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«Der Unterschied zwischen einer Autokratie und einer Demokratie ist kleiner, als man denkt. In der Autokratie regiert die Idiotie in Gestalt einer Person, in der Demokratie in Gestalt einer Mehrheit.»
Dieses Zitat (ist nicht von mir), finde ich leider ziemlich zutreffend in der heutigen Zeit.

Ergänzung:
Das Zitat habe ich unter anderem gewählt, weil ich den Eindruck habe, dass die westliche «Politik der Unausweichlichkeit», die in Putins Russland als Arroganz und Demütigung ausgelegt wurde, ebenso ignorant/idiotisch ist wie die dadurch erzeugte «Politik der Ewigkeit». Ignoranz hilft nirgendwo weiter, weder in Demokratien noch in Autokratien. Der Gipfel der Idiotie ist jedes Wort oder jede Aktion, die einen Atomkrieg auslösen kann. Nach einem Atomkrieg ist es nämlich völlig egal, ob die «Politik der Unausweichlichkeit» oder die «Politik der Ewigkeit» der grössere Irrtum war. Dann sind wir alle tot, toter gehts nicht.

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Das mag man zynisch so zuspitzen. Bloss, bei aller berechtigten Kritik, die Prozesse, wie Entscheide zustande kommen und was Rechtssicherheit und Gewaltenteilung anlangt, scheinen doch erhebliche Unterschiede vorzuliegen - nicht wahr?

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Softwareentwicker
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Herr Keller, mlt verlaub, ich finde diese Aussage zynisch und völlig deplaziert. Ein demokratisches System mag auch seltsame Blüten treiben und ist nicht frei von Irrtum - aber im Pluralismus liegt die viel grössere Chance, dass solch idiotische Himmelfahrtskommandos wie sie Putin gerade vormacht, gar nicht erst zustande kommen.

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Angesichts des unfassbaren Leids in der Ukraine kann man solche als lockere "Bonmots" getarnten Autokratie- bzw. Diktatur-Relativierungen nur eines nennen: Zynisch.

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Und was wollen Sie damit konkret zum Ausdruck bringen? Außer einem unerträglichen Zynismus angesichts der aktuellen Situation?

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Um Kropotkin (juhu, Russlandbezug) zu zitieren:

We admit the imperfections of human nature, but we make no exception for the rulers.

Es geht also genau darum die Gesellschaft so zu strukturieren, dass Dummheiten nicht anderen aufgezwungen werden können. (-> Kropotkin schlägt anarchistische Ideen vor.)

Irgendwie wird mir immer etwas mulmig wenn die Verteidigung von "Demokratie" und "westliche Werte" beschworen wird - oft bleibt sehr diffus, was damit gemeint ist.
Da sind anarchistische Perspektiven auf den Krieg erstaunlich wohltuend:
Solidarität gilt den leidenden Menschen (auch jenen in Russland) und nicht dem Nationalstaat Ukraine. Die ukrainisch-russische Zusammenarbeit die da aktuell gelingt scheint mir bewundernswert.

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Was hat das aktuelle Russland der Menschheit zu bieten? Ideell einen kruden Mix aus abgehalfterten und diskreditieren Auslaufmodellen: Toxisch aufgeladenes Patriarchat in weltlicher und kirchlicher Ausprägung. Faschistoiden Nationalismus. Kommandowirtschaft im Dienste einer dekadenten Plutokratie. Willkür und Unfreiheit bis hin zu Auftragsmorden und Lagerhaft. Gewalt und Zerstörung.
Dass solch ein Gesellschaftsmodell überhaupt noch etwas zu melden hat, liegt nicht einmal an militärischer Stärke - die russische Armee beisst sich ja offensichtlich gerade am Widerstand einer Mittelmacht die Zähne aus und kann sich nur mit dem Einstz von terroristischem Mitteln - Bombardierung von ZivilistInnen, Herumspielen mit Atomanlagen - im Geschehen halten.
Diese erbärmliche Performance in ideologischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher und militärischer Hinsicht kann das Putin-Regime einzig und allein durch die Drohung mit einem Atomschlag in einen strategischen Vorteil kippen.
Wir stehen also vor der Frage, ob wir davon ausgehen, dass Russland tatsächlich die Zerstörung grosser Teile unseres Planeten - inklusive seiner selbst - in Kauf zu nehmen gewillt ist. Wenn wir die Frage bejahen, sind wir kurz- und mittelfristig in Geiselhaft von Finsterlingen. Wenn das Ganze nur ein Bluff ist, wäre es an der Zeit, dieses Regime mit militärischen Mitteln zu stürzen.
Ich bin zum Glück nicht in einer Position, über diese Frage entscheiden zu müssen. Ich verstehe, dass aus der Sicht der Ukraine die zweite Variante bevorzugt wird. Ich persönlich tendiere aber auch eher zur bisher gelebten relativen Zurückhaltung in militärischer Hinsicht. In der Hoffnung, dass die Vernunft am Ende siegen wird. Wer sich zu dieser Zurückhaltung bekennt, sollte aber auch bereit sein, die wirtschaftlichen Konsequenzen zu tragen. Ich meine damit, daß die ganzen Sanktionen gegen Russland auch nach einem Kriegsende aufrecht erhalten werden müssen. Unser Lebensstandard wird darunter leiden, dies wird Umverteilungen im nationalen und internationalen Maßstab erforderlich machen. Dazu bin ich persönlich bereit.

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Nehmen wir das gebührend zur Kenntnis? 1)"Indem Popper die geistigen Wurzeln totalitären Denkens in der Antike verordnet, vor allem bei PLATON, schlägt er einen kühnen Bogen und vielen Platonliebhabern vors Gesicht. (...) Platon war ein Propagandist der Verfallstheorie der Gesellschaft, nach der die Gesellschaft sich ursprünglich in einem "guten" (geschlossenen) Naturzustand befunden habe und jede Öffnung, Liberalisierung und Emanzipation bzw. kritische Infragestellung von Traditionen Zeichen von Dekadenz, Degeneration und Verfall seien. Dieser Lehre Platons sei in Folge ein wichtiger Bestandteil der Propaganda vieler Diktaturen und autoritär-konservatistischer Ideologien geworden. (...)Ähnliche, aber weniger umfangreiche Kritik übt Popper an ARISTOTELES. "https://www.philoclopedia.de/2017/0…re-feinde/ (zur Zeit Hitlers entstanden.)
2) Hass auf PUTIN, «weil Putin für all das steht, was sie ablehnen (..): Tradition, Familie, Patriotismus, Krieg, Religion, Männlichkeit, Militär, Machtpolitik und nationale Interessen. » - Das schrieb ein Nationalrat am ersten Tag des Agressionkrieges von Putins Russland gegen die unabhängige Ukraine (24.2.2022 ). Nehmen wir das gebührend zur Kenntnis? Dabei wissen wir's seit Jahren oder Jahrzehnten. Der Autor gehört zur grössten Partei der Schweiz, welche Volkspartei heisst, und zwei Bundesräte in die Schweizer Regierung bringt; er schmiedet aktiv mit an derem Gedankengebäude, dafür steht die "Weltwoche" und ihr Chefredaktor, Roger Köppel, Vertreter dieser "Werte" wie Krieg, Männlichkeit, Machtpolitik.
Nehmen wir das gebührend zur Kenntnis? Die staatlichen Schulen dieses Landes lehrten mich Platon und Aristoteles, aber nicht die Menschenrechte. Lehren die Sozial-"Wissenschaften", z.B. die Hochschulen für Wirtschaft die Menschenrechte, wenn sie den Wettbewerb verherrlichen, ohne zu sagen, wo seine Grenzen sind?

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Danke für Ihren Kommentar. Auch ich bin schockiert, aber leider nicht überrascht, über gewisse zentrale Exponenten der grössten Partei in der Schweiz.
Wirklich schockierend sind für mich aber die Wähler dieser Partei, denn leider muss ich annehmen, dass diese einfach zu naiv sind um die wahren Ziele ihrer Führung zu erkennen. Die Putin Begeisterung, wie auch die Chinaaffinitäten lassen doch sehr vermuten, dass wenn diese Personen nur könnten, würden sie aus der Schweiz am liebsten einen Staat nach Russlands - und Chinas Vorbild schaffen, mit ihnen im Lead.
Auch die Trump-Begeisterung in diesen Kreisen, zeigt die Vorliebe für Autokraten, dabei spielt „links“ oder „rechts“ keine Rolle.
Übrigens diese Personen/Parteien geben immer am lautesten vor sich für ihr Land an erster Stelle einzusetzen.

