Einfach noch ein bisschen liegen bleiben. 2023 The Ted Spagna Project & Estate

«Wir können ja keinen Winterschlaf machen»

Ein Drittel seines Lebens verbringt der Mensch mit Schlafen. Was macht er da eigentlich? Ein Gespräch mit der Schlaf­forscherin Christine Blume.

Von Cornelia Eisenach und Stefanie Müller-Frank, 25.11.2023

Vorgelesen von Egon Fässler
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Frau Blume, im Zug auf dem Weg zu Ihnen sind wir fast eingeschlafen. So geht es uns gerade die ganze Zeit. Bilden wir uns das ein oder macht uns diese Jahreszeit wirklich müde?
Sie sind da nicht allein. Ich bekomme im Herbst immer Anfragen von Journalistinnen wegen Winter­müdigkeit. Und im Frühjahr wegen Frühjahrs­müdigkeit. Ich sage dann: Hey, ihr habt euch doch vor einem halben Jahr schon mal gemeldet.

Heisst das, wir sind dauerhaft müde und merken es zu bestimmten Anlässen einfach stärker?
Das ist möglich. Aber wissenschaftlich gesehen ist es so, dass sich je nach Jahreszeit die innere Uhr verändert. Aus Studien mit Menschen, die man im Sommer und im Winter zum Zelten in die Rocky Mountains geschickt hat, weiss man: Die innere biologische Nacht dauert unter natürlichen Licht­bedingungen im Winter ungefähr vier Stunden länger als im Sommer.

Vier Stunden? Das ist ein Riesen­unterschied. Und zu Hause schalten wir einfach das Licht an – und tricksen damit die innere Uhr aus.
Zumindest teilweise, ja. Trotzdem geben Menschen in Studien immer wieder an, dass sie im Winter ein erhöhtes Schlaf­bedürfnis haben. Aber wir können ja keinen Winter­schlaf machen.

Zur Person

Annette Mueck/NaWik

Christine Blume ist Schlaf­forscherin und Therapeutin für Schlaf­störungen am Zentrum für Chronobiologie der Universität Basel. Die promovierte Psychologin forscht zu den Auswirkungen von Tages­licht und körperlicher Aktivität auf die innere Uhr des Menschen. Im Podcast «Über Schlafen» klärt sie jede Woche eine Frage zum Thema.

Warum eigentlich nicht?
Das ist eine gute Frage, sie lässt sich wissenschaftlich aber nicht wirklich beantworten. Vermutlich brachte ein Winter­schlaf für den Menschen im Laufe der Evolution schlicht keine Vorteile.

Schade.
Der Mensch ist ja eine Spezies, bei der wahnsinnig viel Energie für die Versorgung von Kindern draufgeht. Selbst wenn man am Anfang des Sommers ein Kind auf die Welt bringt, ist es im Oktober noch lange nicht so weit, dass es selbst­ständig überleben kann. Die Eltern können zwangsläufig keinen Winter­schlaf machen. Aber man kann sich fragen: Sollte ich mir im Winter nicht einfach mehr Schlaf gönnen und eine halbe Stunde länger schlafen?

Schaffen Sie das?
Ja. Nein. Ich versuche, auf meinen Körper zu hören. Aber ich glaube, uns fehlt manchmal die Sensibilität für diese inneren Vorgänge und Bedürfnisse. Man gesteht sich vielleicht gar nicht zu, dass sich das Bedürfnis nach Schlaf im Laufe der Jahres­zeiten ändert. Genauso im Laufe des Menstruations­zyklus, ja im Laufe des ganzen Lebens.

Unser Schlaf hat etwas mit dem Zyklus zu tun?
Ja, genau. Wenn man Frauen nach ihrem Schlaf befragt, sagen die meisten, dass sie kurz vor der Menstruation schlechter schlafen und rund um den Eisprung besser.

Napoleon soll gesagt haben, vier Stunden schläft der Mann, fünf die Frau, sechs ein Idiot.
Dann bin ich eine absolute Vollidiotin.

