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Lieber Herr Binswanger

Ich kann und konnte Ihrer Argumentation über die Covid Pandemie nur teilweise folgen. Einerseits steht auch für mich ausser Frage, das der Bundesrat wie auch die kantonalen Regierungen oftmals zu langsam und zu lax auf steigende Fallzahlen und Hospitalisationen reagiert und fehlerhaft kommuniziert haben. Ebenso deutlich wurde dem Föderalismus in dieser Krise deutlich seine Grenzen aufgezeigt.
Was ich hingegen (als Mediziner) nicht verstehe, ist ihre Darstellung "der" Wissenschaft, der ExpertenInnen, etc. als absolute Deutungshoheiten und einzig erwünschte HandlungsträgerInnen in diesen Zeiten. Wer sich die wissenschaftlichen Publikationen- v.a. zu Beginn des Jahres- anschaut, muss feststellen, dass in der ungemeinen Flut an Papers zu Covid-19 leider auch viel Unbrauchbares und schlicht Falsches an Land gespült wurde, da teilweise gar peer-review Verfahren und ähnliche wissenschaftliche Grundstandards ausser Kraft gesetzt worden sind. Zudem haben Epidemiologen darauf hingewiesen, wie schwierig sich die Kommunikation mit den Medien ausnimmt, da von dort immer nur ganz klare, eindeutige Aussagen erwartet werden, während vorsichtigere Meinungen à la " es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass..., jedoch wissen wir dies leider noch nicht genau" einen schweren Stand haben.
Zudem frage ich mich, wieso wirtschaftliche Bedenken keine Rolle spielen dürfen. Hiermit meine ich nicht "die Wirtschaft", also Economie Suisse oder die Grosskonzerne, sondern selbständig Erwerbende oder Angestellte, die durch die Krise ihren Job verloren haben. Sollten deren, teils existentiellen Ängste angesichts weiterer Schliessungen wirklich nichts zählen dürfen? Dies besonders in Anbetracht dessen, das unser bürgerliches Parlament absehbarerweise keine finanzielle Unterstüzung zusichern möchte; wahrscheinlich wieder einmal unter dem Leitstern der Eigenverantwortung.
Natürlich kann man auch einwenden, dass wird uns durch die neoliberale Gesundheitspolitik der letzten Jahre mit Bettenreduktionen, Rationalisierungen von medizinischen Leistungen, etc. selbst in diese Lage gebracht hätten und die Corona Krise diese Fehler nun einfach sichtbar mache. Umso wichtiger scheint es mir nun zu sein, diese Politik zu überdenken. Dieses Überdenken jedoch einzig der Wissenschaft und Experten- also einer technokratischen Herrschaft- zu überlassen, sehe ich aber nicht als Weg zur Aufklärung, sondern zum Goldenen Kalb. Es waren ja beispielsweise auch die ÖkonomInnen unter dem Primat der Chicagoer Schule, die einen grossen Anteil am Aufkommen des Neoliberalismus gehabt hatten. Zudem stehen auch medizinische WissenschaftlerInnen nie ausserhalb des ökonomischen Systems, sondern sind immer auch ein Stück weit in dessen Normen und Zwänge eingebunden.
Nein, unsere Demokratie sollte robust genug sein, den Ausweg aus dieser Krise und die dazugehörigen ethischen Fragen unter Einbezug diverser Vorschläge zu finden. Damit meine ich natürlich nicht, dass die Meinung eines Coronaleugners gleich viel wie diejenige eines Virologen gewichtet werden sollte. Ebenso falsch ist es jedoch, sämtliche KritikerInnen der Massnahmen in die verschwörungstheoretische Ecke zu stellen. Es steht ausser Frage, dass eine Diktatur wie China diese Problem weitaus einfacher und effizienter lösen kann als eine (defekte) Demokratie wie die USA. Nichtsdestotrotz besteht für mich die Auflärung schlussendlich in einer rationalen Diskussion sämtlicher BürgerInnen, welche sich den schwierigen ethischen Fragen dieser Krise stellen sollte. Ich weiss: In Zeiten des Trumpismus ein wohl etwas gar frommer Wunsch, aber wer weiss, es ist ja Weihnachten.
In diesem Sinne Frohe Festtage.

Freundliche Grüsse
M. H.

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Lieber Herr H., ich möchte gerne kurz, pointiert und darum vielleicht provokativ auf Ihre interessanten Ausführungen antworten:

  • Ökonomie, auch die Chicagoer Schule", betrachte ich als 'Religion' und nicht als Wissenschaft.

  • Neoliberalismus kennt ein einziges Primat, die Maximierung von Profit und damit die exponentielle Erwirtschaftung von Zins und Zinseszins, den irgendjemand aufbringen muss.

  • Nicht nur das 'Gesundheitswesen' als Investitionsobjekt, auch Politik und Demokratie haben sich diesem Primat untergeordnet.

  • Beides zusammen geht nicht: Entweder teilen wir Ressourcen wie in der Familie zum Wohle aller, oder es bezahlen weiterhin die Schwachen den Zins für privaten Profit.
    Auch an Weihnachten kann nicht jeder Wünsche erfüllt werden. lg

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Lieber Herr Hildmann
Ich bin mit all Ihren Punten einverstanden! Trotzdem widersprechen sie nicht meinen Ausführungen, sondern stützen sie eher.

Ökonomie, auch die Chicagoer Schule", betrachte ich als 'Religion' und nicht als Wissenschaft.

Das grosse Problem hierbei ist das Wort "ich". Auch ich würde dem, zumindest ein Stück weit, zustimmen. Trotzdem gilt und galt diese Art der Ökonomie, die wir heute Neoliberalismus nennen, als Wissenschaft und wurde als solche verstanden. Andererseits gibt es immer noch Menschen, "für die" die Klimawissenschaft keine Wissenschaft, sondern linksgrün versifftes Gutmenschentum ist. Eben hier liegt das Problem: Wissenschaft ist keine Objektive Kraft, die zum Wahren hinstrebt, sodern es stehen Menschen dahinter. Natürlich kann man sich über die Methoden der einzelnen Disziplinen streiten. Darum darf aus wissenschaftlichen Erkenntnissen keine zwingende Politik folgen, nur Handlungsanleitungen für die BürgerInnen.

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Werter Namensvetter - vielleicht kann ich bereits einige Antworten liefern.

Zudem haben Epidemiologen darauf hingewiesen, wie schwierig sich die Kommunikation mit den Medien ausnimmt, da von dort immer nur ganz klare, eindeutige Aussagen erwartet werden, während vorsichtigere Meinungen à la " es besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass..., jedoch wissen wir dies leider noch nicht genau" einen schweren Stand haben.

Genau das verstehe ich unter 'Versagen der Medien'. Sie haben es schlicht nicht geschafft, differenziert zu berichten und gewisse Grundlagen (Stichwort exponentielles Wachstum) in die Köpfe der Bevölkerung zu kriegen.

Zudem frage ich mich, wieso wirtschaftliche Bedenken keine Rolle spielen dürfen. Hiermit meine ich nicht "die Wirtschaft", also Economie Suisse oder die Grosskonzerne, sondern selbständig Erwerbende oder Angestellte, die durch die Krise ihren Job verloren haben. Sollten deren, teils existentiellen Ängste angesichts weiterer Schliessungen wirklich nichts zählen dürfen?

Natürlich sollten diese Bedenken eine Rolle spielen! Allerdings ist es mittlerweile klar, dass tiefe Fallzahlen auch besser für die Wirtschaft sind. Natürlich muss man die Geschäfte & Arbeitnehmer voll entschädigen - welches Land ist dazu besser in der Lage, als die Schweiz?

Dies besonders in Anbetracht dessen, das unser bürgerliches Parlament absehbarerweise keine finanzielle Unterstüzung zusichern möchte; wahrscheinlich wieder einmal unter dem Leitstern der Eigenverantwortung.

Meine Hoffnung ist, dass es jetzt vielleicht dem einen oder anderen dämmert, dass diese bürgerliche Lobbypolitik in vielen Belangen eine einzige Katastrophe ist. Aber auch die sollten kapieren, dass es kostet. Es kostet weniger, wenn man rasch & entschlossen handelt. Kosten werden so oder so entstehen.

Ebenso falsch ist es jedoch, sämtliche KritikerInnen der Massnahmen in die verschwörungstheoretische Ecke zu stellen.

Ernstgemeinte Kritik höre ich hauptsächlich von seriösen Menschen. Und die ist dort ziemlich unisono, dass die Massnahmen zu lasch sind. Massnahmenkritiker, wie Sie sie vermutlich meinen, habe ich persönlich fast immer aus dem Verschwörungstheoretischen Umfeld wahrgenommen. Beispiel AfD: im Frühling laut nach Lockdown geschrien, jetzt alles an Massnahmen kritisieren. Oder die Bill-Gates-Fraktion.

Es steht ausser Frage, dass eine Diktatur wie China diese Problem weitaus einfacher und effizienter lösen kann als eine (defekte) Demokratie wie die USA.

Auch die Schweiz könnte mit dem Problem gut umgehen, wenn die Kontrolle bei einem vernünftig handelnden Bundesrat geblieben wäre. Dass man um jeden Preis den Föderalismus durchsetzen musste, erweist sich jetzt rückblickend als fatal. Und nein, damit ist nicht der Föderalismus per se schlecht - aber in einer Krisensituation muss man halt Dinge koordinieren & schnell entscheiden.

Nichtsdestotrotz besteht für mich die Auflärung schlussendlich in einer rationalen Diskussion sämtlicher BürgerInnen, welche sich den schwierigen ethischen Fragen dieser Krise stellen sollte

Hier bin ich bedingt mit Ihnen einig. Man muss auch akzeptieren können, dass man halt nicht vom Fach ist und dementsprechend auf den wissenschaftlichen Konsens vertrauen muss.

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Herzlichen Dank für die ausführlichen Antworten! Ich bin natürlich im Grossen und Ganzen mit Ihnen einig. Mein Text war auch eher als Anregung gedacht, weniger als Lieferer von Antworten.

Natürlich sollten diese Bedenken eine Rolle spielen! Allerdings ist es mittlerweile klar, dass tiefe Fallzahlen auch besser für die Wirtschaft sind. Natürlich muss man die Geschäfte & Arbeitnehmer voll entschädigen - welches Land ist dazu besser in der Lage, als die Schweiz?

Das ist eben mein Punkt. Wer oder ist dann genau die Wirtschaft? Ist dies das BIP? BIP per capita? Die Familie Blocher? Der entlassene Arbeitnehmer, welcher nun keinen Job mehr findet und psychisch angeschlagen ist? Mich stören diese allgemeinen Begriffe einfach. Dasselbe gilt wie gesagt auch für die "Wissenschaft". Und eben bezüglich Parlamentsentscheiden bin ich leider nicht so optimistisch. Aber Sie haben vollkommen Recht, das die Folgen der Schliessungen in der reichen Schweiz besser als sonstwo abefedert werden könnten, gäbe es den Willen dazu.

Ernstgemeinte Kritik höre ich hauptsächlich von seriösen Menschen. Und die ist dort ziemlich unisono, dass die Massnahmen zu lasch sind. Massnahmenkritiker, wie Sie sie vermutlich meinen, habe ich persönlich fast immer aus dem Verschwörungstheoretischen Umfeld wahrgenommen. Beispiel AfD: im Frühling laut nach Lockdown geschrien, jetzt alles an Massnahmen kritisieren. Oder die Bill-Gates-Fraktion.

Ich habe Verwandte in Frankreich, die nur noch mit einem beglaubigten Schreiben auf die Strasse gehen durften, sonst war Ausgangssperre. Natürlich sind die Massnahmen im Hinblick auf die Fallzahlen, Hospitalisierungen etc. wohl zu lasch. Doch muss man auch die negativen Aspekte eines Lockdowns (psychologische Probleme, häusliche Gewalt, Home-Schooling von Kindern, das disproportionale Leiden der ärmeren Schichten, etc.) ebenso in Betracht ziehen und dies gut ausbalancieren.

Ich bin einfach nicht damit einverstanden, dass aus wissenschaftlichen Erkenntnissen zwingend Massnahmen folgen müssen. Dies ist nicht die Aufgabe der Wissenschaft. Natürlich sollen (oder müssen) sich die Wissenschaftler zu den Problemen (Covid, Klimawandel, etc.) äussern. Welche Massnahmen dann getroffen werden, müsste dann aber möglichst breit diskutiert werden. Was aber natürlich auch wiederum die Bereitschaft der BürgerInnen voraussetzen muss, wissenschaftliche Erkenntnisse in ihre Argumentationen aufzunehmen.

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Physiker und Klimablogger
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Die Dummheit der Mächtigen ist kein neues Phänomen. Im Jahr 1648 hat der schwedische Reichskanzler Axel Oxenstierna seinem Sohn folgende Worte mit auf den Weg geben: «Du ahnst nicht, mein Sohn, mit wie wenig Verstand die Welt regiert wird.» Dass gerade «The Economist» den Regierungen vorwirft, exponentielles Wachstum nicht verstanden zu haben, ist aber schon etwas speziell. Wer dies verstände, käme nämlich sofort zum Schluss, dass unbegrenztes Wirtschaftswachstum unmöglich ist. Man kann den gesunden Menschenverstand nicht aus einem Bereich der Gesellschaft bannen und diesen in anderen Bereichen einfordern. Die «Mutter aller Lügen» unserer Gesellschaft ist das Wirtschaftswachstum. Die dafür erforderliche Hirnwäsche der Bevölkerung hat eine grossen Kollateralschaden verursacht.