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Danke für ihre Bemerkung. Ein kleiner Versuch einer Diskussion betr. "naiv". Zuerst im "Kleinen": Gertrud Woker (vgl. den schweiz. Film "Die Pazifistin") war die erste Chemie-Professorin im deutschsprachigen Raum, Uni Bern. Sie erlebte ab 1914 den Wettlauf der europ. Unis, welche erfindet das giftigste Kampfgas, um im 1. Weltkrieg, der auch in den Schützengräben ausgefochten wurde, der entsprechenden Nation zum Sieg zu verhelfen. Diese Erforschung bestätigte die Erkenntnis, dass Blei mit Gesundheit unvereinbar ist. Also informierte Frau Prof. Woker die Öffentlichkeit davon und forderte das Verbot von Bleibenzin 1917 (!). Die Schweiz kam dieser Auffoderung nach: im Jahr 2000 (!), die Welt 2021. Die UNO schreibt dazu: Sanitär ist dieses Verbot wichtig, verhindert es doch den vorzeitigen, vermeidbaren Tod von 1.2 Millionen Menschen pro Jahr weltweit und die neuronalen Schäden von Millionen von exponierten Kindern. Ich werfe den Verantwortlichen in Staat, Parteien und im Gesundheitswesen vor, über Jahrzehnte diese durch Mobilität mittels Bleibenzin vorzeitigen Todesfälle nicht vermieden zu haben. Sie werden vom Wohlstandsbarometer Bruttoinlandprodukt BIP nicht erfasst; es scheint, dass die Buchhaltung des Wohlstands davon nichts wissen will. Fazit: Bleibenzin gibt es nicht mehr auf dem Markt. Grund: unvereinbar mit Gesundheit und Leben. Das Verbot kommt einer nachträgliche Schuldsprechung gleich, von alle Verantwortlichen dieses Marktes, ihn wider besseres Wissen (Uni Bern, 1917, erste Verantwortliche für Chemie-Wissenschaften, Frau G. Woker)) toleriert und, weil dem Wohlstand samt Mobilität dienlich, dem Leben von Millionen Menschen vorgezogen zu haben.
Und jetzt die grosse Analogie: Die "Republik" brachte den Brief von Kasparov: Ohne Geld keine Rüstungsindustrie, deren Produkte einer Regierung es ermöglichen, einen modernen (Qualität, Quantität, Dauer) Krieg z.B. gegen die Ukraine zu führen: 800 Millionen pro Tag zahlt Europa (samt CH) an dieses Regime im
WISSEN,
dass dieses Geld in die Tötungsmaschinerie gegen Menschen in der Ukraine fliesst, aber auch in den Unterdrückungsstaat (Polizei, Straflager, Staatsmedien) gegen Menschen in Russland und deren Grundrecht auf Mitbestimmung. Wir sind dem Wohlstand, dessen Märkten und ihrer Güter-Produktion mit russischem Gas, der Mobilität mit russ. Treibstoffen so hörig, dass wir hier den vorzeitigen, vermeidbaren Tod und die neuronalen Schäden durch Verlust, Flucht, Angst und Verzweiflung dort "in Kauf" nehmen.
Ich frage, ob wir nach "Bührle" (vgl. "Republik-Diskussion 2021-22), Asbestverbot, Bleibenzinverbot, etc. lediglich "naiv" sind oder möglicherweise Buchhalter, welche Buchführung im Marktgeschehen und Börsenkursen mehr beachten als unser Primäres und Gemeinsames: das Leben als Menschen, ob da, dort oder in Russland.
Ich wage die Aussage: Ab 1917 war Bleibenzin-Verwendung für Mobilität ein Fehler mit Millionen von Toten; die Verantwortlichen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft der Schweiz und Europas wiederholen den analogen Zynismus, wenn sie Geld in den Krieg Russlands/Putins gegen die Ukraine ZAHLEN und BUCHHALTERN. Gerne möchte ich etwas anderes schreiben; WISSEN hindert mich.

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Martin Hafen
Präventionsfachmann, Soziologe
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Hellsichtig wie stets. Vielen Dank. Was ich mir wünschte: Dass die Rolle von China in der Region Eurasien im Allgemeinen und im Ukraine-Konflikt detailliert analysiert wird. Und zwar nicht in der heute üblichen unterkomplexen China-Bashing-Tonspur der Publikumsmedien und auch nicht mit der genauso limitierten Markt-Euphorie neoliberaler Kapitalisten, sondern wirklich differenziert.

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„Was in der Ukraine verhandelt wird, sind nicht nur die Grenzen der russischen Einfluss­sphäre in Osteuropa. Gemäss Snyder ist es unser aller politische Zukunft: nicht nur die Zukunft einer völker­rechtlich gesicherten internationalen Staaten­ordnung – sondern auch die Zukunft des liberalen demokratischen Verfassungs­staates.“
Das ist die zentrale Aussage dieser Analyse. Sie gibt zu wenig Optimismus Anlass, besonders wenn man bedenkt, wie viele Menschen in den westlichen Ländern von diesem Macho-Faschismus fasziniert sind und mehr oder weniger offen unsere demokratischen Überzeugungen und Institutionen in Frage stellen. Diese Kräfte, in unheiliger Allianz mit einer hemmungslosen neoliberalen Wachstumswirtschaft, haben ein zerstörerisches Potential.
„Heute kommt ein Erwachen von äusserster Brutalität. Es kommt spät.“
Vielleicht zu spät.

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Leserin
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Ein etwas anderer Aspekt zur Erklärung von Putins Handeln wurde mir
beim Hören des Perspektivebeitrags auf Srf bewusst. Ich konnte mir nicht vorstellen, wie präsent, mächtig und einflussreich die russisch-orthodoxe Kirche in Russland, der ehemaligen religionslosen Sowjetunion ist. Die Sendung wird so vorgestellt: > Die ukrainischen Bischöfe - und mit ihnen Religionsführer:innen weltweit haben den russischen Patriarchen Kyrill aufgerufen, sich im Ukraine-Krieg für Frieden einzusetzen. Ohne Erfolg. Denn Kyrill und das russische Regime sind eng verbandelt. Die russisch-orthodoxe Kirche mit Patriarch Kyrill und das russische Regime unter Wladimir Putin sind eng verbunden. In der Ukraine sehen beide die Wiege der russisch-orthodoxen Kirche. Kein Wunder also, hat Patriarch Kyrill Aufforderungen, sich für Frieden einzusetzen, bisher ignoriert. Doch in der Priesterschaft regt sich Widerstand – und in der Ukraine vereint der Krieg die zuvor rivalisierende russisch-orthodoxe und ukrainisch-orthodoxe Kirche.<
(https://www.srf.ch/audio/perspektiv…d=12144932)

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Und Kyrill entstammt genau so der KGB-Truppe wie Putin, die das Epizentrum der Macht in Moskau bildet.

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Genau auf diesen SRF-Beitrag wollte ich auch hinweisen. Die Aussagen des Patriarchen Kyrill und Putins zur "Russki Mir", der "russischen Welt" sind übereinstimmend. Sollte man unbedingt anhören!

