Covid-19-Uhr-Newsletter

Gemeinsam einsam

16.03.2020

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Liebe Leserinnen und Leser

Seit letzter Woche recherchiert auch die Republik-Redaktion von zu Hause aus. Erste Kollegen klagen über Kopf- und Brustschmerzen – und jedes Mal, wenn das Bundesamt für Gesundheit informiert, verkrampfen sich auch unsere Mägen. Die Lage ist verdammt ernst.

Wenn es uns nicht gemeinsam gelingt, die Ansteckungsrate so schnell wie möglich abzubremsen, dann wird es hässlich. Unnötig viele Menschen werden sterben. Und ganz ehrlich: Diese Situation überfordert auch die Republik-Redaktion. Wir wissen auch nicht mehr als alle anderen. Aber wir versprechen, dass wir alles daransetzen, mehr über das Virus und die Pandemie zu lernen.

In den letzten Tagen haben wir intensiv diskutiert und nachgedacht, wie die Republik ihre Leserschaft durch die sich mit hohem Tempo entwickelnde Epidemie begleiten kann – und wir haben uns entschieden, das zu tun, was wir am besten können: Die Republik will so informieren, dass Sie in Ihrem Alltag vernünftige Entscheidungen treffen können.

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) schreibt, dass der konstante News-Stream zur Pandemie die Menschen verunsichert und verängstigt.

Sie empfiehlt deshalb, den Medienkonsum zu minimieren und nur ein- bis zweimal pro Tag die Nachrichtenlage zu checken – hauptsächlich um sich über praktische Schritte zu informieren, damit man sich selbst und sein Umfeld schützen kann. Die Republik verschickt deswegen ab sofort – und bis das Schlimmste überstanden ist – jeden Abend von Montag bis Freitag einen neuen Covid-19-Uhr-Newsletter. Das ist unser Angebot:

  • Die Republik filtert das Nachrichtenchaos. Die Lage ändert sich stündlich. Das überfordert viele, befeuert Angst und Panik. Wir liefern Ihnen nur das, was wichtig ist und tatsächlich stimmt – den Lärm lassen wir weg.

  • Die Republik sucht praktische Antworten. Sie sind nicht alleine. Zusammen mit Expertinnen suchen wir Antworten auf eine Frage, die uns gerade alle beschäftigt: Wie zur Hölle meistern wir in Corona-Zeiten unseren Alltag? Wir versuchen, je nach Lage die brauchbarsten Tipps für Sie zu recherchieren.

  • Die Republik baut auf Ihre Hinweise und Fragen. Es kursieren Falschinformationen, Gerüchte, und viele Menschen tappen im Nebel. Wir recherchieren für Sie die Fakten, entlarven Lügen und sagen Ihnen auch ehrlich, wo wir es auch nicht wissen. Schreiben Sie uns unter covid19@republik.ch.

In den nächsten Wochen wird das öffentliche Leben erlahmen. Daran können wir nichts ändern. Also machen wir das Beste daraus.

Katastrophen und Krisen bringen oft das Beste im Menschen hervor. Das lehrt uns die Geschichte – und das sollten wir nicht vergessen. Als 1918 die Spanische Grippe ausbrach, verschanzte sich der spätere Stararchitekt Le Corbusier in seiner Pariser Wohnung , trank Cognac, rauchte – und wartete, bis das Schlimmste vorüber war, während er darüber grübelte, wie man die Lebensbedingungen der Menschen revolutionieren könnte.

Der Schriftsteller Daniel Defoe schilderte nach einem Pestausbruch in London, wie die Bewohner der Nachbardörfer ihnen mitleidig Essen brachten. Seit 1963 hat die University of Delaware 700 Feldstudien in Gebieten durchgeführt, die von Erdbeben und Überflutungen heimgesucht wurden. Sie kamen jedes Mal zum selben Resultat: Die allermeisten Menschen unterstützen sich in Krisensituationen gegenseitig.

So. Und nach dieser (nur heute so langen) Eröffnungsrede hier:

Die wichtigsten Nachrichten des Tages

  • Mehr und mehr Fälle. Die Epidemie hat über das Wochenende leider weiter an Tempo zugelegt: Bis gestern zählte die Schweiz 2200 Fälle. Am Freitag waren es erst halb so viele. Damit nimmt die Anzahl der Infizierten fast so schnell zu wie in Italien. (Diese Statistik ist jedoch durch die Zahl der jeweiligen Tests pro Land verzerrt.)

  • Neue Massnahmen: Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat Präsenzunterricht in Schulen und an Universitäten vorläufig verboten. Heute Nachmittag hat er seine Massnahmen verschärft: Alle Läden, Restaurants, Bars sowie Unterhaltungs- und Freizeitbetriebe wie etwa Museen, Bibliotheken, Kinos oder Schwimmbäder müssen geschlossen werden – davon ausgenommen sind Lebensmittelläden, und gewisse Take-Aways, Gesundheitseinrichtungen, öffentliche Verwaltungen, Poststellen, Hotels und einige weitere systemrelevante Einrichtungen. Kindertagesstätten gehen nur zu, wenn die Kantone andere Betreuungsangebote sicherstellen können. Ab heute Mitternacht sind auch öffentliche und private Veranstaltungen verboten. Aus den Nachbarländern Deutschland, Österreich, Frankreich und Italien dürfen nur noch Schweizer Bürger einreisen sowie Menschen, die mit einer Aufenthaltsbewilligung oder aus einem beruflichen Grund in die Schweiz reisen. Für die Unterstützung der Spitäler setzt der Bundesrat ab sofort rund 3000 Armeeangehörige ein; den Einsatz von weiteren 5000 Soldaten hat er bewilligt. Eine Mobilmachung der Armee in diesem Ausmass hat es seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben.