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Richtig, die Aufklärung ist ein wichtiger Grundfaktor für unsere modernen Gesellschaften, aber sie erhält sich nicht einfach von selbst, es gilt ihre Grundlagen immer weiter zu vermitteln, jeder neuen Generation. Es wurde wohl einfach zu bequem in den letzten ein, zwei Generationen und so stellt sich Dekadenz ein: Der Versuch, diese anstrengende Denkarbeit zu vermeiden und statt dessen möglichst nur noch dem unmittelbaren Vergnügen zu frönen. Da kommen dann tatsächlich in gestandenen Demokratien die Dümmsten bis ganz nach oben. Vor knapp 40 Jahren warnte Neil Postman "Wir amüsieren uns zu Tode", vor allem die USA - in einem damals von progressiver Seite unverstandenen kritischen Aufsatz vor allem über die Seichtheit von US-TV-Medien. Am Anfang der neoliberalen Phase und selber ein eher Konservativer, war er als "Ewiggestriger" wahrgenommen. Aber es fand mitten in der noch jungen Bildungsrevolution der untersten Schichten schleichend eine tatsächliche zunehmende "Verblödung" statt. Zuviel gründet in den USA auf "Privat".
Die Wirkung der Massnahmen zur Gleichheit in der Gesellschaft, die nach dem 2. Weltkrieg überall wichtig war und in die Institutionen eingebaut wurde, in Form von mehr Steuergerechtigkeit, usw., liess nach. Jetzt erhielt der Lauteste und Schrillste am meisten Aufmerksamkeit, und die war seit dem Öffnen der Privatmedien nun denen mit dem meisten Geld gesichert. Nur wer akademisch gebildet war, rümpfte die Nase. Und begann sich elitär zu benehmen. Hielten dem Zeitgeist des nun ins absurde kippenden Kapitals aber auch nicht viel als schöne Worte entgegen. Die eigenen Kinder sollten trotzdem an die besten (Privat)schulen und Unis. In Europa läuft es etwas dezenter, aber auch immer nur in Abstufung zur USA. Die "einfachen Leute " wurden mit immer mehr geistigem Schrott gefüttert. "Trash" schwappte über nach Europa und in die ganze Welt.
So drifteten in westlichen Ländern vielerorts die Gesellschaften auseinander. Knapp mit Wohlstand zusammengehalten. Der überbordete langsam in Dekadenz, alles in Massen und billig produziert, auf Kosten von Klima, Umwelt und Lebewesen. Vernunft war nur noch "Spasskiller". Katastrophen kommen aber immer irgendwann, wir sind nicht im Paradies.
Covid-19 ist etwas, das im grossen Weltenlauf völlig "normal" ist. Trump ist in seiner Dummheit nur die Konsequenz von dieser Entwicklung, wir haben uns fast "zu Tode amüsiert". Jetzt ist es für uns wohlstandsverwöhnte Menschen einfach besonders hart, "vernünftig" zu handeln, bis hin zur Politik. Tja, alles hat seinen Preis. Für die Grosselterngeneration ist es im Übrigen viel weniger schlimm, sich einzuschränken, die haben noch die Krieg-und Nachkriegszeit und die bescheidenen Verhältnisse bis in die 70er erlebt, es war etwas völlig Normales, (auch für mich). 50 Jahre später steht "die Vernunft" mit viel grösseren Freiheiten auch den kleinen Leuten zur Verfügung, aber die Gemengelage hat sich geändert: Es ist kurz vor einem grossen Rückfall in feudale Verhältnisse: Die Reicheren überleben mit den übrig gebliebenen (natürlichen) Ressourcen und dem anghäuften Reichtum durch ungerechte und nicht nachhaltige Gesetze. Unruhen sind die Folge. Demokratien sind auf die harte Probe gestellt.
Ich denke, den Test werden wir aber (mehr oder weniger gut) bestehen, es gibt ja Schritte in Richtung mehr Vernunft: Klimaproteste, Trumps Abwahl. Langsamer Niedergang der Populisten. Niemand will wirklich zurück in die Zeit vor der Aufklärung. Auch Reiche wollen keine Unruhen, sie sind nicht "schlechtere Menschen", nur Profiteure von Privilegien und günstigen Gelegenheiten, reich zu werden. Gelegenheiten, die ihnen mit Gesetzen in den letzten 40 Jahren gegeben wurden. Die kann man demokratisch ändern. Das ist "angewandte Vernunft".
Die Menschen sind psychologisch alle zum Guten wie zum Schlechten fähig, das kann auch der Wille zur Vernunft nicht ändern. Das wird immer so bleiben und ist der Kern des Menschlichen.
Sorry, etwas langer Text....

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Der Text ist vielleicht etwas lang, mir gefällt er sehr gut, merci!

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Danke einewäg!;-)

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Advocatus diaboli
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Binswangers Kolumne gehört mitunter zur deprimierendsten Lektüre am Wochenende, weil ich sie als relativ einsame Stimme in der Medienlandschaft wahrnehme. Von der Politik ganz zu schweigen. Dass beispielsweise Ueli Maurer, diesem Ausbund an Ignoranz und Selbstgefälligkeit, auch noch ein Ständchen gesungen wird, ist für mich der Gipfel der Obszönität.

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Was an “Corona, wir werden alle sterben” und “Putin ist an allem schuld” ist “einsam”? Diese Aussagen kann man in der gesamten Medienlandschaft rauf und runter hören. Ihr Neuigkeitswert beträgt Null.

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Advocatus diaboli
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Binswanger hat zwar weder “Corona, wir werden alle sterben” noch “Putin ist an allem schuld” geschrieben, aber wenn man nur das lesen will, wird er es wohl auch so geschrieben haben. Es geht in seiner Kolumne auch gar nicht um den Neuigkeitswert, denn er mahnt in der Tat schon seit Monaten mit denselben Aussagen. Vielleicht lesen Sie seine Kolumne einfach nochmals möglichst unvoreingenommen durch. Schönen Tach noch und bleiben Sie freundlich.

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Ja die Kolumnen von Herr Binswanger sind deprimierend, aber er ist einer der wenigen Journalisten der hinschaut und dafür danke ich ihm von Herzen. Hinschauen und der Realität ins Gesicht blicken schmerzt, viel mehr schmerzen mich die ignoranten Menschen (auch in der eigenen Verwandtschaft) bei denen man an eine Wand zu reden scheint. Ich höre von vielen Leuten, dass sie nichts mehr von der Pandemie hören wollen und nichts mehr darüber lesen. Ob aus Ignoranz, Arroganz oder Überforderung weiss ich auch nicht... Drum hab ich es langsam aufgegeben mit diesen Leuten darüber zu sprechen. Wenn man immer ignoriert wird kostet das viel Energie. Hoffen wir es geht der Wissenschaft nicht auch bald die Energie aus zu warnen. Hoffen wir es tritt im Januar nicht das grosse Elend ein und hoffen wir unsere Regierung wacht endlich aus ihrem Schlaf-Ignoranz-Modus auf. Aber mit Hoffen wird es leider nicht getan sein. Nur hinschauen und handeln hilft! Zitat von Friedrich von Logau „In Gefahr und grösster Not bringt der Mittelweg den Tod“

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“Die Wissenschaft” warnt nicht. Sie sammelt Fakten, stellt Theorien auf, hält sie gegen die Evidenz, versucht, die Natur zu verstehen, und das Kulturwesen Mensch. Ihr Mittel ist die Analyse.

Das geht bei der Corona-Story schlecht. Sowohl in Deutschland wie auch in der Schweiz werden regelmässige repräsentative Stichproben in Form von Kohortenstudien verweigert, obwohl diese unerlässlich sind zur Analyse der Ausbreitung der untersuchten Krankheit. Stattdessen wird allenthalben mit mehr oder minder aussagelosen “Fallzahlen” hantiert – ein Begriff, bei dem sich bei jedem Statistiker die Nackenhaare aufstellen dürften. Das BAG zeigt sich hier so inkompetent wie das deutsche RKI, und beide über viele Monate unbelehrbar.

Ohne sinnvolle Faktenbasis jedoch hängt jede epidemologische Bewertung in der Luft, den die Epidemologie ist eine statistische Wissenschaft. Das ist der Grund, weshalb man immer nur “Expertenmeinungen” und emotionalisierende Berichte über Einzelfälle bekommt. Es bleiben Meinungen, müssen solange Meinungen bleiben, bis die Arbeitsverweigerung von BAG und RKI aufhört, und die Behörden endlich ihren Job machen.

Wenigstens medizinisch, also aus der Sichtweise der Heilkunst heraus, sieht's nicht mehr völlig düster aus. Zwar ist die Geschichte einer in Rekordzeit entwickelten und mit einem “rollierenden Verfahren” zugelassenen Impfung wenig glaubwürdig, jedoch gibt es sowohl präventive wie auch Behandlungsmöglichkeiten, die eine gute Wirkung bei COVID-19 zeigen. Man denke an Ivermectin oder HCQ, oder in der Prophylaxe auch an Vitamin D.

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Lieber Herr Birk, in Ihrem Fall ist das Problem wohl vor allem die Selbstüberschätzung. Nennt sich "Self-Enhancement". Tut einem selber kurzfristig sehr gut, macht einem vom mittelmässigen Denker zum Genie. Ohne grosse Anstrengung. Ist aber auch nicht die Lösung der Weltprobleme.

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Kuno Schedler
Professor HSG
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Wir können unser politisches System nicht situativ ändern. „Die Politik“ dafür zu verunglimpfen, wenn Entscheidungen in diesem Land pluralistisch - d.h. unter Berücksichtigung auch anderer als epidemiologischer Aspekte und Meinungen - gefällt werden, halte ich für wenig zielführend. Wir wären alle schockiert, wenn sich eine Politikerin oder ein Politiker plötzlich diktatorisch aufführte ... und in dem Fall wäre eine Schelte gerechtfertigt. Wir sind weit von Perfektion entfernt, aber das Blaming-Spiel ist zu simpel.

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Leo Huwyler
Pensioniert
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Wir müssten unser politisches System auch nicht ändern. Das Epidemiegesetz sieht für eine solche bedrohliche Lage die Führung durch den Bund vor. Es hätte schon geholfen, wenn die Führung bis zum Ende der Pandemie dort geblieben wäre.

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Ja, aber ich frage mich die ganze Zeit, wozu wir eigentlich ein demokratisch eingesetztes Epidemiegesetz haben- vor noch nicht allzu langer Zeit deutlich vom Volk angenommen. Dort sind die Fahrpläne für solche Situationen klar formuliert. Dikatorisch ist überhaupt kein Thema, es geht um Lead.

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M.E.sagt DB zu Recht: «Und wir wissen, dass die Schweiz in die Gruppe der zynischsten und jämmerlichsten Versager gehört.» Mir scheint eine der Grundfragen für die Beurteilung der verantwortlichen Versager zu sein: hielten sie sich an das vom Volk demokratisch bestimmte EpG, z.B. «den SCHUTZ DES MENSCHEN»? (Gesetz:
«Art. 1 Gegenstand Dieses Gesetz regelt den Schutz des Menschen vor übertragbaren Krankheiten und sieht die dazu nötigen Massnahmen vor. Art. 2 Zweck 1 Dieses Gesetz bezweckt, den Ausbruch und die Verbreitung übertragbarer Krankheiten zu verhüten und zu bekämpfen....» Solange des EpG nicht in Revision ist, gilt es als Volkswille und die Verantwortungträger sind daran zu messen: Regierung, Parlament, Wirtschaft, auch die Epidemiologen hätten sich stetig darauf berufen müssen.
Helfen sie mir, es zu beurteilen! Haben sie es getan? (nach meiner Erfahrung: sehr selten). Wenn nicht: warum? Was ist los mit einem Land das 2016 ein Gesetz annimmt, das in einer epidemischen "Jahrhundertkrise" nicht jedem Bewohner des Landes
geläufig ist und von ihm getragen wird? Wer kennt das EpG,wer unterzieht sich ihm?
Meine (vorläufige) Antwort: unlösbarer Widerspruch zw. Gesetz und sog. Freiheit (von manchen Kommentatoren als neoliberale Freiheit bezeichnet)
Anzahl Tote=offensichtlich zu wenig geschützte Menschen.

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kurzgesagt die Quittung zweier Jahrzehnte Neoliberalismus

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Die Schweiz – das Land, in dem der «Privatgebrauch der Vernunft» deren «öffentlichen Gebrauch» dominiert

Mir scheint, in dieser Debatte, besonders im Votum von U. B., wird eine der Pointen des Kant’schen Aufklärungsgedanken übersehen, wohl auch weil Daniel Binswanger sie nicht herausgearbeitet hat, obschon sie für die Diagnose des spezifisch schweizerischen Umgangs mit der Coronakrise zentral sein könnte. Es ging Kant im damaligen gesellschaftlichen und politischen Kontext nicht zuletzt darum, das aufgeklärte Verhältnis zwischen «privatem» und «öffentlichem» Vernunftgebrauch zu bestimmen und es auf zwei verschiedene Rollen zu beziehen, die notabene jeder Bürger einnehmen kann und soll: «Den Privatgebrauch nenne ich denjenigen, den er in einem gewissen ihm anvertrauten bürgerlichen Posten, oder Amte, von seiner Vernunft machen darf (…) zu manchen Geschäften (…). Hier ist es nun freilich nicht erlaubt, zu räsonnieren, sondern man muss gehorchen.» Es geht da um die Erfüllung einer Aufgabe in einer hierarchisch organisierten Organisation, wie es für die Berufswelt typisch ist. Die hier relevante Vernunft ist die «öfters sehr eng eingeschränkte» Erfolgsrationalität der Verwirklichung privater Zwecke – in der Privatwirtschaft der Zwecke des Arbeitgebers oder des Bourgeois, wie schon Kant (und nicht etwa erst Marx) die Ausprägung des primär rentabilitätsorientierten Besitzbürgers an anderer Stelle (im Text «Über den Gemeinspruch ….» bezeichnet. Ausserhalb dieser (modernerweise durch freie Unterzeichnung eines kündbaren Arbeitsvertrag übernommenen) Verpflichtung in der Arbeitswelt und über sie hinaus aber ist der Bürger stets auch Citoyen. Und als solcher geniesst er die «uneingeschränkte Freiheit, sich seiner eigenen Vernunft zu bedienen und in seiner eigenen Person zu sprechen». In dieser Sphäre des «öffentlichen Vernunftgebrauch» nimmt jeder Citoyen «als Gelehrter (…)» teil an der ideellen (!) Gelehrtenrepublik – zu verstehen als vernunftgeleiteter Diskurs von Bürgern, die als Citoyens ihre privaten Interessen der öffentlichen Vernunft unterzuordnen vermögen.

Dieses Postulat war in der vordemokratischen Monarchie Preussens allerdings brisant und damit für Kant nicht ungefährlich. Um mit dem Anspruch der Souveränität freier Bürger und ihrer öffentlichen Deliberation über alle politischen Fragen nicht unmittelbar die Autorität von Friedrich dem Grossen herauszufordern, schränkte er das Postulat – in Klammern! – durch den von U. B. zitierten Satz ein: «Nur ein einziger Herr in der Welt sagt: räsonniert so viel ihr wollt und worüber ihr wollt, aber gehorcht!» Nicht ohne im übernächsten Satz klarzustellen: «Ich antworte: der öffentliche Gebrauch seiner Vernunft muss jederzeit frei sein, und der allein kann Aufklärung unter den Menschen zu Stande bringen.»

Wesentlich ist in diesem zeitbedingten Kontext, dass Kant die private Erfolgslogik in die Schranken des vorrangigen öffentlichen Interesses oder Gemeinwohls verweist. Diese gedankliche Ordnung der Dinge ist nichts anderes als die Grundidee eines politischen oder genauer republikanischen Liberalismus, der sich nicht auf libertäres, d. h. privatistisch verkürztes (Erfolgs-) Denken reduzieren lässt.

