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Leider Cyber

13.05.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

Krisen bergen immer auch Chancen für innovative Ideen und Menschen. Für Cyberkriminelle zum Beispiel.

Tech-Journalist Tom Sperlich berichtet heute, mit welchen Tricks sie im Moment versuchen, von der allgemeinen Verunsicherung zu profitieren:

Viele von uns kennen das Phänomen der betrügerischen Mails. Sie versuchen, uns auf gefährliche Websites zu locken (Phishing) oder uns dazu zu bringen, schädliche Software herunterzuladen (Malware). Solche Versuche nutzen gewöhnliche menschliche Bedürfnisse aus: unseren Hunger nach Information. Und unsere Neugierde.

Es überrascht also nicht unbedingt, dass Sicherheitsexperten jetzt einen Anstieg solcher Betrugsversuche vermelden. In der Krise freuen sich viele Menschen noch mehr als sonst über gute Neuigkeiten, spannende Anekdoten oder hilfreiche Produkte.

Google berichtete Mitte April, man blockiere zurzeit jeden Tag 18 Millionen angebliche Corona-Infomails mit Phishing-Adressen und angehängter Malware. Auch Banken, etwa die Zürcher Kantonalbank, warnen ihre Kundinnen vor einer «starken Zunahme» gefälschter Mails zum Thema Corona. Als Absender würden unter anderem das Bundesamt für Gesundheit (BAG), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder «irgendwelche Forschungsinstitute» angegeben.

Andere Formen des Cyberangriffs sind etwa gefälschte Apps, politisch motivierte Desinformation oder betrügerische Verkaufsangebote – beispielsweise Schutzmasken von falschen Shops, die zwar Geld nehmen, aber nie Ware liefern. Wie kreativ die Angreifer sein können, zeigt sich etwa bei den Coronavirus-Maps, also den interaktiven Weltkarten, die die Verbreitung des Virus aufzeigen. Cyberkriminelle bauen sie nach, um Leute zum Malware-Download zu verleiten, sagt Marc Henauer. Er ist der Sprecher der Melde- und Analysestelle Informationssicherung (Melani) des Bundes. Die entsprechenden Links verteilen sie über Mail, Messengerdienste oder Websites.

Dazu kommen Attacken auf Organisationen. Hier arbeiten Angreiferinnen oft mit sogenannter Ransomware, also mit Erpresserprogrammen: Sie schleusen schädliche Programme (etwa den Trojaner «Emotet») in die IT-Systeme von Firmen, legen diese lahm und fordern Lösegeld. Dabei geht es um Zehntausende Franken, vereinzelt auch um Millionenbeträge. Wer das Geld – gegen den Rat von Fachleuten – bezahlt, muss damit rechnen, dass Systeme und Daten zwar freigegeben werden, die Schadsoftware aber aktiv bleibt. Das kann den vollen Zugriff auf das Netzwerk eines infizierten Unternehmens bedeuten, mitsamt Datendiebstahl und neuer Malware.

Schon vor der Pandemie gab es in der Schweiz mehr als ein Dutzend Fälle. Heute wären vor allem Angriffe auf kritische Infrastrukturen wie Spitäler oder Arztpraxen potenziell besonders schlimm. Genau das macht sie leider für Cyber-Erpresserinnen umso attraktiver.

In Tschechien griffen Hacker im März mit Ransomware das zweitgrösste Spital des Landes an, gleichzeitig eines der wichtigsten Corona-Testlabors. Ähnliches versuchten Angreifer auch in der Schweiz, sagt Melani-Vizechef Max Klaus: «Uns ist ein konkreter Fall eines Schweizer Spitals im Zusammenhang mit der Corona-Krise bekannt.» Aus Vertraulichkeitsgründen könne man den Versuch nicht weiter kommentieren. Bereits vor der Pandemie stand es um die IT-Sicherheit in Schweizer Spitälern ziemlich schlecht, wie die «Rundschau» berichtete.

