Dienstag, 11. April 2023
Sie schrieben mit Filzstift an die Wände, Gedichte und Notizen, datiert vom März 2022. Daneben Zeichnungen, von Blumen, Gesichtern und Katzen.
«Hallo, ich heisse Elya, ich bin neuneinhalb. Ich verstecke mich vor dem Krieg. (…) Ich bin froh, dass Sie diesen Text lesen.»
Im Frühjahr 2022 wurde Mariupol von Russland fast komplett zerbombt. Die ukrainische Stadt wurde monatelang beschossen und belagert. Zu dieser Zeit, in den ersten Wochen des russischen Angriffskrieges, versteckten sich Einwohnerinnen im Keller der Staatlichen Technischen Universität Priazovskyi – darunter auch einige Kinder. Sie hinterliessen Nachrichten auf den Wänden des Gebäudes, eine Art Erinnerung an sich selbst, ohne zu wissen, ob ihre Notizen je gefunden werden.
Journalisten des Online-Mediums «The Village» veröffentlichten nun die Zeichnungen und Notizen der Kinder, «Meduza», das unabhängige Online-Portal mit Sitz in Lettland, publizierte den Beitrag in englischer Übersetzung.
«Hallo, ich heisse Nata, es ist der 19. März 2022. Der 24. Tag des Krieges. Ich komme ursprünglich aus dem Osten, am 24. Februar haben sie uns beschossen und wir sind geflohen. Diese Geschichte wird enden und nur Erinnerungen, Angst und Blut hinterlassen. (…)»
Nata hinterliess den Namen ihres Instagram-Accounts – falls etwas passiere: «Schauen Sie nach, ob ich lebe. Schreiben Sie mir, wenn Sie das sehen.»
«Dina, 16 Jahre alt, Marik [Bezeichnung für Mariupol], Leningradsky-Bezirk am östlichen Ufer. Wir hoffen, dass wir überleben.»
«Wichtig: Heute ist der 25. März 2022. Morgen gehen wir nach Manhush. Das ist 25 Kilometer weit weg, wir gehen als Gruppe. Wir müssen um 5 Uhr aufstehen. Wünscht uns Glück … Tschüss!»
«Hallo, ich bins wieder, Nata. Wir haben auf Stühlen geschlafen und Essen auf einem Feuer gekocht. (…) Morgen wollen wir endlich aufbrechen. Licht, Wasser und Komfort gibt es hier nicht. Seit 24 Tagen verstecken wir uns in diesem Keller. (…)
Ich bin es leid, zum Geräusch von Explosionen und pfeifenden Raketen aufzuwachen. Die Fenster haben keine Scheiben, draussen ist es saukalt. Ich bin 17, ich hatte vor, mich für ein Medizinstudium einzuschreiben. Alle, die hier sitzen, hatten Pläne, hatten Ziele. Aber leider braucht uns niemand. Niemand hatte vor, uns zu evakuieren, wir sind auf uns allein gestellt, auf eigene Gefahr und eigenes Risiko. Es ist unglaublich langweilig hier. Aber ich habe mich mit Dina angefreundet.
Ich will nur eins: Frieden! Ich hoffe wirklich, dass wir dort, wo wir hingehen, ein Zuhause finden und ein Leben aufbauen können.»
Am Wochenende kündigte Corona-Massnahmengegner Nicolas Rimoldi seine Kandidatur für den Nationalrat an. Das komme überraschend, schrieb die «Aargauer Zeitung». Nun ja …
Nicolas A. Rimoldi will ins Parlament. Der Präsident des Vereins Mass-voll wird im Kanton Zürich für den Nationalrat kandidieren, auf Platz 1 einer eigenen Liste.
Rimoldi tut damit das Gegenteil dessen, was er im letzten Herbst ankündigte. Da sagte er: «Es wird keine Wahllisten geben von Mass-voll. Und ich selber, ich kandidiere nicht!»
Das eine sagen, das andere tun: Neu ist das nicht.
Im September 2021 setzten sich zwei Republik-Reporter mit Nicolas Rimoldi auseinander. Sie «trafen einen Mann, dessen Aussagen häufig im kompletten Widerspruch zu seinen Taten stehen». Rimoldi ist ein Mann, der im Gespräch Vergleiche mit dem Nationalsozialismus von sich weist. Und dann selber solche Vergleiche zieht.
Bekannt wurde Rimoldi durch sein Engagement gegen die Corona-Massnahmen. Er setzte sich aber auch für andere Anliegen ein, unter anderem für die Ablehnung des Bundesgesetzes über polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus (PMT). Rimoldi warnte, dass – im Falle einer Annahme des PMT – der Terrorismusbegriff auf friedlich Demonstrierende angewendet werden könnte, den Klimastreik zum Beispiel, und so Bürgerinnen ihrer Grundrechte beraubt würden.
Nur Tage später tat Rimoldi genau das. Er wendete den Terrorismusbegriff auf die Klimaaktivisten an.
Die Aktivistinnen, die sich am Karfreitag vor dem Nordportal des Gotthardtunnels auf die Strasse klebten, bezeichnet Rimoldi unverhohlen als «Klimaterroristen».
Nun will er also ins Parlament. Zusammen mit weiteren Mass-voll-Mitstreiterinnen im Thurgau, in der Waadt und im Aargau. Als «friedliche Bürgerrechtsbewegung» bezeichnet sich Mass-voll. Und Rimoldi, der Präsident und aussichtsreichste Kandidat dieser «friedlichen Bürgerrechtsbewegung», findet es erstaunlich, dass am Karfreitag vor dem Nordportal des Gotthards niemand «in Notwehr» handelte.
Erst posierte der Jungfreisinnige Nicolas A. Rimoldi auf Fotos mit Maske. Dann wollte er den Bundesrat hinter Gittern sehen und träumte vom «Volksaufstand» gegen die «faschistischen Zwangsmassnahmen». Die Geschichte einer Radikalisierung.
Im Internet gesittet zu diskutieren, ist nicht so einfach. Das weiss der «friedliche» Bürgerrechtler Rimoldi und jede, die schon mal auf Twitter war. Deshalb gibts bei der Republik eine Etikette – und wachsame Augen, die mitlesen.
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