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Viele Kinder suchen schon im frühen Alter Kontakt mit andern Kindern, schauen, was diese machen und ja, lernen auch in späteren Jahren von ihnen. Eine Mutter, ein Vater, Grosseltern, eine Nanny, sind kein Ersatz für andere Kinder. Wird ein Kind nicht ausser Haus betreut, ziehen die Betreuungspersonen mit ihnen auf Spielplätze, oder lassen sie an Spielgruppen teilnehmen. Die wenigsten Kinder heute wachsen mit vielen Geschwistern auf. Es ist also nicht nur das Bedürfnis der Mütter nach einer Tätigkeit ausser Haus und Lohnerwerb, es geht auch um zentrale Bedürfnisse der Kinder. Um Lernerfahrungen die sie brauchen, um sich gut entwickeln zu können.

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Liebe Frau D.,

Herzlichen Dank für diesen Beitrag. Ich kann ihn aus meiner persönlichen Erfahrung nur bestätigen. Ich hatte immer den Eindruck, dass meine Töchter von den Sozialkontakten in der Krippe enorm profitiert haben und dass der frühe Kontakt mit anderen Kindern wichtig und gut war für Ihre Entwicklung. Herzlich, DB

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Lieber Herr Binswanger, Sie fragen sich ja: warum (in der Schweiz) so gleichstellungsfeindlich? Wie Sie ja vielleicht wissen, hat sich durch die bürgerliche Revolution die Stellung, die Gleichberechtigung der Frauen immer mehr verschlechtert. Von Geschäfts- und Arbeitspartnerinnen ihrer Ehemänner wurden sie, wo man es sich leisten konnte, zur Untätigkeit im Haus verdammt. Mit der Industrialisierung, der Verarmung der Bauernfamilien, mussten auch Frauen und Kinder ausser Haus arbeiten. Ich habe grad jetzt in der Abdankungsrede für meine Urgrossmutter gelesen, dass sie mit 13J in die Fabrik musste, dort schwere Arbeit
verrichten, die sie so schwächte, dass sie fast zur Konfirmation getragen werden musste. Sie kennen wohl kaum die Anneli-Bücher von Olga Meyer? Wie von ihr beschrieben, so wuchs auch meine Urgrossmutter im Tösstal auf. Sie hat ihr Leben lang gearbeitet: später in Zürich, mit Familie, hat sie zuhause "gfergget", Seide gewunden. Der Haspel steht noch heute im Ortsmuseum Albisrieden, wo die Familie auch wohnte, als es noch ein gewöhnliches Bauernhaus mit verschiedenen Wohnungen war.
Ausser Haus arbeiten der Frauen bedeutet für Männer aus der Zeit des 2.Weltkriegs: arm sein. Frau und Kinder zu Hause behalten können, bedeutete für diese Männer, "gute" Männer zu sein, die Frauen vor schmutziger Arbeit beschützen zu können, die Kinder vor Aufbewahrungsstätten. Die wurden nur von Kindern von alleinstehenden Frauen besucht, Frauen, die gezwungen waren, ihre Kinder in Heime, Krippen und Horte zu stecken, die nicht die Förderung von Kindern zum Ziel hatten. Frau Dr. Meierhofer in Zürich (nachzulesen auf Wikipedia) hat das erforscht. Aus ihrer Arbeit entstand das MMI - Marie Meierhofer Institut. Fun fact (wie man heute sagt): es gibt neben der Tagesschule Bungertwies am Züriberg einen Marie Meierhofer-Weg, ihr zu Ehren.
Blöd gesagt, haben bei uns keine Kriege die Gesellschaft erschüttert - was uns von anderen europäischen Ländern unterscheidet. Unsere Gesellschaft ist gewissermassen stehengeblieben und hat nicht begriffen, was sich wesentlich geändert hat: dass die Frauen nicht mehr vor schlimmer ausserhäuslicher Tätigkeit beschützt werden müssen und dass es für die gesunde Entwicklung der Kinder sehr wichtig sein kann, schon früh in Kontakt mit anderen Kindern zu kommen. Kinder, die diese Erfahrung nicht machen können, haben sehr oft bei Kindergarten- oder Schuleintritt massive Defizite, nicht nur im Sozialen. Oft auch in der Sprachentwicklung, in der Raumorientierung etc. Ich spreche ausdrücklich nicht von Kindern, die in Bauern- oder Gewerblerfamilien aufwachsen - die machen ganz andere, für ihre Entwicklung wertvolle Erfahrungen als Stadtkinder.
Als Antwort auf Frau Kuster habe ich gefragt, welche Entscheidungsträger mit einer berufstätigen Mutter aufgewachsen sind? Ich könnte ja in die Dialogrunde ganz allgemein fragen: wessen Mutter arbeitete in grossem Pensum ausser Haus? Wer besuchte einen Hort?
Vielleicht ist das Ganze mit diesem speziellen Gleichstellungsaspekt so verzwickt in der Schweiz, weil die einen nur das Beste für die Frauen und die Kinder wollen und die anderen sich fragen, warum das das Beste sein soll. Die Schweiz muss auf die Suche nach überdauernden Bildern in den Köpfen gehen, in ganz vielen Aspekten. Noch überdauert die Landischweiz - obwohl vielleicht ganz viele gar nicht mehr wissen, was das bedeutet.

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Vivienne Kuster
Audioproduzentin
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Liebe Frau D.,
Vielen Dank für ihre entwicklungspsychologische/-soziale Ergänzung. Sie hat zwar weniger mit Gleichstellung zu tun, gehört für mich aber auch in die Debatte rein, schliesslich ist es ein weiterer Finanzierungsgrund. Ich wünschte der Ständerat würde solche Argumente ebenfalls gewichten. Nicht zuletzt sprechen wir in diesem Bereich dann auch von mehr Chancengerechtigkeit. Was aber zu oft nur als Ziel formuliert, aber nicht finanziell unterstützt wird.

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Wer von denen, die heute entscheiden über Gleichstellung, Familien- und Erziehungsfragen wuchs mit einer berufstätigen Mutter auf? Am ehsten Gewerbler- und Bauernkinder. Wer ging in den Hort und in die Krippe? Kinder von alleinerziehenden, verwitweten, geschiedenen, meist armen Frauen. Wer etwas auf sich hielt, leistete sich ein Kindermädchen aus einem Berggebiet oder ein Au pair. Es war der Stolz von zwei Generationen Schweizern, sich leisten zu können, dass die Frau nicht auch noch ausser Haus arbeiten musste. Der Aufwand für die Hausarbeit war viel grösser. Es gab weniger Maschinen zur Unterstützung, es wurde mehr geflickt, und ausser Maggiwürfeln und Knorrsuppen gab es noch nicht so viele Halbfertigprodukte für die Küche. So haben Bilder und Vorstellungen in breiten Kreisen unserer Gesellschaft überlebt, die nichts mit der viel besseren beruflichen Ausbildung von Frauen der letzten zwei Generationen und nichts mit den Lernbedürfnissen der Kinder zu tun haben. Andere europäische Länder machten, oft kriegsbedingt, eine ganz andere Entwicklung durch.

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Softwareentwicker
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Danke Herr Binswanger für diesen Beitrag!

Was mich persönlich so beelendet ist, dass die immer gleichen Diskursstrategien und Strohmannargumente angewendet werden, um jeglichen noch so offensichtlichen Handlungsnotstand zu leugnen und die Verantwortung, endlich etwas zu tun, abzuschieben:

  • "Wir sind zu unbedeutend um etwas zu bewegen: das muss GANZHEITLICH angegangen werden...‼️" (also tun wir NIX)

  • Das ist Sache der Kantone...‼️ (also tun wir NIX)

  • Das ist Sache des Bundes...‼️ (also tun wir NIX)

  • Das liegt in der Eigenverantwortung eines jeden Bürgers...‼️ (also tun wir NIX)

  • Das widerspricht (angeblich) unserer Neutralität... ‼️ (also tun wir NIX)

  • Wer soll das bezahlen...⁉️ (also tun wir NIX)

ABER:

  • Steuergeschenke bis zum 👋 zur "Sicherung der Arbeitsplätze": ✅

  • Anwerben und Umgarnen von Firmen, die die Infrastruktur hier bis zum Anschlag nutzen, aber kaum Steuern zahlen weil "wichtig für Wirtschaftsstandort CH": ✅

  • Untätigkeit und Versanden der Sanktionen gegen einen Völkerrechtswidrigen Angrifskrieg weil die 💰️-Hure Zug/CH Dreh- und Angelpunkt der russichen Gelder und Gaspartikel ist: ✅

Diese verlogene, geldgeile, rücksichtslose Politik und Berichterstattung von Partikulärinteressen geht mir sowas von auf den 🧇...

Ich könnte momentan gar nicht soviel essen wie ich 🤮möchte...

Aber: alles Jammern hilft nicht und ist letzten Endes genau so untätig:

  • 2023 ist Wahljahr, gehen wir Leute wählen, die Moral und Mut zur Verbesserung haben!

  • Sprechen/Prangern wir die Misstände an, berichten wir darüber, beschweren wir uns unseren Vertretern gegenüber, akzeptieren wir den Status-Quo freundlich aber bestimmt NICHT!

  • Engagieren wir uns mit Initiativen (wie Pflegeinitiative) wenn die Politik untätig bleibt.

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Leider nutzt das richtig wählen in diesem System auch nicht viel. 60% haben das letzte Mal nicht rechts gewählt und doch regiert uns eine SVP/FDP-Koalition mit 40% der Wählerstimmen. Aufgrund der demokratischen Defizite unseres politischen Systems erhalten wir eine Politik, die von der Mehrheit der Bürger nicht gewünscht wird. Der Gipfel des Systems ist, dass es der oberste Öllobbyist in Zeiten der Erderhitzung sogar zum Bundesrat für Umwelt bringen kann. Reformieren wir endlich unser Regierungssystem, dann bekommen wir auch eine Politik, welche dem Wohl der Bürger unseres Landes dient. Heute ist es unser Land nur ein Vehikel um ein paar wenige auf Kosten aller anderen noch reicher zu machen.

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Mutter mit 2 Töchtern
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Danke für diese klare Stellungnahme. Die Kinderbetreuung war jahrelang unser grösster Posten im Budget, noch vor der Wohnung. Dazu die höheren Steuern durch 2 (Teilzeit-)Einkommen. Das Ankämpfenmüssen gegen das Argument des Mannes, dass sich dieser ganze Stress nicht lohne, und ich besser weniger arbeiten solle.
Angeblich haben mehr als 40% aller Akademiker:innen keine Kinder, und das wundert mich nicht: wenn man von seinen Kindern und vom Leben etwas haben will, braucht es gut bezahlte Teilzeit-(Führungs-)jobs, Disziplin, Verzicht, bezahlbare Kitas bzw anständige bezahlte Tagesmütter, steuerliche Entlastung, und einen Partner, der die Gleichstellung voll und ganz mitträgt. Das alles gleicht einem Lotto, bei dem es nur wenige Gewinnlose gibt…

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Studentin
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· editiert

Jep und die kinderlosen
Akademikerinnen (die Frauen den Kinderkriegen ist ja Frauensache) werden dann von den Kreisen die die Kitaförderung verhindern als Grund für demografische “Probleme”angefeindet, im Extremfall als unnatürlich und immer als kaltherzig dargestellt. Wir hatten so Leute aus konservativ- freikirchlichen Kreisen im Dorf…….Wenn es nach denen ginge würden Frauen nicht studieren. Das können sie so direkt natürlich nicht sagen. Die Forderung auf deren Flyern: Bekomme Kinder, so viele wie (finanziell) möglich, besser früh und betreue sie 100% selber weil sie braaaaauchen die Mutti bis sie aus der Schule sind läuft aber genau darauf hinaus.
Sind keine einzelnen Spinner sondern haben durchaus einfluss auf die Lokalpolitik und sich u.a. gegen Kitas und Zuwanderung politisch engagiert. Und das “Kaff” hat 10 000 Einwohner:innen. (Aber eine Kaff Mentalität deshalb nenne ich es liebevoll mein Kaff)

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Berufstätige Mutter
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Da ich als Mutter für das Familieneinkommen sorge, 'musste' ich die Kinder betreuen lassen, und ich sehe das sehr positiv und etwas anders als das Frau L. dargestellt hat. Als erstes würde ich mal von dem Wort 'fremdbetreut' Abstand nehmen, weil das so kühl klingt und mit der Realität der vielen wunderbaren, familiären und professionellen Krippen nichts zu tun hat. Die Kosten sind extrem hoch und sollten niedriger sein, doch sind auch in der Regel Betreuungsschlüssel, Umfeld und Ausbildung des Personals sehr gut. Ich habe hier einige ganz grossartige, liebevolle Betreuungspersonen kennengelernt, denen wir unsere Kinder gerne anvertraut haben. Und man sollte die Kirche im Dorf lassen: Selbst ein voll betreutes Kind verbringt in der Woche kaum mehr als 40 Stunden in der Krippe, wo sie im Übrigen auch in den Wald gehen, Würstli und Stockbrot braten und all die schönen Dinge machen. Den Rest der Zeit, inklusive der Ferien, verbringt das Kind zuhause, idealerweise bei Eltern, die sich auch mal von der Kleinkinderbetreuung erholt haben, vielleicht einer anregenden Arbeit nachgegangen sind und dann Lust haben, etwas mit ihren Kindern zu unternehmen. Unsere Kinder sind liebend gerne ins 'Tagi' gegangen und haben einige Freunde aus dieser Zeit immer noch. Und 'das Mami' bekommt dann auch keine empty-nest Depression, wenn die Kinder ihre eigenen Wege gehen.
Ausserdem: Solange dieses schöne Teilzeitmodell für alle, das natürlich nicht für Alleinerziehende greift, im Reich der Utopie angesiedelt ist, sollte sich die Schweiz eine optimale Kinderbetreuung leisten und es auch gestatten, diese Kosten ohne Bedingungen von der Steuer abzusetzen. Das ist die bestmögliche Investition in die Zukunft.