So viel zu Kant. Und jetzt kommen wir zur Schweiz: In ihr ist die Dominanz der privatwirtschaftlichen Geschäftsrationalität wie kaum in einem anderen Land geradezu in die Institutionen der demokratischen Willensbildung eingebaut (beispielsweise in Form des Vernehmlassungsverfahrens zu Gesetzesentwürfen): Politik wird zumindest von den sogenannt «bürgerlichen» Parteien – die in Kants Terminologie genauer als «bourgeoise» Parteien bezeichnet werden müssten – zwar nicht immer, aber doch vorwiegend als die Fortsetzung des Geschäfts mit anderen Mitteln betrieben. Und so schlagen die gesellschaftlichen Eigentumsverhältnisse des Kapitalismus, von denen unten U. B. schreibt, unziemlich uneingeschränkt auf die realpolitische Debatte durch, statt dass umgekehrt die privaten Interessen durch die ideelle Gelehrtenrepublik aller Citoyens transparent gemacht, hinsichtlich ihrer Differenz zum öffentlichen Interesse wo nötig kritisiert und angemessen eingeordnet würden.

Die Lobbyisten der special interests verhalten sich in ihrer vorentschiedenen Orientierung an «eingeschränkten» Zwecken ganz im Kant’schen Sinn als «Amtsträger», womit sie objektiv und subjektiv nicht mehr uneingeschränkt zum öffentlichen Vernunftgebrauch fähig sind – oder mit Kant gesprochen: Die Vertreter privater Interessen können sich im politischen Diskurs nicht mehr «als Gelehrte» im Kant’schen Sinn einbringen. Es liegt psychologisch auf der Hand, dass sie unter ihren äusseren und inneren Rollenzwängen alles, was an Einsichten aus der «gelehrten» Welt des uneingeschränkten Vernunftgebrauchs, mithin auch der Wissenschaft, ihr Rollenverständnis und damit ihre Selbstachtung in Frage stellt, von vornherein abzuwehren versuchen. Am einfachsten erfolgt diese Abwehr, indem alle tatsächlich vorrangig von Sachverstand und Expertise bestimmten Botschaften ungeprüft denunziert werden, indem man auch sie als bloss interessenparteiliche Positionen oder «Expertenmeinungen» (Zitat D. Binswanger; alle anderen Zitate sind von Kant) abtut und so auf genau jene Ebene des «öfters sehr eingeschränkten Privatgebrauchs der Vernunft» herabzieht, auf der schweizerische Realpolitik dominant betrieben wird.

Schliessen wir so kurz vor dem Neujahr und im besonderen Hinblick auf den helvetischen Umgang mit der Coronakrise doch mit ein paar hoffnungsvollen Worten Kants: «Wenn denn nun gefragt wird: Leben wir jetzt in einem aufgeklärten Zeitalter? so ist die Antwort: Nein, aber wohl in einem Zeitalter der Aufklärung.» Nicht nur damals «das Zeitalter der Aufklärung oder das Jahrhundert Friedrichs», sondern auch wir als eidgenössische Citoyens haben da wohl noch Luft nach oben. Vielleicht wird der geistige Prozess durch Corona-Lerneffekte ja ein bisschen beschleunigt.

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Lieber Peter Ulrich, ganz herzlichen Dank für diesen Kommentar, der elaborierter und substanzreicher ist als der Artikel selber. Sie haben natürlich recht: Die Unterscheidung zwischen privatem und öffentlichem Gebrauch ist zentral. Allerdings wird der öffentliche Gebrauch ja am Modell des Gelehrten orientiert, was - wie Sie selber ebenfalls betonen - letztlich bedeutet, dass der öffentliche Gebrauch derjenige ist, der sich objektiver (transzendentaler) Wahrheit und universalisierbaren Werten verpflichtet weiss. Das ist es, was auch aufscheint in der Aussage der Kanzlerin, es gebe Fakten, zum Beispiel die Schwerkraft oder die Lichtgeschwindigkeit. Und das ist es, was das hypertrophe Wettbewerbsideal eines degenerierten (un-republikanischen) Liberalismus letztlich aus dem Blick verliert. Bei Hayek wir der Wettbewerb mindestens theoretisch noch als "Entdeckungsverfahren" betrachtet, also als ein Weg der Wahrheitsfindung über trial and error. Im heutigen Wirtschaftsliberalismus hat man immer mehr den Eindruck, die richtige "spontane" Ordnung könne nur der Anarchie der Privatinteressen entspringen (Sie bringen hier berechtigterweise das Stichwort Lobbyismus ins Spiel) und eine universelle Vernunft, bzw. ihr öffentlicher Gebrauch seien schlichtweg inexistent und zu diesem "Wettbewerb" die Antithese. Die Fetischisierung des Privatinteresses als einziges Mass der Vernunft führt nicht nur zur stupenden Experten-Feindlichkeit gewisser "liberaler" Eliten, deren Bildungs- und Wissensaffinität traditionellerweise doch eigentlich nie in Frage stand, sondern auch zu einer destruktiven Wirtschaftspolitik so genannt wirtschaftsnaher Kreise, die für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nicht mehr das geringste Verständnis oder Interesse aufbringen. Auch die immer wieder zu beobachtende, immer wieder verblüffende Leichtigkeit, mit der gutbürgerliche "liberale" Köpfe ganz plötzlich in den übelsten populistischen Irrationalismus abdriften, dürfte hier ihre Wurzel haben. Und ja, auch hier teile ich Ihre Analyse, diese Tendenzen machen sich in der liberalen und von den pouvoirs intermédiaires beherrschten Schweiz besonders stark bemerkbar und haben in der aktuellen Covid-Krise nun eine absolut fatale Rolle gespielt. Mit herzlichen Grüssen, DB

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Vielen Dank für diese Abrundung, lieber Daniel Binswanger! Bin damit natürlich ganz und gar einverstanden. Nächtlich grüssend, P. U.

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Sowohl in der Wissenschaft wie in der Politik fehlt es an Weisheit.
Angela Merkel, Emma Hodcroft, bald vielleicht auch Kamala Harris( u.A) lassen ein wenig hoffen.
Ist nicht Hoffnung der erste Schritt zur Veränderung?

Ausserdem: Spezieller Dank Daniel Binswanger für Ihre hochgeschätzten, grossartigen Beiträge während dieses ganze Jahr.

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Action Anthropologist
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Angela Merkel...
Ist das wirklich Ihr Ernst?
Aber macht nichts. Ich habe die Frau auch einmal mehr geschätzt, als sie während der Flüchtlingskrise sehr viel Herz und Durchsetzungsfähigkeit bewies.
Beides ist ihr aber in der Folge von ihrem Wahlvolk wieder gründlich ausgetreiben worden, so dass wir es heute wieder mit dem "Merkel'schen Pudding" zu tun haben, der schöne Sonntagspredigten hält, um dann werktags wieder das zu tun, was die dominanten Grosskonzerne von ihr verlangen.
Merkel ist am Ende ihrer Kanzelrschaft angekommen und ist selbst am Ende.
Wir können nur hoffen, dass jetzt nicht die AfD von diesem Ende profitieren wird.
Jedenfalls wird wohl wieder "die bessere Hälfte der GroKo", nämlich die SPD, abgestraft werden, während die "Verhinderer und Bremser" von der CDU/CSU nur leicht verlieren-, oder gar stabil bleiben dürften.
Und dann wird es wohl zu einer schwarz-grünen Koalition kommen.
Immerhin müssen die Grünen dann nicht mehr damit rechnen, dass sie "ausgemerkelt" werden, ohne Merkel...

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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· editiert

Vor gut einem Jahr war ich noch erstaunt als ich meine Brüder Angela Merkel loben hörte. Erst seit kurzem sehe ich das anders.
Sie könnten jedoch Recht haben mit Ihrer Meinung betreffende die Grosskonzernen.
Dank für den Hinweis.

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Informatik-Ingenieur und Ökonom
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Und wir wissen, dass die Schweiz in die Gruppe der zynischsten und jämmerlichsten Versager gehört.

Solche Sätze stören mich, denn sie blenden aus, warum wir anders Vorgegangen sind als andere Länder. Die Antwort ist nicht etwa Inkompetenz, sondern es ist eine Frage des Systems und der Werte.

Adrienne Fichter ist dieser Ursache in folgendem Tweet auf der Spur:

Das "Erfolgsmodell" Schweiz: Niemand kann zu viel Macht akkumulieren, niemand will und kann daher alleine regieren und verbindliche Entscheidungen treffen. Das Institutionengefüge verunmöglicht das. Gut in "Friedenszeiten", schlecht in Krisenzeiten.

https://twitter.com/adfichter/statu…9219996672

Deutlich kommt dies beispielsweise beim Datenschutz zum Vorschein. Hier geht es darum, den einzelnen vor einer abstrakten Gefahr der Machakkumulation durch Datensammler zu schützen. Viele asiatische Länder haben unzimperlich Namen und Adressen jedes Corona-Falls veröffentlicht, so dass Bürgerinnen und Bürger ein sehr genaues Bild der Gefahr hatten. Und wir sind nicht einmal bereit, die Bewegungsdaten der Swisscom für Contact Tracing zu nutzen. Schon die aus Datenschutz-Sicht hervorragend gemachte App hat eine politische Diskussion und starke Kritik von Datenschutz-Verfechtern wie Balthasar Glättli ausgelöst. Für mich nicht nachvollziehbar.

Insgesamt ist unser Wertesystem von einer tiefen Skepsis gegenüber zentral geplanter, kollektivistischer Politik geprägt. Das funktioniert schlecht, wenn Gefahren drohen, die nur durch ein solches Vorgehen gebannt werden können. Das ist bedauerlich. Trotzdem zögere ich damit, der Schweiz ein asiatisches Wertesystem zu wünschen. Wir müssen unseren eigenen Weg finden.

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Ich verstehe was sie meinen und stimme Ihnen zu, man muss den unterschiedlichen Systemen und Werten Rechnung tragen, und kann nicht die eine Strategie 1-1 übertragen.
Meiner Meinung nach trifft Daniel Binswangers Kritik aber auch auf die kantonale Ebene und dezentrale Politik zu. Ich glaube dass die Entscheidungen schwierig sind, vor allem wenn man sie so schnell treffen muss, aber wenn ich als in der Romandie Lebende sehe wie schlimm es werden musste bevor die Kantone reagiert haben und auf die Wissenschaft und Spitäler gehört haben, finde ich dass "Versagen" es schon ganz gut trifft.
Danke auf jeden Fall für Ihre gut beschriebene und bereichernde Perspektive.

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Auch ich hatte den Eindruck, dass Herr Binswanger demnächst nach dem starken und vernünftigen Mann ruft, der aufgrund von Experten richtig entscheidet und sich mit harter Hand durchsetzt. So ist die Schweiz aber nicht konstruiert.

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Es geht doch hier nicht darum einen Diktator herbeizuwünschen. Binswanger kritisiert zu Recht, dass unser Parlament aus Eitelkeit dem Bundesrat die Kompetenz zur Erlassung von klaren und einheitlichen Verhaltensregeln entzogen hat. Die Folge war das peinliche, inkompetente Gemenge von 26, teils widersprüchlichen, zeitlich versetzten Regularien, teils verbindlich, teils freiwillig, welche die jetzige Katastrophenstimmung massgeblich verursacht haben. Getoppt wurde das Ganze noch durch die jämmerlichen Bitten diverser Kantonalpolitiker um bundesrätliche Entscheidungen als klar wurde das die Kacke soeben durch den Ventilator fliegt.
Das Contact-Tracing wurde verschlampt, die Aufrüstung der Spitäler wurde verschlampt, und durch die unterschiedlichen Regeln wurde die dümmere Hälfte der Bevölkerung zum interkantonalen Tourismus ermuntert.
Das wäre alles viel einfacher und effizienter gegangen, hätte das Parlament den Lead des Bundesrates nicht abgewürgt, sondern die Massnahmen nach Epidemie- und Seuchengesetz einfach weiterlaufen lassen.
Ohne Gefahr zu laufen, einen Diktator ans Ruder zu winken. Denn wer sollte das denn sein, dieser starke Mann? Alain Berset? Ignazio Cassis? Guy Parmelin? Ueli Maurer? Oder gar Simonetta Sommaruga? Viola Amherd? Karin Keller-Sutter?
Den vom Gesamtparlament demokratisch gewählten Gesamtbundesrat kann ich mir nur schwerlich als Diktator vorstellen.

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Sachlicher und die Ereignisse einordnender Kommentar. Darauf und die Prinzipien der Aufklärung pflegend, behält Ernst Blochs "Prinzip Hoffnung" auch in der Zukunft seine Gültigkeit.

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Leo Huwyler
Pensioniert
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Wir müssten unser politisches System auch nicht ändern. Das Epidemiegesetz sieht für eine solche bedrohliche Lage die Führung durch den Bund vor. Es hätte schon geholfen, wenn die Führung bis zum Ende der Pandemie dort geblieben wäre. Und die Gefahr eines „Diktators“ ist bei unserem System mit kollegialen Exekutiven geschickterweise schon im Ansatz verhindert. Den „krankhaften“ Kantönligeist sehe ich auch als Versagen. La Suisse n’existe pas.

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Danke für dieses engagierte Plädoyer für das Projekt „Aufklärung“. Die Vernunft muss immer wieder neu erkämpft werden.
Michael Hampe hat in seinem Buch „Die Dritte Aufklärung“ folgende bedenkenswerten Worte geäussert:
„Alles hängt davon ab, wie wir uns an der Entwicklung der Welt beteiligen, inwieweit wir wagen, aufgeklärte Pragmatiker und nicht lediglich Diagnostiker und Beobachter zu sein, die sich einem pseudowissenschaftlichen Fatalismus ergeben“.
Da wirkt die zutreffende Beurteilung von Daniel Binswanger nicht gerade ermutigend:
„Und wir wissen, dass die Schweiz in die Gruppe der zynischsten und jämmerlichsten Versager gehört.“ Da gibt es nichts schönzureden. Das Versagen unseres politischen Wertesystems in Krisenzeiten ist offensichtlich.
Es geht meiner Meinung nach aber nicht darum, unser Wertesystem grundsätzlich in Frage zu stellen. Es geht vielmehr darum, für Krisensituationen ein Notfallszenario mit eindeutigen Prioritäten, kurzen Entscheidungswegen und klaren Kompetenzen zu entwickeln und dann auch anzuwenden.
Dafür braucht es aber einen entsprechenden politischen Willen. Von dem sehe ich im Moment leider nicht viel.
Und doch, wenn wir Hampes Aussage ernst nehmen: Geschichte ist nicht Schicksal, sie ist ein offener Prozess. Sie hängt von uns allen ab, von unserem Denken und Handeln in je unseren Grenzen und Möglichkeiten.