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Kritiker
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Der vorliegende Artikel betont zu Recht die ideologische Basis des putinschen Herrschaftssystems: Das, was Snyder den russischen Schizofaschismus nennt. Dieses Herrschaftssystem hat ein virulentes Interesse daran, die Demokratie und die EU zu schwächen und zu delegitimieren, hat auch nach Kräften, und gar nicht so verdeckt zur Wahl Trumps zum amerikanischen Präsidenten beigetragen. Was mir in dieser Darstellung fehlt ist eine Darstellung der Mittel, mit denen Putin, ein KGB-/FSB-Mann zum russischen Präsidenten gemacht wurde. In dieser Machtergreifung der Geheimdienste und der Silowiki spielten die beiden Tschetschenien-Kriege die wesentliche Rolle. Wer verstehen will, wie unzimperlich die Geheimdienste dabei vorgingen, "ihren" Mann im Kreml zu installieren, sollte Alexander Litvinenkos und Yuri Felshtinskys "Blowing up Russia, The secret plot to bring back KGB terror" lesen, ein Buch, das im Jahr 2007 im Westen publiziert wurde, in Russland aber nicht umsonst verboten ist. Gemäss diesem Buch betrieben die Geheimdienste systematischen Bombenterror gegen russische Bürger, um Yeltsin erst in einen Krieg gegen Tschetschenien und die angeblichen tschetschenischen Terroristen hineinzutreiben und später Putin als "starkem Mann" und "Verteidiger gegen Terror" im Kreml zur Macht zu verhelfen. Wenn die Geheimdienste dabei pfuschten und ihre Männer aufflogen wie in Ryazan im Jahr 1999, zogen sie sich mit den unwahrscheinlichsten Lügen und dem Verweis auf Staatsgeheimnisse aus der Affäre. Seither ist eine unabhängige Presse ja systematisch zerstört worden, einige der bekanntesten Journalisten wie etwa Anna Politkowskaja und oppositionellen Politiker wie Boris Nemzow und Alexej Nawalny wurden durch Morde oder abgekartete Gerichtsurteile aus dem Verkehr gezogen. Und in Tschetschenien betreibt seither Ramsan Kadyrow, Putins brutaler, islamistischer und homophober Mann fürs Grobe seine Schreckensherrschaft.
Übrigens ist Litvinenko im Jahr 2006 Opfer eines der berüchtigten Putinschen Giftmorde geworden: Der europäische Gerichtshof hat die russische Verantwortung für diesen Mord unzweideutig festgestellt. Russland hat zudem alles Interesse daran, Litvinenkos und Felshtinskys Darstellung in Zweifel zu ziehen, aber Vieles spricht für ihre These. Schliesslich hat Putin mit dem Krieg gegen die Ukraine die Maske des rationalen Politikers endgültig fallen gelassen, und dahinter erscheint ein Wiedergänger eines der vielen russischen Gewaltherrscher, die ganz selbstverständlich über Leichen gingen, diesmal im faschistischen Gewand.

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Ich teile die luzide Analyse von Daniel Binswanger voll; finde aber Ihre Ergänzung Herr B. ganz wesentlich.
Die innerrussischen Mechanismen für den Erhalt und Ausbau des kriegsführenden Putin-Systems und seine weltweite Einflussnahme auf demokratische Länder zeigt Catherine Belton in ihrem Buch exemplarisch auf:
„Putins Netz“ 1.Auflage deutsch 2022 / Harper Collins
„Putin’s People“ englische Originalausgabe 2020 / Harper Collins
„Das System, das Putins Männer erschufen, war ein hybrider KGB-Kapitalismus, der auf die Anhäufung von Vermögen ausgerichtet war, um damit Amtsträger im Westen zu kaufen und zu korrumpieren.“
Ein hervorragend recherchiertes Buch, welches das mafiöse System von Putin und seiner Umgebung aufzeigt. Die Perfidie des Systems bekommt Namen, die man sogar im schweizerischen Handelsregister findet. Für mich ist es auch ein Buch zum Kotzen wegen unserer aller Käuflichkeit.

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Die Analyse ist zutreffend. Zur Vertiefung auch die SRF Sendung Sternstunde Philosophie zu Putins Einflüssen. Besonders eben Iljin. https://www.srf.ch/play/tv/sternstu…b1916ff7f7
Ein Schwachpunkt, eine übermässige und somit gefährliche Neigung zu "Führern" und "starken Männern" ist in jeder mehr oder weniger installierten Demokratie zu erkennen, wenn sie beginnt, offen oder verdeckt, die Amtszeit-Beschränkung zu durchbrechen. Ganz selten kann eine Frau diese "Führerin" sein, als Stellvertreterin, und nur, wenn sie die patriarchalen Mythen mitträgt. Dazu gehören eben "ewige" quasireligiöse Erzählungen von "reinen Völkern mit einer Mission". Dier christliche Religion lässt sich gut einbinden, wenn man die orthodoxe, alttestamentarisch geprägte Version wählt. Das Oberhaupt heisst ja nicht umsonst "Patriarch".
Das Patriarchale Weltbild hat im Zentrum zwar die "christliche" Pflicht des Schutzes der Schwachen durch den Starken, aber nicht, dass diese Schwachen eines Tages gleich stark sein sollen. Nicht auf Augenhöhe. Das verbindet Putin eben mit Trump, Orban und Konsorten. Es ist das zutiefst rigide Festhalten an traditioneller Männlichkeit. Selber ist man(n) stark! Kein "Schwuler", kein "Opfer", nicht "weibisch"!
Diese enge Definition gebiert viel Paranoia, die "Pseudorationalität" wird umso mehr hervorgehoben. Aber konkret machen sich umso mehr irrationale Ängste Platz: zB die Angst vor Viren und Mikroben, erstere von Putin, letztere von Trump.
Der Westen hat viele machoide Entwicklungen im Osten nicht gesehen, weil die neoliberale Entwicklung der letzten 40 Jahre aselber eine starke machoide Retrokomponente hatte, ich würde sogar meinen, von ihr angetrieben wurde. Der Markt als "Allesregler" war auch eine Version von "Das Recht des Stärkeren", da skrupelloses Nutzen der eigenen Vorteile bis hin zum Betrug unter Vorspiegeleiung von "Existenz einer reinen Meritokratie" nichts anderes sind. Privilegien, die sich über die Jahre immer mehr auch in die Gesetzgebung eingeschlichen haben. Die progressiven sozialen Bewegungen der 60 und 70er haben eine Reaktion hervorgerufen. Und die "Gleichheitsdoktrin" nach dem 2. Weltkrieg stark, verschwand immer blasser in der Geschichte.
Solche Denkweise ungterscheidet sich eben nicht völlig von hegemonialen Gelüsten und Grössenwahn.
Und dass ein Regime nach 20 Jahren noch einen "normalen" Bezug zur Umwelt und seiner Bevölkerung hat, gibt es schlicht nicht. Die Psyche eines langjährigen Regenten verändert sich massiv, wenn nur noch "Schleimer" um ihn herum sind.
Und wer keine Schleimer will, will auch nicht so lange im Amt bleiben. Geht selber.
Die Allerintelligentesten merken solche Zusammenhänge, antizipieren sie. Bleiben tun nur die leidlich intelligenten, gerade etwas schlauer als ihr Umfeld.
Der "Westen" hat schlechte Voraussetzungen gehabt, die Gefahr zu merken, bevor sie nun eskaliert ist.
Ah: Dei Demokratie wird dennoch siegen, die ist die zäheste und stabilste Möglichkeit des Zusammenlebens. Siehe auch Roger de Weck in "Precht"/ZDF unter dem Titel "Demokratie - müssen wir sie retten?" : https://www.zdf.de/gesellschaft/pre…t-238.html

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Merkwürdiger Text ... "Was ist geschehen, dass wir heute, dreissig Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges, an diesem Punkt stehen? Snyder sieht den initialen Fehler [in der] «Politik der Unausweichlichkeit»." Ich bin nicht sicher, ob ich Snyder und Binswanger richtig verstehe, ich hab das Buch nicht gelesen. Aber die These überzeugt mich sehr: Hat nicht eben Biden in seiner State of the Union sich am Ende, wie es sich für einen US-Präsidenten gehört, wie King Kong auf die Brust getrommelt? "Gods own Country" - die Politik der Unausweichlichkeit ist so alt wie die USA, wie der "Westen", der seit 500 Jahren alles niedermetzelt, was im Weg steht, im Interesse seines einzigen Wertes, des Mehrwertes (Gremliza).
Soweit also so richtig, aber dann wieder, wie so oft zur Zeit, dieses merkwürdige Abbiegen: Putin habe Trump installiert. Als Ronald Reagan Präsident war, war da auch schon Putin schuld? Putin ist ein Imperialist, ich hab mich da nie geirrt und werde nicht zu Schauprozessen antraben. Und wer von Faschismus reden will , aber vom Imperialismus schweigen, auch und gerade dem der USA und des Westens, soll es lassen. Das ganze unsägliche Geschrei, während zig Kriege auf dieser Welt einfach weiter vergessen bleiben, ist einerseits natürlich Politik, aber andererseits Ausdruck eines barbarischen Eurozentrismus. Jetzt wird man halt wohl doch mitmorden müssen, seufzen die Pazifisten. Ich bleibe Pazifist, nicht schon wieder eine Reichstagsbrandverordnung und ein War on Terror, für 100 Milliarden, die schon als Ziffer in ihrer runden Beliebigkeit antizivilisatorisch sind, vielleicht gerade jetzt, da die Stellvertreterkriege endlich zuhause ankommen. Ehe der Bürger untergeht, muss es die Welt. Dann halt.

