Die Welt steht Kopf: Die Flagge des Königreichs Deutschland.

Ein Königreich für die Schweiz

Der selbst ernannte König von Deutschland verlagert seine Aktivitäten in die Schweiz. Während in seiner Heimat Ermittlungen gegen den Reichsbürger laufen, bleiben die Behörden hierzulande auffallend passiv.

Von Lotta Maier, 09.04.2024

Vorgelesen von Jonas Gygax
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Am Sonntag, 17. März 2024, macht der König von Deutschland der Schweiz seine Aufwartung. Er reist auf einen Bauernhof in Gossau SG, wo sich fünfzig bis sechzig Schweizer Reichsbürger versammelt haben. «Ausrichten – Aufbauen – Netzwerken!» heisst der Titel der Veranstaltung, 77 Franken kostet der Eintritt, serviert wird ein «Vernetzungs­nachtessen».

Gekommen sind die Reichsbürger aber, weil der König zu ihnen spricht. Er mag Sätze wie: «Gedanke erschafft Realität.» Oder: «Erkenne dich als Schöpfer.» Oder: «Das Königreich Deutschland baut vollständig neue Strukturen in allen Bereichen des Lebens auf.»

Dann warnt der König die Reichs­bürgerinnen vor den «satanischen Eliten, die die Menschen­massen unterdrücken» (er meint damit die Juden). Und hält die Bürgerin zum Spenden an, zum Besuch der königlichen Seminare und zum Kauf seiner Biografie. Knapp 1000 Franken kostet sie.

Der König von Deutschland heisst eigentlich Peter Fitzek. Er lebt in Wittenberg in Ostdeutschland, war früher Koch und ist mittlerweile 58 Jahre alt. 2012 hatte er das Königreich Deutschland (KRD) ausgerufen – und der Einfachheit halber ernannte er sich gleich selbst zum König.

Peter Fitzek, selbst ernannter König von Deutschland, hat auch in der Schweiz 180 Anhängerinnen – und einen Schweizer Stellvertreter. Imago

Fitzek und seine Anhänger sind sogenannte Reichsbürger. Sie lehnen den Staat, seine Behörden und seine Rechts­ordnung ab. Und sie weigern sich, Steuern, Gebühren und Bussen zu zahlen. Sie sehen sich einzig dem Königreich Deutschland verpflichtet – und dessen Regeln, dessen eigenem Finanz- und Handels­system, dessen eigenem Bildungs­system. Das KRD ist ein Fantasie­gebilde von Staats­verweigerern.

Man staunt, dass es dieses Gebilde noch immer gibt. Und dass es gemäss eigenen Angaben rund 6000 Anhänger hat, 180 davon in der Schweiz.

Zu seinen politischen Positionen hatte sich der König von Deutschland in der Vergangenheit nicht geäussert – bis letzten Donnerstag. Da sagte er in einem Interview mit «Stern» und RTL, es sei «nicht verkehrt», ihn als Rechts­populisten zu bezeichnen. Auch lobte er die AfD. In dieser gebe es «gute Menschen, die etwas mehr Verständnis haben, wie das hier draussen läuft».

Razzien und Strafverfahren

Nicht wegen seiner politischen Positionen, sondern wegen seiner wirtschaftlichen Aktivitäten gerät Peter Fitzek in Deutschland allerdings mehr und mehr unter Druck. Im letzten November führten Beamte des Landes­kriminalamts Sachsen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungs­aufsicht (Bafin) in zehn Liegen­schaften des Königreichs Razzien durch. Dabei stellten sie Goldbarren im Wert von 360’000 Euro, Geld und 60 Schuss Munition sicher. Die Razzien fanden im Rahmen eines Strafverfahrens der Staats­anwaltschaft Dresden statt, die gegen insgesamt neun Personen ermittelt. Sie wirft ihnen vor, illegale Bank- und Versicherungs­geschäfte getätigt zu haben.

Lediglich ein paar Tage nach den Razzien teilte die Bafin mit, dass Fitzeks Stellvertreter, ein Schweizer namens Marco Ginzel, alle bis anhin getätigten Bank- und Versicherungs­geschäfte rückgängig machen müsse. Um wie viel Geld es beim Königreich geht, geben die Behörden nicht bekannt. Die NZZ schrieb 2014 von 1,9 Millionen Euro. Dabei handle es sich um «den Umfang der von Peter Fitzek unerlaubt betriebenen Einlagen­geschäfte, also um die Gelder, die er von Anlegerinnen und Anlegern erhalten hat», teilt die Bafin auf Anfrage mit. Und weiter: «Der damalige Umfang ist nur ein Bruchteil des aktuellen Geschäfts­umfangs.»

Seit längerer Zeit warnt auch das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz vor Peter Fitzek. «Das KRD ist eine extremistische ‹Reichsbürger›- und ‹Selbstverwalter›-Gruppierung», hält es fest. «Seine Aktivitäten zielen darauf ab, die gültige Rechts­ordnung der Bundes­republik Deutschland ausser Kraft zu setzen und durch ein eigenes System zu ersetzen, in dem demokratische Grundsätze und Gesetze wie auch staatliche Schutz­vorschriften generell keine Geltung haben sollen.»

Gold und Silber im Zürcher Unterland

Lediglich drei Wochen nach den Razzien in Deutschland schaltete ein Schweizer Mitglied des Königreichs Deutschland eine Finanz­plattform im Internet auf. Dieses Mal ging es nicht um Bank- und Versicherungs-, sondern um Edelmetall­geschäfte.

