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Herzlichen Dank für die interessante Besprechung.
Ein sehr wichtiges Thema!
Das Buch kommt auf meine Leseliste. 🙂
Es freut mich sehr, in der Republik einen Beitrag von Margarete Stokowski zu lesen, die ich sehr schätze und deren Kolumne im Spiegel ich immer mit Gewinn und Vergnügen lese.

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@Rebosura, gleichzeitig Diskurs und Beschämung fordern schliesst sich aus. Wer eine andersdenkende Position (oder noch simpler, jemanden wegen falscher Hautfarbe, falschem Geschlecht oder Alter) beschämt, hat sich vom Diskurs verabschiedet. Wie will man einen Diskurs führen, wenn man den Anderen schon präventiv als Müll u.ä. herabwürdigt?

Ich bin jetzt ein knappes Jahr Leser der Republik, und ich hätte gerne mal auch die 'andere' Seite zum Thema vernommen, in der beschworenen 'Arena'. Zum Beispiel ebenfalls wie Stokowski aus Deutschland Lucas Schoppe (online zu finden), der seit Jahren für Männer- und insbesondere Väteranliegen einsteht, und damit eine rare und gerne überhörte Minderheit im Geschlechterdiskurs (und im Speziellen in der Deutschen Familienpolitik) ist.

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Lieber Anonymous (Klaus), wir müssen da etwas differenzieren. Diskurs und Beschämung schliessen sich keinesfalls per se aus. Von Kindesbeinen an werden wir getadelt. Ausrufe wie "Du solltest dich schämen!", "Das ist unanständig!", "Benimm dich!" usw. sind gängige diskursive Praktiken.

Die Frage ist: Was ist ein Diskurs? Betrachten wir die öffentlichen wie privaten diskursiven Praktiken, so passiert objektiv sehr vieles, was einem subjektiv nicht gefällt. Was ist also eine Diskursethik? Hierbei werden Regeln aufgestellt, welche bestimmte diskursive Praktiken auszuschliessen versuchen. Zum Beispiel Beleidigungen, hate speech, unsachliche Argumente etc.

Herabwürdigung ist zudem nicht identisch mit Beschämung. Ihre Beispiele sind viel eher solche der Diskriminierung. Beides aber hat meist Beschämung als Eigenschaft. Jede Herabwürdigung oder Diskriminierung mag auch eine Beschämung sein, aber nicht jede Beschämung ist eine Herabwürdigung oder Diskriminierung.

Die Beispiele von Jacquet sind etwa:

  • "Negative Kampagnen" von Greenpeace gegen grosse Umweltverschmutzer.

  • Der drohende virtuelle Pranger von Steuersündern, wenn diese sich nicht zuvor freiwillig beim Steueramt melden.

Individuen wie Institutionen werden nicht via Vorurteil "präventiv" herabgewürdigt, sprich ungerechtfertigt aufgrund einer nicht selbstverschuldeten Eigenschaft diskriminiert, sondern aufgrund einer gesellschaftlich sanktionierten selbst gewählten Handlung (die [noch] nicht justiziabel ist), beschämt, um eine entscheidende Verhaltensänderung herbeizuführen.

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Für alle Leute, die sich das Buch wegen dem Umfang und der Sprache (noch?) nicht leisten möchten, kann ich Ezra Klein's Gespräch mit Kate Manne empfehlen.

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Spannend, das Gespräch. Vielen Dank für den Tipp!

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Ein sehr wichtiger Zugang zum Verständnis von abwertendem und gewalttätigem Verhalten. Ihre Besprechung regt mich zu einer Vermutung an: Das Buch hat das Potenzial, so nebenbei zu erklären, weshalb mehr Frauen als Männer Phil-I-Fächer studieren: Verstehen, was (mir) geschieht, trägt zur Selbstbehauptung bei. Nach dieser Einschätzung muss ich das Buch ja lesen!

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Ich finde den durch die Autorin geäusserten, zweiten Kritikpunkt sehr spannend.

Mein erster Gedanke, als ich Manne's These gelesen habe, war: "Aha, dann müsste man vielleicht den Dialog anders führen". Und doch verstehe ich den Punkt der Artikelautorin, dass man "uneinsichtige" Personen explizit konfrontieren soll. Auf der anderen Seite kommt mir dann in den Sinn, dass man bzgl. dem Diskurs zum Klimawandel herausgefunden hat, dass es grundsätzlich selten hilfreich ist, wenn man "klimaskeptische" Personen als Klimaleugner*innen bezeichnet. Was dann wiederum zu Manne zurück führt, die ja sagt, dass man den Begriff der Misogynie durchaus verwenden soll, aber sparsam.

