triebhafte Rede» und veröffentlichte das Buch «Anfänge. Und so weiter».

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