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Umweltwissenschaftler, Dokumentarfilmer
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Danke für diesen aufschlussreichen Artikel. Es ist wichtig, dass immer und immer wieder wiederholt wird, dass die Hungerkrise eine Verteilungskrise ist.

Allerdings fällt gerade der erste Teil des Artikels selbst massiv auf die Propaganda der industriellen Landwirtschaft herein (ähnlich, wie es kürzlich schon ein Artikel über das Insektensterben tat). Die Produktionssteigerungen des letzten Jahrhunderts werden so stark hochgejubelt, wie sie es nicht verdient haben. Denn die Datenlage dazu ist überhaupt nicht so klar, wie sie scheint.
Die verfügbaren Daten blenden die selbstversorgende, kleinbäuerliche Landwirtschaft und deren Produktivität weitgehend aus. Sie beziehen sich vor allem auf die weiträumig gehandelten Lebensmittel - aber bis vor wenigen Jahrzehnten konsumierte eine grosse Mehrheit der Weltbevölkerung hauptsächlich selbst angebaute oder zumindest im eigenen Dorf angebaute Nahrung, die von keiner Statistik erhoben wurde. In praktisch allen ökonomischen Arbeiten zum Thema wird das Volumen dieser Nahrung nicht mitgezählt oder massiv unterschätzt.
Dabei liegt die durchschnittliche Produktivität von Kleinbauernbetrieben pro Quadratmeter je nach Weltregion noch heute doppelt bis fünfmal so hoch wie jene von grossen industriellen Farmen. Und sie ist von Jahr zu Jahr auch viel stabiler. Der Grund, warum es in rein kleinbäuerlichen Systemen trotzdem mehr Hungertote gab, ist, dass in Notzeiten nur langsame und teure Handelswege vorhanden waren, über die Lebensmittel aus anderen Regionen herbeigeschafft werden konnten. Wie hoch die landwirtschaftliche Produktivitätssteigerung durch die "Grüne Revolution" wirklich war, werden wir nie vollständig wissen.

Hierin liegt eine ebenso wichtige Kernbotschaft: Ein produktiveres, stabileres Ernährungssystem erreichen wir nicht über mehr Fläche oder mehr chemische Inputs, sondern über eine kleinräumige Produktion mit mehr Arbeitskraft.
Dass die Agrarmultis damit wenig anfangen können, ist klar - sie würden an so einem System weniger verdienen. Das sinnvollste System entzieht sich ihrer kapitalistischen Logik.
Die Landwirtschaftspolitik steckt damit in genau derselben Zwickmühle wie die Energiepolitik. Auch hier wäre ein System mit kleinen, dezentralen Produktionsstätten (Dachfotovoltaik, Dachwindkraft, Erdsonden, Seewärmeanlagen, kleine Biogas- und Geothermiekraftwerke), Speichern (Hausbatterien, saisonale Warmwasserspeicher) und Verteilnetzen (Microgrids, Fernwärmenetze) viel effektiver, nachhaltiger und sinnvoller als das heutige System mit seinen riesigen Kraftwerken und langen Transportwegen. Aber die Profiteure des heutigen Systems haben zu viel politische Macht, als dass wir zu einer vernünftigen Diskussion gelangen könnten.

Gerne würde ich unsere Diskussion auf folgende Frage lenken: Wie schaffen wir es, Lösungen politisch zum Durchbruch zu verhelfen, die für heutige und zukünftige Grosskonzerne unattraktiv sind?

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Danke für diese relevanten Ergänzungen zum gewichtigen Artikel.
Antwort auf Ihre Frage? Wenn wir die nur kennten.
Wir brauchen eine grundlegende Transformation, aber die Gewinner der alten Welt werden ihre Pfründe verteidigen so lange es geht.
Wie erreichen wir politische Mehrheiten? Vielleicht mit zufällig gewählten, gesellschaftlich repräsentativen Parlamenten und mehr Gehör für Bäuer:innen, Wissenschaftler:innen, Betroffenen und Mut für andere Wege?

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"Die Gewinner der alten Welt", das sind die meisten, die Republik lesen. Global gesehen.

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Sind nicht wir die Gewinner? Oder verstehe ich den Satz falsch?