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Danke, Herr Binswanger. Ich schätze sehr, dass Sie in Ihren Artikeln den Bogen vom Internationalen zur Schweiz so exzellent schlagen können. Sie zeigen jede Woche auf, dass politische Tatsachen in der Schweiz nicht isoliert zu betrachten sind.

Ich meine, wir werden rückblickend sehen, dass das Jahr 2020 auch als grosse Beschleunigung von verschiedenen Trends, oder vielleicht auch einfach als Lupe auf schon passierende Tatsachen zu verstehen ist.

- Nicht-staatliche Akteure werden immer stärker: Internationale Handelsketten funktionieren weitestgehend - wir bekommen praktisch alles geliefert und können sogar einen globale Impfvertrieb problemlos meistern. Im Gegensatz dazu unterscheiden sich z.B. die behördlichen COVID-19 Massnahmen in Basel-Land und Basel-Stadt und können nicht abgestimmt werden.

- Internationalismus versagt: Internationale Zusammenarbeit und Austausch in allen Aspekten (ausser eben vielleicht im Handel) hat grossen Schaden genommen. Im Gegensatz dazu erlebt der Nationalismus Aufwind.

- Gedanken zu Public Health sind in der Schweiz wenig etabliert: Sich so verhalten, um die Gesundheit der Anderen zu schützen. Solche Gedanken sind in der Schweiz wenig verbreitet, und wurden auch wenig kommuniziert. Vielleicht werden auch die relevanten Akteure in der Schweiz (Swiss TPH, BAG...) zu wenig wahrgenommen, oder sind einfach zu wenig mächtig.

- Ungleichheit nimmt zu: Die wirtschaftliche Ungleichheit global und in Europa, gerade auch in der Schweiz, nimmt stark zu. Vergleichsweise privilegierte Personen können vom sicheren Zuhause arbeiten und schwadronier(t)en von "Zwischentönen" (J. Fehr, Regierungsrätin ZH), Entschlackung und Besinnung auf die Werte der Familie. Weniger privilegierte Personen mussten in dieser Zeit noch mehr Arbeiten, verloren Einkommen, ihren Job, ein Zuhause und oft auch ihre Liebsten.

Hier war ich als aktives SP-Mitglied, der gegen Ungleichheiten kämpfen will, von vielen links-grünen Kolleg*innen, ja sogar in der Familie von meinen Eltern enttäuscht. Scheinbar fühlen sich viele (v.a. privilegierte Boomer-Generation) doch wohl in dieser ungleichen Welt und praktizieren, vermutlich aus einer tiefen Statusangst heraus, teilweise sogar Obskurantismus.

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Es lohnt sich, über dieses Katastrophenjahr nachzudenken!

Wer im Corona-Jahr die Aussagen der Fachleute (Drosten, Eckerle etc.) und der Taskforce las, erfuhr immer, wie die Pandemie nach dem aktuellen Wissensstand weitergehen würde und welche Strategie dagegen hilft. Darum geht es ja bei Wissenschaft: Die Wirklichkeit verstehen.

Das Wissen um den jeweils richtigen Weg war also immer vorhanden.

Dieses Wissen setzt sich aber nicht durch, wenn die Schweiz sich ihre Meinung bildet.

Jede Gesellschaft hat ihre Orte, wo sie diskutiert und ihre Meinung bildet - ihre Foren und Marktplätze. Zeitungen, Radio, TV, Parlament, Youtube, Twitter.

Offensichtlich wird in diesen Foren belohnt,

  • wem Experten egal sind („Ich chume ned drus mit dem zügs“),

  • wer Komplexität leugnet („das exponentielle Wachstum ist vorbei“),

  • wer magisches Denken verbreitet („Das sind genmanipulierte Impfungen“).

In guten Zeiten ist das egal. Aber nicht in einer Jahrhundertkrise.

Dieses Jahr trennte sich in der Krise die Spreu vom Weizen. Die Spreu, das waren Politiker, die gewählt wurden, weil sie die Schuld auf andere schieben und weil sie Wissenschaft ablehnen. Und Hetzer, die - für ihre Meinungsmacht und zum Abzocken - die Leichtgläubigen mit einfachen Lügen irre machen.

Der Weizen, das sind die Fachleute und die, die sich bemühen, die Erkenntnisse dieser Wissenschaft zu verstehen. So wie die „Republik“.

Unsere Zukunft hängt davon ab, dass die Spreu weniger Einfluss bekommt. Die Errungenschaften der Aufklärung stehen auf dem Spiel.

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Interessant ist die Selektion der Fachleute. Wer das sagt, was die Corona-Erzählung sagt, ist ein Fachmann. Wer etwas anderes sagt, ist ein Verschwörungstheoretiker. Da kann er noch so viel wissenschaftliche Reputation über ein ganzes Leben angesammelt haben. Der “Wahrheit” zu widersprechen geht gar nicht mehr.

Fachleute werden also nicht durch ihre wissenschaftliche Reputation sondern durch die Konformität ihrer Aussagen bestimmt. Drosten: Fachmann. Bhakdi: Verschwörungstheoretiker. Wieler: Fachmann. Wordarg: Verschwörungstheoretiker.

Und dann gibt es ausgewiesene Fachleute, die ein richtiges Problem machen, denn sie verweigern sich einer der beiden Gruppen anzuschliessen, wie Matthias Schrappe. Ihre Kritik ist umso deutlicher. Ein Echo gibt es auf ihre Kritik hin jedoch keines.

Vielleicht, weil sie ins Schwarze trifft.

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Ja, jetzt geht es also ums Grundsätzliche. Super! Dafür ist ja dieser Kommentarbereich hier auch suuuper geeignet.
Ok, mir gefällt Binswangers Steilvorlage ins Grundsätzliche. Aber die Diskussion hier ist dazu verdammt in Spaltung und Streit zu führen. Also: Reisst euch am Riemen! Wir sind Republik-Leser, wir sind grundsätzlich nicht gegeneinander aufgestellt. Auch wenn jeder von uns (gerade nach Weihnachten) seine ganz starke Meinung hat.

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"Katastrophenjahr, Jahrhundertkrise". Ich hoffe, Sie loben den Tag nicht vor dem Abend. Denn mit der exponentiellen Klimakrise stehen uns noch 79 turbulente Jahre bevor.

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· editiert

Die "Kräfte des Obskurantismus" mit Vernunft bekämpfen geht nicht, denn dies gelingt nur mit den Mitteln innerhalb des Systems und Vernunft gehört da nicht dazu. Solange "Bad Actors" wie Murdoch für 'Lügen wider besseres Wissen' kapitalistisch belohnt werden, steht die "Qualität des Diskurs' " auf verlorenem Posten.
Mich interessiert im Moment der Widerspruch des Handelns von Individuen (zielgerichtet) und der Gesellschaft (irrlichternd, mäandernd, anarchistisch) und wie wir diesen überwinden könnten. Denn mit dem Klima wartet gleich noch ein Problem mit dem "Wesen des exponentiellen Wachstums".

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Zitat aus D.Kahnemann: Schnelles Denken, langsames Denken. (2011)
"Unser Gehirn ist nicht dafür ausgelegt, geringe Wahrscheinlichkeiten richtig einzuschätzen. Für Bewohner eines Planeten, dem möglicherweise Ereignisse bevorstehen, die bislang noch niemand erlebt hat, sind dies keine guten Neuigkeiten."
Das muss man wohl auch zu den unveränderlichen Wahrheiten, die die Kanzlerin benennt, hinzufügen.

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Ich habe ein wenig gegrübelt über Ihr Kahneman-Zitat und weiss nicht so recht, wie ich es deuten soll bzw. auf was sich die geringe Wahrscheinlichkeit bezieht. Auf die Pandemie, auf das individuelle Risiko zu erkranken bzw. zu sterben oder auf die Gefahr für die Gesellschaft bzw. der Überlastung des Gesundheitssystems? Dies alles sind ja sehr unterschiedlich hohe Wahrscheinlichkeiten bzw. Risiken.

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Weshalb Herr Binswanger mit einem solchen Unsinn wie der Nawalny-Story daherkommt, bleibt mir verschlossen.

Aufklärung wäre das Herausführen von Menschen aus deren selbstverschuldeten Unmündigkeit. Selbstverschuldet ist die Unmündigkeit, wenn man das Papageiengeplapper allerorts unreflektiert glaubt, statt den eigenen Verstand zu bemühen.

Das “gefährlichste Nervengift der Welt”, das seltsamerweise nie jemanden tötet, angewandt von den unfähigsten Geheimagenten, die seltsamerweise dann dadurch auch nicht selbst zu Tode kommen, wäre eine Möglichkeit für Anfänger, die gerade mit den ersten Überlegungen zum Verlassen der selbstverschuldeten Unmündigkeit beginnen.

Falls Nawalny noch zu kompliziert ist, empfehle ich die kleine Bana, das Twittermädchen aus Aleppo. Danach ist Nawalny bestimmt auch machbar. Sapere aude!

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Studi
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· editiert

Ich beisse mal.
Haben Sie den Text von bellingcat gelesen/gehört?
Woher stammen die Zweifel an der Echtheit der Aussagen?
Ist der ganze Text Fiktion oder nur Teile davon?
Wurde Navalny denn überhaupt vergiftet? Wenn nein, warum behauptet die Charité etwas anderes? Sci-Hub hier. Ist der Lancet jetzt auch dabei? "Cui bono?"
Dazu weiter: "According to the discharge report (von Omsk!), the patient presented comatose with hypersalivation and increased diaphoresis and was diagnosed to have respiratory failure, myoclonic status, disturbed carbohydrate metabolism, electrolyte disorders, and metabolic encephalopathy." Jedem, der einmal eine RS besucht hat, werden diese Symptome etwas sagen.

Ist das nicht auch ein "Russland nicht böse!"-Reflex, sozusagen ein Gegenteil dessen, was den anderen Lesern hier unterstellt wird?

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Wie glaubwürdig ist es denn, im Internet herumzugooglen und damit die Probleme der Welt zu lösen? Wie glaubwürdig ist es, wenn man dann rein zufällig immer das ergooglet bekommt, was die Finanziers hören wollen? Bellingcat ist selbst eine Farce, diese Organisation als Quelle verwenden zu wollen, journalistisch unverantwortlich.

Was mit dem Lieblingsnazi der NATO-Propaganda tatsächlich passiert ist, wird (wenn überhaupt) nicht leicht zu klären sein. Jetzt schon zum zweiten Mal in Folge mit einem Nowitschok-Opfer daher zu kommen, das sich kurze Zeit später seltsamerweise bester Gesundheit erfreut, ist absurd.

Gerne kann ich aber mal benennen, woran man erkennt, dass ein Ex-KGB-Offizier eine Person ermorden hat lassen: das Opfer ist tot.

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Schade gibt es (noch) keinen Impfstoff gegen antisoziales Verhalten, Ignoranz und Dummheit. Das Problem wäre dann nur noch, dass eine Vielzahl gar nicht merken würden, dass sie zu dieser Gruppierung gehören.

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Wer sollte den abschliessend beurteilen was dumm und was gescheit ist? Fragt man einen Neonazi sind die Linken dumm, inkompetent und verraten das Vaterland, fragt man einen Antifa-Aktivisten sind die Neonazis dumm, verblendet und eine Gefahr für die Gesellschaft.
Es kommt immer auf den Standpunkt an. Aus Sicht der Impfkritiker ist die grosse Masse der kritiklosen Impfbefürworter dumm und umgekehrt.
Fragt man mich, sind die bürgerlichen Politiker in ihrer Fixierung auf Monetarisierung von Allem und Jedem dumm und kurzsichtig, diese wiederum würden mich als realitätsfernen Träumer und unverbesserlichen Gutmenschen bezeichnen.
Geht ein Gläubiger durch die Natur, wird er in jeder der Millionen Symbiosen welche man dort beobachten, kann den Beweis für die Existenz Gottes erkennen, während ich als Atheist damit für mich genau das Gegenteil ableite, weil ich diese Dinge als Anpassungs-Vorgang wahrnehme und nicht als Schöpfungsakt.
Es gibt nun mal diese Differenzen die Welt wahrzunehmen, die gab es schon immer. Es gab Zeiten und es gibt Orte, wo diese Differenzen in Ermordung und Vertreibung von Andersdenkenden münden.
In einer Demokratie hat man sich geeinigt, dass die Mehrheit bestimmt welche Sicht man höher gewichten will, ohne deswegen der Minderheit Gewalt anzutun.
Das eigentliche Problem ist, dass wir gerade dabei sind zu vergessen, dass Meinungsfreiheit nicht bedeutet, dass alle Meinungen von Minderheiten zum Verschwinden zu bringen sind, sondern, dass sich die zu ergreifenden Massnahmen an der Mehrheitsmeinung orientieren sollen.
Das vergessen natürlich auch, und vor allem die 'Querdenker', mit ihrer kindischen Verweigerungshaltung gegen reine Anstandsdinge, wie das Tragen einer Gesichtsmaske. Aber auch die Mehrheit ist wenig tolerant, und die verächtlichen Kommentare mit welchen die teilweise durchaus berechtigten Kritiker abgekanzelt werden, sind kaum von den vor Selbstgefälligkeit triefenden, Äusserungen der mittelalterlichen Inquisitoren gegenüber den Häretikern, zu unterscheiden.

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Danke für Ihre Antwort. So ausführlich wäre sie nicht nötig gewesen. Darum wird es auch nie einen derartigen Impfstoff geben. Ich hoffe nur, dass in Zukunft die Vulnerablen und diejenigen welche die Massnahmen tragen und sich impfen lassen, zurück in eine gewisse Normalität können. Die anderen, Leugner Verweigerer etc. sollten dann zu Hause bleiben, wenn ein Impfpass fürs Reisen, kulturelle und sportliche Veranstaltungen etc. verlangt wird.
So würden die Antisozialen auch erfahren wie sich das anfühlt.

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Eine Art „Impfung“ gegen antisoziales Verhalten gibt es doch schon: das chinesische Sozialkreditsystem! Das hat sogar den Vorteil, dass man jederzeit anpassen kann, was sozial und was antisozial ist. Dazu braucht es noch nicht mal, wie in 1984, ein Heer von Parteisoldaten, das die Vergangenheit mühsam umschreibt. Gegen Ignoranz und Dummheit hilft es allerdings nicht.

Polemik beiseite! Ich weiss, so haben Sie es nicht gemeint. Aber das kam mir dazu in den Sinn.

