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Brot
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Mit solchem Stumpfsinn riskieren wir auch unsere Fähigkeit zur Innovation - sowohl in technischer Hinsicht als auch in gesellschaftlicher. Das ist nicht unbedingt offensichtlich, darum empfehle ich unbedingt, sich einmal die 5-Minuten-Zusammenfassung Social Cooling von Tijmen Schep anzusehen.

Mich hat er davon überzeugt, dass die schwerwiegenste Folge einer anlasslosen Dauerüberwachung für die Gesellschaft der sogenannte Chilling Effect ist. Dieser kommt so zustande:

  1. Deine Daten werden in tausende von unterschiedlichen Bewertungen verwandelt.

  2. Die Leute beginnen zu merken, dass diese «digitale Reputation» ihre Chancen einschränken könnte.

  3. Die Leute ändern ihre Verhaltensweise, um bessere Bewertungen zu kriegen.

Die Langzeiteffekte einer solchen Reputationsökonomie fasst Schep unter dem Begriff Social Cooling (in Anspielung auf Global warming) zusammen. Die Effekte im Einzelnen:

  1. Eine Kultur der Konformität: Schon mal gezögert, einen Link anzuklicken, weil Sie dachten, eventuell wird dieser Klick aufgezeichnet, und das könnte falsch aufgenommen werden? Immer mehr Menschen spüren diesen Druck und beginnen sich selbst einzuschränken.

  2. Eine Kultur der Risikoaversion: Als man damit begonnen hatte, Ärzte in New York mit Bewertungen zu versehen, hatte das unerwartete Folgen. Diejenige Ärzte, die versuchten, Krebspatienten im fortgeschrittenen Stadium zu helfen, hatten eine höhere Mortalitätsrate, was sich wiederum in tieferen Bewertungen wiederspiegelte. Hingegen Ärzte, welche nicht zu helfen versuchten, wurden mit höheren Bewertungen ausgezeichnet, obwohl deren Patienten früher starben. Bewertungssysteme können also ungewollte Anreize schaffen. Sie erhöhen den Druck, sich dem bürokratischen Durchschnitt anzugleichen.

  3. Erstarrte soziale Dynamik: Digitale Reputationsysteme beschneiden unsere Fähigkeiten und unseren Willen, gegen Ungerechtigkeit aufzustehen. In China wird jedem Erwachsenen eine gesetzlich vorgeschriebene social credit score zugewiesen. Diese steht dafür, wie folgsam die Bürger sind und basiert auf dem Strafregister, wie sie sich in den sozialen Medien äussern, was sie kaufen und sogar den scores ihrer Freunde. Mit einem tiefen score kriegst du keinen Verwaltungsjob, keine Visa, keine günstigen Darlehen, nicht mal ein attraktiven Onlinedate. Gruppendruck ist die mächtigste und subtilste Form von Kontrolle.

Man kann sich das einfach gefallen lassen und hoffen, man selber werde davon verschont. Aber von den wirtschaftlichen Folgen eines Innovationsstillstands und der Ödnis einer konformen Gesellschaft wird niemand verschont bleiben. Mir ist daher unverständlich, wie Politikerinnen mit diesem billigen «Zum Schutze der Kinder!» glauben durchzukommen.

PS: Statt auf das inaktive Twitterkonto von Ulrich Kelber zu verweisen, könntet ihr auf das Backup des Posts beim Internet Archive verweisen. Bei Twitter scheint das nicht so recht zu funktionieren («Something went wrong»), aber beim Backup der privatsphären-freundlichen Mirrorseite Nitter ist der Beitrag von Herr Kelber immer noch ersichtlich.

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Bei der (sowieso prinzipiell abzulehnenden) Chatkontrolle gäbe es bei der Masse der falsch-positiven Meldungen (die immer Einzelschicksale betreffen) auch eine beträchtliche Behinderung der Strafverfolgungsbehörden, deren Kapazität mit der Bearbeitung solcher "Fälle" gebunden würde und nicht mehr für die eigentliche Ermittlungsaufgabe zur Verfügung stünde.

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Rolf Wilhelm
IT Nerd
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Das Dramatische ist:

  1. Kriminelle finden problemlos einen Weg drum herum und werden hiervon sowieso nicht betroffen sein (und nicht zu erwischen sein)

  2. Es gibt unschuldige Opfer wie im Artikel beschrieben

  3. IT-Profis haben das Wissen zu verhindern, dass ihre Daten nur in der jeweiligen Cloud gespeichert sind und wissen auch, eine Redundanz zu dem Hersteller-Konto einzurichten, aber die absolute Masse kann sich da kaum helfen

[edit: typo]

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Kriminelle finden problemlos einen Weg drum herum und werden hiervon sowieso nicht betroffen sein (und nicht zu erwischen sein)

Das glauben auch viele kriminelle Menschen, die sich ja meist gar nicht zu den Kriminellen zählen, sondern sich als besonders schlau etikettieren.

