Klang

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Stahlberger: «Dini zwei Wänd»

Ihre Texte sind schweizerdeutsch, doch ihrer Musik geht alles Schweizerische ab. Wie kriegen sie das hin? Das neue Album der Band Stahlberger gibt Anlass zu fünf Besuchen bei fünf Musikverrückten.

Von Timo Posselt, 20.03.2019

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Stahlberger sind Christian Kesseli, Dominik Kesseli, Manuel Stahlberger, Marcel Gschwend und Michael Gallusser (von links). Adrian Elsener

Diese Band trägt ein Missverständnis im Namen: Stahlberger. Benannt ist sie nach ihrem Sänger und Texter, dem Klein­künstler Manuel Stahlberger. Doch unmöglich kann hier einer für das Ganze stehen. Stahlberger – die Band – versammelt fünf Künstler­persönlichkeiten, die unterschiedlicher kaum sein könnten.

Neben Manuel Stahlberger verfolgen auch andere Band­mitglieder eigene musikalische Projekte: als elektronischer Solo­künstler, als Rock-Duo, in der Rap-Combo oder im Tonstudio. Sie verbringen damit ihren Alltag im eigenen Atelier. Jeder kann sich dabei austoben und trägt dann das Eigenständige wieder zurück in die Band. Es ist eine Arbeits­weise, die man vor allem aus dem Jazz kennt, im Schweizer Pop findet man sie hingegen kaum. Der Kollektiv­gedanke ist eine Erklärung für den vielschichtigen Sound des neuen Stahlberger-Albums «Dini zwei Wänd».

Das Album ist elektronischer und komplexer als der Vorgänger mit dem Titel «Die Gschicht isch besser». Kein Song klingt wie der andere: In «Chline Fisch» fiepen trashige 80er-Jahre-Synthis, in «Stadtyeti» verliert sich die ätherische Elektronik in der Kälte, und in «Am Tag denoh» stolpert ein gelooptes Soul-Piano in Endlos­schlaufe. Auf dem Album hört man keine epischen Refrains. Man vermisst sie allerdings auch nicht. Denn an «Dini zwei Wänd» hat man sich nicht so schnell sattgehört.

Für die Republik reise ich in drei Städte und treffe jeden der fünf Musiker einzeln zum Gespräch. Sie werden mir erzählen, dass das Album eine «extreme Mannschafts­leistung» sei. Der Eindruck des Kollektivs wird sich erhärten. Doch ich habe weitere Fragen: Was treibt jeden Einzelnen von ihnen an? Was hält sie als Band zusammen? Nach stundenlangen Gesprächen tun sich fünf musikalische Lebens­welten auf, die alle auf dem Album nachklingen. Erst zusammen sind sie Stahlberger und damit die aufregendste Mundart­band des Landes.

Der Ruhige: Michael Gallusser

Als Kind sass Michael Gallusser vor der elterlichen Stereo­anlage und blickte fasziniert auf das psychedelische Cover einer Platte: Ein gürteltierartiges Wesen mutiert darauf zu einer Maschine. Aufgelegt war das Album «Tarkus» von Emerson, Lake & Palmer. Beim Hören vermischten sich Musik und Cover, als würde der Klang das Fantasie­wesen zum Leben erwecken.

Es ist Gallussers erste Erinnerung an Musik. Die Blues- und Hippie-Platten der Eltern wurden später zur Alternative für den Fernseher, wenn dieser von den Geschwistern okkupiert wurde. Mit Klavier und Schlagzeug folgten dann zwei weitere. Er sei aus purer Langeweile zur Musik gekommen, sagt Michael Gallusser und klappert dabei mit den schweren Finger­ringen auf die Tischplatte. Heute verbringt er mit Musik sein Leben.

Meistens arbeitet er zwölf bis vierzehn Stunden täglich im eigenen Tonstudio QFLM (die Abkürzung steht für «Qui fait la musique») in einem Büro­gebäude im Westen St. Gallens. Seine Tage beginnen spät, aber sie dauern oft bis in die Nacht hinein. Oder bis in die Morgen­stunden: An Wochen­enden mischt er als Tontechniker im St. Galler Musik­lokal Palace Bands ab.