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Lieber Herr Binswanger,
Sie reden mir dermassen aus der Seele, dass es schon fast keinen Namen mehr hat ...
Danke dafür!
Schade, dass ihre mahnenden Worte nicht bis in die innersten Kammern der "Ochsenscheune" in Bern dringen, bzw. gehört werden wollen. Es läuft mir gerade in diesem Jahr mit beängstigender regelmässigkeit kalt den Rücken runter, wenn man sich dem Mechanismus gewahr wird, nach dem unsere Krisenpolitik funktioniert: das richtige und erwiesenermassen funktionierende Handeln vom Frühjahr wird nach und nach durch eine kurzsichtige und angsterfüllte "Füfi u Weggli"-Politik bis zur Unkenntlichkeit verzerrt, die den Bückling vor dem Kampfgeschrei der (Eigen-)Interessenvertreter und Lobbyisten macht und dabei offenbart, dass sie nicht mal mehr in der Lage ist, eine simple "Miuchbüechlirächnig" zu machen, was denn nun das grössere Übel sei.
Offenbar lieber ein "Schrecken ohne Ende" im monatelangen Massnahmen- und Regulationschaos, dabei alle noch verbliebene Glaubwürdigkeit verspielend, währendessen jeden Tag Menschen elendiglich ersticken und nebenbei verheizen wir rücksichtslos unser Gesundheistpersonal.
Anstatt ein "Ende mit Schrecken" anzustreben: einen vergleichsweise kurzen aber harte Lockdown zu verhängen und endlich auf die Zielgerade einbiegen zu können, den Impfstoff als nahenden Messias wissend...
Offenbar sind Optionen zum "Rausreden" im Nachgang wichtiger ("aber wir haben doch das und dort umd überhaupt jenes gemacht..."), als Optionen in Form von niedrigen Fallzahlen, geringen Todeszahlen und einem Gesundheitssystem zu haben, das "nur normal" belastet ist, zu haben...

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Lieber Herr Zbinden, schade dass Ihren Beitrag schwer zu finden ist. Für mich ist er wertvoll weil wahr. Danke!

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Auch Ihre Zeilen bringen es genau auf den Punkt. Unser föderalistisches System hat versagt. Dies sollte uns nachhaltig zum Denken anregen.

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Ich sehe woraus sie hinauswollen und bin mit ihrer Überlegung grundsätzlich einverstanden: die Schweiz muss von ihrem hohen moralischen Sockel herunter und dringend über die Bücher - nicht erst seit Corona.
Persönlich würde es nicht generell dem Föderalismus "in die Schuhe schieben", da dieser ja erfahrungsgemäss auch gute Seiten hat. Meiner Meinung nach ist der Föderalismus in Krisenzeiten ehrer zusätzlicher Widerstand/Reibungsverlust zu den grundsätzlichen Problemen, wie z.B. der unverhältnismässig grosse Einfluss durch "Experten" aus dem Lobbyismus-Rudel, die nicht das grosse Ganze im Sinn haben und subjektive, teils von zweifelhafter Moral getriebene Interessen vertreten.
Dies ist ja schon länger bekannt und in meinen Augen einer der Hauptantriebe in diesem morschen Getriebe...
Hier müsste konsequent ein Riegel vorgeschoben werden - ganz unabhängig von Krisen

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Kritiker
·

Wer Kants berühmte Schrift zitiert, sollte sie auch lesen, und die Lektüre nicht bloss auf den berühmten ersten Satz beschränken. Und was lesen wir da? Da bezieht sich Kant in seinem berüchtigt verschwurbelten Stil auf die Frauen als "Hausvieh". Den öffentlichen Gebrauch der Vernunft gesteht Kant bloss den Gelehrten zu, mitnichten einer öffentlichen Meinung, die es zu seiner Zeit gar nicht gab. Mehrmals in diesem Text bezieht sich Kant bewundernd auf Friedrich den Grossen, einen der schlimmsten Menschenschinder des Absolutismus, zitiert ihn gar kniefällig mit einem seiner berüchtigten Bonmots: "Räsonniert, soviel ihr wollt, und worüber ihr wollt; nur gehorcht!"
Die Katze lässt Kant übrigens in einer anderen kleinen Schrift aus dem Sack, nämlich in der "Idee zu einer allgemeinen Geschichte in weltbürgerlicher Absicht." Ziel der Geschichte wie der Natur, und mithin auch der Aufklärung, ist die Errichtung der bürgerlichen Gesellschaft, will sagen des Kapitalismus. Dessen Krise die Mutter aller Krisen ist, die Binswanger im Rest seines Textes Revue passieren lässt. Diesen Bezug liefert Herr Binswanger allerdings nicht!
Wer sich auf die Aufklärung bezieht, sollte die "Dialektik der Aufklärung" zumindest zur Kenntnis genommen haben. Sollte verstanden haben, dass die Gegenaufklärung zur Aufklärung gehört wie der Schatten zum Licht. Die Aufklärung war letztlich nicht mehr als die Propagandavorhut des bürgerlichen Systems, und ihr Kern, die berühmte bürgerliche Freiheit, nicht mehr als "Einsicht in [die] Notwendigkeit" ebendieses Systems.
Geschenkt, dass sich Frau Merkel ohne Abstriche auf die Aufklärung bezieht. Schliesslich ist sie Politikerin. Wer jedoch Aufklärung zu seinem Beruf gemacht hat, sollte auch leisten, was das impliziert, nämlich Kritik an den bestehenden Verhältnissen, und die schliesst Kritik an der Aufklärung notwendig mit ein!

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Lieber Herr B., dass Sie mit Heftigkeit auf die Dialektik der Aufklärung hinweisen, sei Ihnen unbenommen. Wenn Sie es unverzeihlich finden, dass Kant 1784 die Fehlentwicklung der bürgerlichen Gesellschaft nicht vollständig antizipiert hat, will ich ihnen gerne auch diesen heiligen Zorn überlassen, aber doch darauf hinweisen, dass Kant beim Ko-Autor der "Dialektik der Aufklärung" eine sehr viel differenziertere Beurteilung fand - insbesondere die dritte Kritik, deren Paragraphen über den sensus communis im Übrigen zu den Kerndokumenten einer Hermeneutik des öffentlichen Gebrauchs der Vernunft zählen. Dass es bei Kant schockierende antifeministische und rassistische Äusserungen gibt, dass wir deren Existenz sehr ernst nehmen sollten - geschenkt. Allerdings täten Sie da besser daran, die Anthropologie zur Hand zu nehmen, als das "Hausvieh" aus "Was ist Aufklärung?" zu zitieren, eine Formel, die Kant hier ganz eindeutig ironisch auf die Haltung derer münzt, welche Frauen den Vernunftgebrauch nicht zutrauen - eine Haltung, die Kant selber explizit zurückweist. Kurz: Ihrem Appell, die Texte wirklich zu lesen - historische Schriften und heutige Zeitungsartikel-, kann ich mich in aller Form nur anschliessen. Herzlich, DB

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Kritiker
·

Lieber Herr Binswanger
Ich habe mir die Anregung zu Herzen genommen und Ihren Text nochmals durchgelesen. Und bin prompt über ein weiteres meiner roten Tücher gestolpert, nämlich das in aufklärerischen Sonntagspredigten immer gern zitierte Wertefundament. Im Alltag hält man sich dann allerdings lieber an reale Werte, auch wenn die nur zu oft mit dem Wertefundament kollidieren. Das rationale Selberdenken der Aufklärer endete immer da, wo es mit dem bürgerlichen System in Konflikt zu geraten drohte. Das die Aufklärer bekanntlich als natürlich, daher als unangreifbar taxierten.
Und ich will gleich noch eine zweite Front aufmachen, auch wenn das in der gegenwärtigen Situation einer grassierenden Wissenschaftsfeindlichkeit nicht eben opportun erscheint. Jedenfalls sind die Wissenschaften keineswegs so wertfrei, wie das die Aufklärer damals glaubten (und manche Wissenschafter auch heute noch behaupten), sondern aufs engste mit dem bürgerlichen System verknüpft. Die berühmte bürgerliche Vernunft ist so leer, so formalistisch, dass sich mit ihrer Hilfe noch nicht einmal ein Argument gegen Mord konstruieren liesse. Ich habe keine Mühe mit wissenschaftlichen Erkenntnissen, etwa zur Virologie. Wogegen ich mich verwahre, ist ein unqualifizierter Wissenschaftsglauben, die Wissenschaften als der Religonsersatz, als der sie keineswegs qualifiziert sind. Was in der finalen Krise des bürgerlichen Systems ansteht, ist eine erneute geistige Revolution, wie die Aufklärung sie zu dessen Beginn darstellte. Die "Bewusstlose Objektivität" der Naturwissenschaften wird uns nicht retten. Unter diesem Titel hat der letztes Jahr verstorbene Mathematik-Professor Claus Peter Ortlieb einen bedenkenswerten Text publiziert.
Mit freundlichen Grüssen
U. B.

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Danke für den zumselberdenkenanregenden Artikel!
Für unser Gesundheitswesen wurde der erste Stein der öffentlichen Diskurses geworfen. Kostbare Feldforschung, wenn Ärzteschaft und Pflegenden eine Stimme gegeben wird. So dürfen wir hören und lesen, was vor Ort geschieht und wie die Ereignisse erlebt werden von den Betroffenen. Mit diesem Einblick in die angewandte Patientenversorgung könnte in der Zukunft ein gepflegter öffentlicher Trialog entstehen. Selbstverständlich anstelle der ständigen Kostenabwälzungsthematik, die uns nicht unbedingt dort hin bringt wo wir hin wollen.

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Lieber Herr Binswanger, für Ihren herausragenden, enorm wichtigen Beitrag möchte ich Ihnen ganz besonders herzlich danken - damit haben Sie aus meiner Sicht wohl das brennendste Kernproblem unserer heutigen Gesellschaft zur Sprache gebracht und damit öffentlich diskutierbar gemacht.

Ich wünschte mir dabei so sehr, dass Ihre Artikel auch in ganz vielen anderen Medien zugänglich wären und so möglichst viele Menschen erreichen könnten. Denn Ihre mutigen, kompromisslosen Weckrufe bekommen ja gerade all diejenigen nicht zu hören, die am dringendsten aus ihrem geistigen Tiefschlaf gerissen und ‚aufgeklärt‘ werden müssten. Dies sage ich in meiner vielleicht naiven Hoffnung, dass es sich doch bei der Mehrheit lediglich um einen gewöhnlichen Schlaf voller irrationaler, absurden Träume handelt - und nicht, so hoffe ich, um ein geistiges Wachkoma, wo ja leider höchstens für einzelne Ausnahmen eine leise Hoffnung besteht, dass sie von dort je wieder zurück kommen.

Auch möchte ich Ihnen bei dieser Gelegenheit meinen ganz herzlichen Dank für jeden einzelnen Ihrer Artikel aussprechen - durch die ich mich wahrhaft begleitet fühle auf dem immer steiniger gewordenen Weg - von Woche zu Woche zu Woche. Für mich ist dieses Begleitet-Werden ein wichtiger, ermutigender Trost und eine kraftvolle Stütze in meinem täglichen Ringen darum, angesichts unserer heutigen Welt meinen Glauben an die Menschheit trotz allem aufrecht zu erhalten.

DANKE, lieber Herr Binswanger - DANKE, liebe Republik!

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Völlig einverstanden mit Binswanger. Ergänzend: Es gibt den Obskurantismus, dem entgegenzuhalten ist, auch im esoterischen links-grünen Spektrum.

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· editiert

"Symmetrie des Schreckens" oder "halte auch die anderer Backe hin". Ich bin immer wieder überrascht, wie man jedes Thema mit den eigentlich unabhängigen Zutaten Links und Grün und Esoterisch in einen giftig scheinenden Eintopf verwandeln kann.

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Die Wissenschaft hat das Problem, dass sie mehrheitlich von nicht Nicht-Wissenschaftlern beurteilt wird. Damit steht sie jedoch nicht alleine, das geht allen Denkdisziplinen so. Architekten und Lehrer kennen das schon länger, da reden alle "NichtInnen" ja schon seit Jahrzehnten mit. Dass sich jetzt viele "NichtInnen" auch auf dem Gebiet der Virologie eine eigene Meinung leisten wollen ist neu.

Weil dank des Internets die Verbreitung der eigenen Gedanken so kostengünstig geworden ist, sind wir jetzt mit der ungefilterten Demokratie konfrontiert. Deren Leistungsgrenzen so klar vor Augen geführt zu bekommen, ist ernüchternd.

Manchmal drängt sich Darwin in den Vordergrund: Wer mit seinen Ansichten zu Virus und Pandemie falsch liegt, der wird nach und nach aus dem Genpool verdrängt. Mit oder ohne Wissenschaft, mit oder ohne Internet, heute wie vor eintausend Jahren. Der geschickte Umgang mit Informationen ist heute, im darwinistischen Sinne, ein zentrales Element der "Fitness".

Ich bin ein Optimist ... wollte ich noch anfügen.

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In der Zeit der Aufklärung fand auch die französische Revolution statt!
Wir sind jetzt im 21. Jh., gehen in Lebensausschnitten drei Schritte vorwärts und in anderen vier Schritte rückwärts. Ich erhoffe mir, dass die Zereissprobe der Veränderung
von vielen, vor allem auch von denen, die unmittelbar Einfluss haben, ausgehalten wird und das sich Absetzen von der vorherrschenden Strömung und Machtausübung mutig und ohne Schwert fortgesetzt wird. Im Artikel in der Republik vom 22.12.20 "Wie weiblich ist die Revolution?" von Daniel Graf und Jana Nizovtseva (Proteste in Belarus) finden sich einige Gedanken dazu zum Weiterverfolgen.

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einer unter vielen
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· editiert

In nicht wenigen Kommentaren lese ich etwas wie "Danke, sie sprechen mir aus dem Herzen aber die Deppen da draussen wollens einfach nicht verstehen" und fühle förmlich ein weiteres Mal eine Grenze, um die es im Artikel geht und die ich (leider) auch selber gut kenne:

Schon dem Königsberger Philosophen war quälend bewusst, dass die Gründung von Universitäten und die Ausbildung von Wissenseliten als solche noch nicht den Kern des Aufklärungsprojektes bilden können.

