Die Zweifel einer Richterin

Sie ist eine der wenigen Richterinnen, die sich öffentlich und pointiert äussern: Die Luzernerin Marianne Heer spricht im Interview über Sinn und Unsinn der Verwahrung, erklärt die vergebliche Sehnsucht nach absoluter Sicherheit und verrät, wovor sie sich als Richterin fürchtet.

Von Carlos Hanimann (Interview) und Tom Haller (Bilder), 07.03.2018

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Marianne Heer im Kantonsgericht Luzern.

Frau Heer, soll man Menschen über die eigentliche Strafe hinaus verwahren?
Ich bin der Verwahrung gegenüber sehr skeptisch. Aber in sehr, sehr seltenen Fällen bin ich der Meinung, dass man den Mut haben muss, sie auszusprechen.

Wann?
Wenn sich bei einem gefährlichen Straftäter nach umfassenden Untersuchungen und ernsthaften, adäquaten, aber gescheiterten Behandlungsversuchen zeigt, dass auf der Ebene der Therapie nichts zu machen ist.

Standen Sie schon einmal an diesem Punkt?
Ja.

Und wie haben Sie entschieden?
Ich habe gemeinsam mit meinen Richterkollegen die Verwahrung angeordnet. Allerdings macht mir der Fall noch immer zu schaffen. Nicht wegen der Verwahrung an sich, sondern wegen der letzten Beurteilung des Psychiaters.

Was schrieb er?
Hätte man den Mann von Beginn weg richtig behandelt und ihn nicht viereinhalb Jahre ohne Behandlung in Untersuchungshaft gehalten, wäre es nicht so weit gekommen.

Das Massnahmensystem

Hält das Gericht eine ordentliche Strafe nicht für ausreichend, um jemanden von weiteren Straftaten abzuhalten, kann es unter Umständen eine Massnahme anordnen, die über die schuldangemessene Strafe hinausgeht: die Verwahrung, die stationäre Therapie («kleine Verwahrung») oder eine ambulante Therapie.

Die Verwahrung nach Artikel 64 des Strafgesetzbuches ist eine zeitlich unbestimmte Massnahme, die bei schweren Verbrechen ausgesprochen werden kann, wenn der Täter als gefährlich gilt, an einer schweren psychischen Störung leidet und eine stationäre Therapie kein Erfolg verspricht. Derzeit sind etwas über 140 Personen verwahrt. In den letzten Jahren wurden etwa 8 Personen pro Jahr verwahrt.

Die «kleine Verwahrung» ist eine stationäre Massnahme nach Artikel 59, Absatz 3 des Strafgesetzbuches. Anders als bei der ordentlichen Verwahrung steht hier die deliktorientierte Therapie im Vordergrund. Voraussetzung sind Gefährlichkeit und psychische Störung eines Täters. Die Massnahme wird auf maximal fünf Jahre angeordnet, sie kann danach aber verlängert werden (was in der Praxis auch geschieht). Nach den neusten publizierten Zahlen sind 904 Personen in dieser Massnahme.

Bevor Sie Kantonsrichterin in Luzern wurden, waren Sie Staatsanwältin. Haben Sie da nie eine Person verwahren wollen?
Doch. Die Frau, die später als Parkhausmörderin bekannt wurde. Ich war damals überzeugt: Diese Frau ist brandgefährlich.

Die sogenannte Parkhausmörderin wurde unter anderem für zwei Morde verurteilt, einer 1991 im Urania-Parkhaus in Zürich, der andere 1997 im Chinagarten am Zürichsee. Sie gilt als «gefährlichste Frau der Schweiz».
Als ich sie Anfang der neunziger Jahre als Staatsanwältin anklagte, wusste ich noch nichts von ihren Tötungsdelikten. Bei mir ging es um insgesamt 42 Brände, die sie gelegt hatte. Die waren immer gefährlicher geworden, die Frau trat gegenüber allen dermassen aggressiv auf, dass ich überzeugt war: Diese Frau darf man nicht auf die Öffentlichkeit loslassen.