Nach dem abgeschlossenen Lehrer­seminar begann Gallusser zwar zu unterrichten. Doch statt seiner Schüler hatte er nur Musik im Kopf. Er schaffte sich ständig neues Musik­equipment an und richtete sich behelfsmässige Studios ein. Später begann er mit Jugendlichen Konzerte zu veranstalten, machte die Ausbildung zum Ton­techniker und gründete sein eigenes Studio.

Ab 1999 spielte Gallusser unter anderen in der Akustikband St. Crisco. Aus dieser entstand später die Band Stahlberger. Nach deren ersten Erfolgen verschrieb er sein Leben ganz der Musik. So hat die Band zwei der vier Alben in seinem Studio aufgenommen. Finanziell kommt er mit dem Tonstudio inzwischen auf null raus. Gewinn wirft es keinen ab. Gallusser hat vom vorgeschossenen Erbe der Eltern ein Haus gekauft, das er mit seiner Familie bewohnt und das er teilweise vermieten kann. Er lebt auf kleinem Fuss. Was den letzten Punkt angeht, gleicht Gallusser seinen Bandkollegen.

Bei Stahlberger spielt Gallusser Synthesizer und Gitarre. Er ist zudem Schlagzeuger im gemeinsamen Projekt mit Dominik Kesseli: Lord Kesseli & The Drums. An den Konzerten bleibt Gallusser im Hinter­grund, und die langen Dreadlocks baumeln ihm ins Gesicht. In den Bands, im Club und im Studio: Michael Gallusser zieht es nicht in den Mittelpunkt.

Der Empfindsame: Dominik Kesseli

Ein fensterloser Luftschutz­bunker in St. Gallen, die Wände vollgestellt mit Instrumenten und Technik: Hier arbeitet Dominik Kesseli, der Schlagzeuger von Stahlberger. «Ich versuche Musik zu machen, irgendwie», sagt er. Das tut er sieben Tage die Woche, wenn er nicht gerade an der Musikschule Schlagzeug unterrichtet. Kesseli spielt, worauf er Lust hat: Schlagzeug, Synthis, Gitarren. Er lässt sich von seiner Stimmung leiten, statt hinter irgendetwas herzurennen. Kesseli zielt in der Musik aufs Gefühl.

Lord Kesseli & The Drums: der Herr und die Trommeln, so nennt er sich im Duo mit Michael Gallusser. Ihre Konzerte gleichen sakralen Messen. Unzählige Räucher­stäbchen hüllen den Saal in wabernden Nebel. Auf der Bühne erinnern Kesseli und Gallusser in ihren langen Leinen­kleidern an fernöstliche Mönche. Ein solches Gewand trägt Kesseli auch beim Gespräch mit der Republik, dazu gemütliche Schläppchen. Er verkörpert die Kunstfigur des Lords.

Als «Lord» ist Kesseli alles, was bei Stahlberger keinen Platz hat: eine «Kraft», ein «Kanal», eine «Antenne». Das sei er auf der Bühne. Ihm geht es darum, «so tief im Moment» zu sein, dass sich Zeit- und Ichgefühl aufheben. «Wenn mir das gelingt, bin ich nur noch ehrliche Energie, die die Leute aufnehmen können», sagt Kesseli.

Lord Kesseli & the Drums machen Rockmusik. Doch ihre Kathedrale aus Gitarren und Schlagzeug birgt einen Maschinen­raum mit Elektronik. Darum erinnert ihr Sound in Geste und Pathos manchmal an Radiohead. Es muss Zufall sein, dass Lord Kesseli & The Drums immer noch als Geheim­tipp gelten. Vielleicht ändert sich das aber gerade: Kürzlich wurden sie ans internationale Branchen­festival Eurosonic nach Holland eingeladen.

Dominik Kesselis erste musikalische Erinnerung passt gut zu seiner empfindsamen Ästhetik: Als kleiner Junge sass er beeindruckt auf der Orgelbank neben dem Vater. Dieser war Organist, Musiklehrer und Opern­sänger. Musik umgab den Sohn von Kinds­beinen an. Ihm schien es immer naheliegender, Musik zu machen, als im Büro zu arbeiten. Später studierte er Schlagzeug, heute lebt er hauptsächlich vom Unterrichten.

