Preis der Republik

Ein Orden, den Valentin verdient hat

Er war einer der wenigen Bayern auf Weltniveau, aber Karl Valentin dreht sich im Grab um, wenn er sieht, wer in seinem Namen geehrt wird. Als kleiner Trost der Preis der Republik.

Von der Republik-Jury, 14.02.2019

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Ein Orden, den Valentin verdient hat
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Sehr geehrter Preisträger

Verehrte Verlegerinnen und Verleger der Republik

Geschätzte Damen und Herren

Am Valentinstag soll man Valentin ehren, wen sonst? Und nein, nicht irgendeinen Valentin, nicht ausgerechnet den Valentin, der Sie heute vielleicht, weil wir uns, was Liebes- und Treue­bekundungen anbelangt, ja letzthin amerikanisiert und brav den Marketing­zyklen von Floristen und Dessousherstellern unterworfen haben, einfallsreich mit einem Candle-Light-Dinner überrascht. Wir wünschen einen romantischen Abend! Aber wir, wir wollen heute den Valentin ehren, und das ist natürlich der Karl.

«Ja, spinnts ihr denn», wäre wohl Ihre Antwort. Und dennoch steht Ihnen, geehrter Karl Valentin, mehr als jedem anderen der Preis der Republik an diesem besonderen Namens­tag zu – auch wenn wir gleich noch von einem Preis werden reden müssen, der zwar nicht an Sie und nicht an Ihrem Tag, dafür aber in Ihrem Namen vergeben wird, vom Karl-Valentin-Orden nämlich.

Aber erst einmal zu Ihnen: Schönen Blumen kommen Sie als Statue am Münchner Viktualien­markt am nächsten, ansonsten gilt Ihre Selbst­einschätzung: «Ich bin kein direkter Rüpel, aber die Brennnessel unter den Liebesblumen.»

Als Sie vor ziemlich genau 71 Jahren am 9. Februar 1948 starben, waren Sie verarmt, vergessen. Sie, einer der wenigen Bayern auf Weltniveau, wie es in einer Dokumentation über Ihr Leben heisst. Einer, der Bert Brecht und Samuel Beckett inspiriert hat, den Kurt Tucholsky ehrte als «seltenen, traurigen, unirdischen, masslos lustigen Komiker, der links denkt».

Gewiss, ein Engel waren Sie nicht. Ihre kongeniale Partnerin Liesl Karlstadt trieben Sie in den Nerven­zusammenbruch. Und Sie waren auch keineswegs ein begeisterter Widerstands­kämpfer im Reich der National­sozialisten. Die innere Emigration, die Resignation war mehr Ihr Ding.

Dennoch waren Sie mutig. Wir haben heute keine Idee, was es in den 1930er-Jahren bedeutete, auf einer deutschen Bühne zu sagen: «Gut, dass der Führer nicht Kräuter heisst.» Ihr Film «Die Erbschaft» wurde 1936 von den Machthabern verboten, weil er die Armut der Menschen in Deutschland unverblümt darstellte. Oder Ihr Kommentar zur kriegsbedingten und viel beklagten Benzin­knappheit: England und Deutschland sollten doch ihre Bomben über dem eigenen Land abwerfen. Das Resultat wäre das gleiche, aber was sich da bei den Flugzeugen an Benzin sparen liesse …

Das Angebot, «Reichskomiker» zu werden, lehnten Sie ab, mit den Nazis wollten Sie nicht gemeinsame Sache machen. Anders als Kollegen wie Rühmann, Gründgens, Furtwängler, deren Karrieren nach dem Krieg ungebremst weitergingen. Sie dagegen, Karl Valentin, passten mit Ihrer Melancholie, Ihrem steten Suchen nach dem Sinn in einer weiterhin wahnsinnigen Welt nicht mehr in die Zeit. Sie starben drei Jahre nach Kriegsende an einer Lungen­entzündung, weil man Sie nach einem Auftritt in einem kleinen Münchner Wirtshaus vergessen und eingeschlossen hatte. In der Februar­kälte mussten Sie in der Garderobe übernachten und holten sich eine Lungen­entzündung, von der Sie sich nicht mehr erholten. Vergessen halt.