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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Danke für die Ergänzung. Den Vorwurf, ich würde auf die Propaganda hereinfallen, finde ich aber dann doch etwas hart. Obwohl die Zahlen tatsächlich umstritten sind, würde niemand – jedenfalls keine der Wissenschaftler:innen, mit denen ich gesprochen habe – die Produktionssteigerung, ausgelöst durch die «Grüne Revolution» negieren. Ebenfalls umstritten ist die Diskussion um den Output pro Quadratmeter – und da haben Sie recht: Das muss man kontextabhängig anschauen. Dieses Thema habe ich im zweiten Teil aufgegriffen.

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Umweltwissenschaftler, Dokumentarfilmer
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Die Bemerkung, dass Sie auf die Propaganda hereingefallen sind, sollte kein Vorwurf sein, sondern bloss eine konstruktive Kritik. Und ich stehe weiterhin dahinter; gerade weil Sie in Ihrem Kommentar schreiben:

Obwohl die Zahlen tatsächlich umstritten sind, würde niemand – jedenfalls keine der Wissenschaftler:innen, mit denen ich gesprochen habe – die Produktionssteigerung, ausgelöst durch die «Grüne Revolution» negieren.

Wenn die Wissenschaftler:innen, mit denen Sie gesprochen haben, wirklich diese Kausalkette beschrieben haben, dann sollten Sie definitiv mit anderen Wissenschaftler:innen sprechen. Der Auslöser der Produktionssteigerung im 20. Jahrhundert war unbestritten das exponentielle Bevölkerungswachstum, verursacht durch die beispiellose Senkung der Kindersterblichkeit und die erfolgreiche Bekämpfung ansteckender Krankheiten durch medizinische und hygienische Fortschritte. Dieses Bevölkerungswachstum hatte eine wachsende Nachfrage nach Lebensmitteln zur Folge. Dass ein bedeutender Teil dieser Produktionssteigerung und des zusätzlichen Flächenverbrauchs der Landwirtschaft mit Methoden der "Grünen Revolution" erreicht wurde, ist klar belegt. Aber ob eine Kausalität zwischen den beiden Entwicklungen besteht, lässt sich leider nicht schlüssig nachweisen. Stand heute war die "Grüne Revolution" ganz sicher eine Begleiterin der Produktionssteigerung. Die Auslöserin war sie ebenso sicher nicht. Ob und wie stark sie die Produktionssteigerung unterstützt hat, verglichen mit den Methoden, die sie verdrängte, darüber können wir nur mutmassen. Es könnte gut sein, dass wir mit arbeitsintensiveren und weniger kapitalintensiven Methoden sogar besser gefahren wären.

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Spannend geschrieben, vielen Dank! Ich freue mich auf Teil 2, wobei wir ja selten am Mangel an Lösungen scheitern, sondern an der Unfähigkeit diese zu Verfolgen. Auf kurzfristige Profite zu verzichten um nachhaltiger zu werden, scheint ein Ding der Unmöglichkeit. Sogar in der hochinnovativen Schweiz schaffen wir es nicht, wenn man z.B. an die Energieversorgung denkt. Wie soll das ein Land mit einer korrupten Regierung?

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Enarchist & Anfänger
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Die Probleme türmen sich auf. Die Grusel-Elite legt noch nach. Wie bringen wir die Lösungen in die Pipeline, bevor uns auch hier alles um die Ohren fliegt? Die Zeit drängt. Gelassen bleiben wird zur Kunst.
Ich bin sehr froh, erscheint der zweite Teil der Reportage schon morgen ;-) Danach packen wir‘s an, oder?

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Etwas schade, dass "Kapitalismus" im Artikel nicht ein mal vorkommt.
Das Kind hat einen Namen, bei dem man es nennen könnte.

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Welche Alternative zum Kapitalismus würden sie denn vorschlagen?

Die schlimmste Hungersnot in der Geschichte der Menschheit wurde ja durch Planwirtschaft verursacht. Und das, obwohl nur wenige Jahrzehnte früher die Sowjetunion den gleichen Fehler machte.

