Die Volksheilige in der Wüste
Die erste Folge unserer neuen Bildkolumne «Panamericana» führt nach Argentinien. Dort soll einst María Antonia Deolinda y Correa in der Wildnis verdurstet sein, während ihr Baby überlebt hat. Ein Wunder, das noch heute Tausende Pilger anzieht.
Von Sarah Pabst (Text und Bilder) und Nora Ströbel (Übersetzung und Bildredaktion), 03.01.2023
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Als mein Flugzeug in San Juan landet, taucht die Morgensonne die Berge in warmes Licht. Seit der Geburt meines zweiten Kindes bin ich erstmals wieder allein unterwegs. Die Frau neben mir stupst mich an: «Das erste Mal in San Juan?» – «Ja», sage ich. «Ich bin Fotografin und auf der Suche nach der Difunta Correa.» «Oh. Er ist Anhänger», die Frau zeigt auf ihren Mann, er auf sein Bein und sagt: «Sie hat mich geheilt. Ich musste als Kind immer Schienen tragen. Dann habe ich die Difunta um ein Wunder gebeten. Und nun kann ich ganz normal laufen.»
Ich sehe die beiden den Flughafen verlassen, er geht, ohne zu hinken. Noch bevor ich am Wallfahrtsort in Vallecito angekommen bin, habe ich also schon das erste Wunder erlebt. Die Difunta Correa heisst übersetzt «die verstorbene Correa», mit bürgerlichem Namen María Antonia Deolinda y Correa. Eine Volksheilige, die 1841 in der argentinischen Provinz San Juan auf der Suche nach ihrem verschleppten Mann in der Wüste verdurstet war. Ihr Baby, das sie bei sich trug, überlebte wie durch ein Wunder, da ihre Brüste weiterhin Milch gaben – das erste Wunder von vielen. Correa wurde zur Heiligen der Lastwagenfahrer, Gauchos und Reisenden, ihr Wallfahrtsort wird jedes Jahr von Tausenden von Gläubigen besucht.
Zur Bildkolumne «Panamericana»
Der Pan-American Highway ist wie eine Arterie, welche die Länder in Nord- und Südamerika miteinander vernetzt. Die Strasse verband schon die ältesten Zivilisationen und befördert mehr als nur den Verkehr – sie ist auch Zeugin der Menschheitsgeschichte. Das Fotografinnenkollektiv Ayün Fotógrafas hat für die Republik die Panamericana als Leitmotiv genommen, um zwischen Texas und Chile das Leben der Menschen in acht Ländern zu dokumentieren.
San Juan in Argentinien ist eine extrem trockene Provinz, tagsüber brennt die Sonne, nachts wird es bitterkalt. Selbst das auf den ersten Blick weiche Gras ist voller kleiner Dornen. Ich stelle mir Deolinda vor, wie sie versucht, in diesem Gelände einen Weg zu finden. Mein Sohn ist selbst noch an der Brust, aber kilometerweit entfernt in Buenos Aires. Ich muss zwischendurch immer wieder Milch abpumpen. Die Landschaft ist, trotz aller Rauheit, magisch und wunderschön. Ich folge den Spuren dieser anderen Mutter, die viele Jahre vor mir gelebt hat. Die Kamera ist meine Begleiterin, während ich fotografisch Themen wie Gender, Mutterschaft, Glaube, aber auch Wassermangel analysiere.
Als ich vor zehn Jahren nach Argentinien zog, erregte die Existenz Dutzender Heiliger meine Aufmerksamkeit: christlicher und solcher, die von der katholischen Kirche nicht anerkannt sind, wie die Difunta Correa. Ihren Anhängern ist das egal – etwa der jungen Familie, die vor ihrer Heimreise ein letztes Mal am Altar über die Füsse der Difunta Correa streicht.
Texas
Karibisches Meer
Mexiko
Guatemala
Venezuela
Ecuador
Peru
Chile
Südpazifik
Argentinien
San Juan
Buenos Aires
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San Juan
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Sarah Pabst ist Dokumentarfotografin und visuelle Geschichtenerzählerin, sie ist in Deutschland geboren und lebt seit zehn Jahren in Buenos Aires. Neben ihren autobiografischen Arbeiten fokussiert sie auf Themen wie Frauen, Identität, Menschenrechte und Umwelt. Ihre Arbeit wurde international ausgestellt und in zahlreichen Magazinen und Zeitungen wie der «New York Times», «Time», «National Geographic» und dem «Spiegel» veröffentlicht. Sie ist Mitglied von Ayün Fotógrafas.