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Ich verstehs langsam echt nicht mehr. Einerseits wird immer betont, dass wir ja alle gleich seien, hier aufgewachsen etc. Und dann schreibt aber die Autorin wieder, dass sie dunkle Eltern hat, sie also durchaus schwarze Vorbildspersonen im Umfeld gehabt hat. Aber wieso ist in dem Kontext die Hautfarbe nun wieder von Bedeutung?

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Verstehen Sie das wirklich nicht? Dann nehmenSie doch mal an, Sie selbst würden mit Ihren weissen Eltern - ganz durchschnittliche Angestellte/Arbeiter - in Abidjan in einer vollständig Schwarzen Umgebung leben. Was denken Sie: Hätte in diesem Kontext Ihre Hautfarbe eine Bedeutung?

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Wir sind nicht alle gleich. Wir werden aufgrund von äusseren Merkmalen verschieden behandelt und machen deswegen aufgrund dieser äusseren Merkmale unterschiedlich Erfahrungen. Erfahrungen, die je nachdem viele oder die meisten Menschen mit diesem Merkmal ebenfalls gemacht haben.
Das zu benennen ist wichtig und vor allem ein wichtiger Schritt auf dem Weg, Ungerechtigkeiten aus der Welt zu schaffen.

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aus Zürich
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Danke für den tollen Artikel.
Ist es nicht das grosse Paradox der Rassismusbekämpfung, dass man auf ein Problem aufmerksam macht, dass man eigentlich aus der Welt schaffen möchte? Dass man sagt: nur Schwarze dürfen auf Demos "I can't breathe" skandieren, verschärft das nicht den Graben zwischen den Menschen, statt ihn zu beheben? Dass man hierzulande nur auf dir Hautfarbe achtet, ist für mich fast zynisch: In der Schweiz liegt das mit Abstand grösste Problem im Rassismus gegen Immigrantinnen, Moslems und "Jugos". Und hier haben wir durchaus einen strukturellen Rassismus (siehe Volksinitiativen der letzten Jahre.)
Aber es ist vermutlich einfacher, Rassismus mit nichts als Hautfarbe gleichzusetzen, wenn auch völlig ignorant. Und gerade dadurch wird der Rassismus verstärkt.

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Sie verneinen also die Existenz des strukturellen Rassismus gegenüber PoC in der Schweiz, während Sie die Existenz des strukturellen Rassismus gegenüber «Immigrantinnen, Moslems und «‹Jugos›» anerkennen. Sie spielen das Eine gegen das Andere aus. Das Eine sei «das mit Abstand grösste Problem», das Andere sei «zynisch», «völlig ignorant» und «verstärkt» den Rassismus.

Hierzu wäre eine (Re-)Lektüre des Artikels «Was Black Lives Matter für die Schweiz bedeutet» angezeigt:

In der Debatte zu Black Lives Matter in der Schweiz zeigt sich, wie problematisch dieser ahistorische und individualisierte Anti-Rassialismus ist. Die Proteste fallen mit dem 50. Jahres­tag der Schwarzenbach-Initiative zusammen. Also wird vor diesem Hinter­grund ein Unter­schied gemacht zwischen dem Rassismus in den USA, der geprägt sei vom Gegensatz zwischen Schwarz und Weiss, und dem Rassismus in der Schweiz, der sich vor allem entlang der Frage der Staatsbürgerschaft zeige.

Diese Vereinfachung und Gegenüber­stellung der beiden Kontexte verneint die Verwurzelung der Schweiz in der europäischen Kolonial­geschichte und die damit einher­gehende strukturelle Verankerung von Anti-Schwarze-Rassismus.

Und wie ich an anderer Stelle schrieb: Die Frage nach dem Bedeutungsumfang des Ausdrucks «Rassismus» bleibt trotz allem interessant. Viele Missverständnisse rühren wohl von der Verwechslung eines engen mit einem weiten Rassismus-Begriff her.

«Rassismus» beziehe sich eng gefasst allein auf die (interaktionelle bzw. strukturelle) Diskriminierung aufgrund der biologischen «Rasse». Eine Auffassung, die mittlerweile obsolet ist. Es gibt wissenschaftlich betrachtet keine Menschen-«Rassen». Wie könne man dann noch rassistisch sein (ausser Neon-Nazis, die vielleicht noch an ein solches Konzept glauben)? Und wie könne man also überhaupt noch von «Rassismus» sprechen?

Doch verschwindet damit auch gleich das Phänomen, das mit «Rassismus» bezeichnet wurde? Nein, denn es gibt auch einen «Rassismus ohne Rasse».

Betrachtet man nun den weiten «Rassismus»-Begriff, wie er etwa im «Internationalen Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung» kodifiziert ist – und dem auch die Schweiz beigetreten ist – so geht es nicht mehr allein um die Kategorie der (biologischen) «Rasse»:

Art. 1.

  1. In diesem Übereinkommen bezeichnet der Ausdruck «Rassendiskriminierung» jede auf der Rasse, der Hautfarbe, der Abstammung, dem nationalen Ursprung oder dem Volkstum beruhende Unterscheidung, Ausschliessung, Beschränkung oder Bevorzugung, die zum Ziel oder zur Folge hat, dass dadurch ein gleichberechtigtes Anerkennen, Geniessen oder Ausüben von Menschenrechten und Grundfreiheiten im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem sonstigen Bereich des öffentlichen Lebens vereitelt oder beeinträchtigt wird.