  • Öffentlicher Verkehr eingeschränkt: Ab dem nächsten Donnerstag schränken SBB und PostAuto den Bahn- und Busverkehr stark ein. Im Fernverkehr wird es nur noch Stunden- statt Halbstundentakt geben, im Regionalverkehr nur noch Halbstunden- statt Viertelstundentakt. Der grenzüberschreitende Fernverkehr wird eingestellt.

  • Auslandreisen abgesagt: Verschiedene Staaten wie Deutschland oder die USA haben die Grenzen für Schweizer und Schweizerinnen dicht gemacht. Österreich stellt den Zug- und Flugverkehr mit der Schweiz ab heute Abend ein. Auf europäischer Ebene wird zurzeit diskutiert, die Reiserestriktionen für den gesamten Schengen-Raum zu verschärfen. Der Entscheid soll laut Bundesrätin Karin Keller-Sutter noch heute Abend gefällt werden. Der Bundesrat ruft alle Schweizerinnen auf Reisen im Ausland dazu auf, in die Schweiz zurückzukehren.

  • Hamstern unnötig: Die grossen Schweizer Lebensmittelhändler schalten gemeinsam Inserate, in denen sie festhalten, dass die Landesversorgung nachhaltig gesichert und genug Lebensmittel für alle verfügbar seien. Das bestätigte der Bundesrat auch an seiner heutigen Pressekonferenz.

  • Börseneinbruch: Die Schweizer Börse ist heute eingebrochen. Zum ersten Mal seit 2016 ist der Aktienindex SMI auf unter 8000 Punkte gefallen. Besonders heftig trifft es die Versicherungsbranche: Die Aktienpreise von Swiss Life und Swiss Re stürzen um 16 respektive 14 Prozent ab. Auch in den USA geht der Tiefflug trotz heftigem Eingreifen der Zentralbank Fed weiter.

Die besten Tipps und interessantesten Artikel

  • «Bleiben Sie zu Hause!», empfiehlt das BAG, falls man den Verdacht hat, vom Coronavirus erwischt worden zu sein. Aber was dann? Dazu schweigt das Amt, leider. Viola Vogel, ETH-Professorin für Biologie, greift uns unter die Arme. Sie schreibt: Ohne Antikörper muss man die mechanische Abwehr des Körpers nutzen – und den Rachenraum sowie alles, was die Selbstreinigungskräfte der Atemwege unterstützt, pflegen. Das sind ihre Tipps:

  • Auf das Rauchen verzichten

  • Gurgeln mit antiviralen Mundspülungen

  • Ingwertee in rauen Mengen

  • Regelmässiges Inhalieren von Wasserdampf

  • Falls Sie sich fragen, wie und wann die Epidemie enden soll, hier ein sehr informativer Artikel der «Washington Post» (auf Englisch). Mit dem Versprechen, dass das Coronavirus in Zukunft selbst ohne Impfstoff nur wenig mehr als eine harmlose Kinderkrankheit sein wird. Nur leider erst in zehn oder mehr Jahren.

  • Republik-Journalist Simon Schmid ist der Frage nachgegangen, wie sich das Coronavirus auf die Wirtschaft auswirkt. Stehen wir vor einer Rezession, einer Weltwirtschafts­krise oder am Beginn einer liegenden S-Kurve, die in die «Roaring Twenties» 2.0 führt? Sein Fazit: «Für die Wirtschaft könnte das böse Erwachen also noch folgen. Sich emotional und politisch darauf einzustellen, ist auf keinen Fall falsch.»

  • Wann sollen Sie sich ärztlich auf Covid-19 untersuchen lassen? Der Kanton Waadt hat einen Corona-Check aufgeschaltet.

Was Ihnen wichtig ist

Republik-Verlegerin B. G. hat im Dialog «eine Playlist für karge Tage» niedergeschrieben. Wir haben daraus auf Spotify eine «Quarantäne-Playlist für karge Tage» erstellt und sie mit unseren eigenen Lieblingssongs ergänzt. Fügen Sie auch Ihre Favoriten hinzu!

Zum Schluss: eine gute Nachricht

Die Solidarität mit Risikogruppen ist gross. In den vergangenen Tagen sind in der Schweiz viele Initiativen entstanden, mit der die gute, alte Nachbarschaftshilfe wiederbelebt wird. Unter hilf-jetzt.ch finden sich mittlerweile nicht weniger als 370 Netzwerke – und auch über die App «Five up» werden Hilfsnetzwerke organisiert. Die Empfehlungen des Roten Kreuzes für die Nachbarschaftshilfe hat das Basler Onlinemagazin «Bajour» zusammengefasst.

Wir würden uns freuen, wenn Sie diesen Newsletter mit Freundinnen und Bekannten teilen. Er ist ein kostenloses Angebot der Republik.

Bleiben Sie umsichtig, bleiben Sie freundlich, bleiben Sie gesund.

Bis morgen

Ronja Beck, Oliver Fuchs, Marie-José Kolly, Constantin Seibt und Elia Blülle

PS: Haben Sie Fragen, schreiben Sie an: covid19@republik.ch.

PPS: Noch eine kleine Warnung: Epidemien bringen nicht zwingend nur das Beste hervor. Zu Shakespeares Zeiten wurde etwa ein neues Luftreinigungsmittel gegen die Pest empfohlen: Tabak. Die Pestepidemie von 1603 war der Durchbruch der Tabakkur, die bis heute die Ärzte in Atem hält.

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