Preis der Republik

Global Líder

Der Gründer des World Economic Forum kämpft gegen kapitalistische Ausbeutung – durch die Gastgeber­gemeinde Davos.

Von der Republik-Jury, 11.07.2019

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Global Líder
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Sehr geehrter Preisträger

Liebe Verlegerinnen und Verleger

Als WEF-Chef haben Sie, Klaus Martin Schwab, sich einen einmaligen Sonder­status erobert. Kein anderer Mensch auf diesem Globus hat es geschafft, über so viele Jahrzehnte mit so vielen Reichen und Mächtigen auf Podien zu sitzen, in die Kameras zu lächeln und Hände zu schütteln. Was wäre die Globalisierung ohne Klaus Schwab? Sie sind uns allen ein Vorbild.

Das allein wäre preiswürdig. Doch nun gibt eine zunehmende Alters­radikalität Ihrer Pionier­rolle noch einmal eine neue Dimension. Sicherlich, schon lange profilieren Sie sich als grosser Mahner, der nicht nur leadership, sondern auch responsibility einfordert. Jetzt aber wird Ihre Kapitalismus­kritik fundamental: ein Angriff auf das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Und erst noch in eigener Sache. Dies entnehmen wir jedenfalls dem spektakulären Interview, das Sie vergangenes Wochenende der «Südostschweiz am Sonntag» gegeben haben.

Mit fortschreitendem Alter neigt der Mensch ja dazu, die Vergangenheit zu glorifizieren. Nur Sie, Jahrgang 1938, sind auch hier eine Ausnahme: «Ich schaue viel lieber in die Zukunft, denn sie ist faszinierender als die Vergangenheit», sagten Sie im Gespräch. Selbst Sie liessen sich aber dazu hinreissen, von der Vergangenheit zu schwärmen. Von der Zeit nämlich, als Davos noch ein unschuldiger Skiort war und so geschmeichelt vom Besuch der globalen Elite, dass man die Gastgeber­pflichten beinahe für Gotteslohn auf sich genommen hat.

Denn früher, zu Zeiten voller Pioniergeist und Idealismus, konnten die WEF-Teilnehmenden noch günstig Kost und Logis geniessen. Heute ist das anders: «Die Preistreiberei ist eine Belastung», sagen Sie. Die Teilnehmenden seien «gern bereit, für eine gute Leistung entsprechend zu bezahlen, sie reagieren jedoch sehr empfindlich, wenn sie das Gefühl haben, ausgebeutet zu werden». Preistreiberei und Ausbeutung! Am WEF! In Davos!

Die renditegetriebenen Davoser Gastronomen, Hoteliers und Ferien­wohnungs­besitzer bedienen sich bei den Reichen und zocken Bono, Trump und Gates ab. Darauf muss man erst mal kommen.

Doch die Abzocker haben die Rechnung ohne den roten Klaus gemacht. Compañeros, no pasarán! Ohne Rücksicht auf Verlust stürzen Sie sich für Ihre kostensensiblen Freunde in die Schlacht – ganz nach dem Vorbild des máximo líder Fidel Castro. Falls sich die globale Elite nicht bald wieder kosten­günstig verpflegen und entspannen darf, würden Sie nicht zögern, mit dem WEF ins Ausland zu ziehen, drohen Sie.

Es ist nicht Ihr erster Akt des Widerstands. Mehrmals schon haben Sie die ungerechte Behandlung denunziert, durch die der Davoser Raubtier­kapitalismus die armen global leader drangsaliert. Diesmal aber schwingt ein Hauch von Verzweiflung in Ihrem Appell mit. Die Lage wird dramatisch.

Wir hoffen, dass der Aufstand erfolgreich ist. Dass das Davoser Kapital vor dem politischen Widerstand in die Knie gehen und den Wucher beenden muss. Leider besteht aber die Gefahr, dass die lokalen Rendite­jäger ganz einfach zu viel Markt­macht haben. Schliesslich fand das WEF mit einer einzigen Ausnahme seit 1971 in Davos statt. Nur 2002 hatten Sie das Treffen aus Solidarität nach den Terroranschlägen von 9/11 nach New York verschoben. Davos und WEF sind längst Synonyme. Wer hätte je vermuten können, dass die Davoser diese Tatsache schamlos zu Geld machen wollen?

Lieber Klaus Schwab, bleiben Sie unbeugsam. Bleiben Sie hartnäckig im Kampf gegen das skandalöse Spiel von «Angebot und Nachfrage», das man im Bündner­land mit Ihnen treibt. Und wenn die Ausbeuterei weitergeht, zögern Sie nicht, das grosse Treffen einfach mal in Aspen oder Sapporo durchzuführen. Dort soll es im Winter genauso schönen weissen Schnee geben wie in Davos. Und mit etwas Glück hat dort ja – trotz WEF und Globalisierung – das Gesetz der Profit­maximierung noch nicht so richtig Schule gemacht.

Und falls es in den USA und Japan auch nicht mehr besser ist, hilft eben nur noch eines: Die Basis muss sich organisieren. Zum Beispiel mithilfe der Migros-Genossenschaft: Die müsste in Davos unbedingt zusätzliche Selbstbedienungs­restaurants eröffnen. Die bereits existierende Filiale hat sich in den vergangenen Jahren nämlich zum Hotspot der schutzbedürftigen Ausbeutungsopfer gewandelt. Sie ist das Basis-Camp, die Arbeiter­küche, ein Refugium fernab der Preistreiberei.

Verehrter Klaus Schwab, mehr denn je gebührt Ihnen ein Preis für Ihre Verdienste um die globale Elite. Erst jetzt verstehen wir, und es fällt uns wie Schuppen von den Augen. Kapitalisten aller Länder, vereinigt euch! War das nicht schon immer der geheime Slogan des WEF?

Der Preis der Republik – vorgelesen

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Illustration Doug Chayka

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