So bleibt Ihre Spende geheim

Das Gesetz zur Politik­finanzierung, das für die kommenden nationalen Wahlen erstmals gilt, ist löchrig. Wie man viel Geld für den Wahlkampf spenden kann, ohne dabei ertappt zu werden.

Von Philipp Albrecht (Text) und Simone Massoni (Illustration), 07.09.2023

Vorgelesen von Miriam Japp
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Finden Sie, Christoph Blocher ist transparent?

Schliesslich sagte er im Fernsehen, er habe seiner SVP etwa 550’000 Franken gespendet.

Nur: Ausser dem Betrag verrät Blocher nichts Neues. Schliesslich hat er die Partei, die er unterstützt, selbst auf ihren heutigen Kurs gebracht.

Stellen Sie sich nun vor, Sie sind steinreich und wollen in die Politik eingreifen. Deshalb interessieren Sie sich dafür, was Blocher über Partei­spenden sagt. Wie er glauben Sie fest daran, dass Sie Ihre Interessen in Bern gezielter durchbringen, wenn Sie Personen unterstützen, die auf Ihrer Linie sind.

Aber anders als Blocher wollen Sie gar keine Öffentlichkeit. Ihre Kinder und Aktionäre, vor allem aber die Öffentlichkeit, dürfen von Ihrem Polit-Engagement nie etwas erfahren.

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In diesem Text führen wir Beispiele auf, wie sich das neu eingeführte Transparenz­gesetz für die Politik­finanzierung umgehen lässt. Das ist kein Aufruf, die Regeln zu brechen. Doch wir sehen es als unsere Aufgabe an, auf Lücken im Gesetz hinzuweisen.

Dass ab diesem Jahr neue Transparenz­regeln in Kraft sind, kommt Ihnen nicht entgegen. Unerkannt Wahlkämpfe und Kampagnen zu unterstützen, ist nun schwieriger geworden. Erhält etwa eine Kandidatin eine Spende mit einem Wert von über 15’000 Franken, muss die Quelle transparent gemacht werden, sofern das Wahlkampf­budget der Kandidatin 50’000 Franken übersteigt.

Also haben Sie einen Berater engagiert. Beim Lunch hat er Sie gefragt, ob Sie tatsächlich glaubten, Blocher würde nur 550’000 Franken spenden. Zu Ihrer Erleichterung erwartete er keine Antwort.

Beim Dessert machte er deutlich, dass er Ihnen nicht dabei helfen könne, das Gesetz zu brechen. Das lasse seine Berufs­ethik nicht zu. Aber auf die grössten Löcher der Regeln hinweisen, das könne er allemal. Die seien ohnehin offensichtlich. Dann legte er los.

Loch eins: Der Umweg

Gründen Sie einen Verein oder eine Stiftung. Der Zweck dieser Einrichtung sollte die Förderung einer spezifischen Politik sein, etwa einer liberalen oder einer bürgerlichen.

Das gibt es seit vielen Jahren, es half Leuten wie Ihnen, zu vermeiden, Geld direkt in Parteien stecken zu müssen. Die bekanntesten Einrichtungen sind die Freunde der FDP und die SVP-nahe Stiftung für bürgerliche Politik. Aber es gibt auch kleinere, regionale wie das Forum Aargau oder den Bären-Club der SVP Bern.

Vorteil: Die Herkunft des Geldes wird verwässert. Als Spender, der einer Politikerin für ihre Wahl­kampagne mehr als 15’000 Franken gibt, erscheint der Name des Vereins oder der Stiftung. Der Verein selber ist der Transparenz­pflicht nur dann unterstellt, wenn er Spenden über 15’000 Franken erhält, die explizit für den Wahlkampf oder eine bestimmte Abstimmungs­kampagne getätigt wurden.

Nachteil: Grundsätzlich verlangt das Gesetz, dass die Urheberin einer Spende transparent ist. Wenn viel Geld fliesst, weckt das immer das Interesse von neugierigen Menschen. Nehmen Sie sich vor den Journalisten in Acht.