Der Unterricht entspannt ihn vom Dasein als «Lord». Bei den Bands ist das nicht anders: Als «Lord» verkörpert Kesseli eine romantische Behauptung, bei Stahlberger ist er der sorgfältige Schlag­zeuger im Hintergrund. Dominik Kesseli hat in den beiden Bands zwei unterschiedliche Rollen. Zumindest darin gleicht er dem Bassisten Marcel Gschwend.

Der Tausendsassa: Marcel Gschwend

Als Solist mit dem Künstler­namen Bit-Tuner macht Marcel Gschwend seit fast zwanzig Jahren Musik. Sie ist immer elektronisch, meist basslastig und oft düster. Seit 2003 produziert er zudem Beats für den Rapper Göldin alias (Republik-Reporter) Daniel Ryser. Gerade erschien ihre EP «D.R.A.M.A.». Gschwend arbeitet für Theater- und Tanzprojekte, Mode­schauen, Filme und spielt Konzerte wie ein Verrückter.

«Bit-Tuner at Work» heisst so ein Abend im Zürcher Club Helsinki. Jeden letzten Donnerstag im Monat improvisiert Marcel Gschwend hier live. Mit gekrümmtem Rücken nestelt er an seinen elektronischen Geräten herum. Wenn er den Bass in den Raum hievt, nickt sein Kopf und zittert sein Körper: Er wird ein Kobold an den Reglern – und uns fährt der Bass in die Magengrube.

Hält sich Gschwend bei Stahlberger zurück? «Gar nicht, ich hab nur eine andere Rolle. Ich glaube, niemand muss sich bei Stahlberger zurückhalten.» Da ist wieder der Kollektiv­gedanke. «Gerne würde ich dir die Geschichte vom tyrannischen Bandleader erzählen, aber die gibt es bei uns nicht», sagt Gschwend. Einer muss zwangsläufig den Chef geben und das Ding reissen. Doch dahinter können alle gleichermassen ihre künstlerische Vision einbringen. Die Hierarchien sind flach. Gschwend ist es, der immer wieder neuen Sound in diese Band bringt. Der letzte solche Sound ist Gqom.

Ausgesprochen wird Gqom mit einem Zungen­schnalzer, was dem Klang einer zerbrechenden Fliese nachempfunden ist. Entstanden ist diese elektronische Tanzmusik in den Townships von Durban. Unter anderem über Whatsapp verbreitete sie sich in ganz Südafrika und gelangte schliesslich durch DJ-Netzwerke auch nach Europa. Klanglich ist Gqom karg und repetitiv, rhythmisch hingegen ausgeklügelt. Gschwend war 2016 mit dem Musikforscher-Kollektiv Norient in Südafrika unterwegs. Auf dem Stahlberger-Album hallt dieser Besuch nach im Song «Über Nacht isch en Sturm cho».

Gschwend konnte seit je seinen musikalischen Elan in zahlreiche Projekte kanalisieren. Mit Michael Gallusser spielt er seit einem Viertel­jahrhundert in Bands. Er wollte eigentlich Studio­musiker werden, machte auf Empfehlung seiner Patentante jedoch eine kaufmännische Lehre. Zwei Jahre danach schmiss er hin, jobbte in einer Kaffee­rösterei und hatte endlich genug Zeit für Musik. Er schuf sich elektronisches Equipment an, und schon bald folgten die ersten Kooperationen.

Die elektronische Musik war vielseitiger und anschlussfähiger, als Bassist wäre er auf eine Band angewiesen gewesen. 2006 konnte Gschwend ins Berliner Residenz­atelier der St. Galler Kultur­förderung ziehen und vergrub sich im Sound. Heute hat er in Zürich-Albisrieden sein Studio. Hier arbeitet er an Nachmittagen und Abenden unter der Woche. An den Wochenenden reist er für Auftritte durch die Schweiz. Sie sind seine Haupt­einnahme­quelle. Marcel Gschwend lebt ein Musiker­leben. Daraus macht er keine grosse Sache. Zum Kollektiv­gedanken kommt eine Gelassenheit, die alle in dieser Band haben. Das war allerdings nicht immer so.

Der Befreite: Christian Kesseli

Nach drei Besuchen frage ich mich: Sind Stahlberger fünf Musik­verrückte, die einzeln nächtelang an ihren Solo­projekten tüfteln, um dann als Band alle fünf Jahre ein Meister­werk aufzunehmen? Diese romantische Vorstellung hält dem nächsten Besuch nicht stand. Er führt in einen Wohnblock an den Stadtrand von Winterthur. Christian Kesseli ist Gitarrist von Stahlberger und Dominiks Bruder. Als Einziger hat er kein Atelier. Er lebt auch nicht von der Musik – oder besser: nicht mehr.