IT-Profis haben das Wissen zu verhindern, dass ihre Daten nur in der jeweiligen Cloud gespeichert sind und wissen auch, eine Redundanz zu dem Hersteller-Konto einzurichten, aber die absolute Masse kann sich da kaum helfen

Wenn jemand nur ein Smartphone benutzt ist das wirklich nicht trivial…

Sobald jedoch ein PComputer mit von der Partie ist, reichen zwei Minuten - Nachdenken und 100 CHF Investition für eine automatisierte lokale Datensicherung… Da muss Frau nicht Profi noch Nerd sein.

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Sobald jedoch ein PComputer mit von der Partie ist, reichen zwei Minuten - Nachdenken und 100 CHF Investition für eine automatisierte lokale Datensicherung… Da muss Frau nicht Profi noch Nerd sein.

Der Nicht-Profi weiss gar nicht, dass es sinnvoll ist, die Daten NICHT in der Hersteller-Cloud zu lagern und sich darauf zu verlassen. Der benutzt in 99% aller Fälle die Standardeinstellungen des jeweiligen Geräts und passt bestenfalls noch ein paar Farben oder ein Hintergrundbild an.

Nebenbei:
Dafür braucht es keine 100 Franken. Da reicht eine kostenlose Software wie Syncthing. Und das Wissen, dass es das überhaupt braucht und wie es einzusetzen ist.

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Apple wird bis Ende Jahr "client site encryption" für alle Fotos und Videos, welche in iCloud gespeichert sind, anbieten, und hat alle Pläne fallengelassen, Chats und Fotos von Benutzern automatisch nach Kinderpornografie zu scannen:
https://www.eff.org/deeplinks/2022/…ning-plans

Das heisst, Apple selber hat keinen Zugriff auf die Fotos der Benutzer und Benutzerinnen in iCloud, und weder Polizei noch Hacker können sich Zugriff verschaffen.

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Das Apple keinen Zugriff hat glaube ich erst, wenn unabhängige Beweise vorliegen.
Faktisch ist die Encryption (der private Schlüssel dazu) mit dem Benutzerkonto bei Apple verknüpft - und der muss irgendwo gespeichert sein. Der Schlüssel kann nicht nur auf dem Endbenutzergerät (hier: dem iPhone) gespeichert sein, da sonst der Zugriff der Daten in der iCloud genau dann schieflaufen würde für den Fall, wo er gebraucht wird: Bei Verlust oder Defekt des Gerätes.

Wenn also der Schlüssel irgendwo bei Apple liegt, dann gibt es auch Mittel und Wege, Zugriff darauf und auf die Daten zu bekommen.

Wie gesagt: bin gespannt aufgezeigt zu bekommen, wie Apple begründet, dass exakt das nicht funktioniert.

Apple wird aber das tun, was so sowieso schon länger tun: Kooperation zur Entschlüsselung bei Anfragen der Behörden ablehnen, u.A. mit der Begründung, dass sie das nicht können.

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System Engineer
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Apple sagt explizit das sie den Key nicht haben und User beim Einrichten aufgefordert werden einen Recovery zu generieren für den Fall, dass das Gerät kaputt geht. Sie sagen zumindest die richtige Worte :).

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System Engineer
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Ich sehe das grössere Problem darin, dass es ein falsches Signal für andere Staaten gibt welche im Bereich Überwachung und Menschenrechte untergraben schon etwas weiter sind. Die durchsuchen dann auch nach allen Inhalten welche ihnen nicht passen. Siehe die aktuelle Situation in China und Huawei.

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Hier ein Hinweis auf die 4 Reiter der Infocalypse https://en.wikipedia.org/wiki/Four_…nfocalypse

The Four Horsemen of the Infocalypse refers to those who use the internet to facilitate crime, or (pejoratively) to rhetorical approaches evoking such criminals.

The term was coined by Timothy C. May in 1988. May referred to "child pornographers, terrorists, drug dealers, etc.".[2] May used the phrase to express disdain for what he perceived as "Think of the children" argumentation by government officials and others seeking to justify limiting civilian use of cryptography tools.

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Die Warnung erfolgte auf Kelbers Twitter-Account, der mittlerweile nicht mehr aktiv ist.

Wäre nett gewesen, noch zu ergänzen, dass Kelber vollständig auf Mastodon umgestiegen ist und sein neuer Auftritt sich hier findet.

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Hervorragender Artikel, tausend Dank!

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