Challenge Accepted

Mit der Hoffnung hat sich alles geändert

Angst, Wut, Trauer, Schuld – wir brauchen all diese Gefühle, um mit der Klimakrise klarzukommen. Aber nur wenn wir sie mit Hoffnung paaren, können wir etwas bewegen.

Von Hannah Ritchie (Text) und David Bauer (Übersetzung), 07.11.2023

Vorgelesen von Miriam Japp
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Aus dem Langzeit­projekt «And When You Look Closely» der Fotografin Anne Gabriel-Jürgens über die Ökosysteme der globalen Küsten. Im Bild links die Everglades in Florida, rechts eine Schutzmauer (mit Katze) auf Mallorca.

Ich bin optimistisch, dass wir die Klimakrise in den Griff bekommen.

Seit ich das so sehe, weiss ich besser, was ich selber tun kann.

Mein Optimismus wird oft missverstanden. Als würde ich sagen: «Entspannt euch, es kommt schon alles gut.» Als würde ich Angst und Besorgnis anderer Menschen nicht ernst nehmen. Als wäre ich, wenn ich für eine hoffnungsvolle, optimistische Grund­haltung plädiere, frei von negativen Gefühlen.

Das Gegenteil ist wahr.

Mein Grundgefühl ist das einer tiefen Besorgnis. Ich bin besorgt und beunruhigt beim Gedanken an die Zukunft, die wir erschaffen und künftigen Generationen hinterlassen, wenn wir uns der Heraus­forderung nicht entschlossener stellen. Dieses Gefühl lässt mich nie los, und das schon praktisch mein ganzes Leben lang. Trübt das meine Grund­stimmung und meine psychische Verfassung? Auf jeden Fall.

Dazu kommen viele weitere ungute Gefühle:

Ich bin wütend und fühle mich betrogen, weil die Verantwortlichen nicht schnell genug handeln. Ich bin traurig, wenn ich über eskalierende Wald­brände und Hitze­wellen schreibe. Ich fühle mich schuldig, wenn ich darüber schreibe, wie jene, die am wenigsten zur Klimakrise beitragen, am stärksten unter ihren Auswirkungen leiden.

Noch vor zehn Jahren war ich gefangen in einer Spirale negativer Gefühle: Ich war wütend, traurig, schuld­bewusst und ständig in Sorge. Ich hatte keine Hoffnung, dass sich die Dinge ändern könnten. Ich war wie gelähmt, nicht in der Lage, meine Gefühle in positives Handeln umzuwandeln.

Das hat sich geändert, seit auch Hoffnung mit im Spiel ist.

Die Hoffnung, die ich heute verspüre, ist aber keine naive Hoffnung.

Ich halte mich für einen ziemlich pragmatischen Menschen. Ich versuche, mich auf Lösungen zu konzentrieren und mich von Ideologien fern­zuhalten. Gegen Hypes bin ich weitgehend immun.

Was mich optimistisch stimmt, dass wir Wege aus der Krise finden werden, sind Zahlen und Fakten.

Noch vor zehn Jahren sah es nicht danach aus, als könnten wir den Klima­wandel in den Griff bekommen. Grüne Technologien waren teuer. Die Regierungen dieser Erde waren unglaublich untätig. Investitionen in eine bessere Zukunft waren spärlich. Es bestand wenig Hoffnung, dass reiche Länder das Nötige tun würden, ganz zu schweigen von aufstrebenden Nationen.

Seitdem hat sich vieles dramatisch verändert. Solar- und Wind­energie setzen sich durch, Elektro­fahrzeuge ebenso. Ihre Preise sind drastisch gesunken. Sie werden nicht nur in den reichen Ländern, sondern auch in den Ländern mit mittlerem Einkommen gross­flächig eingesetzt. Regierungen und Firmen setzen sich für mehr Klimaschutz ein.

Natürlich geschieht das alles nicht annähernd so schnell, wie es müsste. Der Pfad, auf dem wir uns befinden, bleibt furcht­einflössend.

Doch was wir uns vor Augen halten sollten: Innert eines Jahrzehnts hat sich vieles zum Besseren verändert – und das, obschon sich die meisten Regierungen und Firmen nur halb­herzig engagiert haben. Stellen wir uns vor, was möglich wird, wenn wir uns wirklich dazu verpflichten, das Ruder herumzureissen.

Wenn ich sage, dass ich Hoffnung für ein taugliches Gefühl halte, um den Wandel voran­zutreiben, so will ich damit nicht sagen, dass sie alleine ausreicht. Tut sie nicht. Hoffnung allein ist praktisch nutzlos.

Die meisten von uns brauchen Angst, Wut und Trauer als call to action. Es waren diese Gefühle, die mich als Kind dazu bewegt haben, mich mit dem Klima­wandel zu beschäftigen.

Auch heute bin ich oft besorgt, ängstlich, wütend und traurig über den Klima­wandel und den Zustand unseres Planeten. Diese Gefühle sind der Situation, in der wir uns befinden, völlig angemessen. Sie sind ein wichtiger Antrieb für entschlossenes Handeln.

Aber was mich morgens aus dem Bett treibt, wofür ich mich Tag für Tag engagiere, ist die Hoffnung, dass wir die Klima­krise überwinden können. Und dass ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann.

Zum Beitrag

Dieser Beitrag erschien erstmals am 28. August 2023 auf Ritchies Blog «Sustainability by Numbers» unter dem Titel «Anger, Sadness, Guilt, Hope: on the Complex Emotions of Climate Change». Wir publizieren ihn leicht gekürzt und überarbeitet.