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Danke für diesen Beitrag! Liebe Schweiz bitte denk ein bisschen mehr schwedisch. Familien haben Anspruch auf einen Betreuungsplatz, wenn ein Kind zwei jährig ist (nach dem Elternurlaub). Nützen sie diesen nicht und betreuen die Kinder selbst, wird ihnen das Geld ausbezahlt. Ein Kinder- und familienfreundliches Modell…

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Nadja Kos
Mutter, Hausärztin
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super! genau! in diese Richtung muss es gehen, nur wissen die wenigsten dass es auch anders sehr erfolgreich geht! die Kollegen in Schweden sehen ihre Kinder wenn sie hochprozentig oder Vollzeit arbeiten aber trotzdem fast mehr als wir hier in Teilzeit! es braucht ein Umdenken im Ganzen!

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Dieses Modell würde ich befürworten.👍

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Liebe Frau Echsel, vielen Dank für diese Ausführungen. Schweden hat übrigens auch die höchste Frauen-Erwerbsquote Europas. Herzlich, DB
https://de.statista.com/statistik/d…-laendern/

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Das ist übrigens ein sehr schönes Beispiel für das nächste mal, wenn jemand meint "es gibt keine strukturellen Sexismus, Frauen sind ja vor dem Gesetz gleichberechtigt" oder so:

  • Ein Kind muss betreut werden, entweder durch Krippe oder Eltern (die dann nicht arbeiten)

  • Krippenplätze sind manchmal so teuer, dass sie die Entlohnung für die Zeit fast auffressen, das heisst die Arbeit geht direkt für die Kinderbetreuung drauf either way

  • Frauen verdienen in der Regel weniger als Männer

  • Die "Wahl" fällt dann auf die Frau, nicht zu arbeiten und das Kind zu betreuen.

Das System formt so die traditionellen Geschlechterrollen.

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Hier wird die volle Wahrheit angesprochen.
Die Schweiz möchte sich gar nicht wandeln, der Grossteil der Bevölkerung ist überzeugt dass alles gut wie es ist. Und die Frau am Herd.
Wenn man - wie meine Patchwork Familie - nicht der Norm entspricht, wird man konsequent angegriffen.

  • wenn die Frau nach 4 Monaten arbeiten möchte („die Mutter muss sich um die Kinder kümmern“)

  • wenn man zusammen 180% arbeiten möchte („warum kriegt ihr überhaupt Kinder, wenn ihr nur arbeiten geht?“)

  • wenn man Kinder in die Kita geben möchte („wozu kriegt ihr Kinder?“)

  • wenn man sich gemeinsam kümmern möchte („in den ersten Jahren braucht das Kind zu 99% eh nur die Mutter“)

  • wenn man nicht heiratet („Willst du keine Verantwortung übernehmen, für deine Freundin?“)
    Etc

Es ist erschreckend wie rückständig ein so reiches Land ist.

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Sehr guter Kommentar. Ein Aspekt wird der Diskussion jeweils aber völlig ausgeblendet: Zwanghaft kommt in jeder Mediendiskussion zu Kinderbetreuung das Axiom: Selbstverständlich soll jede Familie selbst bestimmen können, wie sie es macht. Subtext: Selbstverständlich ist das Vollverdiener/Vollmami-Modell vollkommen ok! Was NIE thematisiert wird: was kostete die Vollausbildung der (meist) Frauen, die nun voll am Herd stehen den Staat? Ist es vollkommen ok, wenn eine teure, von der öffentlichen Hand finanzierte Ausbildung nicht in Wert gesetzt wird? Warum wird darüber nie gesprochen? Nein, das schiebt die «Schuld» jetzt nicht den Frauen zu! Wie der Kommentar ja aufzeigt, haben viele gar keine Wahl. Alle die, die gegen Staat, Fremdbetreuung etc. poltern, sind auf dem Auge «Ausbildungskosten, die nicht in Wert gesetzt werden» offenbar vollkommen blind.

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Auf der anderen Seite ist das Modell sehr lukrativ für den Staat. Die Frauen betreuen die Kinder gratis. Darum haben wir so ein tolles Bruttoinlandsprodukt: die ganze überwiegend weibliche Betreuungsarbeit wird ja nirgends in Franken und Rappen erfasst.

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Über diese Sichtweise bezüglich Ausbildungskosten wird durchaus gesprochen. Und sie hat grundproblematische Implikationen: 1) dass Bildung und Ausbildung vorwiegend bis ausschliesslich finanziellen Zwecken dienen müsse, 2) die freie Gestaltung des eigenen Lebens wird in Frage gestellt und (zumindest lebensphasenweise) nicht erwerbsorientierte Lebensentwürfe werden abgewertet.
Ja, klar hat (Aus-)Bildung meistens unter anderem auch finanzielle Motive. Das ist auch nicht schlecht. Aber es ist problematisch, wenn solche Diskussionen darauf hinauslaufen, Ausbildung könne oder müsse nur durch Geldverdienen «in Wert gesetzt» werden. Oder gar durch «lebenslang möglichst viel Geld verdienen». Meines Erachtens darf es keine Pflicht geben, möglichst viel Erwerbsarbeit ins Leben zu packen, sondern im Gegenteil möglichst viel Freiraum für alle, sich Zeit für andere Dinge zu nehmen, beispielsweise fürs Betreuen der eigenen Kinder, soweit man/frau/mensch das wünscht.

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Es ist ja fast alles richtig, was Daniel Binswanger da schreibt. Das Argument "die einen hohen Beschäftigungs­grad und gute Lebens­verhältnisse ermöglicht" kann ich aber nicht gelten lassen. Wir leben in der Schweiz in einer Überflussgesellschaft. Das heisst, auch ökologisch auf einem unverträglichen Niveau. Wir brauchen daher keinen zusätzlichen Beschäftigungsgrad, denn das ist noch schlechter für die Umwelt und unser Klima. Die Kommerzialisierung der Erziehung sehe ich daher als eher ungeeignet.
Was wir brauchen ist eine besser Verteilung der Einkommen und der Lasten. Mit höheren Kinderzulagen oder sogar einem Grundeinkommen könnte den Eltern hier mehr Gestaltungsfreiheiten ermöglicht werden. Teilzeitjobs für beide Geschlechter sollten ohnehin die Regel werden.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Auch was sie schreiben, stimmt nur fast 😀.
Wir haben ein Problem und dieses Problem heisst Überalterung. Es gibt zu wenig Arbeitskräfte, um die anstehende Arbeit zu verrichten. Deshalb wäre es essenziell, dass mann nicht die Hälfte der Bevölkerung, mit lächerlich fadenscheinigen Argumenten, aus dem Arbeitsprozess drängt.
Die völlig eskalierte und unhaltbare Situation in der Pflege zeigt doch eindeutig auf, wie idiotisch bürgerliche Politik ist. Auf den jetzigen Notstand haben linke Politiker*innen schon vor Jahrzehnten hingewiesen. Die Bürgerlichen haben es ignoriert, und die Wähler haben das honoriert. Noch immer können die Bürgerlichen auf eine solide Mehrheit in der Bevölkerung zählen, sei es bei Wahlen, als auch bei Sachabstimmungen.
Die Stammtischdiskussionen, da zähle ich auch NZZ und Tamedia Artikel dazu, drehen sich aber nicht um das eklatante Versagen der Bürgerlichen, ihre offensichtlichen Lügen, ihrer offensichtlichen Korruption, nein, der gemeine Bürger beschwert, sich bitterlich über die Linken, welche ihm angeblich sein hart erarbeitetes Geld abnehmen wollen. Dass die bürgerliche Mehrheit in Parlament und Regierung in den letzten Jahrzehnten hunderte von Milliarden Fr. durch Steuergeschenke vom Mittelstand zu den paar Reichsten verschoben hat, wird gekonnt übersehen. Zu lieb wurden die Feindbilder der Linken und Grünen gewonnen.

Einig bin ich mit Ihnen, dass das mehr verdiente Geld nicht in Flugreisen und protzigere Autos fliessen sollte, sondern in biologisch und nachhaltig erzeugte Lebensmittel und Bausubstanz.

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Grundsätzlich einverstanden, doch zum Thema "zu wenig Arbeitskräfte" habe ich eine andere Sicht:

Wir haben keinen Fachkräftemangel, sondern eine Differenz zwischen dem tatsächlichen Wachstum und dem Wachstum das möglich wäre, wenn wir noch mehr Fachkräfte hätten. So gesehen ist der sogenannte Fachkräftemange sehr gut für die Umwelt.
Bei den Pflegekräften liegt die Sache etwas anders. Diese sind meiner Ansicht nach schlicht und einfach zu schlecht bezahlt.

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Einverstanden. Aber vielleicht hilft mehr ausserfamiliäre Betreuung und damit mehr Leute im Arbeitsmarkt auch genau dafür - mehr Teilzeitstellen? Dann ist es vielleicht ein Zwischenschritt wo wir mehr Lohnarbeit haben , und dann können wir ansetzen und es ist überall einfach/möglich Teilzeit zu arbeiten

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Vielen Dank für diese flamboyante Rezension der Dauerausstellung „Familie und Beruf“ im Schweiz, dem Museum für ausgestorbenes Denken. Spricht mir aus der Seele. In Wien zahlt man für die Krippen übrigens noch weniger als in Berlin: Rein gar nichts.

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Nadja Kos
Mutter, Hausärztin
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Vielen Dank für diesen Beitrag! Wir brauchen noch viel mehr gesellschaftskritische Diskurse um unsere Werte zu realisieren und Veränderungen zu erreichen! Wir brauchen ein Umdenken mit öffentlichen Tagesschulen (nicht ein Flickwerk aus Betreuungsplätzen) und auch Vaterschaftsurlaub von Anfang an - damit wir annähernd die Chance haben dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.

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Mathematiker in IT, Bildung und Beratung
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Lieber Herr Binswanger

Sie schreiben ‚finsteres Schlusslicht der europäsichen Gleichstellung’. Leider hat es nix verlinkt, das diese Aussage unterlegen würde. Der Global Gender Gap Report des WEF‘s kann es nicht sein. Wenn ich dessen Artikel im deutschsprachigen Wikipedia richtig lese sind wir dort europäisches Mittelmass.

Klar, das ist etwas peinlich und unbestrittenermassen zu wenig - mindestens für eine fortschrittliche Minderheit, der auch ich mich zuzähle. Schade aber, dass auch Sie meinen, sie müssten sich schreierischen Schwarzmaler:innen zugesellen. Ich freue mich lieber an den kleinen Fortschritten, versuche aufrichtig meinen Beitrag dazu zu leisten und reflektiere mein eigenen kleine Alltagsversagen. Von grossen Schritten halte ich nichts, denn auf die zuviele Revolutionen der Geschichte folgeten reaktionäre Perioden und darauf habe ich gar keine Lust.

