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Mich würde für die Zukunft ein vertiefter Einblick im Bereich der Liquiditätsfalle interessieren. Mir kommt es so vor, als hätten wir schon eine hohe Inflationsrate, jedoch nicht in der Realwirtschaft, sondern bei Geldanlagen der Oberschicht. Es werden unterdessen Phantasiepreise für potentiell lukrative Startups bezahlt (vergleichbar mit der Dotcom-Blase). Jedoch spricht niemand von einer Blase, da dies der Normalfall geworden ist, da man sonst ja nichts mehr mit dem eigenen Geld verdient. Weitere Anzeichen dieser Übertreibung sehe ich in den Preisen von Kryptowährungen. Die Frage ist, ob diese Übertreibungen negative Auswirkungen auf die Realwirtschaft entwickeln können?

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Das ist genau der Punkt, Herr H.
Der Warenkorb, das wird Ökonomiestudenten schon seit Jahrzehnten auch beigebracht, ist ein politischer Korb. Er hat nur am Rande mit den realen Ausgaben der Menschen zu tun. Und natürlich hätten wir eine sagenhaft hohe Inflation, wenn man die Aktien oder die Immobilien auch in den Warenkorb stecken würde.
Insofern ist auch der Satz von Fabio Canetg etwas zynisch: "Die jüngere Generation kennt die Inflation nur noch vom Hören­sagen." Würde er eine junge Familie auf der Suche nach einem Eigenheim in Zürich fragen, dann würde er etwas anderes hören. Natürlich kennen die Jungen die Inflation. Sie können sich ein Eigenheim kaum noch leisten, weil die Inflation ihre Ersparnisse schneller wegfrisst, als sie diese aufstocken können.

Davon zu träumen, dass eine Geldausweitung zu keiner Inflation führt, ist meines Erachtens ökonomisch völlig naiv, weil es quasi das ökonomische Grundprinzip über den Haufen wirft: dass der Preis letztlich bestimmt wird von der Begrenztheit eines Gutes.
Die Frage ist somit nicht, ob es eine Inflation gibt bei einer Geldausweitung, sondern WO diese stattfindet. Und warum diese Inflation dort stattfindet, wo sie heute stattfindet liegt auch auf der Hand.
Herr Jordan "druckt" das viele Geld ja vor allem aus Angst, der Franken könnte noch stärker werden. Das heisst, er verkauft konkret Schweizer Franken gegen Euro und Dollar. Nur wird niemand, der diese Schweizer Franken kauft, sie wieder in der Migros oder dem Coop für Rüebli und Kartoffeln ausgeben. Das einzige, was ausländische Anleger direkt oder indirekt kaufen können sind Immobilien, Aktien oder ganze Firmen.
Natürlich wird hier der Einfachheit vernachlässigt, dass die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes auch noch eine Rolle spielt - aber es gibt keinen offensichtlichen Grund anzunehmen, dass diese sich stark verändert hätte.

Das ganze führt zu einer enormen Umverteilung - und wären in der Schweiz nicht alle Berufstätigen verpflichtet via dritte Säule sich am Aktien- und Immobilienmarkt zu beteiligen, wäre die Umverteilung noch viel grösser.

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Vielen Dank für die Ausführungen. Die Zahlen zur Teuerung waren schon immer ungenau (aeh. gefaelscht). In den 80' enthielt der Warenkorb die Oel/Benzinpreise nicht. Welche sich damals aber dramatisch erhoehten. Ich fuhr Auto, als das Benzin noch 72Rp kostete. Ich weiss nicht mehr, wann die Krankenkassenprämien Einzug in den Warenkorb fanden, das zog sich auch hin.
Und irgendwie sind oder waren die Mietpreise nicht drin. Der Hypozins besagt gar nichts. Wenn ganze Generationen von Altbauwohnungen in Neuwohungen umziehen, und die Miete doppelt so hoch ist, während der Hypozins bei Null liegt, ist die erlebte Teuerung anders wie die gerechnete. Als ich klein war, war eine 4.5 Zimmer in Zürich um die 600Fr.
Irgendwie waren die Ausführungen zu den jetzigen Aktionen der Nationalbanken, welche Geld drucken unpräzise. Der Einfluss der Geldmenge auf die Inflation ist Null, weil die Zinsen negativ sind. Die Banken sind die einzige Verbindung der Nationalbank zur Welt. Denen wird also Geld plus Zinsen nachgeworfen. Von den Zinsen machen die Party, und das Geld fliegt auf die Halde, wird gar nicht gebraucht. Die Schuld ist so auch sofort abbezahlt. Die Banken sind sowieso in der Lage ihr eigenes Geld zu generieren.
Mehr Negativzins ergibt einfach eine grössere Party.
Die Teuerung hingegen geschieht in der realen Welt. Wenn sich Leute oder Firmen verschulden und Geld ausgeben. Wenn Produkte wegen Lieferschwierigkeiten teurer werden. Dagegen hilft mehr Geld an die Banken zu geben nicht.

