Preis der Republik

Laut gelacht

Heute ehren wir die Ligue du LOL. Sie erkannte nicht nur die Not weisser Männer, sie hatte auch den Mut zu handeln.

Von der Republik-Jury, 21.02.2019

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Laut gelacht
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Sehr geehrte Preisträger

Geschätzte Verlegerinnen und Verleger

Meine Damen und Herren

Die heutigen Preisträger sind nicht die Helden, die wir verdient haben – aber die Helden, die wir brauchen. Helden, wie man sie höchstens noch bei Camus findet. Bestraft vom Schicksal, zur unpassendsten Zeit junge, weisse Männer zu sein; dazu verdammt, in ewiger Auflehnung gegen die absurden Bedingungen eines nicht ausreichend privilegierten Daseins zu leben.

Geschätzte Preisträger, da wir unter Kollegen sind – erlaubt, dass wir euch duzen.

Und was für Kollegen ihr seid! Hochkarätige Journalisten, Blogger, Social-Media-Spezialisten und Werber – die Crème de la Crème aus der Digital­bohème de la Grande Nation!

35 eurer Namen sind bereits bekannt, aber man erkennt euch am besten unter dem Namen, den ihr eurer erlauchten Gruppe selbst gegeben habt: Ligue du LOL, die Liga des schallenden Gelächters.

Zugegeben, ihr wusstet auch ohne diese Preis­verleihung schon immer, dass ihr die Besten seid. Damals, in den späten Nuller­jahren, als die Social Media noch unerprobte Gewässer waren für die grossen Medien­häuser, wart ihr die Pioniere. Krasse, coole savants in einer neuen Welt, die jungen Wilden der französischen Medienszene, Bad Boys mit Lederjacken und Dreitagebart, in einer Wolke aus Gitanes-Rauch, in jeder Situation die passende Serge-Gainsbourg-Zeile auf den Lippen.

Helden schon damals! Nur habt ihr dafür viel zu wenig Beifall gekriegt. Und zu allem Überfluss ist es seit geraumer Zeit nicht mehr so richtig en vogue, ein mauvais garçon zu sein. Allzu oft haben die Medien nicht von euch und euresgleichen gesprochen, sondern über – man sieht euch bei diesem Wort verächtlich Anführungs­zeichen in die Luft malen – «strukturelle Benachteiligung». Über Frauen und andere Minderheiten.

Wie langweilig, wie ungerecht!

Wie einfach hatten es da noch die Väter und Grossväter! Aber heute, heute geben sich die Frauen nicht mehr mit einem Platz am Tisch zufrieden, nein, sie wollen auch noch ein Stück vom Kuchen abhaben.

Meine Herren, ihr habt die Not am Mann nicht nur erkannt, ihr hattet auch den Mut zu handeln. Und seid, wie es sich für Rebellen gehört, in den Untergrund gegangen – in den Untergrund des 21. Jahrhunderts, ins Netz.

Und weil euch die Öffentlichkeit den verdienten Applaus verweigerte, habt ihr euch einfach gegenseitig abgefeiert.

Und weil sich die eigene Grösse bekanntermassen daran misst, wie klein man andere macht, habt ihr von dort aus gezielte Guerilla­attacken auf eure Konkurrentinnen abgefeuert.

Und weil ihr euch ideologisch auf der richtigen Seite wähntet – schliesslich wart ihr fast alle bei linken, progressiven Häusern unter Vertrag –, konntet ihr dort getrost grausam sein. Mann gönnt sich ja sonst nichts.

Es war ein Heidenspass!

Jedes Mal, wenn eine Frau euretwegen vor lauter Demütigung hinter ihrem Bildschirm zusammengebrochen ist.

Jedes Mal, wenn eine verstummte, weil sie die tägliche Flut eurer Hass­botschaften nicht mehr ertrug.

Jedes Mal, wenn sich eine nach einer Weile wieder zurück an die Öffentlichkeit wagte und ihr pflichtbewusst zur Stelle wart, um ihre psychische Gesundheit infrage zu stellen.

Herti, geili Sieche sinder!

Und endlich, nach all den Jahren der Anonymität, wird euch dafür die Ehre zuteil, die euch gebührt. Endlich unsterblich! Denn selbst wenn ihr hauptsächlich zwischen 2009 und 2012 aktiv wart – euer Verdienst wirkt bis heute nach. Schliesslich haben einige dieser Weiber, Falsch­sexuellen und Anders­farbigen ihre Lektion gelernt und werden sich nie wieder zu Wort melden.

Meine Herren, eure Mühen, all die Fake-Profile, die ihr ehrenamtlich unterhalten habt, um möglichst flächendeckend angreifen zu können, all die Stunden, in denen ihr die Köpfe von Journalistinnen akkurat auf Pornobildchen montiert habt, in denen ihr mit grosser Liebe zum Detail immer neue Schikanen erdacht habt – sie haben sich bezahlt gemacht.

Ihr seid am Ziel! Dort, wo die wahren Rebellen, die Helden und Verstossenen des Establishments sich seit je tummeln. Dort, wo nur die coolsten der bösen Buben stehen: auf der Strasse.

In diesem Sinne:

LOL.

Illustration: Doug Chayka

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