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Die USA können eigentlich für jeden Konflikt zum Vergleich genommen werden. Historisch dient deren Exzeptionalismus als immerwährendes Whatabout. Gerade ist dort eine Ewigkeitsgeschichte der evangelikalen Endzeitpropheten in Entwicklung, die die dortige Demokratie mit Hilfe der orientierungslosen Republikaner in wenigen Jahren abwürgen wird. Ich habe Angst um die Minderheiten und Europa. Dem wird gerade hautnah aufgezeigt, dass es ohne Hilfe der USA in einer EAU landen dürfte, mit der Schweiz, ohne Neutralität und Bilaterale. Trump hatte mehr als einmal diesen Gedanken laut gedacht.

Corona hat gezeigt, dass demokratische Regierungen vor 10-30% Krawallmachern in die Knie gehen, vor allem wenn ein Grossteil der gewaltmonopolistischen Staatsmacht dies gerne sieht. Ich befürchte, dass bald ein Wettlauf von protofaschistischen Nationen um die Gunst des Kapitals startet. Denn Demokratie braucht Kapitalismus, aber nicht umgekehrt.

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Kapitalismus braucht keine Demokratie, das sehe ich wie Sie, Anonym 5. Aber auf welcher Grundlage gehen Sie davon aus, dass Demokratie Kapitalismus braucht? Demokratie ist sehr viel älter als Kapitalismus. Kapitalismus ist eher noch ein Demokratie-Killer, genau gleich wie jeder andere Raubbau am Gemeinwohl und Gemeinwesen. Demokratie ist ein Sammelbegriff für gewisse kollektive Entscheidungsfindungs- und umsetzungsprozesse, die in sich aufgehen und für sich selbst stehen, auch ganz ohne Kapitalismus. Kapitalismus ist eine Wirtschaftsorganisationsform. Demokratie könnte diese Funktion des Kapitalismus komplett ersetzen - und sich dabei deutlich besser bewähren. Genau zur Nachhaltigkeit von demokratischen Wirtschaftsformen (Allmende, Gemeingüter, Kooperativen, Genossenschaften) hat die Wirtschaftsnobelpreisträgerin Elinor Ostrom jahrzehntelang geforscht (dabei u.a. die sog. Tragik der Allmende widerlegt) und deswegen die erwähnte Auszeichnung erhalten.

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Richard Brusa
Brückenbauer
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WO SIND DIE BOTSCHAFTER FÜR DEN WELTFRIEDEN? - Ich finde die Analyse von Daniel Binswanger äusserst zutreffend, aber ebenso abgrundtief beklemmend. Wenn wir das auf dieser Linie weiterdenken, kommt der Westen früher oder später nicht mehr darum herum, aktiv einzugreifen. Dann sind wir bei jener Eskalation, die niemand möchte. Wolfgang Ischinger - einer der erfahrensten deutschen Aussenpolitiker - hat schon vor einigen Jahren vor dieser hochexplosiven Weltlage (nicht nur in Osteuropa) sehr eindringlich gewarnt. Dies hatte mich in Angst und Schrecken versetzt und dann gleichzeitig dazu animiert, ein paar BOTSCHAFTER FÜR DEN WELTFRIEDEN aufzulisten: https://www.innerworld.ch/blog/bots…ltfrieden/
Der mentale und politische Kampf um Freiheit, Pluralismus und Demokratie muss auf allen möglichen Ebenen geführt werden. Innen, aussen, philosophisch, politisch, diplomatisch - und leider wahrscheinlich auch entschlossen und gezielt: militärisch.

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Richard Brusa
Brückenbauer
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Das letzte Wort "militärisch" habe ich nur seeehr ungern hingeschrieben. Aber je länger diese fürchterliche regressive Gewalteskalation dauert und wir uns entsprechend in steiler Lernkurve weiterbilden, desto mehr erscheint mir das Ganze wie eine "Churchill - Hitler - Situation"! Leider. Oder kann hier jemand einen wirklich deeskalierenden Lösungsansatz einbringen? LÖSUNGEN, statt über richtig und falsch debattieren!

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Danke für Ihre Arbeit und Ihr Bemühen authentisch und differenziert zu informieren.
Ich vermisse in der Ukraine Berichterstattung weiterhin eine Perspektive, die aufrichtig über den Kriegsschauplatz hinausschaut und die Dynamik der Machtverhältnisse zwischen allen Beteiligten zur Kenntnis nimmt. So schlimm die Kriegsbilder und das, was wir von der russischen Kriegspropaganda bei uns hören, sind, es nützt den Opfern nicht, wenn wir uns daran festbeissen anstatt realistische Lösungsperspektiven zu suchen und uns für sie einzusetzen. Ich halte es für wichtig zu erkennen, dass wir sehr wohl Russlands Krieg gegen die Ukraine aufs Schärfste verurteilen und gleichzeitig "unseren", den europäischen, den NATO Anteil an der Verantwortung für die Eskalation dieses Konflikts annehmen können. Nur wenn wir dazu bereit sind, können wir einen Beitrag zur Lösung leisten.
Zwei kluge Beiträge zur Einschätzung sind hier zu finden:

https://www.youtube.com/watch?v=ppD_bhWODDc
John Mearsheimer und Ray Mc Govern sprechen im Committee for the republic

https://www.europematters.com/podca…ate-change
Noam Chomsky im Interview zur Ukraine-Krise 4 Wochen vor der Invasion, trotzdem aktuell.

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Ich denke ich mache vielen ein Gefallen wenn ich ein paar Sätze aus der Beschreibung des ersten Videos einblende:

„the never-ending expansion of NATO cheek by jowl to Russian borders provoked the invasion…“

„Russia fears nuclear weapons on its borders as more menacing than the Cuban Missile Crisis was to the United States.“

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Sie sprechen souveränen Ländern die Wahl ihrer Partner ab? Nur weil ein Herr Putin etwas fürchtet? Wenn Herr Putin keine Nuklearwaffen hätte, würde ihm niemand zuhören. Das ganze analytische Briborium um Herrn Putins toxische Männlichkeit wäre ohne Nuklearwaffen eine Farce. Er und seine ganze korrupte Entourage lägen seit 24. Februar im Mülleimer der Geschichte. Wir werden mit Massenvernichtungswaffen erpresst und philosophieren tiefernst darüber. Das ist der Witz. Putin steht ganz einfach mit den Nuklearwaffen vor uns und grinst uns an. Und wir sind für diese Maffiosispielchen nicht bereit. Und wenn wir das nicht werden, verlieren wir jedes Mal wieder einen Finger.

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Wirklich? Konflikte werden gelöst, in dem eine Partei die andere überfällt und dann "realistische Lösungsperspektiven" gesucht werden? Was machen Sie beim nächsten Mal? Diese Frage konnte auch von Pazifisten noch nie stimmig beantwortet werden.

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Snyder, Tomothy. Über Tyrannei. Zwanzig Lektionen des Widerstandes. Illustrierte Ausgabe. C.H.Beck Verlag. 2017.
"Achte auf gefährliche Wörter". Das gilt wohl auch für D. Keller weiter unten. Einem autoritär/autokratischen Zynismus muss entschieden entgegengetreten werden. Weder Nihilismus, obszönem Hedonismus noch der Verehrung <ewiger Werte> darf Raum gelassen werden.

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Leseratte
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· editiert

Hervorragende Analyse zum Zustand der heutigen Weltgeschichte. Danke für den Tipp zu Snyders "Der Weg in die Unfreiheit"!

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Eine interessante Analyse, die jedoch in der momentanen Situation keinerlei Lösungsansätze bringt.
Putin ist in der UdSSR als KGB-Agent sozialisiert worden. Sein Handeln hat uns gewissermaßen in diese bleierne Zeit zurückkatapultiert. Russland soll als Großmacht respektiert werden und Einflusssphären kontrollieren. Eine anachronistische Sichtweise, die aber dennoch bei der Suche nach einem Ausweg zu berücksichtigen ist. Nur ein Kompromiss kann uns aus der Sackgasse des Kriegs herausführen. Die EU könnte dabei eine zentrale Rolle spielen, indem sie der Ukraine (und auch den anderen Beitrittskandidaten) eine echte Perspektive bietet. Dies muss keine sofortige Vollmitgliedschaft sein, neue Formen der Assoziierung sollten entwickelt werden. Sicherheitsgarantien sollten die Neutralität des Landes ermöglichen.
Außerdem sollte trotz allem nie Russland mit Putin gleichgesetzt werden.
Wir tun damit unzähligen Russen Unrecht, welche diesen Krieg ablehnen. Zehntausende sind bereits verhaftet, unabhängige JournalistInnen werden drangsaliert, kritische Wissenschaftler unter Druck gesetzt. Es wichtig, dass diese Leute in unseren Medien grösstmögliches Gehör finden.
Jeder Autokrat entpuppte sich schließlich als Koloss auf tönernen Füssen.