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Guardian of the Republic
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Beruhigender Artikel. Das Angebot meines Bankers vor paar Jahren, weil ich die Hypothek zur Finanzierung meiner Wohnung nicht ausreizen musste: "wir geben ihnen auch mehr. Wollen sie nicht ein neues Auto kaufen?" Und wenn ich Bewegungen in den Börsen und Immobilien anschaue, bin ich mir nicht so sicher, ob wir Inflation jetzt aber wirklich für alle Zeiten im Griff haben. Zumal ganz neue Krisen lauern: weitere Pandemien, Knappheit natürlichen Ressourcen und Lebensräumen... Alles zu beherrschen, dieser Selbstüberschätzung werden wir weiter zum Opfer fallen.

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Interessant an der "Sargent"-Inflation erscheint mir auch, dass Sargent in seiner ursprünglichen und sehr einflussreichen Arbeit die historischen Zusammenhänge systematisch falsch darstellte (http://s-e-i.ch/archive/principle9.htm). Er verweist z.B. auf die hohen Staatsausgaben in Deutschland, ohne deren tiefer liegende Ursachen zu thematisieren. Letztlich ist sogar sein eigener empirischer "Beweis" im Widerspruch zu den von ihm präsentierten Zahlen: die Inflation begann stark zu steigen BEVOR die Staatsausgaben anstiegen.
Leider gibt es im vorliegenden Text ebenfalls eine Auslassung: die SNB - Politik zu Beginn der 1990er war bestimmt durch die Immobilienkrise in der Schweiz und die Hochzinspolitik der Bundesbank. Diese Faktoren dürften die Inflation getrieben haben. Die Geldmengenausweitung war hingegen eine Reaktion auf die zugrundeliegenden Probleme aber nicht selbst Ursache der Inflation. Das bedeutet für die Gegenwart, dass der Fokus auf die Geldmenge in die Irre führt, wenn man nicht die tiefer liegenden Wirtkungsmechanismen betrachtet (https://www.nzz.ch/meinung/geldmeng…-ld.141356).

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Danke für Ihre Rückmeldung. Nach meinem Dafürhalten ist es so, dass die Inflation zuerst kam (aufgrund der geldpolitischen Fehler), dann kamen die Zinserhöhungen (wegen der Inflation), und dann (wegen der Zinserhöhungen) die Immobilienkrise. Ich sehe nicht ganz, was sie mit "zugrundeliegenden Problemen" meinen, die - wenn ich Sie richtig verstanden habe - zur Geldmengenausweitung geführt haben.

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Einverstanden, ein geldpolitischer Fehler hat verhindert, dass die Inflation Anfang der 1990er unter Kontrolle blieb, doch die Erhöhung des Geldangebots war er nicht. Oder jedenfalls nicht direkt. Der Fehler bestand darin, der monetaristischen Lehre folgend, die Geldmenge "blind" zu steuern. Blind dabei in dem Sinne, alles andere darum herum nicht genügend zu beachten: die Einführung der beruflichen Vorsorge 1985, die institutionelle Investoren nach Anlagemöglichkeiten suchen liess, der Aktiencrash von 1987, durch den die Anleger auf Immobilien fokussierten, die technischen Erleichterugen im Zahlungsverkehr, die die Kreditvergabe vereinfachten, die Zunahme der Kredit- (d.h. Geld-)nachfrage und die zunehmend fragilen Finanzierungsmodelle, die auf überbewerteten weil selbstverstärkenden Immobilienpreisen beruhten. Kurz gesagt, die Stabilität des Finanzsektors geriet aus sich selbst heraus immer mehr ins Wanken, was 1. in der beliebten Theorie perfekter Märkte dar nicht geschehen kann und 2. die SNB hätte aktiv ins Visier nehmen müssen. Konnte sie aber nicht, da ihre Strategie einzig auf die Geldmengensteuerung ausgerichtet war und Finanzmarktstabilität nicht zu ihrem (direkten) Auftrag oder Ziel gehört. Bis heute übrigens nicht. Diese Blindheit erlaubte also eine ungebremste Ausdehnung der Kreditvergabe und damit ein "Überhitzen" der Wirtschaft, was zu Knappheit an Produktionsressourcen, vor allem Arbeit, führte und schliesslich zu Inflation (ca. 1988: 2%, 89:3%, 90: 5%, 91: 6%).