Beste Grüsse, K.A.

ps: Meine Schätzung für up- : downvotes ist 1:3. ;)

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Lieber Herr A., Rankings hängen natürlich immer von den berücksichtigten Faktoren ab. Es gibt eine Reihe anderer Bereich, wo die Schweiz tatsächlich solides Mittelmass ist. Aus meiner Sicht sollte man jedoch die Vereinbarkeit sehr hoch Gewichten. Sie hat einen massiven Einfluss auf den Verlauf von Karrieren und Erwerbsbiographien. Ich hätte gehofft, dass klar wird auf welche Zahlen ich mich beziehe, nämlich den OECD-Bericht, dessen Lektüre ich Ihnen sehr ans Herz legen möchte. Schreierisch ist der Bericht in keiner Weise, die Ergebnisse sind aber so schwarz/weiss, wie man es sich nur vorstellen kann. Leider.
Dass Sie sich lieber an kleinen Fortschritten freuen, als grosse Schritte zu machen, sei Ihnen unbenommen. Als Grundhaltung verstehe ich das gut. Das würde allerdings auch bedeuten, dass die Schweiz in diesem zentralen Gleichstellungsbereich noch für Jahrzehnte hinter der gesellschaftlichen Entwicklung herhinkt. Mit gravierenden Folgen für Familien und die Erwerbsbiographien von Frauen. Finden Sie das in Ordnung? Herzlich, DB

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Mathematiker in IT, Bildung und Beratung
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Lieber Herr Binswanger
Danke für Ihre prompte Reaktion. In der Annahme, die Frage sei nicht rhetorisch:
Nein, für all die konkreten Fälle finde ich das nicht in Ordnung.
Nein, zu meinem Weltbild passt das nicht.

Und
Ja, mit unseren Institutionen produzieren die ordentlichen Verfahren die Situation, dass es halt (noch) so ist, weil eine Mehrheit das leider so will.
Diese Mehrheit ist (wie übrigens immer) sehr heterogen: Von alten weissen Männern jeglichen Alters und Geschlechts, bis zu gut ausgebildeten jungen Frauen, in deren Leben es leider nur noch ihr Baby gibt. So ist, das was wir da politisch sehen halt das Abbild der CH-Realität.
Beste Grüsse, K.A.

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Mathematiker in IT, Bildung und Beratung
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Lieber Herr Binswanger
Geschätzte Produzenten

Mein OECD-Browse Budget ist erfolglos aufgebraucht.
Wären Sie so freundlich und würden unbedarften Lesern wie mir einen Link zu der erwähnten Statistik hinter dem ‚finsteren Schlusslicht‘ vermitteln? Gerne auch in einem deutschsprachigen Kontext - nach 5 Arbeitstagen mit Business-’englisch‘ pflege ich gerne unsere Muttersprache(n).

Beste Grüsse, K.A.

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Lieber Herr A., was aber auffällt, ist, dass der Anteil Frauen in den Chefetagen zwar gestiegen ist, aber meistens sind das Ausländerinnen. Da ist die Aussage berechtigt, dass das Schweizer System nicht frauenfördernd ist.

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Mathematiker in IT, Bildung und Beratung
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Liebe Frau D.
Ich möchte ganz klar festhalten: Das Schweizersystem zeichnet sich nicht durch Frauenförderung aus. Und wir brauchen Frauenförderung, obwohl Frauenförderung als Konzept auf die Dauer auch nur ein Ausdruck von unüberwundenen partriarchalen Strukturen sein kann.
Als Übergangsmechanismus finde ich persönlich Quoten ein mögliches Mittel, so lange es konstruktive Bandbreiten gibt. Wo es bei mir ins schreierische Schwarzmalen geht, ist z.B. bei kleinen Gremien wie dem Bundesrat 3-er Minderheiten als relevant zu skandalisieren.
Beste Grüsse, K.A.

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Stellen wir uns vor, es gäbe Geld im Überfluss. Die Staatskasse läuft über trotz endloser Steuersenkungen. Wir könnten uns das volle Paket leisten: 1 Jahr Elternzeit, Gratis Krippenplätze, Tagesschulsystem usw.

Würde die Gesellschaft es denn wollen? Wäre das Parlament endlich bereit diesen überfälligen Schritt zu wagen? Ich wage es zu bezweifeln.

Die "Nestwärme Diskussion" (so nenn ich das mal) des Ideals der 100%igen nur durch die Familie betreuten Kinder, wiederspricht intuitiv - und vermutlich auch wissenschaftlich - einer idealen Sozialisierung.

Wir leben in einer sehr vernetzen, hoch arbeitsteiligen Welt. Sie erfordert von Erwachsenen hohe soziale Kompetenzen in der Interaktion und ein gutes Selbstwertgefühl dank ausgebildeter Fähigkeiten.

Ein wechselndes Umfeld mit mehr Bezugspersonen vermittelt hier mehr Erfahrungsräume als das relativ geschlossene System der Kleinfamilie von heute. Es ist wahrscheinlich, dass Kinder dadurch mehr Impulse für eine Altersgerechte Entwicklung erhalten. Eine Kleinfamilie kann das einfach nicht selber leisten.

Dies scheint den Anhängern des evolutorisch wohl kürzest existierenden Familienbetreuungsmodelles (100% durch die Mutter) der Erdgeschichte nicht bekannt zu sein oder grundsätzlich sich zu verschliessen. Sie möchten ihre Kinder vor der bösen Welt da draussen beschützen, scheint mir zumindest ist das Motiv.
Sie übersehen dabei geflissentlich, dass Konfliktbewältigung in der Realität gelernt werden muss.

Oder möchten sie die negativen Einflüssen, womöglich fremde, weil andere Meinungen der Aussenwelt, von ihrem Kindern fernhalten?

Es scheint mir unklar, ob es am Geld scheitert. Womöglich gibt es auch hier eine unheilige selbst deklarierte "heilige Familienallianz".

Das Leben findet draussen statt. Lassen wir den Kindern endlich mehr draussen, den Eltern ein Familien förderndes Umfeld und "beiden" Geschlechtern deb Spielraum der Wahl der für sie stimmigen Arbeit.

Wer macht mit? Wahrscheinlich die Mehrheit, nicht jedoch die 'Volksvertreter'? Spielverderber!

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Ihrem Argument der gemeinschaftlichen Kindererziehung kann ich voll zustimmen. Nur ist dies noch kein Grund, die Kindererziehung (auch noch) zu kommerzialisieren.

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Grüezi Herr B.

Danke für ihren Kommentar. Dem stimme ich grundsätzlich zu, insbesondere auch dem ihres Kommentares. Eine Kommerzialisierung sehe ich trotzdem noch nicht. Denkbar wäre ja auch eine Erweiterung des Kindergartens altersmässig nach unten. Kinderbetreuung kann ja auch eine öffentliche Aufgabe sein.

Oder?

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Vielleserin
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Was mich an der Debatte über bezahlbare Kinderbetreuung so sehr stört: Wer denkt eigentlich an die Interessen der Kinder? Ich bezweifle, dass es Kindern gerecht wird, wenn diese morgens in der Früh geweckt werden um rechtzeitig in die Krippe gebracht zu werden, abends von müden und ev. berufsbedingt genervten Eltern von der Krippe abgeholt, dann noch rasch in einen überfüllten Laden mitgeschleppt werden um das Abendessen einzukaufen und sich zu Hause mit sich selbst beschäftigen müssen, weil sie beim Kochen stören. Im besten Fall gibts dann noch ein Gute Nacht Gschichtli. Am Wochenende stehen sie auch nur im Weg, denn dann muss geputzt, gewaschen und der Grosseinkauf erledigt werden. Und nein, ich meine nicht "Frauen an den Herd". M.E. braucht es dringend neue Familien- und Wirtschaftsmodelle. Idealerweise übernehmen Mütter und Väter je hälftig die Verantwortung für die finanziellen und sozialen Bedürfnisse der Familie (also Familien- und Jobsharing), indem z.B. beide 60% arbeiten, 2 Tage ist die Mutter und 2 Tage der Vater für Kinder und Haushalt zuständig, 1 Tag verbringt das Kind bei Grosseltern oder in der Krippe. Aus Erfahrung weiss ich, dass Jobsharing bis in obersten Kaderstufen hervorragend funktioniert, hier braucht es dringend ein Umdenken auf Seiten der Arbeitgeber, aber auch in der Gesellschaft. Ich finde den Anspruch, Kinder auf die Welt zu setzen und an seinem bisherigen Leben nichts zu ändern (also weiterhin 100% zu arbeiten und gleichviel zu konsumieren, mehrmals im Jahr ins Ausland in Urlaub zu fahren wie vor der Elternzeit) ziemlich verantwortungslos. Kinder brauchen Aufmerksamkeit, liebevolle Zuwendung und Liebe. Im Wald eine Hütte bauen, Räuber und Poli spielen, ein Steckenbrot über dem Feuer grillen ist alles gratis und macht den Kindern viel mehr Spass als an einem überfüllten Strand bei 40 Grad in der Sonne zu schmoren. Auch die immer wieder geforderte Familienzeit (die ich durchaus unterstütze) wird nicht dauerhaft etwas am Wohlbefinden der Kinder verändern, wenn nach der Familienzeit wieder nach dem alten Familien- und Berufsschema gelebt wird. Und dann braucht es gerechte Löhne, damit auch Eltern, welche heute im Niedriglohnsektor arbeiten, ihre Familie mit 120% Lohn ernähren können.

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· editiert

Was ich verstehe, ist, dass es ärgert, wenn Gleichstellung immer mit Wirtschaftlichkeit begründet werden muss, als wäre es das einzige was zählt.

Auch verstehe ich ihre, durch den Text ausgedrückte, Abneigung gegen die immersteigende Arbeitsbelastung.

Was ich nicht verstehe ist, wieso ihr Text
den üblichen Rabenelterm-Tenor „wer seine Kinder in die Kita steckt, ist egoistisch und liebt seine Kinder nicht“ bedient.

Ihre Geschichte könnte auch anders geschrieben werden. Von ausgeglicheneren und erfüllteren Eltern die durch die Kita (und ja, auch die finanzielle entlastung) mehr Zeit, Muse und Energie für ihre Kinder haben. Von Kinder die wichtige Erfahrungen machen mit anderen Lebensrealitäten etc.

Kinder in die Kita bringen ist, egal ob 1 Tag oder 5 Tage keine, perse schlechte oder gute Entscheidung. So wie es perse keine schlechte Entscheidung isr sie zuhause zu behalten. Mit bezahlbaren Kitaplätze hat jede*r die Freiheit das für sich und sein Kind zu entscheiden — nicht nur die Reichsten.

Das gute Erziehung/Liebe zum Kind nichts mit dem Zuhause bleiben zu tun hat, haben viele am eigenen Leib erfahren. Vielleicht kann da die Kita auch ausgleichende Wirkung haben.

Mit dem Rest zur Teilzeit/ander Wirschaftssysteme geh ich mit ihnen mit.

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Vielleserin
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Lieber Herr F., mir geht es in meinem Text nicht nur um Kita ja oder nein. Ich vertrete seit fast 40 Jahren ein "neues" Familienmodell der geteilten Verantwortung. Denn: Kinder haben auch das Recht auf einen anwesenden Vater. Und: Wir müssen weg von der familienstrukturell bedingten Frauenarmut. Insbesondere mit dem neuen Scheidungsrecht scheint es mir unabdingbar, dass Frauen/Mütter berufstätig bleiben, auch mit kleinen Kindern nicht nur mit 10-30%. Aber zugegeben: Ich finde es macht einen Unterschied, ob man Kinder 1-2 Tage, 5 Halbtage oder 5 ganze Tage in die Krippe bringt. Einen Unterschied nicht nur für die Kinder, sondern auch für die Eltern. Ist doch einfach schade wie viel man als Eltern da an Schönem verpasst, das erste Lächeln, das Neuentdecken der Natur, die ersten Schritte, die ersten Worte und vieles mehr. In meiner Generation, als praktisch alle Männer noch 100% arbeiteten, leben viele Männer das bei den eigenen Kindern Verpasste dann bei den Enkelkindern nach und bedauern es ausserordentlich, dass sie ihre Vaterrolle (gesellschaftsbedingt) nicht besser wahrnehmen konnten.