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Märchentante*onkel
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Es wäre ein Fehlschluss, wenn wir angesichts der Katastrophen planwirtschaftlicher Diktaturen den Kapitalismus für alternativlos halten würden. Es gibt viele Beispiele von vermeidbaren und ähnlich gravierenden Hungersnöten in kapitalistischen Systemen (Irland 1845-49, Indien 1877, etc.), die illustrieren, dass ungezügelter laissez-faire Kapitalismus Hungerkrisen verursachte und verschärfte. Lösungen zur Hungerkrise sind vorhanden, z.B. eine Sondersteuer auf den Zusatzprofiten von Pharmaunternehmen während der Covid-Krise und dem ausserordentlich hohen Zusatzprofit der Erdöl- und Erdgasunternehmen aus dem Ukrainekrieg. Das Abschöpfen dieser Hunderten von Billionen würde die Mittel bereitstellen, um die Hungerkrise zu beseitigen. Aber ich bin auch gespannt auf den Beitrag von morgen mit weiteren Lösungen.

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Gaby Belz
semi-Rentnerin, semi-Berufsfrau
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Auch wenn das noch viel utopischer klingt: des Pudels Kern liegt nicht beim Wirtschaftsmodell, sondern tiefer: bei der Überzeugung dass unsere Spezies als Herr:innen der Welt grenzenlos über alles andere verfügen kann. Ich verweise immer wieder gerne auf Bruno Latours Terrestrisches Manifest, in dem er auf die Tatsache hinweist dass wir genau gleich wie alles andere was lebt eingebunden und abhängig sind. Die 17 Ziele der UNO Nachhaltigkeitsvereinbarung (SDG 2030) ernsthaft umzusetzen wäre ein erster Schritt, aber immer noch nicht die ganze Sache. Ein Wirtschaftsmodell das diesem Umstand Rechnung trägt hat noch keinen Namen. Und ist realpolitischen in weiter Ferne.

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Da wir seit ~20 Jahren genug Essen haben um die ganze Menschheit zu ernähren und pro Jahr ca 9 Millionen Menschen verhungern, würde ich den Titel neu vergeben.

Aber nein, ich wollte nicht 1:1 China aus den 50ern nachbauen, insbesondere auch nicht den Teil mit "killen wir mal einen essentiellen Teil des Ökosystems" (Four Pests Campaign), wobei so wie wir gerade dabei sind, passiert das Bienensterben ja auch von alleine.

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Das Nahrungs­system, das angeblich geschaffen wurde, um Milliarden Menschen zu ernähren

Es dürfte eigentlich jedem klar sein, dass das Ziel der Profit ist - und das nicht erst seit dem Biofuel Boom.

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Ich bin ein bisschen ratlos.
Im ersten Teil scheint mir, dass die Argumentation darauf hinausläuft, dass die Nahrungsmittel (durch die grüne Revolution, günstige Energie etc.) zu billig geworden sind und die Landwirtschaft sich selber ruiniert hat. Oder die produktiven Bauern die weniger produktiven. Wie auch immer, plausibel.
Dann müsste aber aktuelle Verteuerung, u.a. durch den Ukrainekrieg, eine erwünschte Korrektur sein? die verteuernden Handelshemmnisse müssten nicht abgeschafft, sondern verewigt werden. Und man müsste sich darauf beschränken, Probleme der Transition zu lösen.
Vielleicht ist die Fährte kalt und das Problem anderswo.

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Insbesondere sind lokale, kleinräumige Strukturen zerstört worden, die so leicht nicht zurückzugewinnen sind, ist das Know-how einmal verloren. Bill Clinton bestätigt das ja für Haiti. Aber auch unser Altkkeider-Export nach dem globalen Süden hat verheerende Wirkungen: die lokale Produktion wird zerstört und der Handel beeinträchtigt. Es gibt unzählige Beispiele...
(typo)

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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Lesen Sie den zweiten Teil :)

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Warum fällt eigentlich in diesem Beitrag mit dem Titel "Wieso müssen die Menschen Hungern" nie der Name "Jean Ziegler"?

