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03.04.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

Kennen Sie das? Draussen ist es nasskalt und regnerisch, aber Sie sind voller Tatendrang – und noch so froh, dass Ihnen der Hund einen guten Grund gibt, den ganzen Sonntagnachmittag lang durch den Wald zu marschieren. Sie lieben also regen- und nebelverhangene Spaziergänge. Damit sind Sie zwar nicht ganz allein auf der Welt, aber trotzdem die Ausnahme.

Denn die meisten Menschen wollen nicht bei schlechtem, sondern bei schönem Wetter nach draussen. Sie wollen Partys am See feiern, wenn die Sonne scheint – dann, wenn alle anderen Menschen eben auch am See feiern. Und sie wollen in der Stube sitzen, wenn alle anderen auch in der Stube sitzen.

Die meisten Menschen sind Herdentiere. Manchmal freiwillig, manchmal weniger.

In der Ökonomie nennt man dieses Verhalten «zyklisch». Dort umschreibt das Wort, dass die Wirtschaft fast immer im Ungleichgewicht ist. Mal wollen alle Firmen aufs Mal investieren – dann wieder gar keine. Mal wollen die Konsumenten sehr viel Geld ausgeben – dann wieder sehr wenig. Zyklisches Verhalten bewirkt, dass sich die Wirtschaft nie ganz richtig einpendelt.

Dem Staat wird laut der gängigen Lehre die Aufgabe zugeschanzt, dazu ein Gegengewicht zu bilden. Der Notenbanker soll zum Beispiel die Zinsen anheben, wenn zu viel Euphorie da ist. Und die Wirtschaftsministerin soll Konjunkturprogramme auflegen, wenn Flaute ist. So wie jetzt während der Corona-Epidemie. Das nennt man dann «antizyklische» Wirtschaftspolitik.

Nicht nur der Staat kann antizyklisch handeln. Auch Sie können das.

In der jetzigen Situation beispielsweise, indem Sie sich am Kochherd zwischendurch eine Pause gönnen und die Pasta mit Tomatensauce stattdessen beim Italiener um die Ecke bestellen – viele Restaurants liefern trotz Lockdown. Oder indem Sie zum Telefon greifen und bei der lokalen Gärtnerei neue Erde und Chilischoten-Setzlinge für den Balkongarten bestellen. Oder mit einem Besuch bei der Schweizer Internetplattform, wo es all die exotischen Arthouse-Dokus zum Streamen gibt, die Netflix nicht im Programm hat.

Vieles ist möglich, zur Linksammlung mit verschiedenen Ideen gelangen Sie gleich.

Die Wirtschaft in Schwung zu halten, ist wichtig. Denn das zusätzliche Einkommen, das die Handwerkerinnen, Buchhändler, Köchinnen und Online-Yogalehrer jetzt erzielen, wird eines Tages vielleicht auch Ihr Einkommen sein. Dann, wenn diese Leute das verdiente Geld wieder ausgeben: bei der Immobilienberatungsfirma, beim Autohändler oder beim Telecomunternehmen, bei dem Sie – womöglich gerade in Kurzarbeit – angestellt sind.

Nicht nur Viren sind ansteckend, auch Stimmungen. Legen Sie sich deshalb einen geistigen Hund zu. Oder einen realen, als garantiert Corona-freien Begleiter für Waldspaziergänge.

Werden Sie Antizyklikerin.

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Die neuesten Fallzahlen: Gemäss Zahlen, die das Statistische Amt des Kantons Zürich aus den Daten der einzelnen Kantone zusammenstellt, zählt die Schweiz heute mindestens 19’597 Infizierte. Am 24. März waren es rund 10’000 – die Fallzahlen verdoppeln sich derzeit innerhalb von 9 bis 10 Tagen. Vor rund einer Woche betrug die Verdoppelungszeit noch etwa 7 Tage.

  • Bundesrat verdoppelt Wirtschaftshilfe: Im März stellte der Bundesrat Überbrückungskredite in Höhe von 20 Milliarden Franken zur Verfügung, um die Liquidität von Unternehmen – insbesondere KMU – zu sichern. Bereits sind drei Viertel der Summe aufgebraucht. Deshalb erhöht die Regierung den Betrag nun auf 40 Milliarden Franken. Kredite bis zu 500’000 Franken werden von den Banken rasch und ohne Prüfung der Angaben der Kreditnehmer abgeschlossen. Der Bund verbürgt sich für diese zu 100 Prozent. Bei höheren Summen wird genauer abgeklärt.