Im konkreten Fall können diese Dimensionen der Diskriminierung einerseits analytisch auseinandergehalten und andererseits in ihrer intersektionalen Verschränkung (auch mit weiteren Dimensionen) beobachtet werden: Racialism («Race», v. a. im US-amerikanischen Kontext), Colorism («Hautfarbe»), Ethnizismus («ethnische Abstammung»), Nationalismus («nationaler Ursprung») und Kulturalismus («Volkstum»).

Damit verliert der Begriff gerade nicht an «analytischer Schärfe», sondern gewinnt im Gegenteil an differenzierter Komplexität. Eine Komplexität, die vielleicht für manche zuerst zu kompliziert erscheint, aber gegenüber der Realität nicht unzulässig unterkomplex ist.

P.S. Noch zur Unterscheidung: «PoC» bezieht sich auf die gemeinsame Rassismuserfahrung, «Second@s» oder «Personen mit Migrationshintergrund» auf die gemeinsame Migrationserfahrung. Zwischen «PoC» und «Second@s» gibt es Schnittmengen. So sind manche PoC Second@s. Doch nicht jede PoC hat eine Migrationserfahrung, so wie nicht jede*r Second@ eine PoC ist.

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aus Zürich
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Danke für Ihre differenzierte Antwort!
Ich bin misstrauisch, wenn auf einmal viele Menschen auf ihren sozialen Medien sich als dezidiert antirassistisch geben, aber nicht die geringste Empörung zeigen, wenn im eigenen Inland oder in Deutschland bsp. der NSU seine Verbrechen begeht (Wurde auch sehr gut thematisiert von Mely Kiyak am 16.6.20 in der Republik).
Ich habe die Vermutung, dass es einfacher ist, sich auf Rassismus-Bekämpfung gegen Hautfarbe zu fokussieren (und es passt auch dazu, dass wir immer noch dem ehemaligen Vorbild USA begeistert hinterher rennen).
Und ich finde es durchaus problematisch, dass die Menschen erst jetzt aufstehen und noch viel rassistischer denken, wenn sie meinen, dass sie nur gegen Menschen mit anderer Hautfarbe rassistisch sind. Das führt zu einer weiteren gesellschaftlichen Legitimierung des Rassismus gegen z.B. Muslim*innen, da es sich hierbei „ja nicht mal um Rassismus handle“.
Ich habe übrigens nie verneint, dass es keinen Rassismus gegen PoC gebe, wie Sie mir allerdings unterstellen. Ich habe lediglich gesagt, dass die Schweiz sich an die eigene Nase fassen sollte und nicht blind die USA kopieren solle. Die Diskriminerung eines der grössten Bevölkerungsteile der Schweiz, nämlich Menschen mit (vermeintlichem) Migrationshintergrund, sollte stärker betont werden.
Es geht nicht um die Existenz von Rassismus gegen x oder y, sondern darum, weswegen man aufsteht. Und es ist traurig, dass man nicht vorher oder vielleicht sogar nachher, aufgestanden ist.

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ichfürchte...
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Vielen Dank für Frau Otoos interessanten, persönlichen Bericht zurück und nach vorn. Für mich war die Lektüre eine Bereicherung.

Gerne hätte ich noch etwas mehr über die sprachliche Verwendung von "Schwarz" im von ihr beschriebenen Sinn erfahren. Seit wann findet dieser Begriff in der deutschen Sprache Verwendung? Gibt es vergleichbare Wortschöpfungen oder Synonyme im Englischen? Fände es interessant, hierzu noch etwas mehr Hintergrund zu erhalten. Vielleicht weiss auch jemand sonst aus der Leserschaft noch mehr dazu?
Freundliche Grüsse

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Daniel Graf
Redaktor Republik
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Liebe_r Anonymous, haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar und die Nachfrage. Ich bin kein Experte in dieser Sache und kann nicht mit Sicherheit sagen, wann die Schreibweise erstmals im Deutschen verwendet wurde (in den USA hat die Debatte um Grossschreibung eine deutlich längere Geschichte). Sie findet sich in deutschsprachiger Fachliteratur aber mindestens schon in 1990ern, seit den Nuller- und 2010er-Jahren vereinzelt auch in offiziellen Texten von staatlicher Seite und von Nichtregierungsorganisationen, wobei sie dann in der Regel mit einer Erläuterung einhergeht. Es gibt also einen bestimmten, sehr kleinen Teil der Gesellschaft, der diese Schreibweise schon relativ lange verwendet, und einen sehr viel grösseren, in dem die Schreibung (samt dahinter stehendem Anliegen) noch komplett unbekannt ist – ein Beispiel für gesellschaftliche Ungleichzeitigkeiten. Im anglophonen Raum tut sich derzeit viel mit Blick auf die Standardisierung des Grossbuchstabens B in «Black», wenn er auf Menschen referiert. Mehr dazu beispielsweise hier.

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ichfürchte...
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Spannender Link, danke! Offenbar werden im Englischen künftig auch andere ethnische Adjektive mit Grossbuchstaben geschrieben, so z. B. "Indigenous" und vielleicht sogar "White" . Spontan erinnert es mich auch daran, dass wir in der Schweiz das Adjektiv "Schweizer" auch gross schreiben, warum hatte ich, ehrlich gesagt, nie so richtig ganz verstanden

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ichfürchte...
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Als Belletristik zu PoC in Deutschland empfehle ich die Bücher von Hans Jürgen Massaquoi, v.a. das erste.

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