Loch zwei: Das Limit

Stellen Sie sicher, dass das Wahlkampf­budget Ihrer Kandidatinnen 50’000 Franken nicht übersteigt. Laut Gesetz müssen diese dann auch nicht offenlegen, von wem sie Unterstützungen über 15’000 Franken erhalten haben.

Gerade in kleineren Kantonen kosten Wahlkampf­kampagnen selten 50’000 Franken, besonders wenn man auf der Partei­liste ganz oben steht. Im Aargau gibt es SVP-Kandidatinnen, die ein Budget von 46’500 oder 47’000 angeben – also knapp unter besagter 50’000-Franken-Grenze.

Vorteil: Sie können mit 49’995.95 Franken einem Kandidaten praktisch den gesamten Wahlkampf finanzieren.

Nachteil: Solche Beträge sind relativ offensichtlich. Wenn die EFK beweisen kann, dass Ihre Kampagne teurer war als 50’000 Franken, drohen juristische Untersuchungen. Allerdings kann die EFK das nicht alleine machen. Schöpft sie Verdacht, muss sie den Fall der Staats­anwaltschaft übergeben. Solche Untersuchungen können lange dauern. Und die Geldstrafe von maximal 40’000 Franken könnten Sie verkraften.

Loch drei: Das Mandat

Finanzieren Sie Ihrer Kandidatin ein Mandat, etwa im Vorstand eines Branchen­verbands oder im Beirat einer Krankenkasse. Mandate für Politiker gibt es mehr als genug. Genauer: bezahlte Mandate. Sie sind der Schlüssel für unerhört hohe Vergütungen – die idealste Form der Politik­finanzierung.

Vorteil: Die Politikerin muss zwar transparent machen, welches Mandat sie innehat, aber nicht, was sie damit verdient.

Nachteil: Das lohnt sich in der Regel nur bei bereits gewählten Politikern, die wieder­gewählt werden wollen. Unbekannte aus der Regional­politik, die nach Bern wollen, kommen für solche Mandate eher nicht infrage.

Loch vier: Das Timing

Spenden Sie früh genug. Wenn das Geld bis 365 Tage vor der Wahl fliesst, muss es nirgends deklariert werden. Ein Trick, der so simpel wie effektiv ist. Schliesslich wenden ihn bereits die ganz Grossen an: Economiesuisse, Arbeitgeber-, Gewerbe- und Bauern­verband. Unter dem Namen «Perspektive Schweiz» haben sie ihre gemeinsame Kampagne für die Wahlen 2023 am 7. Oktober 2022 gestartet – 16 Tage vor der Transparenz-Deadline.

Vorteil: Hier kann Ihnen weder die Finanz­kontrolle noch die Staats­anwaltschaft etwas anhaben.

Nachteil: Sie müssen früh genug planen. Ein Jahr vor den Wahlen wissen viele noch gar nicht, ob sie kandidieren werden.

Loch fünf: Die Spaltung

Verteilen Sie Ihr Geld. Wenn Sie eine Kandidatin mit 70’000 Franken unterstützen wollen, müssen Sie einfach den Betrag durch fünf teilen und vier Strohmännern 14’000 Franken übermitteln.

Da Sie keine schlafenden Hunde wecken wollen, teilen Sie das Geld in unterschiedlich grosse Beträge auf. Sie wollen ja nicht so offensichtlich handeln wie die SVP mit ihrem «50-Rappen-Trick» in der Stadt Bern. Dort gilt seit Anfang 2022 ein Transparenz­gesetz, das bei Zuwendungen ab 5000 Franken eine Offen­legung der Spender vorgibt. Für die Kampagne zu einer städtischen Abstimmung hat die Partei dort innerhalb weniger Tage drei Spenden in der Höhe von 4999.50 Franken erhalten.

Vorteil: Eine Stückelung der Beträge nachzuweisen, ist besonders schwer. Hier können Sie zudem richtig viel Geld ins System pumpen. Je mehr Strohmänner, desto besser.