Bis vor zwei Jahren war Christian Kesseli ständig unterwegs an Konzerten. Er hatte eine eigene Künstler­agentur und spielte Banjo bei den Kinder­konzerten von Marius & die Jagdkapelle. Für Stahlberger hatte er einen Plan: mehr Radioplay, eigenes Marketing und grössere Bühnen. «Ich wollte, dass die Band rentiert», sagt er heute. Mit Entschlossenheit betrieb er dafür einen enormen administrativen Aufwand. Viele seiner Pläne gingen beim Album «Die Gschicht isch besser» auf: Stahlberger wurde von der Presse bejubelt, lief im Radio und füllte Säle mit 800 Leuten.

«Aber das Musikbusiness frass so viel Energie, zurück kam wenig», sagt Christian Kesseli heute. Vor zwei Jahren entschied er sich, die Agentur geordnet abzugeben. Es kam nicht dazu. Denn er erlitt kurz davor eine Erschöpfungs­depression und musste sich von allem zurückziehen. Zu Stahlberger hielt er den Kontakt. Sie sagten ihm, er könne zurückkommen, wann er wolle. «Schritt für Schritt tat ich das», sagt er.

Während seiner Auszeit erhielt er jeweils Aufnahmen der Song­skizzen. Bei der ersten gemeinsamen Probe funkte es sofort wieder. Obwohl die Grund­gerüste der Songs standen, konnte er ihnen seine eigene Färbung geben. So hört man nun zum Beispiel in «Iisfäld» sein klirrendes Banjo. Christian Kesseli wirkt befreit. Er lebt vom Teilzeitjob als Primar­lehrer und blickt entspannt auf die Band: «Wir sind fünf Freunde, die zusammen Musik machen. Zufälligerweise finden das ein paar Leute spannend.» Er musste sich die Besonnenheit erarbeiten, die alle fünf Musiker in dieser Band eint. Wobei nicht alle in der Band gleich viel Musik machen.

Der Wortgeber: Manuel Stahlberger

«Diesmal hatte ich keine Ambitionen, Instrumente zu spielen.» Das ist etwas vom Ersten, was Manuel Stahlberger zur neuen Platte sagt, und es ist auch der Eindruck, den zwei Stunden Gespräch mit ihm hinterlassen werden: Manuel Stahlberger ist lakonisch, bedächtig und bescheiden und gerade darin entwaffnend sympathisch.

Bei dieser Platte sei er nur «Wortgeber» gewesen. Beim ersten Album «Rägebogesiedlig» war das anders. Damals kam er mit fertig komponierten Songs in die Proben. Diesmal brachte er bloss Text­fragmente mit. Daraus entwickelten sie gemeinsam die Songs. Manuel Stahlberger wird oft als Chronist der Schweizer Alltags­wirklichkeit etikettiert. Er selber sagt: «Ich erzähle einfach Geschichten, wie ich sie in meiner Umgebung vermute.» Zwangsläufig würden diese damit schweizerisch und kleinstädtisch. Auf «Dini zwei Wänd» verkneift sich Stahlberger alle Pointen, anders als in seinen Soloprojekten.

Der 44-Jährige tritt seit 25 Jahren auf Kleinkunst­bühnen auf und war zeitweiliger Late-Night-Show-Sidekick bei der SRF-Sendung «Deville». Er ist zudem Zeichner des Schnauz­trägers und Baustellen­guckers «Herr Mäder», dem er zwei liebevoll-komische Comicbände widmete. Auch beim Atelier­besuch der Republik zeichnet er gerade an einer neuen Mäder-Kurzserie. Neben den Comicbögen liegt ein Stadtplan, mit dem Stahlberger seinen Helden durch St. Gallen leitet.

Figuren habe er auch in seinen Songtexten vor Augen, erzählt er. Als singender Erzähler dekliniert er auf «Dini zwei Wänd» Personal­pronomen: du, er, sie, wir. Manuel Stahlberger ist als Sänger ein notorischer Ich-Verweigerer. Nur «Bis i di find» ist in der ersten Person formuliert. Singt Manuel Stahlberger ausnahmsweise mal «ich», meint er auch sich.