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Danke dass Sie Jean Ziegler erwähnen. "Alle fünf Sekunden verhungert ein Kind". Das sagt er uns seit Jahrzehnten! Wir wissen es. Heute verhungert alle drei Sekunden ein Kind. Im Dlf Kultur 2012 sagt Ziegler:
"Es muss verboten werden, dass Großbanken und Hedgefonds die Preise für Getreide und Reis an den Börsen ins Unerschwingliche treiben, sagt der ehemalige UN-Sonderbotschafter Jean Ziegler. Neben dem Landraub sei die Spekulation auf Grundnahrungsmittel einer der Hauptgründe dafür, dass jährlich 18 Millionen Menschen an Hunger sterben."
Wir in der Schweiz haben selten Hunger; aber wir haben ständig Appetit, den uns das Überangebot an Nahrungsmitteln aufzwingt. Da mache ich nicht mehr mit.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Auch dieses Problem wird letztlich von der extrem ungleichen Machtverteilung verursacht.
Länder mit viel Macht, finanziell, militärisch oder geologisch, eignen sich sehr viele Ressourcen an und verschwenden sie gedankenlos. Einfach weil sie es können.
Menschen mit viel Geld, ererbt, glücklich gewonnen oder hart erarbeitet, leben weit über den Verhältnissen, welche die Erde eigentlich erlauben würde, und wollen sich meist nicht einschränken. Sie setzen ihren Reichtum ein, um politische und wirtschaftliche Prozesse zu beeinflussen, damit sie nicht dazu gezwungen werden können, ihren Lebensstil anpassen zu müssen.
Solange wir, die wir in freien Demokratien leben, uns in diese Machtverhältnisse fügen, obwohl wir die Mittel hätten, es zu ändern, solange wird sich Katastrophe an Katastrophe reihen, bis wir vernünftiger geworden sind, oder soweit dezimiert, dass es keine Rolle mehr spielt.

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danke für den aufrüttelnden bericht! und was sagt uns das? es sind doch die von konzernmächten gesteuerten politischen regime, sie handeln wie marionetten. ziele sind die steigerungen von gewinnen für wenige, was jedoch immer mit scheinheiligen 'verbesserungen' verbrähmt wird. eigentlich ist es sonnenklar - wir brauchen andere gesellschaften! und wir sollten uns vor augen halten: 'wir' sind viel mehr wie 'die'. oder etwa nicht?

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Vielen Dank für den Artikel Elia Blülle. An bitteren Armut und Hunger in der Welt muss wieder und wieder erinnert werden, damit endlich geteilt werden kann.
Ich bin gespannt auf die Lösungsvorschläge.

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Danke für den erneuten Weckruf - oder besser das Kassandra-Orakel?
Schon 1968 warnte der Club of Rome (https://de.m.wikipedia.org/wiki/Club_of_Rome) vor den Folgen des ungehemmten Wachstums. Obwohl wir heute vielleicht bessere technische und kommunikative Möglichkeiten als damals hätten, sind die sozialen und v.a die ökologischen Folgen der Gier, des Immer-mehr und Immer-Billiger sicht- und spürbar wie nie - natürlich erneut am wenigsten für uns in Europa. (Ich erinnere mich vage an einen Artikel im TA-Magazin darüber, wie sich Hunger und seine Folgen für Betroffene wirklich anfühlt.)
Was bleibt neben Resignation und Trotzdem ist die schmerzhafte Einsicht, dass wir wirklich ernten, was wir säen.

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Der Club of Rome wurde zwar 1968 gegründet, der bekannte Bericht 'The Limits of Growth' kam aber erst 1972 heraus. >https://de.wikipedia.org/wiki/Die_G…_Wachstums