Er ist aber nicht allein. Das «Wall Street Journal» hat den Begriff von der schlaflosen Elite geprägt. Wir alle kennen Menschen, die ernsthaft von sich behaupten, dass ihnen vier Stunden Schlaf reichen. Kann das stimmen?
Es gibt in der Natur fast nichts, was es nicht gibt. Und es gibt Menschen, die wirklich sehr wenig Schlaf brauchen. Das sind sogenannte Kurz­schläfer. Das kommt meistens familiär gehäuft vor. Was nahelegt, dass es eine genetische Komponente gibt. Bei diesen Menschen laufen die Prozesse, für die ein Durchschnitts­gehirn wie meines acht Stunden braucht, wohl einfach effizienter oder schneller ab. Und diese Menschen kommen dann eben auch mit weniger Schlaf aus.

Die schlafen effizienter?
Genau.

Wie viele sind das ungefähr?
Man schätzt rund 1 bis 3 Prozent der Bevölkerung. Aber ich will mich da zahlen­mässig nicht festlegen, weil bei so kleinen Fallzahlen die Schätzungen ungenau werden. Es sind jedenfalls sehr wenige Menschen.

Angela Merkel behauptete von sich, dass sie Schlaf speichern könne wie ein Kamel Wasser. Also dass sie einige Tage mit ganz wenig Schlaf auskomme. Danach schlafe sie zehn, zwölf Stunden am Stück und sei wieder fit.
Also wenn jemand von sich sagt, ich komme mit vier Stunden Schlaf die Nacht aus, dann ist eine gesunde Skepsis angebracht. Diese Menschen gibt es, aber sie sind sehr, sehr selten. Ich persönlich habe, soweit ich weiss, noch nie so jemanden getroffen. Und nein, Schlaf speichern oder «vorschlafen» kann man nicht.

Wie viel Schlaf ist denn genug?
Schlafexperten empfehlen sieben bis neun Stunden pro Nacht.

Und was passiert, wenn ich regelmässig zu wenig schlafe?
Das geht natürlich auf die Leistungs- und vor allem die Reaktions­fähigkeit. Wer vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen hat, der hat so eine lange Reaktions­zeit wie bei einem Promille Alkohol im Blut. Wir testen solche Reaktions­zeiten auch im Labor.

Im Schlaflabor?
Ja. Bei einem typischen Test muss man ein Fixations­kreuz beobachten. In unregelmässigen Abständen geht das Fixations­kreuz weg und ein Timer fängt an zu laufen. Immer wenn das passiert, muss man eine Taste drücken. Ist man nicht schnell genug, kommt ein lauter Ton. Das passiert den Probandinnen, die eine Nacht nicht geschlafen haben. Sie sagen: Ich habe es einfach nicht gesehen, dass das Ding weg ist. Unsere Aufmerksamkeit ist also gestört, wenn wir zu wenig schlafen.

Trotzdem wird Schlaf oft als Zeit­verschwendung gesehen.
Wir wissen, dass Schlaf keine ungenutzte Zeit ist, sondern essenziell für einen gesunden Körper. Dazu gehört auch ein funktionierendes Immun­system. Es gibt zum Beispiel zwei Studien, für die man Probanden Schnupfen­viren in die Nase gesprüht hat. Zuvor hatte man aufgezeichnet, wie lange sie in den zwei Wochen davor geschlafen hatten. Diejenigen mit weniger als sieben Stunden Schlaf hatten ein deutlich höheres Risiko, einen Schnupfen zu bekommen, als diejenigen, die mindestens acht Stunden geschlafen hatten. Es gibt auch einige Studien zum Impfen. Der Effekt des Impfens, ob das jetzt Anti­körper sind oder andere Immun­zellen, fällt auch lang­fristig deutlich stärker aus, wenn man in der Nacht nach der Impfung ausreichend schläft.

Je weniger man schläft, desto kürzer lebt man. Stimmt das?
Ja, in der Tendenz ist es schon so, dass Menschen, die kürzer schlafen, auch weniger lang leben.