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Als Grossvater von 100% "fremdbetreuten" Grosskindern mit Eltern, die sich Kita und Tagesstruktur dank 100% Arbeitspensum leisten können, sehe ich das Betreuungsmodell ausserhalb der Familie einiges positiver als Sie, Frau L. Für mich selber wäre dies mit den eigenen Kindern in den 1980er Jahren undenkbar gewesen, sowohl finanziell als auch ideologisch, zumal die Institution Kita erst am Enstehen war.
Beim regelmässigen Abholen der Grosskinder in der Kita oder Tagesstruktur verstärkt sich eher der Eindruck, dass das kollektive Betreuen und Erziehen eher dem Modell eines indigenen Stammes entspricht, wonach das ganze Dorf bei der Erziehung mitwirkt. Das professionelle Betreuen ausserhalb der Familie führt zu mehr Gleichheit, weil die Kinder erleben, dass es Regeln gibt, die für alle gelten und entlastet die Eltern massgeblich in ihrem Alltag. Die flexiblen Abholzeiten ermöglichen auch Einkauf und (vor)-kochen vor dem Abholen. Aber am wichtigsten ist die Wahrnehmung der Kinder selbst. Mit wenigen Ausnahmen besuchen beide Kinder ausserordentlich gerne ihre Institutionen und zeigen stolz ihre Objekte, die sie jeweils gebastelt haben. Kurz, Betreuung in der Institution bietet die Chance zur grösseren Entspannung in der Erziehung, für Kinder und Eltern.
Damit auch Eltern mit weniger Einkommen davon profitieren können, braucht es unabdingbar staatliches Geld für ein Kitamodell für alle. Und eine bessere Entlöhnung und bessere Arbeitsstrukturen des Kitapersonals.

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Ja, ich frage mich bei solchen Fällen jeweils auch, wieso man Kinder in die Welt setzt.

Vielleicht wäre es besser, wenn die Kinderbetreuung zu Hause finanziell entschädigt wird?

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Nadja Kos
Mutter, Hausärztin
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Nein! darum geht es nicht! wir Frauen haben Ausbildungen die die Gesellschaft dringend braucht. Auch wir tragen mit unseren Kindern zum Erhalt der Gesellschaft und Ihrer Werte in Zukunft bei. Wir brauchen aber eine Arbeitswelt die das beides ermöglicht! Ohne Risiko und Gefahr für das gesundheitliche Wohlergehen der Kinder und unseres in einem Spagat von Schulsystem mangelnden (für manche kaum erschwinglichen) Betreuungsplätzen.

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Sehr geehrte Frau L., Herren F. und A.,
es hat niemand behauptet, es gehe um 100% Arbeit und Fremdbetreuung der Kinder. Niemand hat das so diskutiert. Haben Sie sich überlegt, dass Ihre Argumentation genau denen hilft, die jegliche Neuerung verhindern wollen? Genau diese Argumentationslinie ist die Strategie der Reaktionären.
Und übrigens, die Krippenkosten auch für einen oder zwei Tage in der Woche sind unbezahlbar! Vom Nutzen einer besseren Sozialisierung der Kinder durch einen teilzeitlichen Krippenbesuch nicht zu reden.
Es ist zum aus der Haut fahren!

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Vielleserin
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Guten Tag Frau L.
Herr Binswanger schreibt in seinem Beitrag von einem deutschen Ehepaar mit zwei vorschulpflichtigen Kindern, welche beide 100% arbeiten; darauf nehme ich in meinem Beitrag Bezug. Ich habe in meinem Beitrag nicht behauptet, ich sei gegen subventionierte Krippenplätze und in meinem Beispiel, wie eine zwischen Mutter und Vater aufgeteilte Familienverantwortung aussehen könnte, ist 1 Tag Krippe eingebaut. Ich kann also nicht so ganz nachvollziehen, was Sie aus der Haut fahren lässt. Kinder schafft man sich nicht an wie eine Prada-Tasche, sich für Kinder zu entscheiden hat auch etwas mit Verantwortung zu tun. Und verantwortliches Handeln ist nichts Reaktionäres. Ich habe einige Lehrpersonen in meinem Freundes- und Bekanntenkreis und fast einhellig wird mir da berichtet: Die grössten Probleme hat man an den Schulen mit wohlstandsverwöhnten Kindern. Beide Eltern berufstätig und die Kinder werden dann mit Konsumgütern überhäuft, denn Geld hat man ja genug, hingegen keine Zeit um die Verantwortung als liebende, zugewandte Eltern wahrzunehmen.

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Sehr geehrte Frau L.
Bitte entschuldigen Sie meine deutlichen Worte, aber ich finde Ihre Darstellung von Eltern, deren Kinder in die Kita gehen, absolut zum Kotzen. Wie können Sie es wagen, solchen Eltern pauschal Egoismus und Verantwortungslosigkeit gegenüber ihren Kindern zu unterstellen? Woher nehmen Sie das Recht, ihren Alltag so einseitig negativ und abschätzig zu beschreiben? Ich kenne keine Eltern, auf die Ihre Darstellung so zutreffen würde. Ich kann Ihnen nur unsere Situation kurz schildern: Mein Partner und ich arbeiten beide 80%, weil uns unsere Arbeit wichtig ist und eine weitergehende Pensumsreduktion in unserer aktuellen beruflichen Position nicht realistisch ist. Unsere Tochter geht drei Tage die Woche in die Kita. Sie hat dort liebevolle Bezugspersonen, die sie sehr gern hat, und viele Gspänli, die ihren Alltag zweifellos enorm bereichern. Ja, es ist anstrengend, und ja, wir sind am Abend eigentlich immer komplett erledigt - ob wir nun im Büro waren oder unsere Tochter betreut haben (welchen Eltern von kleinen Kindern geht es nicht so?). Ich glaube aber keine Sekunde, dass unsere Tochter zu wenig Aufmerksamkeit und Liebe bekommt - von Ersterem sogar wohl eher zu viel.
Ja, es wäre schön, wenn Eltern für die Arbeit, die sie leisten, mehr Wertschätzung entgegengebracht würde, und unsere Erwerbsarbeitswelt so organisiert wäre, dass für Eltern kleinere Teilzeitpensen möglich wären, ohne dass sie deswegen beruflich auf dem Abstellgleis landen (und damit unter Umständen Prekariat und Altersarmut riskieren). Die Realität sieht aber leider (noch) anders aus, jedenfalls für die meisten von uns. Andere Eltern dafür zu bashen, wie sie Erwerbs- und Familienarbeit unter einen Hut zu bringen versuchen, bringt niemanden weiter.

Edit: Ich könnte es auch so sagen: Die alte Leier von den armen, vernachlässigten Kita-Kindern und ihren egoistischen Eltern (meist gemeint sind eigentlich: die egoistischen Mütter) geht mir gewaltig auf den Senkel. Sie wird der Realität der betroffenen Familien in keiner Weise gerecht. Sie lässt auch unberücksichtigt, dass die idealisierte bürgerliche Kleinfamilie keineswegs nur ein Ort von Liebe und Geborgenheit ist, sondern häufig von Überforderung und Vereinzelung, viel zu oft auch von Unterdrückung, Vernachlässigung, physischer und psychischer Gewalt bis hin zu sexuellem Missbrauch. Ich finde es erschreckend, dass dieses reaktionäre Narrativ selbst hier im Forum der Republik eher sanftem Widerspruch begegnet und zahlreiche Upvotes generiert.

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Vielleserin
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Guten Morgen Frau J.
Ich kenne Sie und Ihre Lebensumstände nicht und masse mir nicht an, Sie zu be- oder verurteilen. Nehmen Sie also meine folgenden Worte nicht persönlich. Sie beruhen auf eigener Erfahrung, Beobachtungen, langjähriger Auseinandersetzung mit dem Thema und vielen Gesprächen mit Lehr- und anderen Fachpersonen.
Ich wohne in einem alten Quartier und wir haben einen laufenden Generationen-wechsel. Was ich hier beobachte: Alle Neubesitzer +/- 40jährig, mit 1-2 Kindern, bauen Ihre Häuser an, unter 250m2 geht hier gar nichts. Gerne noch mit Schwimmbad und den Garten möglichst pflegeleicht und steril gehalten. Obwohl bestens mit ÖV erschlossen 2 Autos vor der Tür, gerne auch ein grosses Wohnmobil, das höchstens alle 2 Jahre mal benutzt wird; man fliegt dann doch lieber mit dem Flugi ans Meer. Die Kinder mit allen nur erdenklichen Spielsachen beglückt, immer das neuste und beste Fahrrad, Handy usw. Logisch müssen da 2 Personen hochprozentig oder im Vollpensum arbeiten und die Kinder fremdbetreut werden. Und in Gesprächen verkauft man dann das alles "zum Wohl des Kindes".
Ich selbst war alleinerziehend mit 2 Kindern und musste arbeiten. Als die Kinder klein waren 40%, später laufend aufgestockt und die letzten 20 Jahre in Kaderposition mit 80%. Anfänglich waren meine Kinder halbtags in einer Kita. Die ältere Tochter ging grundsächlich gerne, war aber abends immer völlig übermüdet, aufgedreht und überreizt. Die jüngere Tochter war nie gerne in der Kita. Ich habe mir dann eine neue Wohnmöglichkeit in einer Siedlung gesucht, in der viele Kinder unterschiedlichen Alters gelebt und wir Erwachsenen uns abwechselnd um die Kinder gekümmert haben. Es haben einige Kommentatoren geantwortet, wie gerne ihre Kinder/Enkelkinder in die Kita gehen und wie gut und liebevoll sie da betreut werden. Möglich, dass das in privaten, sehr teuren Kitas mit genügend gut ausgebildetem Fachpersonal der Fall ist; der Regelfall ist es nicht. Die Kitas leiden unter Personalmangel (wen wunderts, bei den schlechten Löhnen), um Lohnkosten zu sparen werden junge, kinderliebende Lehrstellensuchende gezwungen für einem Hungerlohn zuerst ein halbjähriges Praktikum zu machen bevor sie überhaupt eine Chance haben, einen Lehrvertrag zu bekommen. Ich teile die Meinung, dass Kinder, um sich zu sozialisieren, viel Kontakt mit anderen Kindern brauchen. Ich bezweifle aber, dass 5 Tage Kita die richtige Lösung dafür ist. Dies aus folgendem Grund: Ich bin überzeugt, dass die Psyche des Mensch nicht dafür geschaffen, sich ständigem Stress und Lärm auszusetzen. Und in Kitas ist es ständig laut und lärmig, es gibt kaum Rückzugsmöglichkeiten, kaum Gelegenheit mal für sich zu sein, vertieft alleine etwas zu spielen. Für viele Kinder ist das eine Überforderung, sie sind dann ständig nervös, können sich auf nichts konzentrieren, sind quengelig und verlernen, ohne Anleitung eigenständig etwas Kreatives zu machen. Die Auswirkungen sind dann spätestens im Kindergarten und der Schule spürbar. Sprechen Sie mal mit ein paar Lehrpersonen, was heute in den Schulen abgeht.
Ich verrate Ihnen auch gerne, was ich "zum Kotzen" finde: Ich höre seit fast 40 Jahren, wie gerne man weniger arbeiten und sich um die eigenen Kinder kümmern würde, nur leider würde das der Arbeitgeber verhindern.
Ich bin fest überzeugt: Wir brauchen neue Lebensmodelle - weg vom immer noch grösser und immer noch mehr - nicht nur den Kindern, auch der Umwelt zuliebe.

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Studentin
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Mein Bruder und ich sind so aufgewachsen wie ihre Tochter jetzt. Wir haben es geliebt! Wenn Eltern ihre Jobs aufgeben um irgendeinem Ideal zu entsprechen und unglücklich werden (weil unterfordert zb. oder in finanziellen Nöten) ist dem Kind auch nicht geholfen. In Gegenteil die spüren das ja oft sofort und das wars dann mit der Quality-Family Time. Ich habe dann irgendwann auch gemerkt das meine Mutter (wie sie sagen, immer auf die Mutter) deswegen manchmal aufs unanständigste angemacht wurde.
Nehmen Sie sich dass wo immer möglich nicht zu Herzen. Ich glaube nicht dass „eine gute Mutter sein“ vom Pensum abhängt.