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, webpubl&lektorin
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Danke für diese Übersicht, Elia Blülle!
„All diese Vorschläge haben etwas gemeinsam: Sie wollen die Produktion von Nahrungsmitteln noch einmal steigern*. Ist das aber wirklich eine gute Idee?“
* und das mit noch mehr Zerstörung von Böden, Insekten, Pflanzenarten; also noch mehr Zerstörung von Zukunft.
Wenn mich nicht alles täuscht, war und ist der Preis dieser sog. grünen Revolution zwar zumindest scheinbar mehr Produktion. Aber auf Kosten der Bodenstruktur, des Erhalts der langfristigen Fruchtbarkeit der beackerten Böden. Stattdessen Vergiftung durch Pestizide und chemische Düngemittel; damit auch Überdüngung bei gleichzeitiger Versalzung der Ackerflächen.
Ausserdem zwar scheinbar mehr Produktion. Allerdings von Nahrungsmitteln, die viel schlechtere Nährwert haben — um davon wirklich satt zu werden, müssen wir uns überfüttern. Was mich immer und nachhaltig erstaunt, ist, dass kein Mensch je schreibt, vielleicht ist das einfach noch nicht bewusst geworden, dass ein Mensch viel besser satt wird von Lebensmitteln, die nachhaltig und biologisch angebaut wurden. Zur Sättigung reicht die Hälfte des Gewichts und Volumens gegenüber industriell produzierter Lebensmittel. Erst noch mit dem gesundheitlichen Effekt, dabei kaum Fett am Körper zu produzieren, damit auch sehr viel gesunder zu bleiben. Dadurch sind diese Lebensmittel letztlich auch nicht teurer als Industriefood, da sich die Menge inetwa halbiert (meine Schätzung aufgrund der Umstellung seit anfangs Nullerjahre, also ungefähr zwei Jahrzehnte.)
Gleichzeitig hat diese sog. grüne Revolution, wie von Elia Blülle schon beschrieben wurde, und auch in anderen Kommentaren hier, lokale Produktion zerstört; diese Flächen also meist verdürren lassen; die Erhitzung auch der Böden noch zunehmen lassen — und damit enorm viel gerade auch ökologisch angepasstes lokales Wissen, und genauso wichtig, jegliche Selbständigkeit zerstört (was allein schon tödlich enden kann) — eine Produktion mit viel besserer ökologischer Nachhaltigkeit, mehr und wichtiger Artenvielfalt, besseren Ernährungswerten der Lebensmittel, und vor allem einer Produktion, die Bodenfruchtbarkeit und sämtliche zugehörigen Lebewesen auf weit längere Sicht aufrecht erhält, als jede industriell überdüngte Monokultur. Dass es lokal trotzdem wetter- und saatgutabhängige Dürren auch in lokaler Produktion gegeben hat, klar; aber nicht diese flächendeckende Zerstörung von Böden und Gesamtökologie; nachdem in den 60-er, 70-er Jahren gerade auch erkannt worden war, dass bereits die koloniale „Übersteuerung“ lokalen Wissens rückgängig gemacht und keinesfalls weiter gefördert werden durfte.
Verteilwege für Dürrephasen aufbauen, ja; aber nie zur Übersteuerung und Zerstörung lokaler Produktion. Mikrokredite für meist weibliche Bäuerinnen bringen da übrigens auch massiv mehr als jegliche Versuche, zentral und flächendeckend irgendwas installieren zu wollen.
Wissen dazu gibt es genug; weltweit allerdings eben in Nischen.
Bodenfruchtbarkeit und Humusschicht jedes Jahr vermehren statt durch Chemie jährlich de facto verringern etwa, das geht mit so einfachen Dingen wie: Pflanzenkohle, auch in unseren Breitegraden, in Pyrolyse- statt reinen Holzschnitzel-Heizungen auf Bauernhöfen produziert, ergibt jeden Winter genug Pflanzenkohle, um mit angepassten Techniken, dem entsprechenden Wissen, zusammen mit anderen Komponenten — Mist und Kompostanlagen etwa — nachhaltig mehr statt weniger fruchtbare Böden zu erreichen. Mit kaum zusätzlichen, und praktisch ohne chemisch mit Erdöl produzierte Düngegaben. Und daneben erstaunlich wenig Aufwand. Mit leichteren Traktoren und Erntemaschinen, die die Böden kaum verdichten, muss entsprechend weniger gepflügt werden; die enorm wichtigen Bodenmikroorganismen werden dabei unberührt gelassen anstatt diese andauernd zu zerstören und abzutöten. Das Wissen verdanke ich einem Infotag bei einem der beeindruckendsten Bauernbetriebe im Nachbardorf. Und der schaute das alles unter anderem bei Anbautechniken der Inkas ab.
Und diese ganzen Aufzählungen gingen eine ganze Weile noch so weiter, doch ich mache hier mal einen Punkt.
Alles davon ist das Gegenteil dessen, was als kurzfristige Vorschläge von EU, Syngenta und Co. im ersten Teil des Artikels von Elia aufgeführt wurde. Das genaue Gegenteil davon. Was dort beschrieben wird, hätte das Potenzial, nun auch den letzten Rest an Nachhaltigkeit und Klimakühlung noch zu zerstören, der in den letzten paar Jahren so zäh wieder aufgebaut worden ist.
Die Frage in einem anderen, früheren Kommentar, wie all solchen Ansätzen endlich politisch — und fürchterlich rasant — zum Dirchbruch verholfen werden kann: das ist wohl die Frage über Leben und Tod gerade; auch ausserhalb der Kriegsgebiete.
Plus: Wie die vorhandene Nahrung jetzt und sofort verteilt werden könnte.
Wie viel — nicht als langfristige Strategie, aber als subito Notmassnahme — wie viel der fehlenden zwanzig Milliarden wohl durch private Spenden, mit entsprechenden Kampagnen, zusammenkommen könnten?
(Nachtrag: Keine Zeit mehr, das alles nochmals auf Fehler durchzulesen; muss also für einmal auch so hoffentlich verständlich sein; danke für entsprechende Nachsicht.)