Aber sie kam später wieder frei und wurde erst 2001 für zwei Morde und zahlreiche Brandstiftungen verurteilt und verwahrt. Bedauern Sie, dass Ihr Antrag Anfang der neunziger Jahre nicht durchkam?
Man hätte sie verwahren sollen. So wäre das zweite Tötungsdelikt verhindert worden. Aber das ist eine nicht sehr befriedigende Genugtuung für mich.

Heute sind Sie Richterin und entscheiden über solche Fälle. Kommen Sie da ins Grübeln?
Ich glaube, alle Richter zweifeln. Bei den grossen Fällen sowieso. Vor einem Urteil denkt man viel und intensiv nach, man zweifelt natürlich auch. Aber wenn ein Urteil einmal gefällt ist, schliesse ich den Fall für mich ab.

Urteil, Schluss, aus.
Ja, das lernt man in diesem Beruf mit der Zeit.

Ist das wirklich so einfach? Sie entscheiden immerhin über die Freiheit eines Menschen.
Natürlich belastet mich das. Aber wenn Sie ein langes Beweisverfahren durchgemacht haben, dann ist am Ende der Entscheid häufig ziemlich einfach. Ich denke gerade an einen Fall, wo ich in unserem Richtergremium unterlag.

Worum ging es?
Um einen ziemlich jungen Mann, den wir in die «kleine Verwahrung» stecken mussten, also in eine Massnahme mit stationärer Therapie. Der Mann war völlig unstrukturiert und dissozial. Es war klar, dass er sich auch im Massnahmenvollzug nicht unterordnen würde. Man würde immer unzufrieden mit ihm sein. Einen so jungen Menschen in eine zeitlich unbefristete Massnahme zu schicken, war schon ein eigentliches Todesurteil. Es heisst ja «kleine Verwahrung», weil die Leute fast nicht mehr rauskommen, wie bei der eigentlichen Verwahrung auch. Ich bin mit meiner Meinung in unserem Team unterlegen und muss das akzeptieren. Aber der Fall lässt mich nicht los.

«Hinter der Forderung nach mehr stationärer Therapie steckt eine repressive Haltung»: Marianne Heer, Oberrichterin.

Was hätten Sie getan?
Ich hätte eine einfache Strafe mit einer ambulanten Therapie angeordnet.

Ihre Kollegen im Richtergremium sahen das offenbar anders. Trotzdem hätten Sie diesen Straftäter auf die Gesellschaft losgelassen?
Na ja, das war ein Beschuldigter, der Bestätigung darin fand, schnell Auto zu fahren. Er hatte zwei Selbstunfälle: Einmal drehte es ihn auf der Autobahn, also ziemlich gefährlich, einmal landete er auf dem Dach. Aber bis dahin hatte er niemanden verletzt. Kann man so jemanden mit einer einfachen Freiheitsstrafe beeindrucken und ihn mit einer ambulanten Therapie auf die richtige Bahn bringen? Ich fand: Das geht.

Aber jetzt steckt er in der «kleinen Verwahrung».
Und wird aller Voraussicht nach auch drin bleiben.

Ein tragischer Fall?
Bei einem jungen Menschen finde ich das gravierend. Der verpasst das ganze Leben. Das nagt tatsächlich an mir. Der Fall lässt mir keine Ruhe.

Fürchten Sie sich manchmal davor, ein falsches Urteil zu fällen?
Fürchten nicht, sonst könnte ich nicht arbeiten. Aber es ist natürlich eine Frage, die mich immer umtreibt.

Was wäre schlimmer: eine Unschuldige einzusperren oder einen Gefährlichen freizulassen?
Eine Unschuldige einzusperren. Das wäre nämlich faktisch falsch. Einen Gefährlichen freizulassen, bedeutet noch nicht, dass er erneut ein Verbrechen begeht.

Und wenn er dann doch straffällig wird?
Ich verstehe Sie schon. Aber diese Frage darf und will ich mir nicht stellen. Sonst wäre ich eine sehr ängstliche Richterin.