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Vielen Dank Margarete Stokowski, dass Sie sich für die Republik diesem zugegebenermassen "philosophischen" Buch zugewendet haben. Und Danke Flavio für den Link und dein Votum zu Stokowskis zweitem Kritikpunkt.

Der Kern des Problems scheint mir im Unterschied zwischen
System und Individuum zu liegen. Also zwischen

  • allgemeiner Form und individueller Materie

  • abstrakter Struktur und konkreter Agent*in

  • diskursiven Normen und verkörpernden Subjekten

Einerseits ist in diesem Fall Misogynie ein machtvolles (Sub-)System und andererseits werden die Regeln dieses normierend-normalisierenden Systems von Individuen habituell verkörpert und als Einzelhandlungen ausagiert.

Was bedeutet das nun für eine Gegenstrategie einer Gegenmacht? In Fällen:

  • der Misogynie und Sexismus

  • der Homo- und Transphobie

  • des Rassismus und Kulturalismus

  • des Klassimus und Kapitalismus

  • des Speziezismus und Umweltzerstörung

  • ...

Denn einerseits geht es darum das System anzugreifen und zu verändern, in welches die darin unterworfenen Subjekte - oft Täter*innen wie Opfer - oft mehr unbewusst, also heteronom, als autonom sozialisiert worden sind. Eine Struktur, die ihnen selbst oft "unsichtbar", weil selbstverständlich erscheint. Andererseits aber ist das System ja etwas abstraktes und strukturelles, so dass man es inter-aktional nur über den Zugriff auf die Individuen verändern kann.

Skylla und Charybdis, die beiden Extrempositionen, welche das Problem zu einfach auflösen, sind:

  • Strukturalistischer Determinismus: Wie aufgrund des Systems nicht alle Individuen als misogyn kategorisieren?

  • Ontologischer Individualismus: Wie aufgrund der Unsichtbarkeit der Struktur nicht alle Individuen von ihrer Veranwortung frei sprechen?

Wir stehen also vor dem doppelten Problem:

  • Wie auf das System Misogynie reagieren, ohne auf Individuen zu zielen?

  • Wie auf misogyne Individuen reagieren, aber auf das System Misogynie zielen?

Gibt es überhaupt einen Ausweg aus diesem Dilemma? Geht das Eine ohne das Andere?

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/2 Vielleicht geht es letztlich "nur" darum: Wie also das System verändern, ohne die Individuen übermässig zur Verantwortung zu ziehen?

  • Gesetze: Das naheliegendste aktionable Feld erscheint dasjenige des Gesetzes. Dieser top down approach mag zwar in gewisser Hinsicht effizient sein, etwa was die Allgemeingültigkeit betrifft. Doch kann die Regulierung auch too little, too late sein, aber auch zu masslos und zu lückenhaft. Zudem kann ob fehlender Umsetzung in Form von positiven oder negativen Sanktionen das Gesetz nur toter Buchstabe bleiben.

  • Sitten: Hinsichtlich Habitus ist der approach über "Sitten" (Hegel) und Moral eigentlich der richtige. Teil-autonom vom Gesetz als auch vom Individuum, die mittlere Ebene sozusagen. Doch Normen- und Wertewandel gehen oft langsam und partiell vonstatten. In permissiven liberalen Gesellschaften ist auch die "Gesetzeskraft" (Derrida) von Normen oder von Autoritäten aufgrund des Individualismus und Pluralismus relativ beschränkt. Es herrscht vielfach eine "Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen" (Bloch) vor.

  • Diskurs: Die z.T. agonalen Kämpfe um "kulturelle Hegemonie" (Gramsci) finden letztlich in dieser Arena statt. Der Diskurs besitzt eine normative, normierende und normalisierende Kraft, d.h. er ist allgemein genug, um systemische Auswirkungen zu zeitigen, aber auch spezifisch genug, um individuelle De-Habitualisierungen und Re-Habitualisierungen auszulösen (Ent-Lernen/-Wöhnen und Neu-Lernen/-Gewöhnen).

Letztendlich bedarf es wohl alle Ebenen: top-down und bottom-up, allgemeine und inviduelle. Aus dem Diskurs können Normen entstehen, die z.T. wieder in Gesetzestexte einfliessen. Alle gemeinsam ermöglichen ev. eine nicht-"imperiale Lebensweise" (Brand/Wissen).

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