Die "Rettung" kam von aussen: Am 1.7.1990 übernahm die DDR die BRD-Mark, am 3.10.1990 wurde Deutschland vereinigt. Die Bundesbank hob daraufhin vorbeugend (und ebenfalls der Geldmengenideologie folgend) die Zinsen stark an, um eine Inflation zu verhindern, was die SNB zwang, die Zinsen ebenfalls anzuheben. Das überlebten viele Finanzierungspläne nicht. Am 3.10.1991 schloss die Spar- und Leihkasse Thun und die Implosion der Immobilienfinanzierungen nahm ihren Lauf. Die Immobilienpreise rauschten in den Keller und eine Rezession setzte ein. Das war dann übrigens der Moment, als die SNB den zweiten Fehler beging. Anstatt die Stabilität des Finanzsystems direkt anzustreben, hielt sie "einfach" an der Hochzinspolitik fest, die die Rezession unnötig verlängerte. Zum Glück war sie 2007/2008 einen grossen Schritt weiter: die Geldmengesteuerung war abgeschafft und die SNB hatte ihre Bedeutung für das Finanzsystem erkannt und ihre Verantwortung auch wahrgenommen. Leider ist die SNB aber immer noch nicht ganz befreit von ihrer monetaristischen Schlagseite, wie der Artikel ganz richtig anmerkt.

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Dogma Nr. 1: Die SNB ist neutral und unabhängig.
Dogma Nr. 2: Die neutrale und und unabhängige SNB hat Gestaltungsfreiheit.
Dogma Nr. 3: Der Anstieg des Index der Konsumentenpreise definiert die Inflation.
Dogma Nr. 4: Der Finanzmarkt kann sich alles erlauben.

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Ich sehe den Grund erhöhter Teuerung eher bei knappen Gütern welche einer stark vergrösserten Geldmenge gegenüber stehen. Das wird zu steigenden Preisen führen und somit Inflation. Steigende Aktienpreise und Cryptowährungen sind ein klares Anzeichen dafür. Auch wird sich die momentane Knappheit der Computerchips auf die Preise der Konsumgüter auswirken. Zudem wurde während dem Lockdown durch Reiseverzicht gespartes Geld in Wohnungseinrichtung und andere materielle Güter investiert, was zu Lieferverzögerung und schlussendlich steigenden Preisen führt. Auch lassen sich Menschen durch tiefe Zinsen verleiten, sich teurere Autos zu leasen oder überteuertes Wohneigentum zu kaufen. Steigen die Zinsen müssen diese Fixkosten über Einsparungen an anderen Orten bezahlt werden. Konsumverzicht führt zu geringerem Wirtschaftswachstum usw. Können uns die Notenbanken tiefe Zinsen garantieren? Ich vermute nicht.

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Grundsätzlich könnte ich mich Ihrer Argumentation anschliessen - wäre da nicht er Globalisierungseffekt, welcher weiterhin dafür sorgen wird, dass wir mit Billiggütern aus dem asiatischen Raum, fast hätte ich gesagt, 'geflutet' werden, was den Preisauftrieb begrenzen sollte, einmal mehr natürlich auch auf Kosten des lokalen Schaffens, usw....

P.S: Einmal mehr übrigens ein hervorragender Beitrag der Republik. Danke dafür!

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Danke!

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Haben wir die nicht bereits? Zwar (noch?) nicht im alltäglichen Warenkorb, umso mehr jedoch auf dem Aktien- und Immobilienmarkt, der ganz wesentlich von den Notenbankgeldern befeuert wird.