Warum äussern sich Richter so selten öffentlich?
Sehr viele Richter finden, dass sie sich überhaupt nicht rechtspolitisch äussern sollten. Das sehe ich anders: Wir sollten uns viel mehr einschalten.

Sie haben kürzlich etwas getan, was Sie sehr selten tun: Sie schrieben einen Gastbeitrag in der NZZ, in dem Sie vor Willkür in der Strafjustiz warnten.
Da ging es um einen alten Streit.

Thomas Noll und Jérôme Endrass vom Zürcher Justizvollzug hatten zuvor gefordert, es brauche ein neues Diagnosesystem, um auch Straftäter in eine Therapie schicken zu können, die heute als gesund gelten. Wo sehen Sie da die Gefahr von Willkür?
Auf den ersten Blick wirkt es vielleicht heilbringend, dass man jemanden mit einer Therapie auf den richtigen Weg bringen will. Aber man muss schon sehen: Es war eine Forderung nach mehr stationären Massnahmen oder gar Verwahrung, also nach mehr Internierung.

Wenn mehr gefährliche Täter Zugang zu einer Therapie haben, verringere das die Rückfallgefahr, schrieben die beiden. Das heisst doch: mehr Sicherheit für alle.
Das tönt im Idealfall sehr schön. Aber da wird eine Sicherheit vorgetäuscht, die es gar nicht gibt. Die Forderung ist ein Etikettenschwindel. Hinter der Forderung nach mehr stationärer Therapie steckt eine repressive Haltung. Wir hatten schon einmal eine Zeit, wo die Psychiatrie dazu missbraucht wurde, gewisse unliebsame Leute einzusperren. Ich will das den beiden nicht unterstellen, aber da wird ein extrem gefährlicher Weg eingeschlagen.

Seit dem «Mord am Zollikerberg» im Jahr 1993, als ein Straftäter auf unbegleitetem Hafturlaub eine junge Pfadiführerin tötete, hat sich die Stimmung in der Justiz verändert: Der Zürcher Psychiater Mario Gmür schrieb in einem Essay, seither herrsche ein «paranoid gefärbtes Angstklima». Teilen Sie diese Einschätzung?
Absolut. Der Vorfall hat die Vollzugsbehörden traumatisiert. Man traut sich überhaupt nichts mehr. Und das ist eine sehr ungesunde Entwicklung. Lockerungen, Ausgang, Freigang, bedingte Entlassung – davon macht man heute kaum mehr Gebrauch. Nachdem jemand zwei Drittel der Haftstrafe verbüsst hat, gäbe es die Möglichkeit einer bedingten Entlassung. Aber heute wird bei Tätern, die kurz vor dem letzten Drittel ihrer Strafe stehen, plötzlich ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben, um ihre Gefährlichkeit abzuklären.

Täter, die zuvor nicht als gefährlich galten?
Ja. Damit man sie nicht entlassen muss. Bis das Gutachten dann endlich vorliegt, ist der letzte Drittel der Strafe auch verbüsst und das Gutachten obsolet.

Ist die Gefährlichkeit eines Straftäters, also die vermutete Rückfallgefahr, heute wichtiger als früher?
Die Gefährlichkeit war immer schon ein wichtiges Thema. Aber die Frage ist: Was heisst gefährlich? Die heutigen Risikoanalysen täuschen eine Sicherheit bei der Beurteilung dieser Frage vor, die es nicht gibt. Wir wissen oft nicht zuverlässig, wer gefährlich ist. Das ist immer eine Hypothese, die mit grossen Unsicherheiten verbunden ist. Menschliches Verhalten in der Zukunft lässt sich nicht abschliessend voraussagen.

Und doch versucht man die Gefährlichkeit eines Menschen mit Tests zu vermessen und Prognosen zu erstellen. Ist das sinnvoll?
Ich finde das unhaltbar. Tests können unter Umständen ein Hilfsmittel sein. Aber wir haben es in der Justiz mit Menschen zu tun und versuchen sie mit Punktesystemen und Maschinen einzuschätzen – das wird dem Individuum nicht gerecht.