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interessierter Leser
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Was gibt Ihnen Anlass anzunehmen, dass sich Putin mit der Neutralität der Ukraine zufrieden geben könnte? Das Dritte Reich hat sich auch nicht mit Österreich und der Tschechoslovakei zufrieden gegeben - nur um dann alle Verträge wieder zu brechen, die es eben gerade abgeschlossen hatte.

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Mich erstaunt sehr, weshalb wir Schweizer die Neutralität so vehement ablehnen. Bei uns gilt diese gerade als Quell aller politischen Tugenden. Natürlich können wir nicht ausschliessen, dass der grosse Bruder Putin aussenpolitisch und bei den Beziehungen zu Russland einflüstern wird. Aber mit diesen Grenzen der Neutralität lernen auch wir gerade leben.
Auf der Habenseite der Ukraine als neutraler Staat wäre die innenpolitische Autonomie. Viel mehr haben wir Schweizer auch nicht.

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· editiert

Die Neutralität interpretiert Putin als russlandkonforme Linie. Wenn mal eine Entscheidung Putin nicht passt, wird er die Neutralität und die Souveränität der Ukrainer wieder in Frage stellen. Ein Land das gerade angegriffen wurde kann gar nicht neutral sein, weil die Gefahr eines Angriffs jederzeit besteht und zwar von östlicher und nicht westlicher Seite. Trotzdem: Selenski scheint es zu versuchen und ich wünsche ihm viel Glück, auch wenn ich da skeptisch bin.
Den Russen die demonstrieren / verhaftet wurden stehen leider ein grosser Teil von Putinbefürwortern gegenüber die den Krieg toll finden und auch bei uns das Z-Symbol verbreiten. Hinzu kommt eine schweigende Mehrheit die indirekt auch den Krieg befürwortet.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Mir scheint, sie argumentieren hier weitab der Realität. Die Ukraine als unabhängiges Land hat vor bald zwei Wochen aufgehört zu existieren. Sie wird erst wieder auferstehen, wenn die russische Armee vernichtend geschlagen wird, oder der Westen zähneknirschend akzeptiert, dass sie in Ost und West geteilt wird. Dass eine solche Teilung nichts Gutes bringt, zeigen die andere Beispiele weltweit. Kompromisse hat es dort nie gegeben, höchstens ein pragmatisches Festhalten am Status Quo, ohne sich gerade die Köpfe einzuschlagen.
Im Osten wird dann eine Diktatur herrschen, die jeden Widerspruch mit Gewalt unterdrückt, so wie das jetzt auch in Russland und Belarus der Fall ist.
Der Westteil wird ständig von einem militärischen Einmarsch bedroht sein und wohl ebenfalls in wenig freiheitliche Gefilde abdriften.
Ich sehe nicht, wie die EU diese Perspektive verändern könnte. Das könnte allenfalls die Nato, welche allerdings das Risiko eines atomaren Schlagabtauschs verständlicherweise nicht eingehen will.
Leider können wir von unseren Möglichkeiten her nicht gute und schlechte Russen selektiv mit Sanktionen belegen. Den jeweiligen Machthabern ist es hingegen ein leichtes, ihre Bevölkerung in genehme und ungenehme zu unterteilen, diese mit Privilegien zu belohnen und jene mit Gewalt zu diskriminieren. Dagegen sind wir machtlos, solange die schweigende Mehrheit sich nicht offen gegen das Regime wendet.

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Sicherheitsgarantien müssten natürlich ausgehandelt werden und wohl auch die NATO, aber auch Russland einbeziehen.
Beide Seiten sind wohl nicht im Ernst an einem nuklearen Schlagabtausch interessiert.
Natürlich können wir Russen nicht selektiv mit Sanktionen belegen, jedoch verdienen die Dissidenten in Russland grösstmögliche Unterstützung und die Aufmerksamkeit der Weltöffentlickeit, um zu verhindern, dass sie vom Regime gänzlich mundtot gemacht werden und um sicherzustellen, dass als Sand im Getriebe des Systems wirken können.

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Leserin
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Vielen Dank Daniel Binswanger für diese hervorragende Analyse. Danke auch den vielen Kommentator*innen, die weitere vertiefende Informationen geliefert und verlinkt haben.

Nun kann ich mich orientieren und die Phänomene, Beobachtungen, Handlungen, Anordnungen und Greueltaten von Putin seit er im Mai 2000 zum Präsidenten Russlands erkoren worden ist, bekommen eine nachvollziehbare (wenn auch schreckliche) Logik. Als ich damals sein Konterfei zum ersten Mal in der Zeitung sah, erschauderte ich und es stellten sich mir, zu meinem eigenen Erstaunen, alle Haare!
Ja man hätte es erkennen müssen, man hätte es richtig lesen müssen: das Lügen, die Verachtung allen Menschlichen, die skrupellose Bereicherung, die Verunsicherung ganzer Gesellschaften um zu spalten und damit zu kontrollieren, der absolute Machtanspruch gepaart mit einer kontinuierlichen Gewalteskalation und einer grenzenlosen Risikobereitschaft, die Verfolgung Andersdenkender, die Schuldumkehr, die Selbstinszenierung, die Wutausbrüche, der charmante einnehmende manchmal „scheu“ und „verloren“ wirkende „Mustersohn“, der ruchlos, ohne Gewissensbisse, Befehle zum Morden gibt.
Wie konnten wir so blind sein?
Hinweise, Analysen, Warnungen gab es mehr als genug!

Was mich überrascht:
Das Ungeheuerliche klar zu erkennen und benennen zu können, hilft, meine Angst zu regulieren!

Immer noch starr und ohnmächtig auf die ersten Massengräber schauend, bleibt doch eine Hoffnung,
…dass ein vernünftiges humanitäres WIR entsteht, das stärker ist,
…dass zum richtigen Zeitpunkt ein MENSCH an einer Schlüsselstelle aufwacht und das richtige tut,
…dass am Ende doch Recht über unfassbares Unrecht „siegen“ wird.

Hoffen wir, dass es nicht zu spät ist…

(Edit: Präzisierungen)

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danke für diesen Artikel und alle Hintergrundsinformationen. bin froh um die REPUBLIK.

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Auf englisch gibts diese News schon längstens gratis. Sogar in Podcast Formaten. Die Bibliographie werde ich hier nicht posten. In der Schweiz nichts Neues. Im Westen nichts Neues. Im Osten auch nichts Neues. Nothing Remarquable in der Maria Erich Sphäre….

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Ihr Beitrag hier und der Beitrag von Ihnen weiter unten erweckt in mir den Verdacht, dass Sie hier ein bisschen rumtrollen möchten. Was möchten Sie uns genau mitteilen?

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Die einzige Lösung in der aktuellen Konstellation liegt darin, dass die russische Bevölkerung Putin ein Oneway-Ticket nach Den Haag schenkt. Was müssen wir tun, damit dies geschieht? Hier sollten wir unsere ganze Energie investieren. Nach meiner Meinung ist auch genau die Angst vor diesem Moment der Grund für Putins Handeln und nicht irgendwelche Ideologien und Träume. Diese sind nur schmückendes Beiwerk für den Verkauf seiner Aktionen, sprich Teil des Marketings.

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Ein russischer Freund (Soziologie-Prof an der Uni Moskau und eher pro-westlich/liberal) sagte mir damals bei der Krim-Annektierung, dass diese schon immer zu Russland gehört habe, die Ukrainer den Russen als "minderwertig" gelten, die einzig Leute wie die beiden Klitschkos hervorbrächten. Ich war schon erstaunt! Er und seine Entourage sind keine Freunde Putins, er wird nicht geliebt, aber anscheinend doch sehr respektiert. Man wird ihm kaum ein Oneway-Ticket nach Den Haag schenken, noch wird sich das russische Volk gegen ihn erheben, weil die Leute auf MacDonald-Fritten und ähnliches verzichten müssen, die meisten Russen sind noch an Mangel und schwierige Zeiten gewöhnt. Es ist wahrscheinlich ein Fehler, zu glauben, die Russen tickten ähnlich wie wir Westeuropäer.

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Der gegen aussen kühl und berechnend wirkende Politiker entpuppt sich als irrationaler Brutalo. Dieses Bild hat Grafikdesigner Christian Bobst bereits 2010 als Teil seiner Matrjoschka-Plakatkampagne für die TA-Sonntagszeitung vorweggenommen. Das Lachen von damals ist mir mittlerweile im Hals steckengeblieben.