Und dann mussten sich manche Schulkolleginnen mit 14-15 von ihren Müttern anhören „wenn ich für dich damals nicht zurückgesteckt hätte würde ich jetzt…..“

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Kinderkrippen und arbeitende Eltern so pauschal als etwas Schlechtes darzustellen missfällt mir etwas.
Es ist gesellschaftlich eine sehr neue Entwicklung, dass sich Eltern so intensiv um ihren Nachwuchs kümmern und es ist aus meiner Sicht keine sehr gute Entwicklung.

In den vielen Jahrtausenden der menschlichen Geschichte, wuchsen Kinder in Gruppen von Kindern auf, wo sich die grösseren Kinder um die kleineren kümmerten und das Ganze wurde nur sehr entfernt von Erwachsenen, und da vor allem von den Älteren beaufsichtigt.
In einer solchen Kindergruppe lernen Kinder Verantwortung zu übernehmen, selbständig Entscheidungen zu treffen, haben gleichzeitig Vorbilder und helfende Hände von älteren Kindern.
Wir sollten also vor allem dafür sorgen, dass die Krippen nicht in winzige Splittergruppen aufgeteilt, sondern zu den grösseren Einrichtungen, den Schulen mit Kindern verschiedener Altersgruppen, zugeteilt werden.

Es ist vollkommen artfremd, die Kinder in gleichaltrige Gruppen zu separieren und ausschliesslich von Erwachsenen betreuen zu lassen. Das Resultat sind junge Erwachsene, welche noch nie in ihrem Leben eine Entscheidung selbst fällen mussten, welche noch nie die Verantwortung dafür tragen mussten.
Diese Fähigkeiten müssen sie sich dann zwischen 20 und 30 mühsam aneignen um im Berufsleben Fuss fassen zu können. Sehr vielen gelingt das nicht mehr, darum, sehen wir diese ausufernde, mutlose, Verantwortung delegierende Unkultur in Wirtschaft und Politik.

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Vielleserin
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Lieber Herr Reber, ich gehe mit Ihnen weitgehend einig. Ich plädiere auch nicht für mehr Engagement der Eltern, damit man die Kinder überbehütet und überverwöhnt aufwachsen lassen kann. In meinem Quartier beobachte ich auf den Wohnstrassen genau die von Ihnen beschriebenen altersübergreifenden Kinderscharen, die zusammen - mal spielend, auch mal streitend - gemeinsam ihre Freizeit verbringen. Dass viele Kinder heute nicht mehr lernen eigene Entscheidungen zu treffen und Verantwortung dafür zu übernehmen, sehe ich auch als Problem. Ich verorte es aber eher bei den Eltern und unserer Wohlstandsgesellschaft. Die Gefahr, dass Eltern ihre Kinder verwöhnen, ihnen keine Grenzen setzen, keinen Beitrag zum Wohl aller abverlangen, sich keine Zeit für Gespräche und Auseinandersetzungen mehr nehmen, hat oft mit der Überlastung und/oder den Schuldgefühlen der Eltern zu tun. Ich finde es problematisch, wenn Erziehung (im Sinne von lernen fürs Leben) an Schule und/oder Kita delegiert wird und Eltern statt ihrer Elternrolle die Rolle "ich bin deine beste Freundin/dein bester Freund" übernehmen.

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Nadja Kos
Mutter, Hausärztin
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Sehr geehrte Frau L., genu diese organisatorischen Flickenwerke sind eben nicht was die Kinder und die Eltern brauchen! Ihr Modell mag romantisch klingen. Aber für die Kinder ist jeder Wochentag anders, sie brauchen sehr viel Anassungsfähigkeit in jungen Jahren und werden damit häufig überfordert. Die Gesellschaft braucht Nachwuchs. Nachwuchs der die Möglichkeit hat sich in einem Familienumfeld (ausreichend Zeit) zu entwickeln und die Förderung von professionellen Pädagogen und Kontakt mit anderen Kindern ernöglicht. Zu erleben, dass die Eltern (beide!) ein Job machen, der das Einkommen sichert, aber auch einen wertvollen Beitrag zur Gemeinschaft zu leisten erfüllend und wichtig ist. Diese Betreuung der Kinder muss nicht nur für Sonderfälle möglich sein, sondern allen zugänglich. Verstehen Sie was ich meine?

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Vielleserin
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Liebe Frau Kos, ich verstehe nicht so ganz was Sie meinen. In meinem bevorzugten Modell erleben die Kinder genau das: Beide Eltern arbeiten, beide Eltern sind für Haushalt und Kindererziehung zuständig, beide übernehmen gemeinsam dafür Verantwortung, dass sie Kinder auf die Welt gebracht haben. Meine ältere Tochter lebt mit Ihrem Partner dieses Modell und meine Enkelkinder (die älteste ist jetzt 16) scheinen mir ganz zufrieden. Die halbe Kinderschar des Dorfes verbringt regelmässig Freizeit in Haus und Garten meiner Tochter, s'ist immer ein Zvieri für alle da und für Notfälle auch eine erwachsene Person, die sich kümmert. Ich gehe mit Ihnen einig, Kinderbetreuung muss für alle möglich sein und ich bin nicht gegen subventionierte Kitas. Mir geht es einfach gegen den Strich, dass oft Wohlstand, Geld und übermässiger Konsum wichtiger ist als ein kindergerechtes Familienleben. Und auch, dass Erziehung heute gerne an Schule und Kita delegiert wird.

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Die Eltern arbeiten in den meisten Fällen nicht freiwillig so viel, sondern weil sie müssen, weil sie sonst zu wenig Geld haben. Das ist keine Entscheidung, das ist ein von Aussen auferlegter Zwang.
Es ist es keine Option die Arbeitszeit zu reduzieren, wenn der Lohn auch reduziert wird, und man gerade so durchkommt.

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Vielleserin
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Ich gehe mit Ihnen einig, Her Herrmann, deshalb schreibe ich ja auch meinen letzten Satz in meinem Beitrag.

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Studentin
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Ich war als Kind in der Kita und meinem Bruder und mir geht es super. Unsere Bindung zu unseren Eltern ist sehr eng und liebevoll, wir werden ihnen auch immer ähnlicher (auch wenn ich dagegen kämpfe).
Ich habe nur gute Erinnerungen an die Kitazeit und Freundschaften seit 20 Jahren obwoh ich erst 23 bin…. In der Kita lernt man viel (besonders übers Zusammenleben, Konfliktfähigkeit, Selbstvertrauen, mit andere Ansichten als die der Eltern umgehen, sie reflektieren) Auch die Spiel und Bewegungsmöglichkeiten (unter anderem Hütten bauen im Wald und Stockbrot) hätten wir Zuhause und Umgebung wohl nicht gehabt. Der Liebe und Zuneigung meiner Eltern war ich mir immer sicher, dazu kommt dann die Liebe von Regina, Barbara, Till, Urs und den weiteren Betreuungspersonen, die alle einen super Job gemacht haben. Ich glaube es hat mein Menschenbild geprägt, durchaus positiv. Ich meine mit 5 haben viele Kinder Angst vor jedem Mann der nicht der Papi ist…
Wir haben die Kinder die sich am ersten Tag vor dem Kindergarten an den Boden geworfen haben weil sie vorher nie von ihren Eltern getrennt waren belächelt. Es sind meines Erachtens häufig die Eltern die nicht loslassen können (ob aus Angst oder der Überzeugung nur sie wüssten was ihr Kind braucht) und das überträgt sich dann in manchen Fällen auf die Kinder.
Kita muss nicht die Lösung für alle sein, bei uns funktionierte es perfekt. Das habe ich meinen Eltern auch so gesagt. Wieso sollen Eltern die ihre Kinder in eine Kita geben automatisch auch konsumfreudig sein? Eingekauft hat meine Mutter übrigens bevor oder nachdem sie uns von der Kita geholt hat….. Eine Kollegin dagegen, ohne Geschwister wurde 100% zuhause betreuut und wie sah das aus? Mit Mami ins Migros, Mami beim putzen zusehen, mit Mami zu Kollegin (die dann auch ein Kind hatte mit dem sie sich aber nicht so gut verstand, die Mütter mochten sich). Fremdbetreuung böse, Eigenbetreuung gut? Ganz sicher nicht.
Es gibt Jobs die kann man nicht zu 60% machen und es gibt Leute die ihre Arbeit mögen.

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Lieber Herr Binswanger, Sie sind auf der richtigen Fährte. Ihre Antwort auf die titelgebende Frage "Warum so gleichstellungs­feindlich?" war:

Unbeweglichkeit, Dummheit und der Dominanz von reaktionären Werten.

Die Folgefrage am Schluss fragt nach dem Grund der Dominanz:

Es ist ein ewiges Mysterium, weshalb die fundamentalen Werte­haltungen in der hochglobalisierten, prosperierenden Schweizer Gesellschaft weiterhin so reaktionär sind.

Da fiele mir spontan ein:

  • Weil Geschichte und Geographie der Schweiz immer noch die Realität und vor allem das Idealbild der "Heimat" vieler Schweizerinnen prägt: Der Bauernhof, das ländliche Dorf, "Wo wir noch unter uns sind", "Wo wir es noch gut haben".

  • Daraus ergibt sich eine Kirchenturmpolitik, das heisst, man sorgt sich primär nur um das, was in Sichtweite des eigenen Kirchenturms, Zentrums, Lebensmittelpunktes, Nabels liegt. Was aufgrund der Topografie sehr kurzsichtig und kleinteilig ist: "Mia san mia", "Was die anderen machen, geht uns nichts an".

  • Dies fördert das Weiterleben christlich-konservativer und patriarchal-heteronormativer Familienwerte mit der traditionellen Rollenverteilung: "So wie wir es immer gemacht haben".

  • Und das Ideal der Selbstgenügsamkeit – der autarke Hof – und der so genannten "Eigenverantwortung", was wiederum für dezentrale Strukturen und den starken Föderalismus förderlich war: "Jeder ist seines Glückes Schmied".

  • "Eigenverantwortung" und Selbstgenügsamkeit – beides bildet die ultimative Freiheit – wird durch "ehrliche Arbeit" ge-"leistet", was einher geht mit einem tiefen Misstrauen gegenüber AkademikerInnen, BeamtInnen, aber oft auch Hilfsbedürftigen, insbesondere Arbeitslosen und "AusländerInnen" – "Die haben ja auch nichts zum Ganzen beigetragen!"

  • Das kulminiert zu einer eliten- sprich staatskritischen Haltung: "Die da oben", "Das palavernde Parlament", "Das Establishment", "der Mainstream".

  • Und zu einer steuerkritischen Haltung und Ablehnung des Sozialstaats: "organisierter Diebstahl" für "Sozialschmarotzer".

Wie passen diese Werte des rechtsbürgerlichen "Bünzlis" und des "Spiessbürgertums" zur "hochglobalisierten, prosperierenden Schweizer Gesellschaft"? Steht das dazu nicht im Widerspruch? Das könnte man meinen, doch vielleicht ist geeignet das Gegenteil der Fall:

  • Diese konservative "Eigenverantwortung" passt wie die Faust aufs Auge zum marktgläubigen und staatskritischen Neoliberalismus.

  • Die krämerselige Selbstgenügsamkeit – "Wir geben nur soviel aus, wie wir einnehmen" – passt zur neoliberalen Austeritätspolitik, das heisst restriktiven Fiskal- und Sparpolitik.

  • In den USA würde dies sogar eher als Libertarismus, sogar als Paläo-Libertarismus bezeichnet werden. Also einer "Mischung aus Libertarismus im Bereich der Politik und kulturellem Konservatismus in gesellschaftlichen Fragen". https://de.wikipedia.org/wiki/Paläolibertarismus

  • In der Schweiz verkörpert diese Ideologie vor allem die SVP und CVP, welche National- und Ständerat sehr gut vertreten sind.

Diese Ideologie und Illusion der ländlichen Schweiz wird nicht nur durch die Politik aufrecht erhalten, sondern auch durch die Medien und nicht zuletzt durch die SchweizerInnen selbst mit ihrer Nostalgie bzw. ihrem Selbstbetrug. Symptomatisch dafür ist, dass bei Filmen die Schweiz am stärksten ist mit ihren Dok-Filmen über die Natur- und Bergschweiz.