Mir scheint, dass "die Qualität des öffentlichen Diskurses, der aufgeklärten Debatte, die alle Bürgerinnen erreichen muss" unter Corona auch deshalb besonders leidet, weil soziale Kontakte so eingeschränkt sind. Die wenigen Leute, die ich sporadisch noch treffe (so ziemlich alle mit Univergangenheit), teilen meine Meinung und in Foren wie diesen, wo sich die letzten Möglichkeiten zur Diskussion bieten, streiten sich Wissenseliten zwar über Textstellen bei Kant, aber sind doch eigentlich recht einheitlicher Meinung. Natürlich hätte ich beim Weihnachtsessen mit meiner Cousine nicht über PCRs oder Ökonomietheorien debattiert, aber für ein Gefühl, wo wer so steht, würde das schon reichen. Tatsächlich haben mich unerwartete Meinungsverschiebungen bei Leuten, die ich nicht mehr so regelmässig sehe, dieses Jahr schon echt vor den Kopf gestossen! Mich dünkt, die Isolation wirke als Brandbeschleuniger für krasse Ansichten oder Verhaltensweisen, die eben nicht durch einen alltäglichen Diskurs normalisiert werden können und das hat dann eben auch auf gesellschaftlicher Ebene gravierende Folgen. Denn wenn ich, um DAS Beispiel schlechthin zu bemühen, einen ausgelaugten Pfleger aus dem Freundeskreis regelmässig treffen würde, würden mich seine persönlichen Schilderungen massiv mehr beeindrucken, als die, die ich in der Zeitung so einfach ignorieren kann. Das hat dann für mich nichts mit Aufklärungstheorie zu tun, sondern mit Menschlichkeit und da greifen meines Erachtens der Artikel sowie die meisten Kommentare etwas zu kurz.

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Johanna Wunderle
Muttersprache NL
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Ja es geht um die Menschlichkeit. Rationales Denken ist unverzichtbar. Es braucht jedoch einiges mehr um integer, einfühlsam, klug und weise zu sein.

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Simon Bieri
Naturwissenschaftler
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Lieber Herr N.

Ich verstehe Ihren Gedankengang und teile die Meinung, dass Wirtschaftswachstum als Basis unserer Gesellschaftsordnung dringend durch ein suffizientes, sich am Gemeinwohl orientierendes Prinzip abgelöst werden muss, und zwar lieber bereits heute als übermorgen.

Wo sich bei mir etwas Widerstand regt: Wirtschaftswachstum ist nicht exponentiell, jedenfalls nicht in den saturierten Ökonomien der wohlhabenden Staaten. Und Krisen drücken ökonomische Kennzahlen für einige Zeit wieder nach unten.

Wichtig: Auch exponentielles Wachstum hat meines Wissens immer ein Ende, gerade in biologischen Systemen (lag-/log-/decline-Phase). Wenn ein Erreger sich so stark vermehrt und seine Wirte sehr stark dezimiert, löscht er sich damit selbst aus (natürliche Selbstregulation).

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Wirtschaftswachstum ist IMMER exponentiell. Die "natürliche Selbstregulation" findet regelmässig mit Krisen, Bankenpleiten und anderen Eruptionen statt.

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Simon Bieri
Naturwissenschaftler
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Das mag für bestimmte Phasen stimmen (bspw. China in den letzten Jahrzehnten). Da die Ressourcen endlich sind, sind uns IMMER natürliche Grenzen gesetzt. Wir spüren im reichen Westen noch nicht viel davon, weil wir mit Geld priviligierten Zugang zu Ressourcen erkaufen oder sogar gewaltsam erstreiten.
Das starke Wachstum der 1. Welt, der mit der Dampfmaschine Einzug hielt, beruht erwiesenermassen auf der Nutzung/Ausbeutung der Ressourcen, zuerst im Inland (bspw. Kohleabbau in GB), später dann in fernen Ländern (Kolonialisierung, Zugang zu (fossilen) Energieträgern, Bergbau).

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Physiker und Klimablogger
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Lieber Herr Bieri. Das müssen sie den Ökonomen erklären und nicht mir. Die Konjunkturforschungsstelle der ETH (KOF), die nachhaltigen Entwicklungsziele der UNO (SDG), und G20-Staaten gehen alle vom exponentiellen Wachstum aus. Seit 1975 ist die Weltwirtschaft um 3% jährlich gewachsen. Einige Gedanken dazu hier: https://nordborg.ch/2020/12/26/die-…ine-buhne/

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Gute Analyse. Bin weitgehend einverstanden. Freut mich, dass Sie diesmal nicht nur nach "rechts" schiessen, sondern rundum ! Die Rolle der Medien für dieses zunehmende Misstrauen gegenüber der Wissenschaft ist meines Erachtens wesentlich. Indem jede Pseudostudie von Boulevard-Medien hochgejubelt und zur Moralkeule gegen irgendwen (Fleischesser, Dieselfahrer, NGOs) missbraucht wird, wird das Vertrauen in die Wissenschaft gezielt untergraben. "Eine Studie zeigt ....". Leider reagieren die meisten Menschen dann nicht gegen diese Medien, sondern eben gegen jene, die "Studien" machen. Und die Politik, na ja, schauen wir uns doch nicht "die Politik", sondern die einzelnen "Politiker" an, die die gleichen Medien lesen.

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Kohärenzstifterin
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· editiert

Aufgeklärte Menschen.
Wenn ich genau hinschaue, verstehe ich fast nicht mehr, dass die recht grosse und ernstzunehmende Gruppe der Corona-Skeptikerinnen derart vehement ausgegrenzt wird. Druck erzeugt doch Gegendruck! Ich verstehe hingegen gut, wo die Crux dieser Bewegung liegt: Nehmen wir mal an, die "Verschwörer" gibt es tatsächlich, aber sie müssen sich gar nicht verschwören, ihr Interesse eint sie, und, eine Art Filz: die Hochfinanz, die Multis, die systemmelkenden grossen Profiteurinnen der wunderbaren Wirtschaft und Ausbeutung, die Trumps, Coninx, Murdochs... versuchen gleichzeitig mit letzter Anstrengung (ja was wäre denn sonst noch zu veranstalten? Noch mehr Aufräumkriege sind nicht mehr abendfüllend und allmählich zu teuer) und mit Hilfe von Lobbys und Regierungen, aus der Corona-Krise Profit zu schlagen, für den Shareholder value, also auch die Shareholder. Das sind unter anderen wir. Auch wir müssen uns gar nicht verschwören. Wer von unserem Wirtschaftssystem mindestens bis zur Krise 2008 ein wenig profitiert hat - also sogar Pensionierte, Versicherte, Kleinsparerinnen, Kleinaktionäre - muss doch besorgt darum sein, dass uns dieses erhalten bleibt, und nimmt die Fütterung der Multis in Kauf. Nimmt auch einen Chinese Lockdown in Kauf, oder wünscht ihn herbei. Es stösst nun die Existenzangst derer, die keine Assets haben auf die Verlustangst derer, die ein wenig Cash, etwas Gold, ein Hotel, einen Skilift, ein paar Aktien oder viele Aktien zu verlieren haben. Hinzu kommt die Angst um unsere Mitsprache, die errungene westliche Demokratie. Und die Angst vor dem Virus. Was für ein explosives Gebräu. Was für eine riesige Chance, das "Wir und sie" verbissen zu kultivieren. Selektiv konträr meinende Vertreterinnen "der Wissenschaft" oder die Vernunft anzurufen. Für mich gibt es nichts wichtigeres in Zeiten von Corona, als diese Spaltung zu überwinden. Denn das "Cui bono" liegt auf der Hand. Statt über Natur, Wesen und Wirken des Virus und um die Zweckmässigkeit der verschiedenen Corona-Massnahmen zu streiten, gäbe es eigentlich nichts Wichtigeres, als sich, gemeinsam und jede für sich, vom Bisherigen zu verabschieden. Fühlen statt Grübeln. Gemüse anbauen, Foodwaste verhindern, Kranke pflegen, Kindern ein liebevolles Zuhause geben. Empathisch sein zu Mensch und Tier, Eigentum an Bedürftige verschenken. Waldspaziergänge machen. Immunsystem stärken. Gute Gespräche statt Wortgefechte führen.

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Philippe Schmid
Petra Schmid
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Wer sich nach über 7000 Corona-Toten noch Corona-Skeptikerin nennt, verfolgt wohl schon irgendwelche Ziele. Die Suche nach Wahrheit oder das Überwinden der Spaltung zählt wohl eher nicht dazu.

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Irgendwelche alternative Fakten („recht grosse Gruppe, ernstzunehmende Skeptiker“) mit allgemein gültigen „gegen die Spaltung“-Aufrufen garnieren, ist ein gutes Rezept, um den alternativen Fakten einen seriösen Anstrich zu geben. Schwurbeln. Wahrer werden sie dadurch nicht. Die Corona-Leugner haben keine ernst zu nehmenden Argumente und sie sind eine kleine, aber medial gehypte und laute Minderheit. Wenn wir gegen die Spaltung vorgehen wollen, dann müssten wir uns darauf einigen, dass es eine Wahrheit gibt und diese gemeinsam suchen. Genau das tun die Leugner*innen nicht, sie lügen bewusst und verdrehen Fakten.

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Dass es nicht bloss die eine Wahrheit gibt, sollte sich doch mittlerweile auch in aufgeklärten Kreisen herumgesprochen haben.
Im Weiteren wäre ich eher vorsichtig der Gegenseite die alleinige Hoheit für Lügen und Verdrehen zuzuschreiben. Die Zahlen welche von offizieller Seite herumgereicht werden, sind auf jeden Fall auch nicht gerade über jeden Zweifel erhaben, und o Wunder, sie bekräftigen den offiziellen Kurs...

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Es basiert manches rund um das Corona-Virus aktuell „nur“ auf einem sehr breiten wissenschaftlichen Konsens darüber, was - mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit - der Fall ist und nicht auf (absolut betrachtet) „wahren“ Fakten. Deshalb gibt es - zumindest theoretisch und wie man aktuell sieht: tatsächlich auch praktisch - diverse Einflugschneisen für andere Überzeugungen. Bedauerlicherweise hat eine Gruppe dafür den ursprünglich ganz anders und im gesellschaftlichen Diskurs wertvollen, kreativen Begriff des «Querdenkens» für sich gekapert. Und leider nicht nur diesen ...

Je mehr die selbsternannten Querdenker die Vertrauenswürdigkeit der von einer grossen Mehrheit als „seriös“ anerkannten Informationsquellen, Experten und
Entscheidungsträger anzweifeln und in logischer Folge deren Informationen, Expertise und Massnahmen, umso so grösser sollte ihre Verantwortung sein, dies objektiv nachvollziehbar zu begründen. Das Gegenteil ist leider der Fall: sie behaupten, „eigentlich gültige“ Fakten zu kennen, leiten diese aber nur aus irrationalen
Zweifeln oder irrationalen Überzeugungen ab.

Letztlich kommt es darauf an, wem oder was ich in dieser Welt Vertrauen schenke. Einer der gefährlichsten Zerstörer dieses Vertrauensprinzips ist aktuell Donald Trump. Er schafft bzw. liefert am laufenden Meter „alternative Fakten“ und zwitschert diese über Twitter in die Welt - solange und so oft, bis sie (so hofft er zumindest) auf irgendeinen Nährboden fallen, auf dem sie plötzlich als „realistische Möglichkeit“ in den Köpfen seiner Glaubensanhänger hervorspriessen und sich zwischen ihnen wie ein Virus (!) verbreiten und verselbständigen! Dem Einhalt zu gebieten ist eine der grossen Herausforderungen der politischen Weltgemeinde und speziell der amerikanischen Bevölkerung.

Keinen Debattenraum und keine Informationsplattform der Welt gönne ich seinen „alternativ facts“ - solange sie dort nicht absolut und für alle sichtbar als das entlarvt werden, was sie sind. Das wäre die Ausnahme und ist in seriösen Medien immer das erkennbare Ziel, wenn sie dort genannt (oder, wie inzwischen sogar bei Twitter: speziell gekennzeichnet) werden!
Gleichzeitig existieren solche Debattenräume in nie da gewesener Vielfalt. Es gibt das Internet mit all seinen diversen Kanälen und Medienplattformen, ausserdem die diversen sozialen Medien (Twitter, Instagram, Facebook, WhatsApp, Telegram ... was noch?) und nach wie vor das Fernsehen - mit mehr parallel und international verfügbaren Sendern denn je. Um so wichtiger erscheint es mir, dass es (in
demokratischen Systemen) Medienanstalten gibt, die einen - demokratisch legitimierten - Staatsauftrag erfüllen und einer «Wahrheit» im Sinne der (oben so definierten) als Konsens gültigen Fakten verpflichtet sind. Und es mag ein Dilemma sein, dass im Rahmen der Pressefreiheit jede öffentlich-rechtliche Medienanstalt die freie Wahl hat, wem sie wie viel Aufmerksamkeit schenkt und nicht nach „Gerechtigkeitsprinzip“ grundsätzlich allen Strömungen und Meinungen gleich viel Gehör verschaffen muss.

So ist es natürlich offensichtlich, dass die «Querdenker» dort relativ wenig und oft nur
äusserst kritische Aufmerksamkeit und beschränkte (Selbst)darstellungsmöglichkeiten bekommen, eher beliebte Zielscheiben in Satire-Sendungen sind – und sich prompt von den «öffentlich-rechtlichen Debattenräumen» ausgeschlossen fühlen. Für mich ist dies allerdings kein Verlust an Objektivität der Berichterstattung. Es ist schlicht das Ergebnis der Entscheidung der jeweiligen Redaktionen, welche inhaltlichen Standpunkte und deren Vertreter sie für Ihre jeweilige Sendung als relevant genug einschätzen, um sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu wollen oder (qua Auftrag) zu müssen. Es gibt ein Recht auf Meinungsfreiheit, aber nicht eines auf Meinungsbühne oder -zeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Zum Glück gilt dies z.B. auch für islamistische Hassprediger und vergleichbare andere Rattenfänger!

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· editiert

2020 ist das Jahr stupender wissenschaftlicher Leistungs­fähigkeit

Meist bringt die Wissenschaft nur für genau begrenzte Probleme ausserordentliche Resultate hervor, wie zum Beispiel eben, einen Impfstoff in kürzester Zeit zu finden und herzustellen.Die Firmen, denen das gelingt, sind meistens international, die Forschenden kommen aus vielen Ländern. Diese Expats kümmern sich meist nur um ihre Arbeit und ihre Familie (ich habe in einer solchen Firma gearbeitet), Gesellschaft- und Umweltfragen sind kaum ein Thema, es wird viel gereist. Ihre Art Forschung ist meist sehr effizient, aber eindimensional.
Wenn es um allgemeinere Themen geht, wie die Auswirkungen der Pandemie, glänzt die Wissenschaft dann nicht mehr so. Die Fachleute müssen sich ausserhalb ihres Fachgebietes begeben und allgemeine Abwägungen machen. Das führt dann oft zu Studien von riesigem Ausmass mit eher vagen Ergebnissen. Man sollte auch nicht ausser Acht lassen, dass der Ehrgeiz, bekannt zu werden, eine Rolle spielen kann. Wenn man zum Beispiel klar beweisen könnte, dass Masken wirksam sind, wäre man im Rampenlicht, und dies kann die Vorgehensweise beeinflussen.
Man muss sich also nicht scheuen, etwas genauer hinzuschauen und gewisse Aussagen der wissenschaftlichen Gremien kritisch aufzunehmen.
Kleinere, fokussierte Studien, wie diese Ein Link , die sich direkt mit dem Geschehen auseinandersetzen und die dann sofort brauchbare Erkenntnisse liefern, sind leider selten.