Es ist ein Ausdruck des Wunsches nach mehr Sicherheit.
Nach absoluter Sicherheit. Aber die gibt es nicht. Wir müssen überall im Leben mit Risiken umgehen.

Trotzdem streben wir danach.
Ich glaube, das sind Stellvertreterkriege. Es geht um die Unsicherheit im eigenen Leben, in unserer Gesellschaft. Deshalb lenken wir die Diskussion auf Leute, mit denen wir uns nicht identifizieren: auf Verbrecher. Die sind ausgegliedert. Die gehören nicht zu uns.

Man tut so, als wären Verbrecher eine kleine Randgruppe. Dabei wird ungefähr jeder zweite Mann im Laufe seines Lebens einmal straffällig.
Das Unrecht ist Bestandteil unseres Lebens. Das Verbrechen gehört dazu. Man muss nur lernen, damit umzugehen.

Das Massnahmensystem erfüllt diese Sehnsucht: Es verspricht mehr Sicherheit, indem Straftäter über das eigentliche Strafmass hinaus für unbestimmte Zeit weggesperrt werden.
Es ist aber ein Etikettenschwindel, eine Illusion. Wir müssen abwägen, wie viel Sicherheit wir wollen und welchen Aufwand wir dafür betreiben. Wie viele Menschen wollen wir einsperren? Und was ist, wenn wir plötzlich selber zum Opfer des Systems werden? Wenn unsere eigene Auffälligkeit für problematisch erklärt wird? Solange wir auf die Schwerverbrecher zeigen, sind wir nicht gemeint. Wir sind sicher, dass wir nie in dieser Rolle stecken werden.

Wann ist in Ihren Augen jemand gefährlich?
Da halte ich mich ans Bundesgericht: Wenn jemand in Zukunft mit hoher Wahrscheinlichkeit schwerwiegende Delikte begehen könnte. Der Psychiater muss uns Richterinnen dann sagen, mit welcher Wahrscheinlichkeit das zu erwarten ist.

Wie viele Menschen zählen in der Schweiz als hochgefährlich?
Vielleicht eine Handvoll. Aber sehen Sie: Die hochgefährlichen Täter sind in der Praxis nicht das Problem. Schwieriger ist der Mittelbau der Kriminalität. Was mache ich mit einem, der immer wieder dreinschlägt: Kann ich den in Freiheit lassen, oder macht er das nächste Mal etwas Schlimmeres? Das häufigste Anlassdelikt für eine «kleine Verwahrung» sind Körperverletzungen, also Delikte im unteren oder mittleren Bereich. Oder wenn jemand Drohungen ausspricht: Muss man die ernst nehmen? Meist sind Drohungen nur heisse Luft. Soll man deswegen jemanden für lange Zeit internieren und therapieren? Das sind schwierige Fragen. Heute werden nicht unbedingt mehr Massnahmen angeordnet, aber die Zahl hält sich auf hohem Niveau.

Das heisst, die Leute kommen nicht mehr raus?
Das ist tatsächlich so. Ich kenne Fälle, wo jemand mit einer Grundstrafe von weniger als einem Jahr über zehn Jahre inhaftiert bleibt.

Mit welcher Begründung?
Das Problem ist die Risikobeurteilung. Die ist ohnehin schon schwierig. Wenn sich aber jemand bereits im Justizvollzug befindet, wird die Sache noch komplizierter: Diese Leute haben keine Gelegenheit, ihre Ungefährlichkeit zu beweisen.

Welche Bedeutung hat der Psychiater heute in der Strafjustiz?
Er stellt die Diagnose und soll Aussagen machen über die Schwere der Störung. Abgrenzen zwischen bloss akzentuierten Zügen einer Persönlichkeit, also Verhaltensauffälligkeiten, und Störungen im Sinne eines besonderen Klassifikationssystems.