  • Post ist am Anschlag: Weil die meisten Geschäfte geschlossen haben, floriert der Onlinehandel – und es werden viel mehr Pakete verschickt als üblich. Nun warnt die Schweizerische Post: «Wir können die schiere Menge nicht mehr bewältigen.» Das Staatsunternehmen erwägt deshalb, die 100 grössten Paketkunden mit einem Mengenkontingent pro Arbeitstag zu belegen. Aber nach lautstarkem Protest des Verbandes des Schweizerischen Versandhandels sucht die Post erst einmal das Gespräch. Als Alternative schlägt der Verband vor, die zurzeit abgesperrten Non-Food-Sortimente in Lebensmittelgeschäften wieder für den Verkauf zu öffnen, um den Druck auf das Paketsystem zu mildern.

  • Auch Singapur macht dicht: Bis anhin galt Singapurs Umgang mit der Pandemie als beispielhaft. Anders als die meisten anderen Staaten isolierte der knapp 6 Millionen Einwohner zählende Stadtstaat die ersten Infizierten umgehend, verfolgte Infektionsketten minutiös nach und stellte alle Kontaktpersonen unter Quarantäne. So gelang es, die Fallzahlen trotz der Nähe zu China äusserst gering zu halten – bis es in den vergangenen Tagen doch noch zu einem Anstieg kam. Entsprechend erlässt nun auch Singapur schärfere Massnahmen. Ab kommender Woche müssen alle Schulen geschlossen bleiben. Gleiches gilt für Geschäfte, die keine lebensnotwendigen Güter verkaufen, und nicht systemrelevante Unternehmen.

  • Was derzeit sonst noch wichtig ist: Während der Pandemie drohen Nachrichten unterzugehen, die in ruhigeren Zeiten die Titelseiten aller Zeitungen zieren würden. Diese Woche etwa ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Es hält fest, dass die drei osteuropäischen Staaten Polen, Ungarn und Tschechien gegen EU-Recht verstossen haben, als sie sich im Jahr 2015 weigerten, geflüchtete Menschen aufzunehmen. Die Hintergründe zu dieser und weiteren Nachrichten lesen Sie in der Rubrik «Was diese Woche wichtig war», die jeweils freitags in der Republik erscheint.

Die besten Tipps und interessantesten Beiträge

Wie kommen wir dahin, dass Sie Ihre Pizza wieder im Restaurant serviert bekommen und Ihre Kinder wieder in die Schule schicken können? Ohne dabei Ihre Grosseltern, Ihre Freundin mit dem schwachen Herzen, Ihren kettenrauchenden Partner unnötig zu gefährden? Ziemlich einfach klingt folgender Lösungsansatz: Risikogruppen bleiben daheim, für alle anderen geht das Leben weiter wie zuvor. Warum das ein Fehlschluss ist, erklärt eine Autorin des «Spiegels». Sehr, sehr kurz zusammengefasst:

  • Die Gefahr für Risikogruppen würde steigen.

  • Die wachsenden Ansteckungen bei allen anderen würden das Gesundheitssystem vermutlich massiv überlasten.

  • Wer alles abgeschottet werden müsste, ist unklar – potenziell sehr, sehr viele Menschen.

Ab wann berichteten die Medien über das Coronavirus? Wie oft und in welchem Teil? Exemplarisch zeigt das der Berliner Interaction Designer Christian Laesser für die «Zeit». Was uns in seinen Grafiken auffiel:

  • Das Thema nimmt in jeder neuen Ausgabe mehr Platz ein – egal, ob man Seiten oder Wörter zählt.

  • Insgesamt beschäftigt Corona das Wirtschaftsressort am stärksten.

  • Es begann im Wissenschaftsressort, das Thema wanderte dann aber schon bald in den Wirtschaftsteil – und gleichzeitig in den politischen.

Aber sehen Sie selbst.