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Die Fachleute müssen sich ausserhalb ihres Fachgebietes begeben und allgemeine Abwägungen machen.

Genau deshalb setzt sich die Taskforce ja interdisziplinär zusammen.

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Wobei in der Republik häufig die gleichen Stimmen zu Wort kommen, man zu ökonomischen Fragen aber bspw. niemanden aus der Task Force interviewt, sondern einen andern Ökonomen, dessen Aussagen so weit beurteilbar einiges alarmistischer daherkommen als die offiziellen Verlautbarungen der ökonomischen Task Force. Wer übrigens begleitend zum Surfen in den sozialen Netzwerken eine sachliche, nicht tendenziöse Information schätzt, sei auf die offizielle Home Page der bundesrätlichen Task Force verwiesen, wo alle öffentlich zugänglichen Informationen knapp, gut verständlich und zeitnah präsentiert werden. Inkl. der Interessensbindungen der Mitglieder in der 'declaration of conflicts of interest', die in einem gesonderten PDF zu jedem und jeder einzelnen Teilnehmer*in jeder einzelnen Expertengruppe aufgeführt sind. Daraus stammt auch die folgende Erklärung, die alle unterzeichnen mussten:

All information, documents and results of the COVID-19 Swiss National Task Froce are confidential until published on the Task Foce Website (www.ncs-tf.ch). In specific terms, this means that information should not be made available in any way whatsoever to unauthorised third parties.

Ein beeindruckendes Beispiel an Transparenz, mit dem man ideologiefrei immer auf dem neuesten Stand der Pandemieentwicklung ist.

Eindrücklich fand ich in diesem Zusammenhang aber auch eine Aussage von C. Drosten, die ich im Frühling beim Reinhören in seine regelmässigen Beiträge aufgeschnappt habe, als er gefragt wurde, ob man die Schulen schliessen sollte, er etwas Kurzes zum damals bekannten Stand der Virenausbreitung bei Kindern sagte und dann beifügte, mehr könne er dazu nicht sagen, er sei schliesslich nur Virologe, zu den Schulschliessungen müsse man die entsprechenden Fachleute befragen. Soviel Selbstbescheidung würde man sich auch bei uns gelegentlich wünschen. Nicht zuletzt von den Medien und einzelnen ihrer Exponenten.

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Ich bin mir nicht ganz sicher, ob diese vermeintliche Unprofessionalität des FSB nicht mehr eine deutliche und ausdrückliche Botschaft sein soll - Wir kriegen euch überall.

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Action Anthropologist
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Die Wissenschaft kann uns nicht retten, wenn wir sie politisieren.
Auch Wissenschaftler sind Menschen, genauso, wie unsere RichterInnen ein Parteibüchlein haben müssen, wenn sie gewählt werden wollen.
Und JournalistInnen haben persönliche Wertvorstellungen, Sichtweisen und Ziele, die sie menschlich, verständlich (für die Einen) UND manipulativ werden lassen.
Vielleicht ist das Problem unserer hoch ausdifferenzierten Gesellschaft mit ihren vielen "Bubbles" und Geheimbünden des Spezialistentums, dass sie diese mit ungeheuren Zentrifugalkräften auseinander reissenden Spezialdisziplinen nicht mehr miteinander verbinden und zusammenhalten kann.
Es kommt zu Spaltungen und zu Spalungen innerhalb der Spaltungen.
Wissenschaftler, die eine komplementäre Sichtweise, mit einem komplementären Weltbild und mit komplementären Lösungswegen vertreten und aufzeigen, werden von der vorherrschenden Lehrmeinung verdrängt, gelöscht und zum Schweigen gebracht.
Das wiederum hat damit zu tun, dass die Universitäten immer mehr "privatisiert" werden, so dass die Verbindungen zwischen Infektiologen, Virologen, Mikrobiologen und "Big Pharma" heute sehr eng geworden sind.
Da die öffentlich-rechtliche Unabhängigkeit im heutigen globalisierten Kapitalismus immer mehr eingeschränkt, zersetzt und angegriffen wird, können insbesondere junge Wissenschaftler nicht mehr öffentlich ihre persönliche Meinung kundtun, da sie sofort berufliche Konsequenzen zu gewärtigen haben.
Diese Tatsache wurde vom österreichischen Philosophen Robert Pfaller in einer Diskussion im ORF prägnant auf den Punkt gebracht!
Erst hiess es, man solle sich an die Wissenschaft halten.
Als dann ein Professor Doktor (Sucharit Baghdi, oder Rault zum Beispiel) von der "Staatslinie" abweichende Ansichten äusserten und insbesondere vor den unabschätzbaren Langzeitwirkungen einer neuen Gentech-Impfung warnten, die noch nie erfolgreich praktiziert wurde, und die aufgrund des "teleskopierten Zulassungsverfahrens" als "Menschenversuch im ganz grossen Stil" anzusehen ist, hiess es: "Wissenschaftler schon, aber nicht DIESE Wissenschaftler!"
Nun, weil man auch andere SkeptikerInnen der Massnahmen und des kriegerischen Vokabulars bei der Bekämpfung des Virus mit den Rechtsextremen, Verschwörungstheoretikern, Esoterikern und "Covidioten" in einen Topf warf, hat man das vorhandene Misstrauen ins "Establishment" weiter geschürt und bestätigt!
Anstatt nun wortgewaltig über das Trump-Phänomen zu schimpfen und sich über die grassierende Schlechtigkeit auf dieser Welt zu beklagen, sollten professionelle Wortführer wie Daniel Binswanger vielleicht einmal einen Schritt zurücktreten, in sich gehen und reflektieren, was sie mit ihrem politisierten Journalismus eigentlich tun!
Ich mache ihm ja grundsätzlich keine grossen Vorwürfe, denn sein Verhalten ist ja verständlich! Man möchte etwas tun und "helfen".
Mir selber hat die Corona-Krise aber diesbezüglich die Augen geöffnet.
Erst als ich selber als "Ökonazi" beschimpft wurde, nachdem ich meine ehrliche Meinung geäussert hatte, begriff ich, wie sich die Leute fühlen, die von mir selber als "Nazis" beschimpft wurden.
Wobei ich immer noch der Meinung bin, dass man einen wirklichen Nazi auch einen Nazi nennen soll! Diese (ebenfalls) ehrliche Aussenmeinung hilft dem Nazi nämlich mehr, als psychologisch geschultes "Aaah, Sie denken also, die geheime, jüdische Welregierung steckt hinter den Corona-Viren? Interessant!"
Aber eben, Marco Rima ist bestimmt KEIN solcher Nazi!
Und ich bin es (hoffentlich!) auch nicht.

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Action Anthropologist
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Hier noch ein YouTube-Film, der gut passt zu dem, was ich gerade gesagt habe:
https://www.youtube.com/watch?v=qMDe3xJ6-HM

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Lieber Herr Binswanger, ich habe auch mehr Angst vor der natürlichen Dummheit als vor der (künstlichen) Intelligenz. Trotzdem empfehle ich Ihnen, einen Artikel von Gerald Hüther in der NZZ vom 19.12.2020 zu lesen. Dort steht etwa geschrieben, dass die Vernunft wohl extrem viele Probleme gelöst hat, aber auch viele neue geschaffen hat (Zerstörung der Umwelt, Armut, Hunger....). Die Vernunt kann nicht alle Probeme lösen. Müsste man nicht vermehrt nicht nur die kognitiven Kompetenzen fördern, sondern auch die sozialen und emotionalen!?
https://www.nzz.ch/meinung/anweisun…ld.1589490

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Lieber Herr Binswanger.
Besten Dank für Ihren Bericht. Einmal mehr grossartig. Schade, dass Sie damit nicht mehr Leute erreichen.
Ich habe gelesen, dass Grossveranstalter damit liebäugeln, nur noch Besucher mit einem Impfausweis teilnehmen zu lassen. Das wäre mal ein guter Anfang. Airlines und Reiseveranstalter sollten folgen. Damit könnte man erreichen, dass sich mehr Leute impfen lassen. Dann müssten nicht mehr die Vulnerablen, die während der Pandemie am meisten gelitten haben, sich einschränken. Dann würde es endlich all die Pandemieleugner und Impfgegner treffen, welche nichts dazu beitragen, etwas zum Wohl des Volkes zu tun. Für all diese Unsozialen könnte es dann auch mal heissen: BLEIBEN SIE ZU HAUSE!

Bleibt gesund.

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Zitat: "... obschon der Trumpismus die amerikanische Politik noch lange Jahre prägen wird: Die Zeichen stehen erst einmal auf Neubeginn." Dennoch sollten wir sehr aufmerksam sein. Die US-Demokraten müssen erst den Neubeginn schaffen, was angesichts der Trump-Erbschaft sehr schwer zu schaffen ist. Alles was passiert, wird dem Erfolg der Zwischenwahlen 2022 und die Wiederwahl 2024 unterzuordnen sein. Beispiele: Rückkehr zur Klimarahmenkonvention (Paris 2015); Weiterführung der WTO Finanzierung; Unterstützung der NATO; Truppenabbau in Europa; Handelskrieg mit China, Bewältigung der Corona-Pandemie u. v. m. Wenn die Nachwahlen in Georgia zugunsten der Republikaner ausfallen, ist der politische bzw. gesetzgebende Prozess total blockiert. Wenn die Demokraten die Wahlen gewinnen, haben sie ein bisschen mehr Freiheiten. Der Trumpismus wird ihnen aber jeden Tag begegnen, in welcher Form auch immer. Insgesamt eine düstere Aussicht.

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Wenn in Georgia die beiden Demokraten gewinnen, avanciert Joe Manchin aus West Virginia für zwei Jahre zum mächtigsten Politiker in Washington und es erübrigt sich jede Diskussion über Kurs und Neubeginn bis nach den Wahlen 2022, die dann matchentscheidend werden.

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Gesprächsteilnehmer
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Was würde Herr Binswanger wohl schreiben, wenn wenn wirklich ein Virus ausbrechen würde, das mit "ungebrochener Tödlichkeit wütet"?
Hier prallen die berechtigte Freude des Autoren an der Wissenschaft (die im Fall von Covid-19 verschiedene Denkansätze entwickelt) und seine voraufklärerische Emotionalität und Tonalität empfindlich aufeinander.

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Niemand mit Verstand wünscht sich ein 100 % tödliches Virus (befallen gleich todgeweiht) herbei, um den Kommentar eines Journalisten darüber lesen zu können. Ihre Freude am Gedankenspiel ist sehr emotional.

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HIV ist unbehandelt tatsächlich ein tödliches Virus im Wortsinn. Wer die Beunruhigung und Panik in den Jahren vor der Entdeckung wirksamer Medikamente miterlebt hat, tut sich schwer mit der Binswangerschen Katastrophenbeschwörung und empfindet sie leicht als manipulativ. Und um das gleich vorwegzunehmen: NEIN! es ist mir nicht egal, wenn alte Menschen vor ihrer Zeit sterben, und ich verwehre mich gegen diese Unterstellung, aber ich bin nahe und alt genug, um auch miterlebt zu haben, was Lebensverlängerung 'um jeden Preis' bedeuten kann.

Der Abwertung der Emotionalität, die meine beiden Vorposter offensichtlich teilen, möchte ich scharf entgegentreten. Emotionen sind 'vorrationale Erkenntnisinstrumente', um einen ehemaligen Ausbildner (Norbert Bischof) zu zitieren, und als solche unverzichtbar. Emotionen erschliessen uns die Bedeutsamkeit von Fakten, ohne sie wären wir fleischgewordene Rechenmaschinen. Keine schöne Perspektive, wenn man mich fragt. Das Wissen, wieviel Gramm welcher Ölfarbe und welchen Holzes genau verarbeitet wurden, lässt noch keine Mona Lisa erstrahlen.

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Kohärenzstifterin
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Lieber Jonas, du hast mich nicht verstanden. Lies bitte nochmal. Es geht darum, die Trägerin einer Meinung, die ihren ureigenen Interessen zutiefst widerspricht, von der Meinung selbst zu trennen. Du hast so oft erfahren, wie Menschen in unserem direkt-demokratischen System gegen ihre Interessen abstimmen, weil sie einen interessengeprägten Blickwinkel haben und in ihrem Hühnerhofhorizont nicht die Züge der Geschichte fahren sehen. Weil sie manipuliert wurden. In der Geschichte meines Landes lernte ich, dass Bündnispolitik unmöglich wird, wenn wir von allen Bündnispartnerinnen verlangen, a priori so zu denken wie wir. Das wäre ausserdem ein lebensfremder Anspruch. Dieses vertrackte System hat die Menschen geprägt. Sonst wären wir schon viel weiter.

Wenn wir jemandem eine einzig richtige Denkweise als DIE Wahrheit präsentieren, gewinnen wir kaum, sondern schaffen Wut. Die andere Person wird nicht motiviert sein, mit dir gemeinsam die Wahrheit zu finden, wenn du ihr mitteilst, dass du die Wahrheit schon hast, und die anderen lügen und spalten. Wie denn wollen wir diese Gesellschaft ändern? Oder eben: Will jemand sie ändern? Warum nicht? Hör unseren Kindern zu. Sie verlangen einen System Change. Schau, wie sie uns in Sachen Demokratie, zwischenmenschliche Interaktion und Inklusion belehren. Wir dürfen uns bemühen wie sie zu sein, statt einander abzukanzeln. Ich wünsche dir ein hoffnungsvolles Neues Jahr.

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Das wird ja hochphilosophisch hier! "Die Trägerin einer Meinung, die ihren ureigenen Interessen zutiefst widerspricht..." hmmm... stimmt, da ist mein Hühnerhofhorizont wirklich etwas zu beschränkt, um das zu verstehen.
Ich bin da halt simpler gestrickt: Wenn jemand nach über 7000 Toten noch "Corona-Skeptikerin" ist, habe ich wenig Lust, irgendwelche Gräben zu überwinden.
Ich bekehre übrigens auch keine Klimaleugnerinnen, Holocaustleugnerinnen oder dergleichen. Ich stelle fest, dass die Fakten bekannt und zugänglich sind, akzeptiere aber, dass diese Menschen ihre Motive haben. Da diese Motive aber nie offen angesprochen werden, verliert man sich immer in Nebendiskussionen, anstatt den Kern der Sache anzusprechen: Der wäre: Ist es in Ordnung, leicht vermeidbare Tote in Kauf zu nehmen? Ich kann akzeptieren, dass das für andere ok ist, aber ich darf einen Graben zu solchem Gedankengut aufbauen - denn es ist nicht in Ordnung!