In der Schweiz gibt fast ein Viertel der Menschen an, dass sie «mittlere» Schlaf­störungen haben. Was ist damit gemeint?
Da sprechen wir über Menschen, die über relevante Schlaf­probleme klagen. Das ist aber noch keine Insomnie, keine pathologische Ein- und/oder Durchschlaf­störung.

Und wann spricht man von einer Insomnie?
Wenn die Schlaf­störung mindestens vier Wochen lang an mindestens drei Nächten pro Woche auftritt. Es reicht aber nicht aus, wenn man sagt: Okay, ich schlafe zwar schlecht, aber eigentlich merke ich sonst davon nichts. Sondern es muss auch am Tag relevante Beeinträchtigungen geben – zum Beispiel in der Leistungs­fähigkeit, der Konzentrations­fähigkeit. Dazu zählt oft auch eine beeinträchtigte Stimmung oder sozialer Rückzug aufgrund von Schlaf­problemen. Charakteristisch ist auch, dass Schlaf zum zentralen Thema für die Menschen wird. Es dreht sich alles nur noch um den Schlaf.

Sie arbeiten auch als Schlaf­therapeutin. Mit welchen Beschwerden kommen die Menschen zu Ihnen?
Ganz unterschiedlich. Sie sagen: Ich kann mich im Job nicht mehr konzentrieren. Ich habe Angst, dass ich nicht mehr die Leistung bringe, weil ich merke, die Aufnahme­fähigkeit lässt nach. Ausserdem wird die Stimmung schlechter, man ist reizbarer oder zieht sich sozial zurück. Also dass ich das Gefühl habe, beim Volleyball im Team, da können sie auch gut auf mich verzichten, ich bin gerade eh keine gute Gesellschaft und will ihnen nicht die Laune verderben.

Wenn jemand zu Ihnen kommt und sagt: Ich gehe um 23 Uhr ins Bett und schlafe gut ein. Dann wache ich um 2 Uhr das erste Mal auf, gehe kurz aufs WC und lege mich wieder ins Bett. Dann schlafe ich ein, wache aber immer wieder auf, bis es um 5 Uhr dann einfach nicht mehr geht.
Und dann liegt man aber bis um 7 Uhr noch im Bett und versucht, doch noch mal einzuschlafen. Das ist ein recht klassischer Fall einer Durchschlaf­störung.

Und was machen Sie dann?
Was man sich zunächst mal anschauen würde: Wie lange ist die Zeit, die im Bett verbracht wird? Und wie lange ist die gefühlte Schlaf­dauer? Wenn wir von dem Beispiel ausgehen, sind es acht Stunden im Bett, von 23 bis 7 Uhr. Der tatsächliche Schlaf hat aber vielleicht nur fünf­einhalb Stunden gedauert. Dann hat man natürlich schon mal eine relativ grosse Diskrepanz zwischen Zeit im Bett und Schlaf­dauer. Was im Umkehr­schluss bedeutet, es wird relativ viel Zeit wach im Bett verbracht.

Ist das schlimm?
Na ja, aus unserer kognitiv-verhaltens­therapeutischen Perspektive führt das dazu, dass das Bett als Objekt nicht mehr mit Schlaf in Verbindung gebracht wird, sondern mit dem Wachsein – und mit Sorgen oder Ängsten. In diesem Fall würden wir die Patientinnen dazu ermutigen, sich auf ein Experiment einzulassen und wirklich nur noch sechs Stunden im Bett zu verbringen. Weil diese sechs Stunden natürlich nicht ausreichen, führt das dazu, dass sie sehr müde werden und dann hoffentlich besser durch­schlafen können. Der Schlaf wird quasi komprimiert.