Ich war schon an Gerichtsverhandlungen, wo der Richter den Anschein machte, er könne sich nicht zu einem Entscheid durchringen. Also verlangte er nach dem fünften psychiatrischen Gutachten auch noch ein sechstes. Flüchten sich Richter in die Psychiatrie?
Das ist offensichtlich. Die Gutachten sind zwar wertvolle Entscheidgrundlagen. Aber den Entscheid muss die Justiz fällen. Der Psychiater kann dem Richter die Verantwortung nicht abnehmen. Der Flucht der Justiz in die Psychiatrie ist klar entgegenzutreten.

Das Gericht entscheidet, wann jemand in eine Massnahme kommt. Wann er wieder rauskommt, entscheidet die Psychiatrie.
Das ist zu einem grossen Teil so: Der Therapeut mit seinen Berichten, das Gefängnis mit seinen Führungsberichten, der externe Psychiater mit seinem Gutachten. Aber auch wenn Massnahmen angeordnet werden, besteht eine Dominanz des psychiatrischen Wissens.

Ist dieses System anfällig für Willkür?
Nur wenn wir den Psychiater nicht dazu verpflichten würden, seinen Entscheid nachvollziehbar zu begründen, sodass wir ihn verstehen und kritisieren können.

Und? Verstehen Sie die Entscheide?
Die der guten Psychiater schon.

Die psychiatrischen Gutachten haben ein enormes Gewicht. Man trifft sich mit einem Psychiater, redet ein paar Stunden, und am Ende macht er den Daumen hoch oder runter: ordentliche Freiheitsstrafe oder zeitlich unbestimmte Massnahme.
So einfach ist es natürlich nicht. Die Analysen sind heute sehr gut begründet. Mir sind in früheren Zeiten schon Risikoanalysen untergekommen, die aus vier, fünf Zeilen bestanden. Heute umfasst ein Gutachten gut und gerne 150 Seiten. Ich bin aber der Meinung, dass es mehr Kontrolle braucht. Die Verteidiger müssen sich mehr einbringen. Leider ist manchmal das Know-how dafür nicht gut genug. Wichtig ist auch eine Stärkung der Verfahrensrechte. Dazu gehört für mich, dass ein Verteidiger bei der psychiatrischen Untersuchung anwesend sein kann. Die Gutachten würden so zu einem stärkeren Beweismittel, wenn alles von aussen nachvollzogen werden könnte.

Ist ein Straftäter heute dem Psychiater ausgeliefert?
Nicht mehr als der Justiz.

In einem Interview haben Sie einmal gesagt, bei einem Urteil schwinge die Angst mit. Was meinten Sie damit?
Die Justiz, die eigentlich unabhängig sein sollte, wird heute in den Strudel der Politik gezogen. Sie versucht immer wieder Einfluss auf die Justiz zu nehmen. Ich kenne Richter, die von ihren politischen Parteien zur Rechenschaft gezogen werden: Sie müssen ihren Parteien Rede und Antwort stehen, warum sie so oder anders entschieden haben.

Weil alle Richter einer Partei angehören müssen, um gewählt zu werden.
Ja. Es gibt eine grosse Schweizer Partei, die ihre Richter zitiert …

Sie meinen die SVP.
Ja, die SVP. Die Nationalräte brüsten sich sogar damit, dass sie ihren Richtern dreinreden. Eine klare Verletzung der Gewaltenteilung. Es gibt Fälle, wo Richter wegen ihrer juristischen Haltung Mühe hatten, wieder gewählt zu werden. Es wäre früher undenkbar gewesen, dass das Parlament so stark versucht, auf die Rechtsprechung Einfluss zu nehmen.

Ein Trend?
Ich glaube, ja. Der Unabhängigkeit der Justiz bläst heute ein eisiger Wind entgegen. Nicht nur im benachbarten Ausland. Sondern auch in der Schweiz. Ich halte das für eine sehr gefährliche Entwicklung.

Zur Person

Marianne Heer, 62, ist seit 2000 Oberrichterin am Kantonsgericht Luzern. Zuvor war die Juristin Staatsanwältin in Luzern. Heer lehrt an den Universitäten Bern und Fribourg. Sie ist Mitglied der FDP.

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