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Leserin
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Einen klügeren Beitrag gabs diesmal auf Radio SRF. https://www.srf.ch/audio/tagesgespraech

Interview mit Heidi Tagliavini. Sie liest nicht im Kaffeesatz, ihre Analyse hat sie in einem langen Leben gemacht.

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Liebe Frau Hauschild, ich habe den Podcast mit Interesse angehört und teile Ihre Einschätzung sehr. Frau Tagliavini mutet uns zu, einer grossen und erschreckenden Ungewissheit ins Auge zu schauen. Sie macht auch keine Hoffnung für eine rasche Lösung des Krieges und warnt vor einer Eskalation durch Kriegs- und Waffenfanatiker.
Ebenso mutet sie dem Westen zu, auch die eigenen Anteile an diesem Konflikt nicht zu leugnen. Ich bin etwas erstaunt über die bisher 4 negativen Beurteilungen Ihres Hinweises und würde es schätzen, die Gründe zu erfahren. Das Gut/Böse Denken ist wohl verführerisch, aber man zahlt einen hohen Preis dafür. Zielführender sind Diplomatie, Deeskalation, Friedensbemühungen und Solidarität für die Ukrainischen Menschen.

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warum müssen die downvotes , auch die upones so gewichtet sein?

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Danke, tatsächlich sehr wertvoll.

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Was ich mit meinen weiter untenstehenden Ausführungen in etwa zusammenfassend meine: Es hat immer mit dominierenden mentalen Befindlichkeiten zu tun, also mit dem "Zeitgeist", welche Strömungen sich nach oben entwickeln und welche gerade ein Nischendasein erleben. Es ist müssig, sich nun vorzuwerfen, man hätte es vorhersehen können. Natürlich, aber der Zeitgeist war nicht so eingestellt. Wir können nur daraus lernen, anklagen bringt nichts. Wer sich selber nun möglichst Vorwürfe macht, betreibt vor allem Selbst-Entlastung.

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Leserin
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…. oder/und lernt aus der Geschichte.

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Softwareentwicker
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Danke für diesen Beitrag Herr Binswanger. Putin legt offenbar schon lange ein konsequent-ideologisches Verhalten an den Tag, während wir hier im Westen (ich auch!) an das Märchen von dem zwar skrupellosen aber nüchternen Pragmatiker glaubten.

Die Frage die ich mir nun schon seit Tagen stelle ist: wie weiter?
In meinen Augen muss der Weg der Sanktionen gegen Putins Regime konsequent ausgebaut werden, um diesen Krieg zu stoppen: alle Gas- und Öl-Importe aus Russland vollständig sistieren, auch wenn es uns selbst wehtut. Ein gewisses Potential hätte auch ein einlenken Chinas, aber das ist utopisch, zumal China vermutlich analoge Expansionsträume im Bezug auf Taiwan hat...

Im Prinzip können wir aktuell alle nur hoffen, dass die Sanktionen und der Schaden für Russland irgendwann Putin zum umdenken bewegt und/oder eine andere Dynamik (z. B. massiver Widerstand innerhalb Russlands) sogar den Kreml-Herrscher selbst in Bedrängnis bringt...
Aber das kann lange dauern und ist eher ein Klammern an einen immaginären Strohhalm als an eine konkrete Rettungsboie.

Ich frage mich, was für eine Wahl haben wir, wenn all das nichts nützt und Putin trotzdem weitermacht? Wird man einfach zuschauen und die Hände in Unschuld waschen, bzw. darüber fabulieren, dass uns angesichts der atomaren Bedrohung die Hände gebunden sind?
Was bedeutet das für uns alle?

Ich befürchte, dass Putin trotz grösster wirtschaftlicher und menschlicher Verluste den blutigen Feldzug bis zum bitteren Ende durchzieht und der Westen laut protestierend zusieht, aber dann irgenwann den Status-Quo akzeptiert... und den Gashahn wieder öffnen lässt...

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Das darf einfach nicht sein. Hoffnungdarf man noch haben...

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Softwareentwicker
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Ich hätte Hoffnung, wenn das "Batzeli" als Druckmittel etwas wert wäre... aber angesichts dessen was ich sehe, habe ich starke Zweifel. Allerdings ist im Westen "Batzeli" nach wie vor tonangebend: d. H. sobald dies nicht mehr nützt, wird man nicht noch einen Schritt weitergehen und die Ukraine z. B. aktiv militärisch unterstützen, weil die Bedrohung durch das Atomarsenal von Putin wohl zu gross ist. Also was bleibt am Ende?

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Geschäftsführerin
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Hab mir gestern Snyders Buch gekauft. Bin jetzt auf S.122. Das quasi-religiöse Weltbild, das Illjin entworfen hat und von dem Putin sich ganz offensichtlich leiten lässt, ist das krasseste, was ich seit Hitlers „Mein Kampf“ gelesen habe. Ich bin fassungslos, wie man als halbwegs vernünftiger Mensch sowas glauben geschweige denn zur Grundlage der eigenen Politik machen kann. Ob Putin und seine Entourage das selber wirklich glauben? Jedenfalls ist das Buch ein Augenöffner.

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Dass die ukrainische Regierung aus Nazis und Drogenabhängigen bestehe, ist natürlich Unsinn. Dass Sie, Herr Binswanger, sich mit "russischem Schizofaschismus" und der Behauptung, Putin möchte die ganze EU seinem euroasiatischen Wirtschaftsraum einverleiben, auf dasselbe Pamphletniveau hinunterlassen, ist unnötig, und billig (v.a. weil der Begriff Faschismus nicht sauber definiert ist).
Ich glaube, dass man Schläge unter der Gürtellinie nicht mit ebensolchen parieren sollte. Ich bin wohl altmodisch.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Leiter
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Lieber Herr R., ich gratuliere Ihnen, dass Sie ihren Widerspruchsgeist intakt von Dossier zu Dossier tragen. Darf ich Sie darauf hinweisen, dass der Terminus "Schizofaschismus" nicht von mir sondern von Timothy Snyder stammt? Und dass es sehr eigenartig ist, dessen Analysen auf dieselbe Stufe zu stellen, wie den Propaganda-Nonsens von Putin? Herzlich, DB

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Herr Binswanger,

  • Sie scheinen der Ansicht zu sein, dass Sie keinerlei Verantwortung tragen für Ihre Texte, wenn Sie andere zitieren. Sie machen es sich da sehr einfach.

  • I know a pamphlet when I see it. Und wenn ein Begriff unter der Gürtellinie ist, finde ich es hinfällig, weitere Abstufungen gemäss dem Ruf des Autors zu machen.

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@ M. R.

Die "Wirklichkeit" besteht aus ganz unterschiedlichen und oft sich widersprechenden Elementen. Ein Element daraus zu hinterfragen und zu kritisieren hat nichts mit "altmodisch" zu tun. Vielmehr gilt es, die verschiedenen Aspekte einer Situation zu berücksichtigen.

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Ich habe eben einmal das mir nicht bekannte Buch von Snyder im (frei zugänglichen) Rezensionsportal der Historiker eingegeben und mir dazu die Rezension durchgelesen (siehe unter www.hsozkult.de).
Sie kommt am Ende und nach zahlreichen, im Detail ausgewiesenen Gründen zu folgendem Urteil: “Kein seriöser Verlag hätte diesen Text veröffentlichen dürfen“!
Man muss sich dem nicht anschließen, aber von irgendwie fragwürdigen Argumenten und Erkenntnissen ist in dem Beitrag von Herrn Binswanger leider gar nichts zu bemerken. Das ist umso bedauerlicher, als er - genau wie ich eben nach der Lektüre - ins Internet hätte gehen können und sich hätte erkundigen können, wie dieses Buch in der Zunft (Historiker, Politologen) aufgenommen und bewertet wurde.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Leiter
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Lieber Herr Ullrich, ich danke für diesen Hinweis. Ich habe eine Reihe Besprechungen von Snyders Buch gelesen, aber diese nicht. Sie bringt ein paar interessante Punkte zur Sprache, zum Beispiel die in der Tat nicht akademische Zitierweise, die mancherorts auch mich irritiert hat. Es ist ein für das breitere Publikum gemachter Aufsatz, aber auch ich habe den Eindruck, es wäre besser gewesen, der Autor hätte da etwas mehr Präzision walten lassen. Allerdings ist die Rezension von Lorenz Erren selber extrem polemisch und, so habe ich den starken Eindruck, auf einer inhaltlichen Ebene sehr substanzlos. Was sie in gar keiner Weise tut, ist ein Bild davon geben, wie "die Zunft" gemäss Ihrer eigenen Formulierung Snyders Buch aufgenommen hat. Sehr im Gegenteil.
Erren versteigt sich zu einer Reihe von Aussagen, die mir absurd erscheinen. Zum Beispiel Snyder habe die Verantwortung der amerikanischen Politik in den 90er Jahren für die russischen Fehlentwicklungen nicht thematisiert. das ist im Gegenteil der Ansatzpunkt des Buches. Oder das Werk sei eigentlich ein Anti-Trump-Pamphlet und kein ernst zu nehmender Essay über die Ukraine. Dass Putins aggressive Politik der letzten zehn Jahre sich nicht nur in der Ukraine sondern auch in seinen Kampagnen gegen westliche Demokratien äussert ist in der Tat ein Thema des Buches (Erren scheint das unseriös zu finden, was ich nicht nachvollziehen kann). Und dass es vom Trump-Phänomen zu diesen russischen Aktivitäten und insbesondere zu den russischen Interventionen in der Ukraine multiple Verbindungen gibt, ist nicht bestreitbar. Jerren scheint das mehr ins Lächerliche zu ziehen als in Abrede stellen zu wollen. Als einen relevanten Diskussionsbeitrag kann ich seine Rezension nicht wahrnehmen. Herzlich, DB