Und jetzt noch was ganz anderes. Vermutlich wissen Sie, dass das Virus Sars-CoV-2 wahrscheinlich via Fledermäuse auf Menschen übertragen wurde. Vermutlich wissen Sie auch, dass Ebola wohl über Flughunde (stellen Sie sich eine riesige Fledermaus vor) auf Menschen übertragen wurde. (Die Liste liesse sich noch lange weiterführen.) Wir möchten die Ehre des Tieres wenigstens ein bisschen retten und Ihnen drei Artikel ans Herz legen, die sympathische bis beeindruckende Eigenschaften der Fledermäuse hervorheben:

Frage aus der Community: Soll ich mir jetzt eine Maske basteln?

Es gibt im Internet zahlreiche Anleitungen dazu, wie Sie eine Maske selber nähen oder basteln können: aus einem alten Handtuch, aus Küchenpapier oder aus Plastikmäppchen. Wenn Sie Freude am Handwerken haben, wenn es Sie beruhigt, wenn Sie möchten: dann ja, nähen Sie sich eine Maske.

Im besten Fall wird sie die grösseren Tröpfchen abhalten können, wenn jemand Sie direkt anhusten sollte (um kleinere, virustragende Partikel abzuwehren, braucht es aber spezielle Filter). In erster Linie schützen Sie aber mit einer Maske Ihre Umgebung, wenn Sie krank sind. Und vielleicht hilft Ihnen eine Maske auch dabei, sich weniger oft mit den Händen ins Gesicht zu fassen.

Im schlechtesten Fall nützt Ihnen die Maske zwar gesundheitlich betrachtet wenig, Sie signalisieren mit ihr aber Höflichkeit und Solidarität: Sie sind krank und sorgen sich um die Gesundheit Ihrer Mitmenschen.

Da Masken nach wie vor Mangelware sind, sollten Sie aber die professionellen Schutzmasken den Mitmenschen überlassen, die sie jetzt am dringendsten brauchen: allen voran Ärztinnen und Pflegern, aber auch Kassierern oder Apothekerinnen, deren Alltag nach wie vor einschliesst, den Gesichtern vieler Mitmenschen regelmässig sehr nahe zu kommen.

Ein Tipp zum Schluss: Wenn Sie Masken basteln, so basteln Sie doch mehrere. Das Bundesamt für Gesundheit rät, etwa alle zwei Stunden eine neue Maske aufzusetzen. Sonst könnte sie zur Bakterienschleuder werden.

Zum Schluss eine gute Nachricht: Im Westen nichts Neues!

Die USA sind in wenigen Wochen zum grössten Corona-Krisenherd der Welt geworden. Besonders hart trifft die Pandemie New York: Dort sind die ersten Spitäler voll, und es fehlt dem Personal am Nötigsten. Der Gouverneur Andrew Cuomo fleht landesweit Freiwillige um Unterstützung an und bettelt in Washington um Beatmungsgeräte. Mit seinen täglichen TV-Ansprachen und seinem effektvollen Krisenmanagement ist Cuomo landesweit zum Helden der Pandemie geworden. Dabei geht schnell vergessen, dass er ziemlich spät auf die Krise reagiert hat. Anders sein Amtskollege in Kalifornien: Der hatte seinem Staat deutlich früher einen Lockdown verordnet. Und damit wertvolle Zeit gekauft: Bis jetzt kann der bevölkerungsreichste US-Bundesstaat die Patienten noch gut versorgen.

Bleiben Sie umsichtig, bleiben Sie freundlich, bleiben Sie gesund.

Dennis Bühler, Oliver Fuchs, Marie-José Kolly und Simon Schmid

PS: Haben Sie Fragen und Feedback, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilten. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

PPPS: «Mascarilla 19»: Auf dieses Codewort hin gibt es in Apotheken keine Maske, sondern Schutz anderer Art. Auf den Kanarischen Inseln und in verschiedenen spanischen Regionen können Opfer häuslicher Gewalt damit diskret auf ihre Situation aufmerksam machen. Die Apotheker alarmieren daraufhin die Behörden.

PPPPS: Falls Sie das Thema Masken noch immer nicht leid sind, haben wir hier ein letztes Häppchen für Sie: Sollten Sie sich nun tatsächlich eine Maske nähen, wären Sie in schicker Gesellschaft – denn sogar die Kostümabteilung der Florentiner Oper stellt Schutzmasken her.

PPPPPS: Unsere dringende Song-Empfehlung auf dem Weg ins Wochenende: «Corona Distance» aus Uganda. Bis Montag, wenn Sie mögen.

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