Können Sie objektiv messen, ob jemand in der Nacht tatsächlich wach liegt?
Ja, aber das ist gar nicht so wichtig, denn wir behandeln das Gefühl. Und wir behandeln auch die gefühlte Wachheit oder den gefühlten Schlaf. Unser Leitkriterium ist also die Schlaf­qualität und das Wohl­befinden am Tag. Wir schicken natürlich auch Personen zur Untersuchung ins Schlaflabor.

Und wenn da nichts rauskommt?
Es kann sehr entlastend sein, zu erfahren, dass man doch mehr geschlafen hat, als man das Gefühl hatte. Aber wir brauchen diese Messungen nicht unbedingt. Handlungs­leitend für uns ist der wahrgenommene Schlaf.

Ist es also auch dann eine Insomnie, wenn man sich die Schlaf­störung nur einbildet?
Dass man etwas nicht objektiv messen kann, heisst nicht, dass man es sich einbildet. Die Tatsache, dass der objektiv gemessene Schlaf nicht mit der subjektiven Wahrnehmung übereinstimmt, ist sogar ein häufiges Symptom der Insomnie. Allein diese Situation, in der Nacht wach zu liegen und nicht einschlafen zu können, ist wahnsinnig belastend. In der Nacht fehlt ja jeder Sinnes­eindruck, der irgendwie ablenken könnte. Ich kann meine Ängste nachts auch mit niemandem teilen. Und dann werden sie einfach übermächtig.

Wann ist die Therapie geglückt?
Am Ende der Therapie kann es sein, dass die Patienten effektiv gar nicht so viel mehr schlafen. Aber sie sagen, dass der Leidens­druck weniger geworden ist, weil sich die Wahrnehmung des Schlafs geändert hat. Oder sie vielleicht gelernt haben, die Schlaflosigkeit zu akzeptieren oder anders damit umzugehen. Also dass sie sich zum Beispiel früh­morgens die Zeit im Bad nehmen oder in Ruhe eine Tasse Kaffee trinken, bevor die Familie aufwacht.

Manche Patientinnen brauchen sicher auch Medikamente, oder?
Manchmal geht es nicht ohne Schlaf­medikamente, klassisch also zum Beispiel Benzodiazepine. Aber Medikamente sind eine rein symptomatische Behandlung. Bei Insomnie ist die kognitive Verhaltens­therapie kurzfristig so wirksam wie Medikamente und langfristig sogar deutlich überlegen.

Können Sie das beziffern?
Bei der kognitiven Verhaltens­therapie bei Insomnie erleben 80 Prozent der Patienten eine Verbesserung ihrer Symptome. Bei 40 bis 50 Prozent ist die Therapie so wirksam, dass sie nachher die Insomnie­kriterien nicht mehr erfüllen. In Langzeit­studien zeigt sich, dass diese Therapie­form auch nach zehn Jahren noch wirkt.

Was kann man tun, wenn man zwar nicht an einer krankhaften Insomnie leidet, aber einen das Gedanken­kreisen am Einschlafen hindert?
Ich kann mir überlegen, einen anderen Umgang mit meinen Gedanken zu finden.

Sie sagen das so einfach.
Man könnte sich zum Beispiel am Abend eine halbe Stunde Zeit nehmen für die eigenen Gedanken und Sorgen und sie vielleicht sogar aufschreiben.

Wie hilft das gegen die Gedanken­schleifen?
Die Hoffnung ist, dass sie dann in dem Moment, in dem man ins Bett geht und einschlafen will, nicht mehr so viel Raum einnehmen. Wenn sie dann trotzdem kommen, kann man sich vorstellen, dass man jeden Gedanken auf eine Wolke setzt und davon­ziehen lässt.

Muss man die Wolken auch zählen, so wie die Schäfchen?
Nein, lieber nicht. Es gibt tatsächlich auch eine Studie, die zeigt, dass Schäfchen­zählen nicht so gut funktioniert.

Wo wir gerade bei den Grundsatz­fragen sind: Warum schlafen wir überhaupt?
Ich glaube, wenn Menschen das fragen, möchten sie eine Antwort, die es nicht gibt. Schlafen gehört zum Leben wie das Wach­sein. Und beides braucht man in ausreichender Quantität und Qualität. Es ist, als würde man fragen: Warum sind wir überhaupt wach?