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Ich schätze es sehr, dass Sie sich die Mühe genommen haben, uns diese wissenswerten Informationen weiterzugeben. Herzlichen Dank Frau Goanna.

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, webpubl&lektorin
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Wuau; danke. Würde ich Ihre stets freundlichen, stets konstruktiven Beiträge hier nicht so gut schon kennen, Johanna Wunderle, hätte ich das nun glatt als Zynismus gelesen, so sehr als Kompliment liest sich das.
Herzlichen Dank!

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Schon in den 70er Jahren hat eine südamerikanische Forschergruppe darauf hingewiesen, dass nicht Mangel das Elend auf der Welt verantwortet, sondern dass das weltweite Elend eine Verteilungskriese ist: Das Ende des Elends. Das Bariloche-Modell.

Ihre Ergebnisse haben nichts an Aktualität verloren und scheinen mir bedeutungsvoller und so diskussionswürdig zu sein wie die Studien des Club of Rome.

<1976 - Herrera, Amilcar, Oscar Scolnick, Graciela Chichilnisky, Gilberto Gallopin, Jorge Hardoy, Diana Mosovich, Enrique Oteiza, Gilda Romero Brest, Carlos Suarez, Luis Talavera (1976), Katastrophe oder Neue Gesellschaft. Ein lateinamerikanisches Weltmodell. IRDC. ISBN 0-88936-083-9 Lateinamerikanisches Weltmodell - https://de.abcdef.wiki/wiki/Latin_A…rld_Model>
(typo)

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Ich glaube, es herrscht Einigkeit: Hunger ist eine Verteilungskrise, produziert wird genügend.
Vielleicht müssen wir einen Schritt weiter denken. Dass in der Marktwirtschaft Verteilungskrisen entstehen, darf uns nicht wundern, denn in der Marktwirtschaft wird eben nicht verteilt, sondern verkauft. Also habe wir zwei Lösungsansätze:

  • Wir schaffen die Marktwirtschaft in der Lebensmittelproduktion ab und machen eine Lebensmittelzuteilung. Wie bei uns im 2. Weltkrieg, und wie im Kommunismus. Aber transnational, das ist wohl utopisch. Realistischer ist: Permanente Nahrungsmittelzuteilungen, d.h. Hilfsprogramme, in allen Hungerregionen, durch internationale Organisationen wie die UNO.

  • Oder wir gehen das Problem von der anderen Seite an: wieso entwickeln gewisse Regionen der Erde zuwenig Kaufkraft und zuwenig Produktpotenzial, um sich selber aus den eigenen Ressourcen oder auf dem Markt mit Lebensmitteln versorgen zu lassen? da kommen wir in Entwicklungsfragen.
    Es verbleibt die Frage, weshalb entwickeln gewisse Regionen eine derartige Kaufkraft, dass sie ärmeren Regionen das Essen wegkaufen können. Sollte man übermässige Kaufkraft bremsen? Das beträfe dann uns.