Die Schweiz sieht sich zwar als Bauern- und Handwerker-Land – die so genannten KMU-Schweiz der "Gwerbler" – aber im Gegensatz zu umliegenden Ländern nicht als Industrieland. Als ob es Urbanisierung und Industrialisierung nicht wirklich gäbe, oder wenn, dann empfindet man diese als "hässlich" ("Agglo, igitt"). Obwohl es eine grosse ArbeiterInnenschaft gibt oder zumindest gegeben hat (in der Dienstleistungsgesellschaft gibt es eher eine grosse AngestelltInnenschaft).

Die mit dem Industrie- und Dienstleistungskapitalismus einhergehende Atomisierung der Gesellschaft, der Sippe, des Hofes, zur so genannten Kern- sprich Kleinfamilie – "idealerweise" Vater, Mutter, 2 Kinder – machte Doppelberufstätigkeit und externe Betreuungsstrukturen notwendig, die deshalb nicht schlechter sein müssen, nur anders.

Sähe sich eine Mehrheit der SchweizerInnen illusionslos bzw. desillusioniert selbstbewusster als Teil einer solchen Gesellschaft – inkl. 21st-Century-Update, das heisst exkl. Heteronormativität –, wären die Werte in dieser Hinsicht auch progressiver und gleichstellungs­freundlicher.

Das wäre zumindest meine Hypothese. Ich hoffe damit, ein wenig das "ewige Mysterium" gelüftet zu haben.

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Was ist daran pessimistisch? Als jemand, der in einem ländlichen Teil eines typischen Landkantons aufgewachsen ist, ist das meine auf Erfahrung beruhende realistische Einschätzung. Eine, die sich zudem durch viele Abstimmungsresultate wiederholt bestätigt. Aber ich sehe hie und da auch progressive Verbesserungen, aber halt nur seeehr langsame. Vielleicht hat das wieder mit der Topografie zu tun: Es dauert halt immer etwas länger, bis News im letzten verwinkelten Hinterstchrachetenloch ankommen.

Ich bin auch immer offen für andere Erklärungsansätze. Ich sage nicht, dass meine die einzig richtige, geschweige vollständige ist. Wie erklären Sie sich die Schweizerische Gleichstellungs­feindlichkeit und "das ewiges Mysterium"?

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Kinderloser
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Allenfalls waere interessant, welcher Prozentsatz Erwachsene kinderlos sind, und weswegen. Denn die sind vielleicht dagegen, den Familien das Hobby zu finanzieren.

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Ja, total, ich würde es hassen, künftige Arbeitskräfte, SteuerzahlerInnen, Sozialversicherungseinzahlende und nicht zuletzt Pflegende von alten Kinderlosen noch mit meinem Steuergeld zu unterstützen und zu fördern. Diese verhindern auch, dass wir SchweizerInnen endlich aussterben. Ein Hobby weniger.

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Kinderlose
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Es gibt Duzende von Gründen für Kinderlosigkeit, freiwillige und unfreiwillige.

Bei mir ist einer von meheren Gründen, dass sich um ein Kind kümmern äusserst anstrengend und fordernd ist und ein kleines Kind ständig Betreuung braucht.

Da ists für mich sehr naheliegend, dass ich Kinderbetreuungsunterstützung stark befürworte.

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Enarchist & Anfänger
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· editiert

Im sehr zu begrüssenden Beitrag und im Dialog hier fehlt mir bisher ein wichtiger Aspekt. Wer übt auf wen Druck aus? Woher kommt der Zwang, etwas so oder anders zu machen?
Daniel Binswanger sieht Ideologie am Werk. Das im Dialog genannte Wirtschaftswachstum oder der Fachkräftemangel passen dazu. Zwang hat aber immer eine massive innere Komponente. Letztlich füttern wir alle mit unseren persönlichen Entscheidungen und Unterlassungen den (sozioökonomischen) Zwang.

Die zentrale Frage ist: Wie will ich leben? Wofür will ich meine beschränkte Lebenszeit einsetzen? Mit dem Füttern von Zwangselementen verhindern wir aktiv, dass jede und jeder selber F. das Leben nach persönlichen Wünschen und bestem Wissen und Gewissen gestalten kann.
Die letzten zweihundert Jahre abendländischer Kultur gipfeln darin, dass alles der Geldvermehrung dienen soll und ihr untergeordnet wird. Nachdem Adel und Kirche entmachtet wurden: Freiheit für wenige, Zwang für viele. Dass das bald ändern sollte, sickert langsam in den tauenden Permafrost.

Familien sollten F. entscheiden können, wie sie die kostbare gemeinsame Zeit gestalten und wie stark sie die erweiterte grosse Menschheitsfamilie einbezieht, der Familien eigentlich am Herzen liegen sollten – oder das Dorf, das Quartier oder eine Kitas.
Der Kostenaufwand wäre dringend so zu regeln, dass Familien (auch Kinder) F. entscheiden können, wieviel in der Kleinfamilie und wieviel in der neu wachsenden Grossfamilie, auch wieviel bio und wieviel pestizidbelastet, wieviel solar und wieviel atom etc. Und dass Eltern atmen können – und nicht unter Druck im Hamsterrad rennen bis zum Seeleauskotzen. Geld muss ja nicht per se wachsen, man könnte es auch investieren. Dann wächst anderes.

Dass das aktiv verhindert wird und Geld blockiert wird, ist in meinen Augen die Auswirkung von Klüngelei, Vetternwirtschaft, Filz. Dieses Geschäftsmodell wird von Personen mit Namen getragen – vielleicht mit einer Ideologie im Rucksack.
Und dieses Modell bekommt Risse, wenn wir Geld und Zeit verschenken, Dinge tun, die uns und anderen Freude machen, spielen statt konsumieren.

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Simon Reber
Software Entwickler, Familienvater
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Wie viel Pestizid und Atom sollten wir nicht den Familien überlassen. Es ist Ausdruck der bürgerlichen Korruption, dass Dinge welche nachweislich Schaden an Mensch und Natur anrichten billiger sind, als nachaltige Produkte.
Die Wirtschaftswissenschaft spricht hier von Marktversagen, welches von der Politik korrigiert werden müsste. Es ist die Strategie der bürgerlichen Politik, dies an die schwächsten Glieder der Gesellschaft auszulagern.

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Enarchist & Anfänger
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Welche Familie würde nicht bio nehmen oder nicht solar, wenn es zum selben Preis zu haben wäre wie das andere?
Die aktuellen Preise auf dem Markt sind derart verzerrt und Geld für viele dermassen wichtig, dass sie mit Denken gar nicht weiter kommen als bis zum eigenen Portemonnaie.

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Danke für diesen wichtigen Beitrag. Ich verstehe auch nicht, wie Kinderbetreuung in der Schweiz so konsequent als Privatsache behandelt werden kann. Dass viele Familien (vor allem die Mütter) hierzulande das Arbeitspensum auf längere Zeit oder dauerhaft reduzieren, liegt meines Erachtens aber nicht nur an den hohen Kosten. Ich jedenfalls habe keine Kinder, um sie mit spätestens 6 Monaten Vollzeit fremdbetreuen zu lassen. Günstigere Betreuungsplätze sind wichtig, aber als ebenso wichtig oder noch wichtiger für die Gleichstellung erachte ich die Familienzeit , die ja aktuell im Kanton Bern wieder Thema ist (und ebenfalls zu scheitern droht). Es ist ein Trauerspiel.

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Katharina Schlatter
Content Specialist
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Jetzt bin ich neugierig, Herr A. Wenn Sie Ihre Kinder nicht fremdbetreut haben wollen. Wer betreut diese jetzt? Sie?

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Ich übernehme tatsächlich den kleineren Teil. Meine Partnerin hat das Pensum stärker reduziert, da sie nach 4 Monaten nicht bereits mehr als 2 Tage arbeiten wollte. Verständlich bei einen voll gestillten Baby. Da ändern auch günstigere Betreuungsplätze nichts daran. Und wer einmal eine solche Teilzeitstelle hat, kann dies in der Regel auch nicht einfach nach Lust und Laune wieder ändern. Eine angemessene Elternzeit, die mindestens das erste Lebensjahr abdeckt, würde diese Problematik sicher zum Teil entschärfen.

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Wenn die peinlich späte Einführung des Frauenstimmrechts in der Schweiz, z.B. im munteren Gespräch mit ausländischen Freunden oder auch sonstwo, thematisiert wurde, pflegte ich immer auf die Langsamkeit der direkten Demokratie hinzuweisen: Stellt euch mal vor, man hätte eine Mehrheit von männlichen Gehirnen z.B. in Bayern überzeugen müssen, ein bisschen (eingebildete) Macht an die Frauen abzutreten. Ob das heute schon umgesetzt wäre – und wenn ja, wie knapp?
Die hier dargelegte Peinlichkeit spielt sich ja aber vorerst «nur» im Parlament ab, da kann ich nicht auf jenes Bild der halt so langsamen Direktdemokratie zurückgreifen, noch nicht, dazu kommt's ja wohl noch... Mich schaudert's und mir stellen sich sämtliche Nackenhaare auf! Danke, Herr Binswanger!

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Vielleicht mag ein/e nächste/r Daumenrunter-Drücker:in mit Worten ausdrücken, was stört?

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Ich kann nur mutmaßen, vielleicht kommen die Downvotes, weil Sie es gewagt haben einen der negativen Aspekt der heiligen Kuh direkte Demokratie zu benennen. Das ist für viele ja schon ein Frevel, schliesslich bekommt man in diesem Land täglich eingehämmert in der besten Demokratie der Welt zu leben auch wenn es in der Realität nicht der Fall ist.

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Mathematiker in IT, Bildung und Beratung
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Grüezi Herr D.
Interessante Frage. Hoffen Sie noch auf grossen Zuwachs? Würde mich wundern, denn ich erachte Ihren Beitrag als weitestgehend konform.
Persönlich schreibe ich nur noch wenn ich ein ausgeglichenes Voting erwarte, oder wenn mich die Blasenbildung zu sehr nervt und ich meine masochistische Seite etwas ausleben will und mir einbilde, die Downvotes seien mir egal ;)
Beste Grüsse, K.A.

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Mathematiker in IT, Bildung und Beratung
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Grüez Herr D.
Nochmals ich.
Bei meinem eigenen Beitrag hier habe ich eine Vorab-Votingschätzug beigefügt: 1:3. Effektiv sind es jetzt 2/1 (absolut) , aber bei genauerem Hinsehen war ich wohl nicht ganz falsch. DB‘s Reaktion auf mich hat 10/0 - da liegt die Phantasie nah, dass die erwarteten Daumenrunter zu einem Daumenrauf bei DB abgewandert sind - denn einem wie mir möchte man ja auch nicht mit dem Daumen indirekt zustimmen.
Beste Grüsse, K.A.

ps: Mein Umgang damit hat etwas Spielerisches. Das kann einerseits dem ganze Voting die allenfalls not-wendige Leichtigkeit geben, birgt aber auch die Gefahr es irrlevant erscheinen zu lassen.

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Die direkte Demokratie einerseits, der hohe Wohlstand andererseits. Der hohe Wohlstand und der wirtschaftliche Erfolg der Schweiz sind Fluch und Segen. Denn das verleitet dazu, sich nicht verändern zu müssen. Viele schauen grosszügig über diese Missstände hinweg, da das Geld ja stimmt. Hauptsache, die Wirtschaft brummt.

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Wissenschaftliche Mitarbeiterin
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Besten Dank! Leider nichts Neues.
Ich bin für nat. Frauenstreik, z.B. am 14.6.23.
In Schweden hat man schon in den 90er Jahren gemerkt, dass es an Fachkräften mangelte. Es wurde entschieden, Frauen in die Arbeitswelt einzubeziehen. Lieber noch als AusländerInnen.
Es wird künftig nicht mehr ohne beides gehen. Das sollte der wirtschaftsverliebten CH langsam dämmern!

