Dienstag, 25. April 2023
21 Monate Verfahren, Tausende Franken Anwaltskosten. Übrig bleibt: nichts.
Am Dienstag hat das Bezirksgericht Zürich Republik-Reporter Elia Blülle freigesprochen.
Ihm war vorgeworfen worden, er habe gegen das Gesetz über unlauteren Wettbewerb verstossen und üble Nachrede begangen, als er kritisch über das Gebaren eines ETH-Professors geschrieben hatte. Ausserdem war ihm vorgeworfen worden, Inhalte aus angeblich geheimen Dokumenten veröffentlicht zu haben und damit gegen den sogenannten «Maulkorb»-Artikel verstossen zu haben.
Das Bezirksgericht wies zudem die Zivilklage des ETH-Professors ab und sprach für den Reporter eine Entschädigung in der Höhe von 13’000 Franken. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Der Richter sagte bei der Urteilsbegründung am Dienstagnachmittag: «An den Vorgängen an der ETH gibt es ein grosses Interesse der Öffentlichkeit und insbesondere auch der Steuerzahler.»
Die Republik begrüsst das Urteil des Bezirksgerichts. Co-Chefredaktorin Bettina Hamilton-Irvine spricht von einem «Sieg für die Pressefreiheit»: «Es ist unsere Aufgabe als vierte Gewalt, Macht kritisch zu hinterfragen und auch dort zu recherchieren, wo sonst niemand hinschaut. Und es ist richtig und wichtig, dass wir unsere Arbeit tun können, ohne dafür bestraft zu werden.»
Den ausführlichen Text zum Gerichtsfall lesen Sie hier. Ausserdem, der Beitrag von Elia Blülle: «Eidgenössische Toxische Hochschule».
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Die Liste der Bücher, die es zu lesen lohnt, ist unerschöpflich. Die Frage lautet: Was ist mit denen, die sich aufdrängen, weil gerade alle über sie sprechen?
Auf Trends reagiere ich häufiger mit innerer Ablehnung. Für eine Journalistin ist das ein zweifelhafter Reflex. Doch Aufmerksamkeit ist ein kostbares Gut. Und um mir eine Meinung zu bilden, muss ich Aufmerksamkeit investieren.
Wenns schlecht läuft, schenke ich dann einer Debatte Kraft und Zeit, die ich gar nicht oder anders hätte führen wollen. Einfach, weil sie trendet.
Ausdruck für diesen Zwiespalt sind die Bücher, die ich nicht gelesen habe. Aber vielleicht doch hätte sollen? Aktuelles Paradebeispiel: «Noch wach?» von Benjamin von Stuckrad-Barre. Und was er nun über Mathias Döpfner und Julian Reichelt eventuell geschrieben haben könnte.
Natürlich, ZITATE, Rezensionen, ein Interview, überall. Von denen ich jetzt auch schon wieder (zu) viele gelesen habe. Zum Beispiel soll «Stuckis» neues Werk der «erste deutschsprachige Roman» sein, «der #MeToo literarisch komplex verhandelt», zeigt sich die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» überzeugt. Autsch. (Gegenbeispiele: hier. Und hier.)
Meine Motivation, mich einzulassen, sinkt auf den Gefrierpunkt.
Dabei verfolge ich die Enthüllungen rund um den boys club von Axel Springer aufmerksam. Ich habe dort die Journalistenausbildung absolviert und für mehrere Publikationen des Verlags gearbeitet. Lange, wenn man den Satellit in der Schweiz mitzählt. Mein Interesse hat also, sagen wir, eine persönliche Komponente.
Ich fürchte, ich werde «Noch wach?» darum letztlich doch lesen.
Allerdings nicht, solange das Buch zur #MeToo-Originalrecherche und Harvey Weinstein noch ungelesen auf dem Bücherstapel thront («She said» von den Journalistinnen Jodi Kantor und Megan Twohey). Und nicht bevor ich den gleichnamigen, fantastischen Film von Maria Schrader ein weiteres Mal gesehen habe.
Rede und Gegenrede gibt es auch im Republik-Dialog. Schöner ist es natürlich, wenn alle miteinander sprechen. Dabei stören sich aber manche Verlegerinnen, dass andere sich beteiligen, ohne ihren Namen zu nennen.
Eine Person berichtet im Dialog über monatliche Schmerzen und was ihr dagegen geholfen hat, eine andere Person denkt über die Befindlichkeiten von SVP-Wählern nach, eine weitere erklärt, was der Zürcher «Böögg» ist. So unterschiedlich die Beiträge auch sind, gemeinsam haben sie, dass sich die Autorinnen ohne Klarnamen geäussert haben.
Die Anwesenheit von «Anonym 1» und Co. führt immer wieder zu Irritationen von Mitdebattierern. Warum wir die Möglichkeit, anonym zu schreiben, im Republik-Dialog überhaupt anbieten und daran festhalten möchten, habe ich deshalb vor einem Jahr dargelegt. Drei Punkte sind mir bei diesem Thema besonders wichtig:
Haben Sie sich schon mal gefragt, wer eigentlich bei Ikea diese ganzen Kunstpflanzen kauft? Unsere Autorin kennt die Antwort.
Auch Airbnb hat seine Probleme. In Barcelona, zum Beispiel. Oder Lissabon. Ausserdem stützt es eine ganze Branche, die niemand braucht: die Plastikpflanzenindustrie.
Sagt wer? Sage ich, während ich in einer sehr durchschnittlichen Unterkunft in Thessaloniki sitze und um mich herum 15 Plastikpflanzen zähle. Ziemlich viele. Und gleichzeitig ziemlicher Durchschnitt. (Glauben Sie mir, ich habe einen stattlichen Anteil an den Kurzzeitmieten im urbanen Umfeld absolviert.)
Es ist schon komisch – niemand kauft eine Plastikpflanze für sich selbst, aber es ist völlig normal, Ikea zu durchstöbern und mehr als ein Dutzend für seine Airbnb-Mieter zu erstehen. Klar, auf den Fotos für die Website machen sie was her, und niemand kann sie umbringen, weil sie gar nicht lebendig sind. Trotzdem sind sie ätzend.
Vielleicht könnte man ihnen Glubschaugen aufkleben und mit ihnen reden, wenn man sich einsam fühlt.
Bisher aber hat noch keines der Airbnbs Glubschaugen eingebaut.
Ihre Crew der Republik
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