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Lesen Sie das Bariloche-Modell und setzen Sie sich damit auseinander. Lösungsansätze gibt es schon lange zu Hauf, werden aber politisch verhindert - das Nestlé-Modell ist sicher keiner.

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Verena Goanna •in :)) Rothen
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Spannend; der Link läuft leider ins Leere …

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Nach Bariloche, Grenzen des Elends suchen.
Z.B Fischer Taschenbuch:
https://www.fischerverlage.de/buch/…3596316847

Dieser Link funktioniert:
https://de.abcdef.wiki/wiki/Latin_A…orld_Model

Latin_American_World_Model

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"Gesunde Böden, unendliche Mengen an sauberem Süsswasser, ein stabiles Klima und billige Energie – all das hat die grüne Revolution ermöglicht."
Das ist ja wohl der Witz des Jahrhunderts! Ein gut gemeinter Artikel, den man aber nach einer solchen Feststellung nicht weiterzulesen braucht. Der Autor sollte sich vielleicht einmal auf das Terrain bzw. den Boden begeben. Ich empfehle: "La terre, le sol, les champs" von Lydie und Claude Bourgignon, sowie andere Praktiker, die sich mit dem Thema Böden beschäftigen.

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Ich verstehe denn Satz so, dass die angesprochenen Bedingungen wie sauberes Wasser die Voraussetzung für die grüne Revolution gewesen sind, diese ermöglicht hat. Nicht das aufgrund der grünen Revolution diese Bedingungen entstanden sind.
Beste Grüsse

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Elia Blülle
Journalist @Republik
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Danke für die Klarstellung. Genau so war es gemeint.

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In der Schweiz benötigt die Produktion einer Nahrungs­kalorie im Durchschnitt mehr als das Eineinhalbfache an Energie aus Erdöl und Erdgas

Das ist tatsächlich erstaunlich, aber nicht relevant. Wichtig ist, dass netto mehr CO2 in landwirtschaftlichen Böden gespeichert werden kann, ohne Grosse Ertragseinbussen und bei entsprechender Bearbeitung.
Diese Diskussion ist aber noch nicht in der Politik angelangt. Und bräuchte wohl noch viel mehr Forschung.

Edit: insofern relevant, da mehr Erdöl nur pro Fleisch und Fischkalorien gebraucht wird (also nicht für Weizen)

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Ihr Punkt ist schwer verständlich. Fleisch - besonders CO2 intensiv - klar. Fisch aus freier Wildbahn - wo ist da der CO2 impact?

CO2 Speicherung… sicher speichert der Boden Kohlestoff… aber der kann doch nicht jährlich erneut so viel dauerhaft „einlagern“, wie zur Produktion der Lebensmittel darauf aufgewendet wird?!

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Der Fisch ist aus der Quelle im Text. Eventuell interessiert sie:
Hier ist von 10t CO2 Speicherung pro Jahr und Hektare die Rede. Dürfte je nach CO2 Preis also interessant werden für die Landwirtinnen:
https://humuswirtschaft.ch/
Die Forschung dazu steckt noch in Kinderschuhen, z.B.:
https://www.klimabauern.ch/
Und ich schätze mal ~1.5 bis 2.5t CO2 emission für 6t Weizen pro ha:
DOI: 10.1126/science.aaq0216
Laut Forschung ist eine Netto Speicherung von 0.5 t wohl realistisch:
https://www.nature.com/articles/ncomms6012/

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Übersetzerin
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Vielen Dank für die beiden zum Weiterdenken und Diskutieren anregenden Artikel. Das Thema sollte im Zentrum all unserer Überlegungen zur Zukunft stehen und noch viel mehr Aufmerksamkeit bekommen als bisher. Mut zu neuen Wegen und Mut dazu, alte Pfründe loszulassen scheinen mir gute Ideen zu sein. Die Idee, zufällig gewählte, auch die Gesellschaft repräsentierende, Parlamente könnten zu verantwortungsvollerem Umgang mit Regierungsmacht und/oder weitsichtigeren Entscheidungen führen, halte ich für zu kleinräumig gedacht.
Zur Kapitalismuskritik finde ich das Buch von Ulrike Herrmann „Kein Kapitalismus ist auch keine Lösung“ einen sehr guten und spannenden Beitrag.

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