Nachteil: Die Fallhöhe ist entsprechend grösser. Erfahren die Medien davon, sind Sie dran. Nicht wegen der drohenden Geldstrafe, sondern wegen der Reputation. Dann erfährt die ganze Schweiz von Ihrer Neben­beschäftigung als Politik­finanzierer.

Ein Kompromiss

Sie und Ihr Berater sind beim Espresso angelangt. Es gebe noch drei oder vier weitere nützliche Löcher im Gesetz, sagt der alte PR-Hase. Aber die seien für Sie nicht wirklich von Belang. Falls Sie Stroh­männer und Mandate bräuchten, könne er Ihnen weiter behilflich sein.

Doch Sie sind mit Ihren Gedanken gerade woanders. Wie kann es sein, fragen Sie, dass ein Parlament derart löchrige Regeln einführt?

Wie so viele andere Geschäfte in der Schweizer Politik seien die Transparenz­regeln ein Kompromiss, antwortet Ihr Gegenüber.

Am Anfang stand eine Volksinitiative mit breiter Unterstützung von der SP bis zur BDP. 2017 wurde sie eingereicht. Später verabschiedete das Parlament einen indirekten Gegen­vorschlag, nämlich das heute geltende Gesetz. Zu einer Volks­abstimmung kam es nie, weil die Initiantinnen ihre Initiative zurück­zogen. Sie hatten dafür gute Gründe: Bei einer Abstimmung wäre neben dem Volks- auch ein Ständemehr nötig gewesen, und das zu erreichen, wäre nicht einfach gewesen. Und selbst wenn die Volks­initiative von der Mehrheit der Kantone und des Volkes angenommen worden wäre, hätte das bürgerlich dominierte Parlament diese bei der Umsetzung wohl komplett zerzaust.

Konkret erhöhte das Parlament beim indirekten Gegen­vorschlag die Melde­grenze von 10’000 auf 15’000 Franken. Dies aber erst bei einem Kampagnen­budget ab 50’000 Franken. Hier gingen National- und Ständerat sogar weiter, als die Initianten ursprünglich verlangt hatten: Sie hatten eine Unter­grenze von 100’000 Franken vorgeschlagen.

Dafür blieben die erwähnten Löcher zurück. Und eine relativ schwache Aufsicht der Finanz­kontrolle. Sie hat für den beträchtlichen Zusatz­aufwand gerade mal drei neue Stellen zugesprochen erhalten – bei einem Personal­bestand von 130.

Dazu kommt: Wenn die Finanz­kontrolle einen Verdacht hat und die Bücher der Parteien kontrollieren will, muss sie ihren Besuch vorab ankündigen. Trifft sie bei der Kontrolle auf Fehler, darf die Partei diese selbst korrigieren. Erst wenn die Partei nichts unternimmt, kann die Finanz­kontrolle bei gröberen Vergehen eine Straf­anzeige erstatten.

Auf ihrer Website listet die Eidgenössische Finanz­kontrolle alle Akteure, Budgets und Zuwendungen über 15’000 Franken auf. Ob die Daten korrekt sind, weiss vor der Wahl niemand. Denn der Bundesrat erlaubte der Finanz­kontrolle nicht, den Hinweis anzubringen, ob die Angaben kontrolliert wurden.

Vor der Wahl am 22. Oktober wird es also kaum Überraschungen geben.

Follow the money heisse es doch immer, sagt der PR-Mann zum Abschied. Aber wie wollen Sie dem Geld folgen, wenn Sie keine Spur haben?

Zur Transparenz

Michel Huissoud, der bis 2022 Direktor der Eidgenössischen Finanz­kontrolle war, ist seit August Teil des Verwaltungsrats der Republik AG und des Vorstands der Genossenschaft Project R. Huissoud hatte sich in seiner ehemaligen Funktion zu den neuen Transparenz­regeln und der Rolle der Eidgenössischen Finanz­kontrolle geäussert. Für diesen Text stand er zu Beginn der Recherche als Auskunfts­person zur Verfügung.

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