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Mich mutet das Ganze schon etwas beliebig an, vom Autor, einem Dozenten an einer Kunsthochschule, und vom Künstler, dem Mechaniker, der eine Maschine repariert, die es so noch nicht gegeben hat, und der kein Puppenspieler (oder doch eher: Strippenzieher?) sein will. Des Mechanikers Arbeiten machen sichtbar, meint der Autor, ohne Antworten zu geben. Hat man nicht Paul Klee das Dictum zugeschrieben, dass Kunst nicht das Sichtbare wiedergebe, sondern sichtbar mache? Die Antworten, meint der Künstler, müsse der Betrachter bei sich selbst suchen. Hm. Wenn ich das Werk eines anderen betrachte, bei mir eine Antwort suchen? Eine Antwort auf was für eine Frage denn? Eine des Künstlers an mich oder eine von mir an mich selbst? Z.B.? Was mir nach der Lektüre bleibt: Der Kunstdozent hat keine Fragen gestellt und demzufolge auch keine Antworten gefunden. Aber er hat mir überzeugend klar gemacht, dass ich diese Ausstellung getrost an mir vorbeiziehen lassen kann. Trotz Peter Zumthors Wunderwürfel. Wenn ein Künstler zu seiner Arbeit nichts zu sagen hat und lieber baden geht, das Werk selbst aber, aus sich heraus nicht mehr vermittelt, als den Betrachter – angeblich – auf sich selbst zurückzuwerfen (Welches Objekt, das in unser Gesichtsfeld gerät, macht dies letztlich nicht?), dann wird es lässlich, sich seiner näher anzunehmen. Oder geht es – wieder einmal – um das Hinterfragen von Wahrnehmungsgewohnheiten oder Denkmustern? Alles nichts Besonderes, nichts Neues und schon gar nichts Innovatives. Ich selbst stecke so voller Fragen – in unserer derzeitigen Welt zumal, auf welche ich nur in kleinem Umfang Antworten «bei mir selbst» gefunden habe, dass ich in diesem Zustand nicht nach Bregenz zu einer solchen Veranstaltung pilgern muss. Dem Nicht-Puppenspieler oder Nicht-Strippenzieher ist es einfach gelungen, mit redundanten Tabubrüchen, die eigentlich längst keine mehr sind, auf sich aufmerksam zu machen und mit freundlicher Unterstützung geschäftstüchtiger Galleristen im Markt Fuss zu fassen.

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vielleicht sehe ich das zu moralistisch, doch mir fehlt irgendetwas konstruktives in dieser Kunst. Den Voyeurismus von Gewalt und Sexismus zu kitzeln, ist nicht schwierig.

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Jordan Wolfson mit Coltrane/Tristano zu vergleichen, ist deplaziert, nicht weil Coltrane meines Wissens nie mit Tristano, vielmehr intensiv mit McCoy Tyner zusammen gespielt hat. Tristano und Coltrane waren zwar beide innovativ und stilbildend, doch stilistisch eben weit auseinander, quasi an entgegengesetzten Polen des Jazz - Tristano am Reissbrett, Coltrane im Dschungel. Phantastisch gut waren beide.

Der Vergleich Coltrane-Wolfson hinkt jedoch aus einem ganz anderen Grund. Der Grund liegt im Motiv des Schockierens. Seit einigen Jahrzehnten ist der Kunstmarkt bekanntlich ausser Rand und Band. Ungeheure Geldsummen werden erreicht, indem möglichst grosse Aufmerksamkeit generiert wird. Schockieren ist da angesagt, je krasser, umso besser. Wolfson nützt dabei - wie viele andere - unsere Sensationslust gezielt aus und hat vermutlich sogar gute persönliche Gründe dafür. Wer will ihm das verübeln? Er macht es auch geschickter und treffender als andere.

Dass die Kunst aber verarmt, wenn Schockieren Selbstzweck wird, ist wohl klar und betrifft nicht nur Wolfson, sondern viele heutige Installationen, Collagen, Videos und Theateraufführungen. Man lässt sich gern ein bisschen gruseln, bekommt dazu ein Narrativ, weshalb das Ganze sozialkritisch und aufklärend ist und kann wohlig erregt und in seiner kritischen Haltung bestätigt als guter Bürger wieder nach Hause.

Immerhin: Wen Horrorszenen so stark reizen, dass er nicht widerstehen kann: Das von Wolfson zu seinen Installationen durchscheinende Background-Narrativ und die Qualität seiner Arbeiten sind wohl tausendmal zeitgemässer als diejenigen von Stephen King.

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Wenn man dem Link zum Interview mit Bruce Nauman folgt, wird klar, dass G. Naumans Aussagen unsorgfältig zusammenfasst:

"I think about Lenny Tristano a lot. Do you know who he was? Lenny Tristano was a blind pianist, one of the original—or maybe second generation—bebop guys. He’s on a lot of the best early bebop records. When Lenny played well, he hit you hard and he kept going until he finished. Then he just quit. You didn’t get any introduction, you didn’t get any tail—you just got full intensity for two minutes or twenty minutes or whatever. It would be like taking the middle out of Coltrane—just the hardest, toughest part of it. That was all you got."