Auf der Plattform mit dem Namen Tauschen.org kann man seither Platin, Gold und Silber kaufen – von Silber­münzen für rund 30 Franken bis zu Goldbarren für rund 16’000 Franken. Zahlen lässt sich in Schweizer Franken, Euro oder E-Mark; E-Mark steht für Engel-Mark, die Währung im Königreich Deutschland. Allerdings heisst es auf der Internetseite: «Dieses Angebot richtet sich nicht an Personen, die sich lieber in der Bundesrepublik verwalten lassen möchten. Es ist daher ausschliesslich für aufgeweckte Mitglieder und Staatsbürger des Königreichs Deutschland gedacht.»

Hinter der Plattform steht ein 61-jähriger IT-Unternehmer aus dem Zürcher Unterland. Er betreibt daneben einen weiteren Betrieb im Königreich Deutschland, einen Cannabis-Online-Shop.

Auf eine Anfrage der Republik zu seinen Geschäften und seiner Mitgliedschaft im Königreich Deutschland schreibt er als Erstes zurück: «Trotz ihres unhöflich fordernden Schreib­stils werde ich ihnen gerne antworten, so wie es sich gehört.»

Und er stellt sowohl die Fragen der Journalistin als auch seine Antworten umgehend ins Netz. Das handhaben zahlreiche Reichsbürger und Staats­verweigerer so – auch zur Einschüchterung der Medien­schaffenden.

Dann hält der Unternehmer fest: «Die von ihnen erwähnten Betriebe sind reine Zweck-Betriebe des Vereins Königreich Deutschland. Es gibt keine Schweizer Repräsentanz, folglich unterstehen sie nicht der BRD oder Schweizer Ordnung. Alle Interaktionen dieser beiden Betriebe und deren Mitglieder befinden sich im Rechtskreis des KRD.»

Und zu den Kunden seiner Edelmetall­plattform schreibt er: «Wir haben keine Kunden, weder im In- oder Ausland, wir haben nur Vereins­mitglieder.» Damit meint er Mitglieder des Königreichs Deutschland.

Und zum Schluss betont er: «Bitte informieren sie sich nächstes Mal besser, bevor sie mir Fragen stellen. Ausserdem bitte ich sie um einen etwas respekt­volleren oder zumindest sachlichen Ton.» Offen bleibt die Frage, ob die Edelmetall­plattform in der Schweiz gegründet wurde, weil die Behörden in Deutschland wegen der Bank- und Versicherungs­geschäfte des Königreichs interveniert hatten. Ebenso offen ist, wie hoch die Gewinne der Plattform sind und wohin sie fliessen.

Expansion in die Schweiz

Fest steht: Peter Fitzek will mit seinem Königreich Deutschland in die Schweiz expandieren. Bereits in den letzten Jahren ist hier die Zahl der Reichsbürger und ihrer Firmen stetig gestiegen. Heute zählen in der Schweiz sieben mittlere, kleinere und kleinste Unternehmen zum KRD, etwa in den Bereichen Transport, Haus­technik, Gastronomie und Gesundheit. Daneben bieten zahlreiche Einzel­personen aus der Schweiz auf Kadari, einer Handels­plattform des Königreichs, Produkte an. Und erst letztes Jahr wurde der KRD-Ableger Gmeinwohl Gmeind Schwiz gegründet.

All die besagten Firmen verpflichten sich mit einem sogenannten Kapital-Überlassungs-Vertrag, 50 Prozent ihres Umsatzes ans Königreich Deutschland abzugeben. Mit dem Geld soll, so heisst es im Vertrag, «ein neues Gemein­wesen» aufgebaut werden. Weiter steht im Vertrag: «Die Verwendung der Mittel liegt vollständig im freien Ermessen des Kapital­empfängers.» Und Kapital­empfänger ist das Königreich.

Was Fitzek und seinen Plänen entgegenkommt: Anders als die Behörden in Deutschland geben sich die Behörden in der Schweiz gegenüber dem Königreich Deutschland zurückhaltend. So schreibt die Eidgenössische Finanzmarkt­aufsicht (das Pendant zum Bafin) auf Anfrage lediglich, dass sie sich nicht zu Einzelfällen äussere. Sie gehe Verletzungen des Schweizer Finanzmarkt­rechts «konsequent» nach – sofern ihr Hinweise darauf vorliegen würden.

In einer Stellungnahme des Bundesrats auf einen Vorstoss aus dem Nationalrat heisst es zwar: «Seit Anfang der Covid-Pandemie sind die staats­verweigernde Szene und deren Sympathisantinnen und Sympathisanten in der Öffentlichkeit präsenter und sichtbarer geworden.» Gleichzeitig weist die Regierung darauf hin, dass der Nachrichten­dienst des Bundes nur für die Überwachung von gewalt­tätigem Extremismus verantwortlich sei – und dass es zwischen diesem und der staats­verweigernden Szene «keine systematische Überschneidung» gebe.

Anders in Deutschland: Hier wurde Peter Fitzek wegen seiner KRD-Aktivitäten bereits von zahlreichen Amts- und Landgerichten schuldig gesprochen. So verurteilte ihn das Landgericht Halle 2017 wegen illegaler Finanz­geschäfte zu einer Haftstrafe von drei Jahren und acht Monaten. Allerdings sind zahlreiche Verfahren noch nicht rechtskräftig.

Deshalb blieb Peter Fitzek immer wieder auf freiem Fuss.

Und deshalb kann er die Expansion des Königreichs Deutschland in die Schweiz weiter vorantreiben.

Zur Autorin

Die Autorin schreibt diesen Text aus Gründen des Selbstschutzes unter Pseudonym.

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