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Sehr geehrter Herr Binswanger,
Den polemischen Beiklang habe ich auch bemerkt, und führe ihn darauf zurück, dass der Rezensent vielleicht entrüstet oder jedenfalls verärgert war über das eklatante Missverhältnis zwischen öffentlicher Reputation sowie notwendig vorauszusetzender Sorgfalt der Analyse des Autors einerseits und deren grober Vernachlässigung, wie sie die Rezension aufzeigt andererseits.
Tatsächlich habe ich zwischenzeitlich kurzerhand Kontakt mit Dr. ERREN aufgenommen, der mir antwortete, dass er, wie Sie in Ihrer Antwort richtig anklingen ließen, “gar nicht das Ziel hatte, Snyder's Putin-Kritik zu widerlegen, oder Putin zu rehabilitieren“, sondern “gewisse Standards zu verteidigen, ohne die sinnvolle Auseinandersetzungen (unter Historikern, GU) nicht möglich sind“. Und diese seien eben grob verletzt worden, weshalb er das Buch auch im Rückblick als “unseriös“ bezeichnet. Dass es dabei nicht nur um falsches Zitieren, sondern um gravierendere Probleme geht, wenn Aussagen, die gar nicht gemacht wurden, hinzugedichtet wurden, macht die Rezension m.E. deutlich.
Im Übrigen ist es nicht die Aufgabe einer Fachrezension, auf die Resonanz einer Publikation in Fachkreisen hinzuweisen oder einzugehen, was Sie als einen Mangel zu erkennen meinten.
Dessen ungeachtet bin ich weiter gespannt auf Ihre nächste Kolumne, die für mich zu den wichtigsten Angeboten der REPUBLIK zählt, neben den oft anspruchsvollen Diskussionen der “Verleger“.

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(durch User zurückgezogen)

Für die, die sich mit dem Recherchieren schwer tun:
Www.hsozkult.de/publicationrewiew/id/reb-27806

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Der Artikel suggeriert, dass der Westen durch seine passive und "zynische" Politik eine Teilschuld am Krieg hätte. Diesen Gedankengang finde ich sehr gefährlich, da viele sinistre Gestalten oder einfältige Personen so versuchen, Putins Krieg in Teilen zu legitimieren. "Man müsse den Putin eben schon auch verstehen und so..."

Einfach njet. Der Westen war zwar zu lange naiv und hat sich übertölpeln lassen. Aber er ist in keinster Weise verantwortlich dafür, dass Putin und seine Schergen einen Krieg losgetreten haben und alle möglichen humanitären Errungenschaften mit Füssen treten.

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Das ist generell die Denkweise von DB. Der Westen, die Schweiz, der Kapitalismus sind schuld an allem, weil die Alternativen, die angeblich auf der Hand lagen, versäumt wurden.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Leiter
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Lieber Herr W., mich befremden Ihre Bemerkungen über meine "generelle Denkweise" etwas, aber darf ich Ihnen einfach eine Gegenfrage stellen? Finden Sie denn, es sei nichts versäumt worden? Herzlich, DB

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Daniel Binswanger
Feuilleton Leiter
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Lieber Herr F., ich verstehe Ihren Vorwurf nicht. Der Artikel - und noch viel weniger Timothy Snyder - suggerieren nun wirklich mit keinem Wort, der Westen sei Teilschuld am Krieg. Er sagt hingegen, sehr deutlich, dass Fehler gemacht worden sind, dass die westliche Befangenheit in der Ideologie vom Ende der Geschichte eine Voraussetzung dafür war, dass man die russischen Fehlentwicklungen in der Frühphase der postsowjetischen Ära teilweise förderte, teilweise einfach hinnahm. Er denunziert sodann unsere Ignoranz - das, was Sie Naivität nennen. Und er versucht dann das Profil der grossrussischen Ideologie zu erfassen, für die nun wirklich nur Putin selber verantwortlich ist. Herzlich, DB

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Vielen Dank, Herr Binswanger für Ihre Antwort.
Vielleicht bin ich etwas zu sensibilisiert gegenüber dem Problem der Täter-Opfer-Umkehr. Aber Sie schreiben einen Artikel über den "russischen Schizofaschismus" (Titel) - ungefähr die Hälfte Ihres Artikels handelt dann jedoch die Fehler des Westens und die in der westlichen Ideologie inhärente Ignoranz ab, welche sich als "ZENTRALER Grund für die dramatische Lage" erweise. In dieser Passage erkennen Sie mindestens eine Teilschuld des Westens am Krieg. Dies schwingt fast im gesamten Artikel bis zum Schluss mit: "Der Westen hat den Test des Russland-Ukraine-Krieges 2014 nicht bestanden. Heute kommt ein Erwachen von äusserster Brutalität. Es kommt spät."

War es richtig, sich 2014 derart zurückzuhalten? Ich denke, nein. Aber schon damals, war einzig und allein Russland Schuld für den Konflikt und so ist es auch heute mit dem Krieg.

Und niemand kann sagen, dass es heute keinen Krieg gäbe, wenn der Westen "richtig" gehandelt hätte. Russland hat nun mal dieses äusserst schädliche, grossimperialistische Ziel vor Augen und hätte dieses trotzdem konsequent angestrebt, auch wenn der Westen auf seine Appeasement-Politik verzichtet und besser auf die russische Politik reagiert hätte. Wenn eine Partei auf Streit/Krieg aus ist, lässt sich dieser kaum verhindern. Insofern finde ich die Kritik gegenüber dem Westen deplatziert. Damit meine ich nicht, dass man die Fehler nicht thematisieren und korrigieren soll (wird ja jetzt überwiegend gemacht). Aber die finale Erkenntnis, dass wir es mit einem Gegner (und ich meine Gegner) zu tun haben, der auf Krieg aus ist, wird in dieser Kritik gegenüber dem Westen zu oft aussenvorgelassen. Und das ist fatal, denn der zentrale Grund für die dramatische Lage ist diese Bereitschaft Putins bis zum Äussersten zu gehen - nicht die Fehler des Westens.

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Da zeigt sich die wirre Argumentation doch in aller Deutlichkeit: Es wurden sehr deutliche Fehler gemacht, der Westen war befangen, ignorant. Damit unterstellen Sie bereits eine grobe Mitschuld.
Natürlich hätte man immer anders, besser handeln, entscheiden können. Aber diese verzerrte Darstellung von Ursache und Wirkung stört mich sehr bei Ihnen. Und das betrifft nicht nur diesen Artikel.

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em. Professor UZH
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Sehr empfehlenswert: Ein Interview in Yale mit Snyder und Amsted auch über die Rolle von China:
https://www.youtube.com/watch?v=xg0c6fd8PCk
Eine eindrückliche Vorlesung von Snyder über die historischen Hintergründe der Ukrainkrise:
https://emory.zoom.us/rec/play/0nhp…rhtaid=877

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Märchentante*onkel
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Sehr empfehlenswert insbesondere auch als unfreiwillige Studie darüber, wie sexistisch Yale im Jahr 2022 ist, vermutlich stellvertretend für viele universitäre Einrichtungen. Die Frau im Panel wird gar nicht erwähnt, als existierte sie gar nicht. Als Petlick, so heisst sie, nach ca. 20 Minuten die Gelegenheit erhält, etwas zu sagen, tippt Snyder ihr groteskerweise ans Mikrophon, als wäre sie zu dumm, ins Mikrophon zu sprechen, dabei redet sie bereits völlig normal und für alle hörbar in ihr Mikrophon. Was sie sagt, ist sehr bedenkenswert.

