Panamericana

Leben im Rhythmus der Extreme

Die sechste Folge der Bild­kolumne «Panamericana» führt nach Guatemala. Manche Menschen bewegen sich hier viel zu schnell – andere setzen das Ticken der Uhren ausser Kraft.

Von Ana María Arévalo Gosen (Text und Bilder) und Nora Ströbel (Übersetzung und Bildredaktion), 31.01.2023

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6 Kartons mit je 30 Eiern auf dem Kopf: Eine Frau in Quetzaltenango, der zweitgrössten Stadt Guatemalas.

Von den vielen Guatemalteken, die ich kenne, habe ich zu viele gesehen, die sich mit einer Geschwindigkeit «zwischen Schrecken und Zärtlichkeit» bewegen, mit der Kadenz eines Vogels der schlechten Vorzeichen, wo Leben und Tod beunruhigend nahe beieinander liegen.

Aus: Andrés Zepeda, «El país más feliz del mundo».

Guatemala ist ein Ort, an dem die Menschen in sehr unterschiedlichen Geschwindigkeiten leben. Manche scheinen sich schneller bewegen zu wollen, als es ihr Umfeld und ihre Kapazität zulassen: Stadt­tiere, unfähig, die City zu verlassen, die sie geniessen, die sie erleiden. Polizisten und Kriminelle treten sich gegenseitig auf die Füsse, im Wissen, dass sie aufeinander angewiesen sind.

Andere, wie Eva Sosa, ehemalige Anklägerin einer nicht mehr existierenden, von der Uno geförderten Anti-Mafia-Kommission, wurden inhaftiert und leiden am meisten unter der verstimmten und gesonderten Geschwindigkeit des Justiz­systems.

Zur Bildkolumne «Panamericana»

Der Pan-American Highway ist wie eine Arterie, welche die Länder in Nord- und Südamerika miteinander vernetzt. Die Strasse verband schon die ältesten Zivilisationen und befördert mehr als nur den Verkehr – sie ist auch Zeugin der Menschheits­geschichte. Das Fotografinnen­kollektiv Ayün Fotógrafas hat für die Republik die Panamericana als Leit­motiv genommen, um zwischen Texas und Chile das Leben der Menschen in acht Ländern zu dokumentieren.

Das andere Extrem sind die Menschen auf dem Lande. Leute mit einfachen Sitten und Gebräuchen, mit wenig mehr als einer tiefen Verbundenheit mit dem Land. Sie haben ein ausgeprägtes Gefühl der Zugehörigkeit zum Kosmos und eine innige Beziehung zu den Elementen der Natur. Sie leben in einer anderen Geschwindigkeit, einem anderen Rhythmus, zyklisch und nicht linear. Nicht mal während ihrer Gerichts­verhandlungen, in denen sie Probleme ungeachtet der Bürozeiten erörtern. Hier geht es nicht um das Ticken der Uhr, sondern um die Dauer, die es braucht, damit die Parteien Gehör finden und zu einer gemeinsamen Lösung kommen.

90 Prozent der Bevölkerung sind indigen: Im Zentrum der Stadt Tecpán.
Voller Einsatz vor fast leeren Rängen: Lucha-libre-Kampf in der Arena Guatemala Mexico, Guatemala-Stadt.
Darbietung zwischen den Kämpfen: Schlangenmensch-Performance.
Vor dem Fight: Ein Athlet wärmt sich auf, einer bereitet sich mental vor.
Alles muss für den Verkauf in einen Sack: Karotten-Einpacken in der Nähe der Stadt Sololá.
Wer keinen Wasseranschluss hat, nutzt die Gemeinschafts­becken: Waschtag in Chichicastenango.
Frauenarbeit: Die ganze Wäsche wird von Hand gewaschen.
Stets präsent: Foto eines Militärs in einem Haus in Jutiapa.
Touristen können sich auf den Vulkan Pacaya tragen lassen: Pferde bei der Gipfelrast.
Der Kratersee ist bei Erholungssuchenden beliebt: Ausflüglerinnen am Atitlán-See.
Mit wachem Auge: Polizisten warten an einem Früchtestand in Guatemala-Stadt auf eine Erfrischung.
Der Anbau von Mohn ist die Haupt­einnahme­quelle in San Marcos: Eine Anti-Drogen-Einheit mäht ein Mohnfeld nieder.
Ist selbst in die Fänge der verfallenen Justiz geraten: Die frühere Staatsanwältin Eva Sosa am 18. Februar 2022.
Das indigene Recht basiert auf Versöhnung: Verhandlung im Büro des indigenen Bürgermeisters von Sololá.

Texas

Karibisches Meer

Mexiko

Guatemala

Guatemala-Stadt

Venezuela

Ecuador

Peru

Chile

Südpazifik

Argentinien

Texas

Karibisches Meer

Mexiko

Guatemala

Guatemala-Stadt

Venezuela

Ecuador

Peru

Chile

Argentinien

Südpazifik

Zur Fotografin

Ana María Arévalo Gosen ist eine venezolanische Fotografin, die in Spanien und Latein­amerika lebt. Mit ihren Projekten, bei denen sie rigorose Forschung mit intimen Geschichten verbindet, möchte sie eine positive Wirkung erzielen. Ihr anspruchs­vollstes Werk heisst «Der Sinn des Lebens», es ist die Geschichte des Kampfes ihres Mannes gegen Hodenkrebs. Sie hat zahlreiche Preise gewonnen, unter anderem den «Leica Oskar Barnack Award», und stellt international aus. Sie ist Mitglied von Ayün Fotógrafas.

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