Animal politique

Ein Nachtrag zur Rangordnung im neuen Bundesrat.

Von Angelika Hardegger, 13.12.2022

Vorgelesen von Miriam Japp
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Der Jack Russell Terrier kommt in zwei Fellen, glatthaarig oder rau. Rau hat der Jack Russell buschige Haare über den Augen und lange Haare um die Schnauze. Das lässt ihn schon in jungen Jahren alt aussehen, aber nur, wenn der Jack Russell schläft. In den meisten anderen Zuständen erinnert der Jack Russell noch im Alter an ein kleines Kind.

Der Jack Russell Terrier ist schön. Das raue Haar macht ihn wild und natur­burschig, aber die Züge im Gesicht sind elegant: ein schmaler Kopf und eine Schnauze, die weder spitz ist noch lefzend, sondern sanft. Unmöglich, einem Jack Russell nicht die schwarze Nase stupsen zu wollen.

Der Jack Russell hat Ohren wie ein V. Er legt sie flach nach hinten an, wenn er sich unterwirft. Viel öfter klappt der Jack Russell seine Ohren nach vorne, dann ist er aufgeweckt, er fordert auf. Spielen, jetzt? Spazieren, JETZT?!

Beim Spazieren kommt es vor, dass der Jack Russell plötzlich eins von beiden Ohren nach hinten dreht. Dann sieht er aus wie eine niedliche Antenne.

Aber man darf sich nicht täuschen lassen vom Jack Russell: Er wächst zwar nur ungefähr kniehoch, aber er kann einen übermannen.

Der Jack Russell sei «eine ganz besondere Hunde­rasse», so steht es in einem Ratgeber über die Rasse. Der Satz steht ganz am Anfang des Buchs, er ist gemeint als Warnung. Eine typische Haltung für den Jack Russell ist: auf allen vieren nach vorne geneigt. Würde man ihn geometrisch zeichnen, er wäre kein Rechteck, sondern ein Rhomboid, irgend­etwas zieht ihn immer nach vorn. Der Jack Russell Terrier ist ein Jagdhund.

Er wurde klein gezüchtet, damit er die Beute bis in den Bau hinein verfolgen kann. Er wurde zur Sturheit gezüchtet und zum Eigensinn. Er sollte nicht ablassen vom flüchtenden Tier.

Lässt sein Besitzer es zu, jagt der Jack Russell allem hinterher: Rehen, Eich­hörnchen, den Nachbars­katzen. Er ist selbst­bewusst und furchtlos, der Ratgeber warnt: «In manchen Fällen bis hin zum Grössen­wahn.»

Es werden viel mehr Ratgeber für Halter von Jack Russell Terriern publiziert als für Halter von Bernhardinern. Bernhardiner sind gmögig und genügsam. Jack Russell Terrier strotzen vor Energie.

Im Ratgeber zum Jack Russell steht:

Wie alle Hunde stammt der Jack Russell von Wölfen ab. Kommt der Jack Russell in eine Familie, ist die Familie sein Rudel. Jedes Rudel kennt eine Rang­ordnung, und an der Spitze steht der Führer. Der Rudel­führer zeichnet sich durch Selbst­sicherheit aus. «Er übernimmt Verantwortung und weiss immer, was er will. Er achtet auf die Einhaltung der Disziplin und duldet keinen Ungehorsam, und das nicht nur manchmal, sondern nie.»

Will man einen Jack Russell erziehen, ist das Schwierigste: sein Rudel­führer werden. Der Hund übernähme das Rudel lieber selbst.

Darum sei es, so der Ratgeber, ungemein wichtig, dem Jack Russell von Beginn an zu zeigen, «wer der Boss zu Hause ist». Man darf vom Jack Russell nie etwas verlangen und dann zulassen, dass er den Befehl missachtet. Man muss Gehorsam einfordern, immer. Und immer wieder.

Marc Welti ist ein breitschultriger und bärtiger Mann, der Hunde trainiert, und Welti sagt: «Man muss sich beweisen in der Führung. Der Jack Russell darf nie den Eindruck erhalten, man sei schwach.»

Eigentlich sind alle Hunde­trainer Menschen­trainer.

Welti sagt auch, man müsse lernen, mit dem Jack Russell zu kommunizieren. Dafür muss man die Sprache der Hunde verstehen: Was signalisiert man ihm, wenn man im falschen Moment streichelt? Was deutet der Jack Russell an, wenn er den Körper strafft im Wald? Will er gerade jetzt ein Reh jagen? Was gibt man ihm, damit er das lässt? Damit er tut, was man will?

Der Star unter den Hunde­trainern ist Martin Rütter. Er ist überzeugt: einen Hund erziehen, das verlangt «hohe soziale Kompetenz und Intelligenz». Rütter sagt auch, der Jack Russell habe nur zwei Dinge im Kopf: Sex und Abhauen. Abhauen und Sex.

Einen Jack Russell erziehen, verlangt also besonders hohe soziale Intelligenz. Und zuvorderst: Führung, Konsequenz und Durchhalte­vermögen.

Als Karin Keller-Sutter Bundes­rätin wurde, besass sie einen Jack Russell. Der Hund hiess Picasso und war, so schliesst man aus Berichten, ein hervor­ragend erzogener Hund.

Als «KKS» noch Ständerätin war, nahm sie Picasso einmal mit in ein Studio des Ostschweizer Privat­senders TVO. Sie versprach, der Hund werde sich während der halb­stündigen Aufzeichnung ruhig verhalten. Später berichtete die «Aargauer Zeitung»: «Tatsächlich: Zum Erstaunen des Moderators bellte Picasso kein einziges Mal.»

Jahre später liess sich Keller-Sutter vom Magazin «Landliebe» auf einen Spaziergang im Wald begleiten. Sie erzählte der Journalistin, Picasso jage nicht. «Um ihn muss ich mir nie Sorgen machen, auch nicht, wenn wir am Morgen früh im Wald einem Reh begegnen. Das würde er nie anbellen», sagte sie.

Und sie fuhr fort: «Das Einzige, was ihn interessiert, bin ich.» Die Führerin im Rudel.

Karin Keller-Sutter nannte ihren Picasso «Picceli». Sie wählte einen grossen Namen für einen Hund einer grössen­wahnsinnigen Rasse. Dann machte sie ihn ganz klein.

Picasso starb Anfang des Jahres 2019 im hohen Hunde­alter, der «Blick» berichtete, die Bundes­rätin vermisse ihn sehr. Damals war Keller-Sutter noch Justiz­ministerin, jetzt übernimmt sie in Bern die Finanzen. Damals zählte der Bundesrat noch mehrere Alpha­tiere, jetzt gibt es nur noch sie.

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