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Liebe Frau M., vielen Dank für diese Bemerkung. Schweden hat ja eines der besten Krippen-Systeme und eine sehr hohe Quote von Kindern, die auch tatsächlich fremdbetreut werden. Dass in Schweden bei der Einführung das Argument wichtig war, dass auf diesem Weg Fachkräfte gewonnen werden können ohne Zuwanderung war mir nicht bewusst. Natürlich müsste dieser Trade-off auch in der Schweiz eine Rolle spielen. Aber interessanterweise sind es bei uns ja dieselben Kreise, die strikt gegen Zuwanderung und gegen Fremdbetreuung sind - und sich dann auch noch als "wirtschaftsfreundlich" stilisieren. Herzlich, DB

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Gratuliere Herr Binswanger! Ihr Beitrag ist mehr als inhaltlich zu verstehen, denn auch als "Protest" gegen diese hartnäckige Schweizerdickköpfigkeit!
2003 bin ich deshalb ausgewandert!
Ich danke Ihnen mit bestem Gruss.
H. K.

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Im DE gibts dann noch ~ 1 Jahr Elternzeit, die mehr oder weniger gleichmässig auf beide verteilt wird. Dazu noch so Kleinigkeiten wie ein Kündigungsschutz danach und (zumindest teilweise) die 36h Wochen.

Kündigungen am ersten Tag nach der Schwangerschaft sind ja quasi Standard hier (die Mutter muss sich ja auch um die Kinder kümmern, dann geht ja auch die Lohnschere auf.. Solche strukturelle Diskriminierungen wären ev. eine weitere Recherche Wert

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Das stimmt leider nicht ganz. Nur 25 % der Elterngeldbezüge (bezahlte Elternzeit) sind von Vätern, d.h. ein bisschen mehr als die Hälfte der Väter nimmt überhaupt Elternzeit in Anspruch. Väter beziehen in Deutschland im Schnitt 3.7 Monate, Mütter 14.5 Elternzeit. Von gleichmässiger Verteilung kann also (noch) nicht die Rede sein. Aber immerhin gibt es in Deutschland die Möglichkeit dazu.
Bei den Kitas ist es theoretisch paradiesisch, in der Praxis hiess es bei uns in Tübingen "Wir erwarten, dass Sie Ihr Kind zwischen 13 und 14 Uhr abholen und Sie müssen mit spontanen Schliessungen der Kita rechnen." Inzwischen wurden die Kita-Öffnungszeiten vom Gemeinderat sogar offiziell beschränkt.
Das alles bedeutet aber nicht, dass ich dem Artikel nicht zustimmen würde - im Gegenteil. In der Schweiz gibt' s noch extrem viel zu tun. Aber mit subventionierten Kitas und Elternzeit ist leider - wie Sie zurecht schreiben - das strukturelle Problem noch nicht behoben.

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Nicht mehr direkt involviert
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Wir konnten früher nicht einmal einen Franken Fremdbetreuungskosten bei den Steuern abziehen, weil diese Kosten keine unmittelbare Berufskosten darstellten (oder ähnlich)! In unserem Umkreis war dafür auch kein Verständnis vorhanden, "denn schliesslich sind wir für unsere Kinder zu Hause geblieben, warum soll der Staat (also sie) auf diese Steuereinnahmen verzichten müssen?"
Ich verspürte viel Neid von nicht berufstätigen Müttern, die diese Möglichkeit nicht wahrgenommen haben oder konnten. Warum soll es den heutigen Müttern "besser" ergehen u sich "selbstverwirklichen" dürfen und dies auf Kosten des Staates!?
Bedenkt bitte, dass ich diese Beobachtungen vor über 20 Jahren gemacht habe. Ob sie in gewissen Kreisen noch aktuell sind, kann ich heute nicht beurteilen. Aber ich wäre nicht überrascht, wenn der Faktor Neid u Missgunst nicht doch noch ein gewichtiger Faktor wäre.

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Guten Tag Herr Binswanger, besten Dank für das klare Statement und Einordnen. Interessant wäre zu wissen, was die Wirtschaft, die ja besonders unter dem Fachkräftemangel leidet, für eine bessere Gleichstellung, sprich bezahlbare Kinderbetreuung investiert (wie in anderen Ländern, in denen Firmen gerade mit einem umfassenden Betreuungsangebot und flexibleren Arbeitsbedingungen weibliche Fachkräfte anzuziehen versuchen).

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Bitte nicht verwechseln: Gleichstellung ist dann, wenn sich beide Elternteile gleichermassen in der Kinderbetreuung engagieren, nicht wenn möglichst viel davon ans (vorwiegend weibliche) Dienstleistungsprekariat delegiert wird.

Nichts gegen KiTa & Co, aber in Bezug auf Gleichstellung werden sie einfach vorgeschoben, damit man(n) die eigentlichen Probleme nicht anpacken muss. Das wären zum Beispiel die Arbeitspensen der Väter und die Prioritäten innerhalb der Partnerschaft. Da wird sich erst etwas ändern, wenn sich die Väter in der Pflicht fühlen. Aber mit der jetzigen Debatte lässt sich das wunderbar bequem ausklammern.

Ebenso entlarvend ist die Position der SP. Wo sonst Umverteilung oder zumindest einkommensabhängige Beiträge postuliert werden, möchte man in diesem signifikanten Budgetposten möglichst "Gratis für alle". Warum zum Teufel sollte man z.B. einem Anwalt die KiTa von 130.- pro Tag noch weiter subventionieren, wenn er selbst die 130.- pro Stunde verdient? Das ist doch billige Klientel-Politik für die Familien.

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Lieber Herr W.,

Sie haben vollkommen recht mit der Bemerkung, dass Krippen nicht alle Gleichstellungsfragen lösen, aber weshalb es nicht legitim sein soll, Kinder fremdbetreuen zu lassen, erschliesst sich mir aus Ihrem Beitrag überhaupt nicht. Dass Betreuerinnen in den Krippen korrekt bezahlt werden müssen und dass dies - unter anderem auch wegen der Mittelknappheit - heute nicht der Fall ist, trifft allerdings zu. Was Ihre Bemerkung betrifft, gut verdienend sollen keine subventionierten Plätze bekommen. Auch dem kann ich nicht zustimmen. Die Fremdbetreuung gehört zur Infrastruktur. Der Anwalt kann sein Kind auch in die Volksschule schicken - obwohl der sich eine Privatschule leisten könnte. Er kann den Zug nehmen. Obwohl der subventioniert ist, und er vielleicht auch mit einem teuren Auto oder dem Taxi anreisen könnte. Es gibt Bereich der öffentlichen Investitionen, die unabhängig von den Einkommensverhältnissen der Nutzniesser allen zugänglich sein müssen. Die Krippen gehören dazu. Herzlich, DB

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Lieber Herr Binswanger

... aber weshalb es nicht legitim sein soll, Kinder fremdbetreuen zu lassen, erschliesst sich mir aus Ihrem Beitrag überhaupt nicht.

Kein Wunder, das habe ich auch nirgendwo behauptet oder argumentiert, sondern ... vielleicht lesen Sie einfach meinen Kommentar nochmal in Ruhe durch?

Ihre Infrastruktur-Vergleiche hinken, ich vermute das wissen Sie. Der Schulunterricht ist obligatorisch und für die Kinder gedacht, nicht für die Eltern. Würden Sie denn soweit gehen und auch Krippe und Kita obligatorisch machen, mit derselben Begründung?
Auto und Taxi sind im übrigen mindestens so hoch subventioniert wie der ÖV.

Was man aber bei allen Subventionen beachten sollte, sind mögliche Fehlanreize. Wenn also der Anwalt aus meinem Beispiel sich entschliesst, einen Tag in der Woche zu Hause zu bleiben um Zeit mit seinen Kindern zu verbringen - das wäre unterstützenswert, nicht?
Nun verzichtet er dabei auf seinen Lohn, spart sich dafür aber die KiTa-Kosten. Blöd nur: Je weniger die KiTa kostet, umso grösser der finanzielle Anreiz doch lieber arbeiten zu gehen.

Das ist eben das Problem an dieser Giesskanne: Man animiert alle dazu, mehr zu arbeiten, Mütter wie Väter. Oder zumindest nicht weniger. Das mag in Ihrem Sinne sein, in meinem ist es nicht.

Beste Grüsse, FW

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Vielleserin
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Danke, Herr W. Ergänzen möchte ich gerne noch, dass es nicht alleine bei den Vätern liegt. Eine Studie von Margrit Stamm (Professorin für Erziehungswissenschaften) besagt, dass 1/3 der Mütter gar nicht ernsthaft daran interessiert ist, Verantwortung für die Kinderbetreuung an ihre Partner abzugeben.

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Nach Jahren Erforschung der institutionellen "Absicherung" unserer Geschlechterdifferenzierung bin ich der Auffassung, die finanzielle Erschwerung der Kitabenützung sei nicht bloss eine Wertepolitik, sondern durchaus eine Art von Ordnungspolitik. Bei Lichte betrachtet ist sie einer der wesentlichen strukturellen Stabilisatoren der traditionellen, Frauen diskriminierenden Geschlechterordnung, zusammen mit der Lohndiskriminierung und der Geschlechtstypisierung der Berufe.

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· editiert

Danke für diesen Beitrag. Ich frage mich aber immer wieder, wieso wollen so viele dann in der Schweiz wohnen? Geht es nur um Geld?
Wie andere schon geschrieben haben, braucht es beides. Günstigere Krippenplätze, aber auch gute Bedingungen für Teilzeitarbeit für beide Geschlechter und natürlich eine Elternzeit.

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Manche realisieren vielleicht nicht wie übel es ist?
Und andere sind hier aufgewachsen und haben zu wenig Grund wegzugehen...

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(durch User zurückgezogen)

Ich verstehe nicht ganz, was sie mit „Kinder der Landstrasse“ meinen. Bei „Kinder der Landstrasse“ geht es um ein auf den Bündner Psychiater und „Rassenhygiene“-Forscher Johann Joseph Jörger (1860-1933) zurückgehendes Genozid-Programm der Schweiz an „Zigeunern“ und ihren sesshaften Nachfahren, das in den 1920er begonnen wurde, und bis in die Siebzigerjahre andauerte.

Das hat aber nichts mit allgemeiner Kindererziehung in der Schweiz zu tun.

Oder übernehmen sie hier das Vokabular der Genozid-Täter, welche vorgaben, Kinder den rassenhygienisch minderwertigen und genetisch zu Verwahrlosung neigenden „Zigeunern / Zigeunernachfahren“ zu entreissen, um durch „Integration“ dieser Kinder in die „normale“ Bevölkerung wieder eine „Verbesserung der Erbgesundheit“ der Schweiz zu erreichen?

P.S.: Auf den „Forschungen“ von Jörger baute dann übrigens der deutsche Psychiater Robert Ritter auf, der Himmler 1938 zum Beschluss zur „Bekämpfung der Zigeunerplage“ drängte: Zwangssterilisation und KZ-Einweisung. Dieses Programm endete mit dem Ende des zweiten Weltkriegs.

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Dies ist falsch. Ende des 19. Jahrhunderts war die Schweiz hinter dem Vereinigten Königreich und Belgien das drittreichdte Land der Welt.

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(durch User zurückgezogen)

Es wird offenbar davon ausgegangen, dass der Fachkräftemangel behoben werden könnte wenn die Kosten für die externe Kinderbetreuung gesenkt würden. Das bezweifle ich - ev wollen ja gerade auch viele Paare ihre Kinder für einige Tage selber betreuen und diese Verantwortung übernehmen? Diese würde man vermutlich mit den finanziellen Anreizen auch nicht zu mehr Erwerbstätigkeit bewegen können...

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· editiert

Genau... sogar die Diskussion um die Gleichstellung im Berufsleben (Karrierechancen, Wiedereinstiegschancen, Lohngleichheit usw...) wird 'schief' geführt...

Nur mehr arbeiten (der Frauen) gilt als Fortschritt. Denn wer in höheren Pensen mit kürzeren oder lieber gar keinen Baby-Unterbrechungen arbeite, habe mehr Chancen auf "Schlüsselprojekten", die eineM mit wertvollen Berufserfahrungen versorgt und eineM den Karriere-Pfad ebne. Mit höheren Pensen werde ja auch dem Fachkräftenmangel begegnet, das Rentenloch gestopft und die Wirtschaft angekurbelt.