Für Privatpersonen gilt weiterhin: Ignorieren Sie Links und Anhänge in ungewöhnlichen Mails und hüten Sie sich vor falschen Onlineshops.

Und was auch immer Sie tun: Klicken Sie auf gar keinen Fall auf diesen Link!

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

Die neuesten Fallzahlen: Gemäss dem Bundesamt für Gesundheit zählten die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein heute Morgen 30’413 positiv auf Covid-19 getestete Personen. Im Vergleich zu gestern sind das 33 Fälle mehr. Bis Mitte April kamen täglich neue Fälle in einem hohen dreistelligen Bereich dazu.

Am 15. Juni öffnen die Grenzen: In vier Wochen erfolgt die vollständige Öffnung der Grenzen zu Deutschland, Frankreich und Österreich – vorausgesetzt, die «pandemische Lage» erlaubt es. Darauf haben sich Bundesrätin Karin Keller-Sutter und die Innenminister der drei Länder geeinigt. Die Details will der Bundesrat am 27. Mai besprechen. Unter anderem soll der Grenzübertritt zu touristischen Zwecken ab dem 15. Juni wieder erlaubt sein. Die Grenze zu Italien bleibt weiterhin geschlossen, weil das Land stärker vom Virus betroffen ist.

Eine halbe Milliarde für den Sport: Der Bundesrat hat ein Stabilisierungspaket für die Fussball- und Eishockeyligen in Höhe von 350 Millionen Franken sowie für den Breitensport in Höhe von 150 Millionen bereitgestellt. Die Erfahrung habe gezeigt, dass der Sport in Krisen stärker betroffen sei als die Wirtschaft, erklärte Bundesrätin Viola Amherd. Die Hilfe für den Profisport ist in Form von rückzahlbaren Darlehen vorgesehen. Das Geld für den Breitensport muss nicht zurückbezahlt werden.

Unterstützung für die Kultur verlängert: Der Bundesrat verlängert die Laufzeit der finanziellen Hilfe für den Kultursektor um vier Monate, bis zum September. Die Regierung teilte heute mit, dass sie die entsprechende Covid-Verordnung angepasst hat. Grossveranstaltungen mit mehr als 1000 Personen bleiben mindestens bis Ende August verboten und die meisten Kulturinstitutionen bis mindestens zum 8. Juni geschlossen, schreibt der Bundesrat. Im März hatte er 280 Millionen Franken für zwei Monate zur Verfügung gestellt. Der Betrag wird vorerst nicht angepasst.

Die besten Tipps und interessantesten Artikel

Wie man spielerisch dem Virus ausweicht: Professor Richard Wiseman von der University of Hertfordshire, nördlich von London, kam beim Spaziergang im Park auf eine Idee. Als der Psychologe Joggerinnen und Velofahrern ausweichen musste, fühlte er sich ein bisschen «wie in einem Computergame». Im Wissen, dass prosoziale Videospiele positive Auswirkungen auf unser Verhalten in der echten Welt haben, ging er auf den französischen Gamedesigner Martin Jacob zu. Ergebnis nach zweiwöchiger Kooperation: das wahrscheinlich erste Social-Distancing-Videogame der Welt. Es heisst «Can You Save The World?».

Wie Wissenschaftlerinnen mit Beamten zurechtkommen: Die Wiener Wochenzeitung «Falter» hat Zugang zu vertraulichen Protokollen aus Beraterstäben erhalten. Sie zeigen, wie in Österreich mit der Wissenschaft und dem Beamtentum zwei Welten aufeinanderprallten – und wie sich die Regierung Kurz zunehmend von den Virologen und Epidemiologen distanzierte.

Wie Staatschefs von der Pandemie profitieren: Österreichs Kanzler Sebastian Kurz geniesst im Übrigen gerade Rekordwerte, was seine Beliebtheit im Volk angeht. Ob das damit zu tun hat, dass er etwas mehr Gewicht auf die Wirtschaft als auf die Wissenschaft legte, lässt sich nicht belegen. Sicher ist nur, dass in den meisten Ländern die Zustimmungsraten für die Staatschefs in der Corona-Krise gestiegen sind, wie eine Auswertung zeigt, über die der «Economist» (Bezahlschranke) berichtet hat.