Dieser Song gibt ein persönliches Erlebnis wieder: An einem Winterabend lief Manuel Stahlberger durch die Stadt und suchte eine bestimmte Frau. Er kannte nicht mal ihren Namen: «Ich wusste einfach, dass ich sie super fand.» Schliesslich traf er sie an einer Bus­haltestelle, redete kurz mit ihr, sie nahm den Bus und er ging nach Hause. Eigentlich wollte er aus dieser Begegnung etwas Grosses, Kompliziertes machen. Doch er musste aufgeben: «Der Song ist jetzt, was davon übrig geblieben ist.»

Der Rest hat es in sich: Zu trockenem Beat und hypnotischem Gitarren­riff begleiten wir ihn auf der Geister­fahrt durch die verschneite Stadt. Für einmal hat der Bandleader den «Sicherheits­abstand» zu sich selbst aufgegeben. Der Song wirkt wie das erste unmittelbare Liebeslied Stahlbergers und ist eines der schönsten dieser Platte.

Vieles in den Texten auf «Dini zwei Wänd» bleibt im Ungefähren. Sie sind assoziativer als die früheren. In «Über Nacht isch en Sturm cho» lässt ein Unwetter die Verhältnisse tanzen. Manuel Stahlberger lotet das utopische Potenzial dahinter aus: «Alles ghört jetzt allne, alles isch neu sortiert, und so wies usgeht, gsehts nöd so us, wie wenns bald wieder so wie früehner wird» («Alles gehört jetzt allen, alles ist neu sortiert, und so wie es aussieht, sieht es nicht so aus, als ob es bald wieder so wie früher wird.»).

Ausserdem wirken seine Texte sorgenvoller. In «Iisfäld» delirieren sich zwei in einen schalltoten Raum unter der Erd­oberfläche. Die Wahrnehmung des Sängers scheint so zerbrechlich wie der Alltag. Es sind Gefühle, die er kennt: «Ich war schon immer eher verwirrt von der Welt.» Schon als Kind sei ihm selten klar gewesen, was gelte und was nicht. In seinen Texten versucht er das Durcheinander der Welt festzuhalten. «Es sind persönliche Lieder, aber sie passen gut in eine Gegenwart, in der Gewissheiten immer unverlässlicher sind.»

Fünf Jahre sind seit dem letzten Stahlberger-Album vergangen. In dieser Zeit traf sich die Band nur sporadisch. Obwohl die Mitglieder alle von Freundschaften sprechen, bringt sie eigentlich nur die Musik immer wieder zusammen. Sie treffen sich nicht zum Kaffee, sie hängen nicht zusammen ab. Die Musik ist das Wesentliche. Alles andere ergibt sich.

Allzu oft wird im Schweizer Pop im Kleinen aufs grosse Publikum gezielt. Das Ergebnis sind entweder Provinzialität oder ortlose, mittelmässige Kopien. Zu «Dini zwei Wänd» hingegen führte kein Mehrheits­entscheid. Stattdessen ist das Album der Konsens von fünf Kompromisslosen. Vielleicht steht diese Mundart­band darum so unvergleichlich in der hiesigen Poplandschaft: Wie nichts sonst können die Dialekttexte die Deutschschweizer Verhältnisse einfangen. Die Musik hingegen kennt keinerlei Grenzen.

Als Download, auf Vinyl – und auf der Bühne

Stahlberger: «Dini zwei Wänd» (Irascible 2019). Den Download finden Sie hier. Als Vinyl und CD in gut sortierten Plattenläden.

Tourplan: Fr, 19., und Sa, 20. April, Palace, St. Gallen; Do, 25. April, Bogen F, Zürich; Do, 2. Mai, Kaserne, Basel; Fr, 3. Mai, Taptab, Schaffhausen; Sa, 4. Mai, Bad Bonn, Düdingen; Fr, 24. Mai, Dachstock, Bern; Sa, 25. Mai, Salzhaus, Winterthur; Fr, 7. Juni, Opensee, Konstanz; Sa, 8. Juni, Helsinki Freiluft, Zürich; Fr, 14. Juni, B-Sides Festival, Kriens. Hier gehts zum Vorverkauf.

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