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Julian14
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Können die Gewinne der Nationalbank, die sie beim Stützen der Währung erzielt, wirklich auf die gleiche Stufe gestellt werden wie die Geldpumpen der EZB und des Fed? Erst wenn sie dieses Geld an Bund und Kantone verteilt, betätigt sie die Notenpresse. Und das tut sie ja nur begrenzt.

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Fabio Canetg
Autor
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· editiert

Naja, die Nationalbank druckt ja schon Geld, wenn sie den Banken etwas abkauft (bspw. Euros). Die Frage ist, und hier scheint mir Ihre Intuition richtig, kommt dieses Geld dann auch in der Wirtschaft an? Die Antwort darauf ist, wie so oft, es kommt darauf an. Direkt fliesst es nicht in die Wirtschaft, weil die Banken die monetäre Basis (M0) nicht ausleihen können. Indirekt hat es über die Zinsen und den Wechselkurs aber schon Auswirkungen auf den Wirtschaftsgang.

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Sehr spannend und lernreich, danke.

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Danke, das freut mich.

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Was bedeutet denn eine Preisstabilität von 'unter 2% Anstieg' wenn der BVG-Mindestzinssatz 1% ist?
Ich frage das nicht polemisch, sondern durchaus im Sinn des Artikels, Teuerung in einen historischen Kontext zu stellen. Wie war denn der Zins auf einem Sparguthaben zu der Zeit, als 1% Teuerung 'normal' war?

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Informatikingenieur, Autor, Erklärvideos
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"Das wiederum bedeutet, dass die Geld­druckerei in der Realwirtschaft keine grosse Wirkung entfaltet. ... Und es stützt die Börse, was das Vertrauen von Sparern und Unter­nehmen in die Wirtschaft stärkt."

Ok, aber wenn die Aktionäre ihre Wertpapiere verkaufen und das Geld dann doch noch in die Realwirtschaft pumpen, gäbe es ja eine grosse Inflation. Ist das kein realistisches Szenario?

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Nicht unbedingt, wenn Sie mir ihre Aktien verkaufen, haben sie zwar mehr Geld um ein neues Auto zu kaufen - ich aber weniger. Es kommt also darauf an, wer wem die Aktien verkauft.

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Informatikingenieur, Autor, Erklärvideos
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Ja, das leuchtet ein. Und vermutlich spielt auch noch die Preisdifferenz zwischen Aktienkauf und -verkauf eine Rolle.

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Was bedeutet denn eine Preisstabilität von 'unter 2% Anstieg' wenn der BVG-Mindestzinssatz 1% ist?

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Gute Frage. Dabei gilt es aber im Kopf zu behalten: Der BVG-Mindestzinssatz ist variabel (er wird vom Bundesrat festgelegt). Das heisst, er könnte bei steigender Teuerung und steigenden Zinsen nach oben angepasst werden. Zudem: Die Preise sind in der Schweiz seit ungefähr 2010 praktisch stabil geblieben; die tatsächliche Inflation belief sich seither auf ziemlich genau 0%.

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Sehr interessant. Spannend wäre gewesen, wenn im Text die Modern Monetary Theory in die Analyse einbezogen worden wäre.

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Danke für die Blumen und den Input. MMT ist wirklich eine spannende Sachen, die Republik hat dazu 2019 einen spannenden Text veröffentlicht, hier: https://www.republik.ch/2019/07/08/…sture-esel

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, webpub&lektorin
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Guten Tag Fabio Canetg
Wie würden Sie das in der Zwischenzeit sehen? Ich schreibe am 20. Juni 2022. Inzwischen ist viel passiert.
Gibt es ein Update?
In diversen Branchen weisen Offerten inzwischen im Vergleich zum Vorjahr zum Schluss den Zusatz auf:
Zuschlag: 20 % aufgrund …
Das ist sann dich jetzt ziemlich massiv.
Ihre Antwort würde mich interessieren.

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Rollenlos
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Super Artikel, danke! Falls Interesse besteht, würde ich diesen Artikel nun weiterziehen und in den Kontext von Cryptowährungen setzen. Viele sind aus meiner Sicht die Anti-Theorie der heutigen Geldpolitik. Dazu kann ich noch diverse Videos von Lex Friedmann zum Thema Geld und Crypto empfehlen. Diese setzten für die Definition von Geld, Markt und Schulden in einen neuen Kontext.

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