Sie haben doch gesagt, der Schlaf ist enorm wichtig für das Immun­system.
Genau, im Schlaf wird quasi ein Reinigungs­trupp durch den Körper geschickt. Das Immun­system löscht zudem Entzündungs­prozesse, die einfach durch die Aktivität am Tag ausgelöst werden. Auch Stoffwechsel­produkte, die durch die Nervenzell­aktivität entstehen und die uns übrigens auch müde machen, werden im Schlaf aus dem Gehirn ausgeschwemmt. Diese Wieder­herstellung des Normal­zustandes ist ein wichtiger Aspekt von Schlaf.

Ein Reset?
Ja. Neben den positiven Effekten auf das Immun­system wirkt Schlaf auf den Stoff­wechsel. Menschen, die in Schichten arbeiten und eher unter Schlaf­problemen leiden, haben zum Beispiel deutlich häufiger Stoffwechsel­krankheiten wie Diabetes Typ 2 oder Adipositas. Und der Schlaf hat auch eine ganz wichtige Wirkung für das Lernen. Deswegen müssen Kinder so viel schlafen, weil sie jeden Tag etwas Neues dazulernen. Schlaf wirkt auf die Gedächtnis­bildung.

Diese Vorstellung, dass unser Gehirn im Schlaf so eine Art Defragmentierung der Festplatte macht, ist die korrekt?
Ja, Gedächtnis­spuren, die am Tag entstehen, werden umgewandelt und verlagert. Am Tag kommt alles in so eine Art Kurzzeit­speicher, und dann wird das im Schlaf verschoben, sortiert und vielleicht noch mal in ein anderes Datei­format umgewandelt, das dann auch langfristig besser abgespeichert werden kann.

Wir würden Ihnen zum Abschluss gerne noch ein paar Ratgeber­fragen stellen.
Alles klar, die Partyfragen.

Snoozen – lieber nicht?
Es gab lange Zeit keine richtig gute Forschung dazu. Nur ein paar Vermutungen, warum das nicht so empfehlenswert sein könnte. Aber ich snooze trotzdem.

Warum?
Ich glaube, es hilft mir beim Aufwachen. Ich schlafe dann auch gar nicht mehr unbedingt ein bis zum nächsten Wecker­klingeln neun Minuten später. Manchmal bin ich nach sechs Minuten oder so einfach wach.

Und was sagt die Wissenschaft?
Es gibt eine neue Studie, die das erste Mal Snoozen im Schlaf­labor untersucht hat. Die Probandinnen waren habituelle Snoozer. Die Forscherinnen haben sie einmal snoozen lassen und einmal nicht. Sie haben heraus­gefunden, dass die Probanden, obwohl sie eine halbe Stunde lang gesnoozt hatten, in dieser Zeit tatsächlich noch dreiundzwanzig Minuten geschlafen haben. Und bei neuro­psychologischen und kognitiven Tests, die die Snoozerinnen direkt nach dem Aufstehen lösen mussten, haben sie sogar besser abgeschnitten, als wenn sie ohne Snooze-Taste direkt aufgestanden wären.

Ist ja verrückt!
Ja, Snoozen kann also gerade denjenigen, die sich mit dem frühen Aufstehen schwertun, helfen, etwas sanfter aufzuwachen.

Was ist mit Handy im Bett?
Es gibt da zwei Perspektiven. Licht, insbesondere kurz­welliges Licht, das man manchmal auch «blaues» Licht nennt, hat das Potenzial, der inneren Uhr zu signalisieren: Hey, es ist noch gar nicht Nacht, es ist Tag. Und dieses Potenzial haben auch Handy­bildschirme, da ihr Licht einen recht hohen kurz­welligen Anteil enthält, so wie andere LED-Lampen auch.