«Ach, hättets mich doch bloss weiter einfach vergessen, ihr Hundling!», haben Sie vermutlich auf Ihrer mittlerweile höheren Warte geflucht, als 1967 eine Münchner Faschingsgesellschaft namens Narrhalla ungefragt einen Orden nach Ihnen benannt hat und seither jedes Jahr auch an Personen verleiht, die mit Ihrem Geist, Sarkasmus und Wortwitz, Ihrer geradezu hinterfotzigen Philosophie nichts zu tun haben. Es geht um Prominenz, nicht um Sinn. Wer sich frühere Preisträger anschaut, erkennt, was Sache ist: Franz Josef Strauss und Horst Seehofer, Heino und Til Schweiger, die boxenden Klitschko-Brüder und der spätere Papst Benedikt XVI., Gipfelstürmer Luis Trenker und Fussballer Philipp Lahm.

Womit wir beim nebst dem Valentinstag eigentlichen Anlass unserer Preis­verleihung angelangt sind. Dieses Jahr wurde der Karl-Valentin-Orden dem Österreicher Andreas Gabalier umgehängt. Einem rechtspopulistischen Volksmusiker, der rassistische, homophobe, sexistische Aussagen – sagenwirmal – nicht gerade ums Verrecken meidet. Der bei einer Preis­verleihung auch mal sagt: «Ma hats ned leicht auf dera Welt, wenn ma als Manderl noch auf a Weiberl steht.» Der ein Platten­cover so gestaltet, dass die Konnotation zum Haken­kreuz nicht zwingend ausgeschlossen ist. Der im Video seines Liedes «Hallihallo» von der Frau mit prall gefülltem Dirndl direkt zum prallen Kuheuter schneidet. Und der singt: «A Meinung ham, dahinterstehn / den Weg vom Anfang zu Ende gehen / wenns sei muass ganz allan / do oben stehn.» Das hätten die Burschenschaftler von Gabaliers Regierungs­partei FPÖ nicht besser sagen können. Vielleicht haben die ja bald einmal einen Kanzler­kandidaten, der Kräuter heisst.

Es wäre uns eine grosse Freude, wenn der Preis der Republik diese Schmach ein bisserl milderte. Es ist für Sie, geehrter Karl Valentin, hoffentlich ein Trost, dass Sie all dies nicht mehr miterleben müssen – oder nur noch von höherer Warte. Vielleicht hilft ja auch, dass es noch den Grossen Karl-Valentin-Preis gibt. Der wird seit 2007 unregelmässig vergeben, ohne Brimborium, erhalten haben ihn bisher Gerhard Polt, die Biermösl Blosn, Fredl Fesl, Helge Schneider, Sigi Zimmerschied. Das hat Ihnen sicher gefallen da oben, sind die Preisträger doch a) Ihres Werkes würdig und erhalten b) bei der Ehrung: nichts.

Sehr geehrter Karl Valentin, wie gerne würden wir nun Ihre Rede zur jetzigen Preis­verleihung hören. Wie Sie unsere Laudatio zerpflücken, unterlaufen, ad absurdum führen. Wie verquer Sie die Welt beschreiben und damit umso greifbarer werden lassen. Gerade auch, wenn sie mal wieder nicht so schön ist.

Geht nicht, wirklich nicht? Dann auf ein andermal, danke für alles, machen Sie es gut da oben. Grüssen Sie den Herrn Wrdl Wrdlbrmpft und vor allem die grossartige Liesl Karlstadt. Ihnen beiden wünscht die Jury einen zauberhaften Valentinstag!

Illustration: Doug Chayka

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