Auf der individuellen Ebene gelten Väter mit einem "Vatertag" der Woche (zurecht) als fortschrittlich, verantwortungsvoll, gleichstellungfreundlich usw. Dass sie kollektiv den Fachkräftenmangel und das Rentenloch ähnlich befeuern wie die Mütter die die Kinder betreuen, statt in einer Firma die Arbeit nach zu gehen, wofür sie ausgebildet wurden, steht kaum zur Diskussion.

Es sind eigentlich zwei komplett unterschiedliche Sichtweisen. Mit Wirtschaftwachstum, Rentenloch, Fachkräftenmangel geht es um kollektive Ziele einer individualisierten, Menschen objektivierenden, kapitalistischen Gesellschaft, in der Realwirtschaft und Finanzwirtschaft ein sehr komplexes Gebilde formen. Bei der Kinderbetreuung hingegen geht es nicht nur um das "die Hände F. machen" der Arbeitskräften und das effizienter machen (1 Betreuerin betreut 4 Kinder, ein Elternteil in der Regel weniger als 3), sondern auch darum, mit welchen (sowohl vertieften als auch diversen) sozialen Bindungen sehr junge Menschen aufwachsen und sich entwickeln sowie darum, welchen Sinn Eltern in ihrer Elternschaft sehen.

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Interessierte Durchschnittsbürgerin
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Danke für diese Gedanken, danke! Grundsätzlich sollten Kitas gratis sein, so wie die Volksschule. Allerdings nicht obligatorisch: es gibt diverseste Gründe, weshalb, Mütter länger daheim bleiben als Väter (stillen, Schwangerschaftsfolgen, etc). Dann ist das Kinderkriegen ja nicht so einfach planbar wie der nächste Sommerurlaub und eine Geburt wird nicht einfach archiviert wie die Urlaubsfotos. Die Debatte ist ungemein technisch wo das Thema doch ungemein emotional ist. Die Kosten der Kitas ist das eine aber was ist mit der Qualität der Betreuung? Und ehrlich: bei der Kleinkindbetreuung sparen ist für eine Gesellschaft hochgradig beschämend und weckt nicht gerade Vertrauen. Vaterbetreuung muss auf jeden Fall gefördert werden, nur so gelingt die qualitative Gleichstellung; zum Glück sind die jungen Väter da viel weiter als unsere graue Konservative Politik). Die quantitative Gleichstellung wäre einfacher, wenn der berufliche Wiedereinstieg nicht so stigmatisiert wäre, die geleistete Care-Arbeit als Erfahrung angerechnet und geschätzt würde. Das Wort Arbeit loslösen vom klimaschädlichen und kompetitiven Wort Kapital. Und: Wo ein Wille da das Geld. (Siehe Militärbudget)

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Liebe(r) Anonym 7, vielen Dank für diesen Einwand. Er wirft sicherlich eine wichtige Frage auf, nämlich inwieweit Welthaltungen über die weibliche Beschäftigungsquote entscheiden und diese von Krippen-Subventionen nur wenig tangiert wird. Heute hat ja die Wirtschaftssoziologin Katja Rost in der Sonntagszeitung dazu Stellung genommen, durchaus in Ihrem Sinn. Dass Wertehaltungen oder kulturelle Dispositionen eine wichtige Rolle spielen, ist unbestreitbar, aber soweit ich sehe, sind die wissenschaftlichen Befunde da recht uneinheitlich. Und vor allem: Wie soll das langfristig aussehen? Wie sollen sich Welthaltungen je ändern können, wenn die institutionellen Voraussetzungen dafür noch gar nicht geschaffen worden sind? Herzlich, DB

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Kinderloser
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Bevor's vergessen geht. Ein nicht zu kleiner Anteil der Bevölkerung entscheidet sich aus vielfältigen Gründen im Zusammenhang mit dem Gezerre um Kinder, gegen Kinder. Für die erscheint alles was mit Familienförderung, Kita usw zusammenhängt, als Finanzierung eines Hobbys einer sich vordrängenden Bevölkerungsschicht. Allenfalls sollte dieses Gezerre, welches in nordischen Staaten nicht existiert, hier erst mal abgebaut werden.

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Danke vielmals für den treffenden Beitrag. Grundlegend denke ich, dass verglichen zum Ausland der Schuh noch nicht genügend drückt. Irgendwie wursteln wir uns mit hoher Nettozuwanderung und einem noch intakten Steuersubstrat (wobei wir nicht immer wissen wollen woher das Geld kommt) durch den Fachkräftemangel, so dass die negativen Folgen der heutigen Politik nur sehr langsam spürbar werden. Ich denke wie bei vielen Themen (siehe Klimapolitik - Reaktion nach dem Rohstoffe teuer werden, vorher fast nichts) werden wohl die nötigen Entscheidungen/Förderungen erst getroffen wenn z.B. im Spital auf Grund von fehlenden Ärzten immer öfter keine Behandlung mehr möglich ist oder die Kinder in Klassen von 35 Schüler:Innen hocken, etc. Zur Zeit haben die meisten von uns schlicht noch zu viel Wohlstand und entsprechend Wahlfreiheit. Wir haben für die Betreuung unserer Kinder bis zum Kindergartenbeginn wohl etwa 160000-180000 Chf. ausgegeben (wenn man nicht das Glück hat einen Platz in einer städtischen Kita zu bekommen, kann der Tag auch gut zwischen 150 und 160 Chf. kosten) . Ich möchte mich nicht beklagen, es war ja schliesslich unsere Entscheidung. Ich denke aber einfach, dass all denjenigen, welche gegen eine zeitgemässe Finanzierung der Kinderbetreuung ankämpfen, nicht wirklich bewusst ist, auf was sie allenfalls alles verzichten müssen, wenn der Fachkräftemangel einmal wirklich akut wird (die demographische Entwicklung arbeitet nicht gerade zu unseren Gunsten). In Sachen Gleichstellung würde es wohl auch einen Teil beisteuern wäre aber wohl noch lange nicht die Lösung. Hinsichtlich dieses Themas bin ich durchaus etwas verwirrt, so kann ich mir z.B. nicht erklären weshalb viele gut ausgebildete Frauen bei der Hochzeit den Namen ihres Mannes annehmen oder weshalb wir uns keinen längeren und wohl nötigerweise obligatorischen Vaterschaftsurlaub leisten können. aber das sind wohl andere Themen...

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Mich hat die Berichterstattung zum Gesetzesentwurf und manche Meinungsäusserungen dazu auch befremdet. Allerdings kann ich der Vorlage auch nicht vorbehaltlos zustimmen, da

a) Subventionen ungeachtet der wirtschaftlichen Verhältnisse der Eltern vorgesehen sind und

b) keine Massnahmen zur Verbesserung der prekären Arbeitsbedingungen in den Betreuungseinrichtungen vorgesehen sind.

Letzteren Punkt erlebe ich bei uns in der Gemeinde. Elternbeiträge und Abgeltungen aus Erziehungsgutscheinen der Gemeinde decken in der Regel 40 bis 60 Prozent der Kosten von Kitas und Horten. Die Lücke füllen teilweise die Gemeinden, wobei die Unterschiede regional enorm sind. Fehlt es an Mitteln, wird beim Personal gespart. Unzufriedenheit, Qualitätsmängel, hohe Fluktuation sind im Extremfall Betriebsschliessungen sind die Folge.

Nur in wenigen Kantonen, zum Beispiel in der Romandie, leisten die Kantone einheitliche Zuschüsse an die Betriebe.

Neben der Entlastung der Familienbudgets sollten auch die Bedingungen der Betreuungspersonen verbessert werden. Durch den günstigeren Zugang zu Betreuungsplätzen wird auch die Nachfrage weiter steigen und das Personal dafür wird weitgehend fehlen, wenn die Arbeitsbedingungen nicht gleichzeitig verbessert werden.

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Daniel Binswanger
Co-Chefredaktor
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Lieber Herr Heierli, vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag. Sie haben natürlich recht: Auch die Qualitätssicherung in den Krippen ist ein ganz zentrales Thema. Selbst wenn die Bundesgelder fliessen, wird es ohne ein Engagement von Gemeinden und Kantonen nicht gehen. Allerdings wäre schon die Hoffnung nicht ganz unberechtigt, dass auch auf der Ebene der Arbeitsbedingungen und der Entlöhnung von Fachkräften in den Krippen etwas mehr Spielraum entstände durch die Bundessubventionen. Ganz einfach weil dann insgesamt mehr Geld zur Verfügung stünde und der Trade-off korrekte Löhne/zu hohe Preise etwas entschärft würde. Herzlich, DB

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Mitdenker
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Irgendwann fällt der Begriff Volksschule (die man ja auch abschaffen könnte). Gutes Stichwort: Warum eigentlich nicht die Kitas der Volksschule "einverleiben"? Die Betreuerinnen würden zu Kitagärtnerinnen, Kantonsangestellte, wie die Lehrer. Man müsste nicht dauernd über mehr Subbventionen diskutieren und alle Eltern hätten ab der Geburt ihres Kindes Anspruch auf einen Betreuungsplatz.
Finanzierung? Was man längst tun sollte: Finanztransaktionssteuer.

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Hier gab es doch mal einen Artikel zur Heiratsstrafe. Wie wäre es mit einer Untersuchung zu den Opportunitätskosten in der Kinderbetreuung? Ab welchem Einkommen Fremdbetreuung? Ab wie vielen Kindern nicht mehr? Das ist eine Gratwanderung, die mich interessieren würde.

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Es ist schon interessant, sich manchmal mit Personen aus Deutschland über dieses Thema zu unterhalten. Wir kommen da immer wieder zum selben Schluss, dass sich das System in der Schweiz zwar für die Oberschicht lohnen kann, die Mittel- und Unterschicht aber eigentlich oft schlechter gestellt ist, vor allem wenn es um Vereinbarkeit von Beruf und Familie geht.
Deutschland wird von rechtsbürgerlichen Kreisen oft als Negativbeispiel herangezogen, wenn es um Themen geht, wo die Schweiz wahrscheinlich besser abschneidet. Manchmal wäre es zielführender, wenn man nicht alles in einen Topf wirft und differenziert, was diese Länder besser/schlechter machen um sich daraus dann für Veränderungen in der Schweiz inspirieren zu lassen.

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Frau, fast75, Theologin, Redaktorin
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Vielen Dank, Daniel Binswanger, für die gute, professionelle Arbeit!
Zwei Vorbemerkungen:
erstens: da ich gerade zwei unterschiedliche, und je anders "stille Hüteverpflichtungen" lebe (selbstverständlich ehrenamtlich und also gratis und auch bei den Steuern nicht Abzugsermöglicht), habe ich Zeit, die Sessionen zu betrachten. Was da in dieser ersten Woche zu erleben war, ist unterirdisch, jedenfalls nicht das, was ich mir unter konstruktivem parlamentarischem Schaffen vorstelle.
zweitens: es ist spannend zu sehen, wer, wo, wie Position bezieht, abstimmt. Mich nimmt wunder, wie diejenigen, die es von meinem panaschierten Wahlzettel nach Bern geschafft haben, ihre dort öffentliche Arbeit machen; ob eventuell bereits jetzt schon wahrzunehmen ist, wie zehn Tage nach der Wahl in welcher voll-liberalisierten Form die Wählenden veraaa.. werden.
Zum Thema (Mut zusammenkratzen):
Ich bin beim KiTa-Geschäft klar gegen eine eidgenössische Giesskanne. Vielmehr braucht es kantonal/regional/lokal niederschwellige Beratungsangebote, um Familien zu einer vernünftigen Sicht der eigenen Situationen, Finanzen zu verhelfen und gezielt Vergünstigungen zu suchen.
Ausserdem bleiben zwei Problemfelder offen: einerseits sind da die Situationen vor Ort: von geeigneten Räumlichkeiten über die Schulsituationen bis zum Personal nicht geklärt. Was es anderseits braucht, ist eine Ausbildungsoffensive: benötigt wird genug gutes Personal, eine Ausbildung, die diesen Namen verdient, die v.a. Chance für Quereinsteigende aufzeigt, sowie in Sachen Gehalt und Berufs-Perspektive wenigstens einen Silberstreif am Horizont andeutet. Dieser zweite Teil kann gerne eidgenössisch angegangen werden: eine "Ausbildungsoffensive" eben.
Nun bin ich gespannt, wie im Ständerat argumentiert wird, wer dort im eigenen Kanton sparen will und so die eidgenössische Lösung bevorzugt, oder....

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