Dieses Licht könnte uns also wach halten.
Ja, aber heutzutage reduzieren die Handy­displays relativ automatisch die Helligkeit. Die meisten haben einen Nacht­modus, wo das Licht orange wird und diese kurzwelligen Anteile reduziert werden. Dieser Aspekt fällt oft also vermutlich gar nicht so ins Gewicht.

Aber?
Die Frage ist, was wir am Abend mit dem Handy machen. Wenn man durch Instagram oder ähnliche Apps scrollt, dann fällt es uns schwer, das Handy wegzulegen. Die Apps sind ja so gemacht. «Kurz die Kanäle checken» heisst dann eben eine Viertel­stunde weniger schlafen.

Bei Vollmond schlafen wir schlechter. Ja oder nein?
Jein.

Jein?
Okay. Es steht zwei zu eins für den Effekt von Vollmond momentan.

Erklären Sie uns den Spielstand.
Es gibt drei relevante Studien zu dem Thema. Zwei davon stammen aus der Schweiz. In einer zeigte sich, dass die Probanden rund um den Vollmond kürzer schliefen. Die andere Studie fand, der Mond habe keinen Effekt.

Dann kommt jetzt der match point.
Genau. Das ist eine aktuelle Studie von Forscherinnen aus den USA. Sie haben drei Gruppen untersucht: eine sehr ländlich lebende Bevölkerung, ohne Zugang zu künstlichem Licht, eine Bevölkerungs­gruppe, die ländlich lebt, aber mit künstlichem Licht, und eine städtische Bevölkerungs­gruppe aus Seattle. Es zeigte sich ein gradueller Einfluss: Je weniger künstliches Licht oder je näher an der Natur, desto grösser der Einfluss des Mondes. Wenn der Mond einen Einfluss hatte, so war der Schlaf kurz vor Vollmond am kürzesten.

Power napping während des Tages, ja oder nein?
Ja, wenn man keine Schlaf­probleme hat.

Wie geht es am besten?
Nicht länger als zwanzig Minuten, möglichst früh am Nachmittag.

Hörbuch zum Einschlafen, ja oder nein?
Eher nicht. Aber bei wem das als Strategie funktioniert, okay. Es sind keine Neben­wirkungen bekannt.

Schlaftracker, ja oder nein?
Ach, egal. Solange man sich nicht dadurch stressen lässt.

Melatonin-Präparate, ja oder nein?
Für die allermeisten Menschen: nein.

Der spannendste Fakt zum Schlafen?
Es gibt diesen Glasfrosch, der einen Grossteil des Blutes in seiner Leber versteckt, damit er am Tag, wenn er schläft, nicht so leicht zur Beute wird. Das ist total abgefahren.

Noch mal zum Mitschreiben: Wie viel Schlaf brauchen wir?
Für die meisten Erwachsenen sind sieben bis neun Stunden konsolidierter Nacht­schlaf das Ideal.

Sie klingen nicht so überzeugt …
Eine schönere und vielleicht auch hilfreichere Perspektive ist: Schlaf scheint so wichtig zu sein für unser Überleben und das gesunde Funktionieren unseres Organismus, dass es da durchaus eine gewisse Flexibilität gibt.

Ah ja?
Der Historiker Roger Ekirch hat über 2000 historische Quellen aus verschiedenen Kulturen analysiert, in denen über ein biphasisches Schlaf­muster berichtet wurde. Das heisst, es gibt Hinweise darauf, dass die Menschen bis ins späte Mittelalter in zwei Phasen schliefen. Sie gingen etwa gegen 19 Uhr ins Bett, schliefen vier Stunden, waren dann eine Zeit lang wach, bevor sie sich wieder hinlegten und ein zweites Mal schliefen.

Hatten die auch Schlaf­störungen? Also lagen sie wach und haben Gedanken gewälzt?
Da werden ganz unterschiedliche Dinge berichtet. Entweder hatten sie Sex, oder sie sind aufgestanden und haben noch mit den Nachbarn gequatscht oder etwas geraucht. Und dann sind sie einfach wieder schlafen gegangen.

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