Frage aus der Community: Kann es sein, dass man wieder Symptome verspürt, obwohl man das Virus überstanden hat?

Das kann tatsächlich sein. Die WHO geht bei Covid-19 zwar grundsätzlich von einer Genesungszeit von zwei bis sechs Wochen nach Ausbruch der ersten Symptome aus, je nach Schwere des Krankheitsverlaufs. Patientinnen aus Italien, Grossbritannien und den USA berichten inzwischen aber von Symptomen, die Monate andauern, oder von körperlichen Leiden, die verschwunden waren und dann plötzlich wieder auftauchten. Von anhaltendem Fieber, einer chronischen Müdigkeit und sogar dem Gefühl, als wären die Knochen gebrochen.

Alessandro Venturi, Direktor des San-Matteo-Spitals im norditalienischen Pavia, berichtet der «New York Times», viele solche Fälle gesehen zu haben (Bezahlschranke). «Es ist nicht die Krankheit, die 60 Tage andauert», sagt Venturi. «Es ist die Genesungszeit. Es ist eine sehr lange Genesungszeit.» So berichten Ex-Patienten aus Italien von starken Symptomen, obwohl ein zweiter Covid-Test negativ ausgefallen ist, sie also offiziell als genesen galten.

Wie ist das möglich?

Grundsätzlich gilt: Bei einer Lungenentzündung ist eine wochen- oder monatelange Genesungszeit nicht aussergewöhnlich. Wer gar beatmet werden muss, bei dem steigt das Risiko von unwiderruflichen Schäden an der Lunge. Zudem besteht bei den Tests noch immer ein gewisser Grad an Unsicherheit. Und auch erneute Ansteckungen mit dem Virus selbst nach kurzer Zeit können zum jetzigen Zeitpunkt nicht ausgeschlossen werden.

Wieso jedoch auch bei einem milden Verlauf die Symptome so lange anhalten oder plötzlich wieder auftauchen können, wieso die Symptome also so stark variieren, darauf weiss die Wissenschaft noch keine genaue Antwort. Forschungen bei Zwillingen, die Wissenschaftler am Londoner King’s College durchführten, weisen darauf hin, dass die genetische Veranlagung hier eine wesentliche Rolle spielen könnte.

Zum Schluss eine hoffnungsfrohe Nachricht aus Spanien, wo die älteste Frau des Landes das Coronavirus überlebt hat

Maria Branyas ist wohlauf. Die Spanierin ist 113-jährig, gilt als älteste Frau im Land und wurde laut Angaben ihrer Seniorenresidenz im nordspanischen Olot im April positiv auf Covid-19 getestet. Nach einer mehrwöchigen Isolation ist sie nun geheilt. Obwohl ihre Heimat besonders stark von der Pandemie getroffen wurde und in ihrer Seniorenresidenz mehrere Bewohnerinnen dem Virus zum Opfer fielen, nahm die Krankheit bei Branyas nur einen leichten Verlauf. Ihre Mutter sei eine «starke und positive Frau», schwärmt ihre Tochter Rosa Moret in den spanischen Medien. Kein Wunder, schliesslich hat sie bereits die Spanische Grippe und den Bürgerkrieg überstanden.

Bleiben Sie umsichtig, bleiben Sie freundlich, bleiben Sie gesund.

Bis morgen.

Philipp Albrecht, Ronja Beck und Tom Sperlich

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

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PPPS: Zur öffentlichen Diskussion über Covid-19 in Frankreich zählte mitunter die Frage, welches Geschlecht das Virus überhaupt habe: la oder le Covid? Inzwischen hat sich die Académie française zu Wort gemeldet: Es sei weiblich, weil es sich auf eine Krankheit, la maladie, beziehe. Umfragen dazu, wie glücklich die Französinnen über diese Entscheidung sind, wurden noch nicht durchgeführt. Wir halten Sie auf dem Laufenden.

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