Ich möchte mir vorstellen, wie wir "hier im Westen" auf andere wirken. Halten wir uns für unfehlbar, besser als alle anderen, wenn wir so wie Amsted reden, als ob wir genau wüssten, wie die Chinesen sind und was sie "eigentlich" wollen? Schaffen oder bedienen wir nicht Vorurteile?
Hannah Arendt schrieb: "Die Gefahr des Vorurteils ist gerade, dass es eigentlich immer in der Vergangenheit, also ungewöhnlich gut verankert ist, und darum nicht nur dem Urteilen vorgreift und es verhindert, sondern mit dem Urteilen auch eine eigentliche Erfahrung des Gegenwärtigen unmöglich macht."

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em. Professor UZH
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Einverstanden, dass die Leitung des Interviews unprofessionell war und Frau Petlick nicht einbezogen wurde.
Was China anbelangt ist Arne Wested (nicht Amsted) ein renommierter Kenner der chinesischen Geschichte und ich fand es interessant, wie er das Verhältnis China-Russland-USA schilderte. Weitere neue Informationen zu diesem Thema finden Sie in der Zeitschrift Atlantic:
"China’s Russia Risk
How Beijing manages its relations with Moscow will help define it as a great power.
By Michael Schuman"

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Vielen Dank für die beiden HInweise!

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Daniel Binswanger
Feuilleton Leiter
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Lieber Herr B., herzlichen Dank für diese beiden interessanten Links. Wenn wir schon dabei sind, das Gespräch mit Harari und Applebaum zur Ukraine ist ebenfalls sehr bemerkenswert: https://www.youtube.com/watch?v=wCjBki16zl0
Herzlich, DB

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Unbedingt lesenswert in diesem Zusammenhang auch der Artikel des Yale-Philosophen Jason Stanley im Online-Magazin Geschichte der Gegenwart. (Der Text erschien zuerst am 26.2.2022 im Guardian.)

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Merci für den Hinweis, tatsächlich sehr interessant. Hier der Link zum Text. Aufschlussreich fand ich besonders die Verdrehung der Opferrollen:

Mit der Behauptung, das Ziel der Invasion sei die „Entnazifizierung“ der Ukraine, appelliert Putin bewusst an die grundlegenden Mythen des zeitgenössischen osteuropäischen Antisemitismus: Dass eine globale Kabale von Juden die wahren Agenten der Gewalt gegen russische C. waren (und sind), und dass die wahren Opfer der Nazis nicht die Juden, sondern die russischen C. waren. Genau diese seien das Ziel einer Verschwörung einer globalen Elite, die unter dem Deckmantel der liberalen Demokratie und der Menschenrechte den christlichen Glauben und die russische Nation angreife.

Sind die Texte bei Geschichte der Gegenwart immer so gut?

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Gut zu lernen, was der Autokrat im Kreml liest und denkt. Allerdings denken nicht alle Russ:innen wie Putin. Trump spricht nicht für die USA und die Weltwoche ist kein Sprachrohr für die vielfältige Schweiz. Deshalb tōnt das Folgende fùr mich falsch: "Und dass aus russischer Perspektive schon seit langem völlig klar ist: Im Zentrum dieses grossen Krieges steht der Kampf um die Ukraine."
Es geht in diesem Fall um die Kreml Perspektive.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Leiter
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Lieber Herr Wehrli, vielen Dank für diesen Einwand! Sie haben natürlich vollkommen recht, es geht hier um die russische Machtelite nicht um die Russinnen. Ich denke, es wird schon deutlich, dass Snyder das Machtsystem und nicht "Russland" einer Kritik unterzieht. Aber sie haben recht: Das sollte auch sprachlich jederzeit deutlich werden. Herzlich, DB

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Der Artikel beginnt mit der Feststellung, dass die NATO mit einem Dilemma konfrontiert ist. Logisch basiert ein Dilemma auf widersprüchlichen Voraussetzungen. Eine dieser Voraussetzungen war der Glaube an die abschreckende Wirkung von Waffen, die einen Krieg verhindern würden. Eine andere Voraussetzung war der Glaube, dass Europa sich bei den wichtigsten Handelsgütern (Energieträger) von wenigen Lieferanten abhängig machen könnte, ohne unfrei zu werden. Die dritte Voraussetzung war, bewaffnete Einheiten könnten die eigene zivile Bevölkerung und Infrastruktur schützen (Zum Beispiel in der Form: 'Jetzt braucht die Schweiz aber sofort neue Kampfflugzeuge'). Auch in diesem Krieg wird es mehr zivile Opfer geben wie militärische. Der Westen mischt sich militärisch so ein, dass die bewaffneten Auseinandersetzungen so lange wie möglich in der Ukraine bleiben und vielleicht schaffen es fünf Milionen Menschen, die Kriegsgebiete in der Zeit zu verlassen. Ich lese weiter unten in den Kommentaren das Verlangen nach Lösungen. Aus widersprüchlichen Voraussetzungen lässt sich alles als Lösung ableiten. Hauptsache, wir müssen die Voraussetzungen nicht hinterfragen.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Leiter
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Lieber Herr S., wenn ich sie richtig verstehe, appellieren Sie dafür, dass wir die Voraussetzungen zu hinterfragen. Das hiesse wohl - aber das sagen Sie nicht explizit und vielleicht interpretiere ich Sie falsch -, dass Sie die Bewaffnung der Ukraine kritisch betrachten. Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Aber wir haben hier wirklich ein Dilemma. Denn können wir in der heutigen Lage darauf verzichten? Herzlich, DB

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Lieber Herr Binswanger,
Zuallererst: Tut der Westen der Ukraine denn Waffen 'überlassen', 'zur Verfügung stellen' (Sprache des Artikels) oder wird dies nicht nur mit Blut, sondern auch mit Geld bezahlt? Dies ist eine Frage an Sie als Journalisten und ich bin an Klartext interessiert.
Indem man es zu einer moralischen Frage macht, ob sich denn ein Staat mit Waffengewalt wehren dürfe, entgeht man elegant den Fragen, was denn wirklich die Wirkung der Waffen ist und worin denn ein Dilemma besteht.
[ edit: der wikipedia-artikel zu https://en.wikipedia.org/wiki/low-intensity_conflict kann hier ein startpunkt sein]

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Lesenswerter Artikel zum Thema hier, im journal21, von Edouard Kaeser:
https://www.journal21.ch/artikel/wi…zu-spielen

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Dass in den Ländern des ehemaligen Ostblocks rechts konservative Regierungen demokratisch gewählt an der Spitze stehen, als Beispiel Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und evtl. auch bald in Ostdeutschland...resultiert aus der jahrzentelangen Entwicklung in diesen Ländern, dass die Regierungen die Arbeitslosenquote senkt, weil soviel Menschen ihr Land verlassen.
Das die deutsche Krankenpflegerin/Bauarbeiterin in der Schweiz, die Polnischen in Deutschland und die Ukrainischen in Polen arbeiten, führt zu einem wirtschaftlichem und sozialem/kulturellem Mangel in der gesamten Region Osteuropa.

Wofür?
Damit ein Kaff wie Winterthur mehr als 100000 Einwohner hat?
Ein nicht endender BauBoom in Zürich?

Die böse AFD, polnische, ungarische Regierung etc. schielen auf die gute Schweiz
Ich nenne das die schweizer Schizo-Heuchelei.

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Leser (pension. Lehrer)
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Ostdeutschland?

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Winti Grütze, Züri, Costa Rica, Copacabana?

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Ich habe Bloodlands gelesen. Und empfand Snyders Fixierung auf einen geographischen Ort - die Bloodlands - und sein durchgängig striktes Unterteilen in nationalsozialistische und kommunistische Verbrechen zu schematisch und führte dies auf seine amerikanische Herkunft zurück. Aber ich bin kein Experte. Vielleicht sind es seine jüngeren Einschätzungen ebenfalls.

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Macht doch Sinn dass Putin West Deutschland mit einer Atom Bombe überrumpelt. Dann warten alle Die es dahin schaffen in Israel ab was die Iraner vorhaben. Lieber in ferner Zukunft von dem Iran verstrahlt als wiedermal jüdisches Opfer von Privilegierten Weißen Übermenschen. Die Wiederholung in Europa isch mir doch langsam Zuviel des Gleichen. Bin eben zutiefst unanständig. Da muss man eben so blank sein wie die Weißen um noch Anstand zu verlangen.

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