Am Klavier und am Mikrofon: Tomas Bächli (Bild), Regie und Aufnahme: Dietrich Petzold.

Am Klavier

Nach dem Exil

Der von den Nazis verfolgte Komponist Erich Itor Kahn ist heute fast vergessen. Eine kleine Wieder­entdeckung.

Von Tomas Bächli (Podcast) und Maximilian Virgili (Bild), 23.02.2022

Teilen6 Beiträge6
Nach dem Exil
0:00 / 16:24

Die Republik ist ein digitales Magazin für Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur – finanziert von seinen Leserinnen. Es ist komplett werbefrei und unabhängig. Lösen Sie jetzt ein Abo oder eine Mitgliedschaft!

Während seiner Überfahrt ins amerikanische Exil schrieb der Pianist und Komponist Erich Itor Kahn 1941 an den befreundeten Schweizer Dirigenten Erich Schmid:

Lieber Erich

Von einem anderen Erdteil, auf dem Wege von Europa in die USA via Martinique, rufe ich Dir ein herzliches Lebewohl und Auf Wiedersehen zu! Eine schwere Zeit zu durchleben, glaube mir, das Schweigen zwischen uns ist schon jenseits aller Bedenklichkeit. Ich hoffe, dass es Euch gut geht und dass die Musik Dich führt, wie sie mich erhält. Meine Zukunft ist im Unbekannten, ich hoffe, sie im Glauben erhalten zu dürfen. (…)

Beste Wünsche für Dich und die Deinen. In unverbrüchlicher Treue und alter Herzlichkeit

Erich Itor Kahn wurde 1905 als Sohn eines jüdischen Kantors in Rimbach zwischen Mannheim und Frankfurt am Main geboren. Nachdem er Klavier und Komposition studiert hatte, arbeitete er als vielseitiger Musiker bei Radio Frankfurt. Dort lernte er alle wichtigen Strömungen der damaligen Moderne kennen, speziell die Musik von Arnold Schönberg: Er spielte die Uraufführung von Schönbergs Klavier­stück op. 33a.

Nach der national­sozialistischen «Macht­ergreifung» 1933 wurde er sofort entlassen und emigrierte nach Paris. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, wurde er als feindlicher Ausländer im Internierungs­lager «Camp des Milles» in Südfrankreich festgesetzt. 1941 gelang ihm unter dramatischen Umständen die Emigration in die USA. Bis zu seinem frühen Tod durch einen Gehirn­tumor 1956 lebte er in New York.

Sowohl in Paris als auch in New York konnte sich Kahn als gefragter Pianist etablieren. Als Komponist hingegen wurde er kaum wahr­genommen.

Es waren immer einzelne Personen, die sich für Kahns Werke einsetzten: zunächst seine Frau Frida, die ihn um fast ein halbes Jahrhundert überlebte (1905–2002), dann der 1928 geborene Komponist Juan Allende-Blin.

Die Sängerin Eva Nievergelt und ich werden in diesem Jahr die Gesangs­werke von Erich Itor Kahn und anderen Exil­komponisten aufnehmen, darunter Philip Herschkowitz (1906–1989) und Leopold Spinner (1906–1980). In diesem Podcast hören Sie Erich Itor Kahns «Lyrisches Concert» für Sopran und Klavier von 1953, eines der ambitioniertesten Stücke dieses Komponisten. Und eines, an dessen Uraufführung ich mitwirken durfte – ein halbes Jahr­hundert nach seiner Entstehung.

Unterstützen Sie unabhängigen Journalismus mit einem Monatsabonnement oder einer Jahresmitgliedschaft!