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Lieber Ulrich Balsiger - Danke für ihre für Ihre Kritik. Sie haben Recht!

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Mit John Coltrane verbinde ich eher McCoy Tyner als Lennie Tristano. Also wenn ich einen Pianisten schon "John Coltranes Pianisten" nennen würde, dann wohl McCoy Tyner.

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Beobachter
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Tristano hat immer mit Lee Konitz gespielt, nie mit Coltrane. Einen Baseball Schläger haben sie nie gebraucht.

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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· editiert

Beim Lesen des Beitrags kommt mir das Buch "War Porn" (2014) des Fotografen Christoph Bangert in den Sinn. - Es ist ebenfalls ein gewaltiger Schlag in den Nacken oder besser in die Magengrube. Es ist Kunst mit Fotos aus der Kriegsrealität. Es zieht die Betrachter:innen genauso zur Verantwortung und zwingt zur Reflexion über die Antwort in ihrem Inneren. Dabei erscheint es mir weniger kommerziell/Effekthascherei als die im Beitrag beschriebenen Werke. Die Haltung von Wolfson, alles den Betrachter:innen zu überlassen, ist legitim und irgendwie langweilig. Da passt es, dass er zum Schluss keine Lust mehr hat, über Kunst zu sprechen und lieber Baden geht.

P.s. Der Beitrag ist wirklich toll geschrieben, sehr plastisch. Danke dafür!

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Nach dem Lesen dieses Artikels kam ich nicht darum herum, ein altes, vergilbtes Büchlein aus dem Büchergestell in die Hände zu nehmen und das Folgende zu lesen, das ich mir vor Jahrzehnten schon dick angestrichen hatte:
„Alle Prozesse des Verderbens sind losgelassen. Setzen wir gegen sie, was heute an reichem geistigem Leben unzweifelhaft da ist, so ist auch dies zweideutig: Die Wissenschaften machen ihre grossartigen Entdeckungen; jedoch: sie werden in der Masse des Gefundenen nicht nur spezialisiert, sondern in der Spezialisierung selber den Endlosigkeiten preisgegeben, die sie nicht mehr meistern. – Die Technik übertrumpft noch immer die Erwartungen; jedoch: sie liefert gerade dadurch den Menschen der Zerstörung aus. – Die Dichtung spricht in wirksamen Gestalten; jedoch: das Eindrücklichste bringt sie im Verzweifelten, Empörten, Nihilistischen. Die Kunst wird raffiniert in der Vielfachheit ihres Könnens, in der Vollendung ihrer Artistik; jedoch: sie ist am mächtigsten, wo sie das Antlitz des Menschen zum Erlöschen bringt.
Ist das nicht das Leben vor dem Ende? Ist die Produktivität unserer Zeit nicht die Flamme, in der dies im Kosmos Unvergleichliche, das Menschsein glühend zugrunde geht? Soll das unerhörte Können heute ein zukunftsloses Leben sein, das sich, wo es sich dessen bewusst wird, vor der verschlossenen Pforte sieht?“
aus Karl Jaspers, Denkwege, Piperverlag, 1983 / S.105,106
Ich glaube an das Schöne und an das Gute, auch wenn es dem Verstand als absurd erscheint. Das Schöne und das Gute in jeder Art zur Gestalt zu bringen, bringt uns globale Zukunft. Das Raumschiff Erde verlangt übergreifendes Wirken und Kommunizieren. Alles ist angerichtet!

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Fördert es die Erleuchtung, wenn der Zen-Stock durch den Baseballschläger ersetzt wird?

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P.S. Vielleicht schon - z.B. bei einem Fake- Baseballschläger aus Styropor. Der Schlag fällt subtiler aus als erwartet - ah! ha!

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Jordan Wolfson hat als säkulärer Jude in NY Ausgrenzung und Ablehnung erlebt.
"Hieb mit dem Baswballschläger ins Genick. Literally"
Jordan Wolfson ist vermutlich sensibel und informiert (und entsetzt?) genug, um zu wissen, was täglich hinter dem israelischen Mauer gegen den Palästinensern im illegal besetzten Westjordanland vor sich geht.
Aber er sagt es nicht plump, aber immerhin zum Channuka-Musik.
Max Glauser schreibt dankenswerterweise: Auch jene, welch die Gewaltszene bis zum Schluss geschaut haben, werden sich fragen, was das zu bedeuten hat, warum wir uns dem aussetzen, warum wir und was uns das angeht."
Ja, das sind wichtige Fragestellungen.

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Ja, was das mit mir zu tun hat - es fallen mir plötzlich die Schuppen von den Augen, die
S c h e u -klappen vom Kopf.

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Coltrane - Tristano ! . . . diese Verbindung
stimmt so bei weitem nicht. Und sie wird auch bei B. Naumann (ein Jazzfan) anders dargestellt.

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Lieber W. B. - ja, das ist richtig. Ulrich Balsiger hat bereits darauf hingewiesen. Einstweilen können wir an der fraglichen Stelle das Possessivpronomen "seines" durch den Artikel "des" ersetzen. Dann stimm's.

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