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Binswanger zitiert in seinem beachtenswerten Jahresendbeitrag Kant: ‘Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit.’
Die Kant’sche Fortsetzung dazu lautet: ‘Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen. [] Sapere aude! Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!’
Ist in Kauf zu nehmen, dass in hochentwickelten Demokratien wie der Schweiz flächendeckende Krisen wie die Pandemie entweder eine toxische Menge Bürger hypnoseartig in den mutlosen Zustand des Mündels versetzen oder eine medial hochstilisierte Minderheit aufbegehrender, verstandsloser Verschwörungstheoretiker erzeugen? Können wir von der Politik und den Behörden bedingungslos erwarten, begleitet von der Kakaphonie der Experten, allen gerecht werdende und die Krise wirkungsvoll eindämmende Massnahmen anordnen zu können?
‘Ganz richtig: Das [ein dem freiheitlichen, vernunftgeleiteten gedanken der aufklärung gerecht werdender, zivilisatorischer reifeprozess] hat eine Menge zu tun mit Eigenverantwortung.’ (Binswanger)

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Die Pandemie und ihre diversen globalen Bewältigungsansätze fordern von uns allen
unwillkürlich eine beständige Aktualisierung des eigenen Standpunkts und eine hohe Flexibilität. Wir alle sind plötzlich abhängig von einer «R-Zahl» und einem Quotienten «Anzahl Testpositive pro 100.000 Einwohner», die beide zusammen die
aktuelle Lage (was darf/muss ich tun, was nicht?) so rasch ändern können wie sonst nur aufziehende Gewitter bei einer Bergtour. Und die Entscheidungen der Verantwortlichen,
wann welche Massnahmen gelten sowie die nötige Akzeptanz dieser durch die Bevölkerung führen zwangsläufig zu Kontroversen - nicht nur gesellschaftlich, auch in mir selbst: mal schwappt die eigene Position, getragen von einer aktuellen
Informations- oder Erkenntniswelle mehr in die eine, mal schwappt sie mehr in eine andere Richtung. Und es fühlt sich fast unmöglich an, sich selbst jeweils so klar zu positionieren, dass nicht gleichzeitig ein leises „ja, aber ...“ im Hinterkopf zu hören ist.

Deshalb habe ich mich gefragt, woran ich mich eigentlich im Wesentlichen orientiere, um zu erkennen, was ich vertreten kann und/oder wie ich mich verhalten will: was sind die Dimensionen des Raumes, in dem ich mich - je nach Blickwinkel, den ich gerade selbst einnehme oder der mir gerade von anderen vor Augen geführt wird - zu verorten
versuche?

  1. das Prinzip „Mitgefühl“:
    Mit wem (oder was) fühle ich mich (wodurch) verbunden? Welche Werte (eines Mitmenschen, der Natur - kurz: der Welt) berühren mich? Was empfinde ich dabei und welches Tun oder Lassen wird dadurch für mich relevant?

  2. das Vertrauensprinzip:
    Welcher Informationsquelle schenke ich - warum und wieviel - Vertrauen: welchem
    Vermittlungsmedium und welcher vermittelnden Person? Woran mache ich die „Seriosität“ wissenschaftlicher Studien und/oder Medien fest? Nach welchen Kriterien ist für mich ein auf Twitter abgesetzter Tweet oder ein auf YouTube hochgeladenes Video vertrauenswürdig? Welche Person erlebe ich warum als vertrauenswürdig?
    Welche eigene Wahrnehmung und/oder Erfahrung gilt für mich als wahrhaftig?

  3. das Solidaritätsprinzip:
    Welche politischen Entscheidungen oder gesellschaftliche Notwendigkeiten erkenne ich als "dem Allgemeinwohl dienend“ (an) und trage sie mit - obwohl sie möglicherweise aktuelle Privilegien von mir einschränken? Welche Aktionen unterstütze ich? Für welche Rechte setze ich mich ein? Wessen Anliegen oder Bedürfnisse mache ich zu meinen eigenen?

  4. das Verantwortungsprinzip:
    Wofür übernehme ich „in Wort und Tat“ Verantwortung? Welche Meinungen und
    Informationen verbreite ich? Wofür setze ich mich ein? Was tue ich, um meinen Teil für eine (aus meiner subjektiven Sicht) bestmögliche „Welt" beizutragen?

Die aktuelle Situation zeigt uns, wie unterschiedlich - für jede/n von uns - die Antworten auf die formulierten Fragen dieser vier Grundprinzipien ausfallen. Ausserdem, wie kompliziert es in einer Krise für Entscheidungsträger ist (selbst bei klar im Konsens gefundenen Antworten auf diese Fragen!) diesen auch nur annähernd gerecht zu werden - weil es nur so wimmelt an Dilemmata, die sich, durch welche praktisch umsetzbare Option auch immer, nicht (auf)lösen lassen ...
Die Welt bräuchte einen - von allen als vertrauenswürdig, sozial gerecht, ethisch ausbalanciert individuell akzeptierten, noch dazu global, regional und lokal gleichermassen anwendbaren - idealen Entscheidungsalgorithmus auf der Grundlage einer von allen Individuen geteilten Überzeugung, was weshalb eine global, regional und lokal existente Krise ist und deshalb erforderlich. Diesen auch nur annähernd zu
definieren, geschweige denn zu realisieren: ist eine Utopie!

Somit existiert eine vielschichtige Debatte darüber, was «richtig» und was «falsch» ist. Natürlich galt und gilt dies auch für sehr viele andere Phänomene dieser Welt (z.B. das Klima, die Migration), aber keines davon war und ist so unmittelbar spürbar und alltagsrelevant für alle. Keinem kann man sich so wenig entziehen. Wir alle sind nahezu täglich herausgefordert, uns damit auseinanderzusetzen. Sei es durch tatsächlich entstandene und sich stetig ändernde Konsequenzen (beginnend damit, mehr physischen Abstand zueinander halten zu müssen) und/oder in theoretischen Debatten darüber, was wer (nicht) «weiss», was weshalb (nicht) «stimmt», was warum (keinen) «Sinn macht» oder was weshalb (nicht) «notwendig» ist, Ausserdem darüber - und das ist viel problematischer - was «wahr» ist und was nicht. Mit anderen Worten: überall wird nicht nur darüber diskutiert und gerungen, welche Massnahme wann wie(lange) wo sinnvoll und nötig sind, sondern auch, auf welcher geeigneten Erkenntnisgrundlage sie erfolgen sollen bzw. können.

Ich nehme in Gesprächen und anderen Formen der Auseinandersetzung ein allmähliches, schleichendes Wegbrechens einer gemeinsamen Basis dessen wahr, was für alle als minimaler Konsens gilt, von dem aus erst unterschiedliche Interpretationen und/oder Handlungsimpulse entstehen sollten. Und diesen Prozess der Entzweiung eines gültigen, anerkannten Ausgangspunkts erlebe ich als sehr beunruhigend - mit diversen Protagonisten, die zum Teil ganz gezielt und absichtlich Öl in ein Feuer giessen, dass die Pandemie für sie umso mehr angefacht hat.
Dass die Erde rund ist, dass die Sonne morgens verlässlich auf - und abends wieder untergeht, somit sich diese runde Erde in 24h einmal um sich selbst dreht und die 4 Jahreszeiten zeigen, dass sie in 365 Tagen dabei auch noch einmal um die Sonne kreist ist für mich ein solcher gültiger, durch empirische Erkenntnis gewonnener Ausgangspunkt.

Diese empirische Erkenntnis ist die wesentliche Basis - offen ist, ob sie „wissenschaftlich“ oder „intuitiv“ erfolgt. Ausserdem ist es eine philosophisch-erkenntnistheoretische Frage, ob etwas als „wissenschaftlich erwiesen“ und somit „wahr“ anerkannt wird oder bloss als eine „hypothetische Annahme“ und somit „optional“ gilt.
Interessant wird es, auf welche Phänomene bezogen wir diesbezüglich eine gemeinsame Basis verlassen und eine/r etwas als „wahr“ anerkennt, ein/e andere/r nur als „optional“ sieht und umgekehrt.
Wittgenstein hat den klugen Satz formuliert „die Welt ist, was der Fall ist“ und damit genau die Schnittstelle zwischen dem markiert, was „wahr“ (im Sinne von: für alle gültig!) und was „optional“ (nicht für alle gültig) ist. Solange ich etwas nicht als „wahr“ anerkenne, existieren alternative Optionen oder Hypothesen dafür, was
der Fall ist.

So basiert manches rund um das Corona-Virus aktuell „nur“ auf einem sehr breiten wissenschaftlichen Konsens darüber, was - mit sehr grosser Wahrscheinlichkeit - der Fall ist und nicht auf (absolut betrachtet) „wahren“ Fakten. Deshalb gibt es - zumindest theoretisch und wie man aktuell sieht: tatsächlich auch praktisch - diverse Einflugschneisen für andere Überzeugungen. Bedauerlicherweise hat eine Gruppe dafür den ursprünglich ganz anders und im gesellschaftlichen Diskurs wertvollen, kreativen Begriff des «Querdenkens» für sich gekapert. Und leider nicht nur diesen ...

Je mehr die selbsternannten Querdenker die Vertrauenswürdigkeit der von einer grossen Mehrheit als „seriös“ anerkannten Informationsquellen, Experten und
Entscheidungsträger anzweifeln und in logischer Folge deren Informationen, Expertise und Massnahmen, umso so grösser sollte ihre Verantwortung sein, dies objektiv nachvollziehbar zu begründen. Das Gegenteil ist leider der Fall: sie behaupten, „eigentlich gültige“ Fakten zu kennen, leiten diese aber nur aus irrationalen
Zweifeln oder irrationalen Überzeugungen ab.

Letztlich kommt es darauf an, wem oder was ich in dieser Welt Vertrauen schenke. Einer der gefährlichsten Zerstörer dieses Vertrauensprinzips ist aktuell Donald Trump. Er schafft bzw. liefert am laufenden Meter „alternative Fakten“ und zwitschert diese über Twitter in die Welt - solange und so oft, bis sie (so hofft er zumindest) auf irgendeinen Nährboden fallen, auf dem sie plötzlich als „realistische Möglichkeit“ in den Köpfen seiner Glaubensanhänger hervorspriessen und sich zwischen ihnen wie ein Virus (!) verbreiten und verselbständigen! Dem Einhalt zu gebieten ist eine der grossen Herausforderungen der politischen Weltgemeinde und speziell der amerikanischen Bevölkerung.

Keinen Debattenraum und keine Informationsplattform der Welt gönne ich seinen „alternativ facts“ - solange sie dort nicht absolut und für alle sichtbar als das entlarvt werden, was sie sind. Das wäre die Ausnahme und ist in seriösen Medien immer das erkennbare Ziel, wenn sie dort genannt (oder, wie inzwischen sogar bei Twitter: speziell gekennzeichnet) werden!
Gleichzeitig existieren solche Debattenräume in nie da gewesener Vielfalt. Es gibt das Internet mit all seinen diversen Kanälen und Medienplattformen, ausserdem die diversen sozialen Medien (Twitter, Instagram, Facebook, WhatsApp, Telegram ... was noch?) und nach wie vor das Fernsehen - mit mehr parallel und international verfügbaren Sendern denn je. Um so wichtiger erscheint es mir, dass es (in
demokratischen Systemen) Medienanstalten gibt, die einen - demokratisch legitimierten - Staatsauftrag erfüllen und einer «Wahrheit» im Sinne der (oben so definierten) als Konsens gültigen Fakten verpflichtet sind. Und es mag ein Dilemma sein, dass im Rahmen der Pressefreiheit jede öffentlich-rechtliche Medienanstalt die freie Wahl hat, wem sie wie viel Aufmerksamkeit schenkt und nicht nach „Gerechtigkeitsprinzip“ grundsätzlich allen Strömungen und Meinungen gleich viel Gehör verschaffen muss.

So ist es natürlich offensichtlich, dass die «Querdenker» dort relativ wenig und oft nur
äusserst kritische Aufmerksamkeit und beschränkte (Selbst)darstellungsmöglichkeiten bekommen, eher beliebte Zielscheiben in Satire-Sendungen sind – und sich prompt von den «öffentlich-rechtlichen Debattenräumen» ausgeschlossen fühlen. Für mich ist dies allerdings kein Verlust an Objektivität der Berichterstattung. Es ist schlicht das Ergebnis der Entscheidung der jeweiligen Redaktionen, welche inhaltlichen Standpunkte und deren Vertreter sie für Ihre jeweilige Sendung als relevant genug einschätzen, um sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich machen zu wollen oder (qua Auftrag) zu müssen. Es gibt ein Recht auf Meinungsfreiheit, aber nicht eines auf Meinungsbühne oder -zeit im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Zum Glück gilt dies z.B. auch für islamistische Hassprediger und vergleichbare andere Rattenfänger!

Für alle «Sender» (von der Einzelperson bis zum Massenmedium), die Informationen aussenden gilt, dass sie sich klar darüber sein sollten, wozu und wem gegenüber sie sich verpflichtet fühlen, wer Ihre Empfänger sind (oder sein könnten). Für alle «Empfänger» kommt es darauf an, zu entscheiden, wem oder was sie in dieser Welt
Vertrauen schenken können oder wollen. Als Vater zweier Söhne sehe ich es in diesem Sinne auch als meine zentrale Verantwortung an, was ich Ihnen als Orientierungspunkt anbiete oder vorschlage, wenn sie mich fragen, wem man warum Vertrauen schenken kann oder sollte, um sich ein Bild davon zu machen, was gerade in der Welt wirklich der Fall ist. Und ebenso anhand welcher Quellen sie in einer Welt voller kursierender alternativer Fakten eine eigne Meinung herausbilden können bzw. sollten. Hinweise auf eine «Lügenpresse» oder eine «Merkel-Diktatur» scheinen mir diesbezüglich nicht
wirklich geeignet ...

Das Thema Vertrauen spielt für mich auch in einer repräsentativen Demokratie die zentrale Rolle. Letztlich ist es nichts anderes als ein Vertrauensvorschuss, den wir denjenigen gewähren, die wir wählen. Wir schenken Ihnen unsere Stimme, damit sie „in unserem Sinne“ politische Verantwortung übernehmen und Entscheidungen fällen. Wenn unser Vertrauen enttäuscht wird, können wir es ihnen wieder entziehen und anderen Repräsentanten übertragen, die dann ihrerseits wieder auf der Probe stehen, ob sie es rechtfertigen.
Auch für alle Corona-Massnahmen gilt: das Wahlvolk hat den Verantwortlichen diesbezüglich ein Entscheidungsrecht anvertraut, von dem sie - in besonderen Zeiten besonders - Gebrauch machen dürfen und müssen, umgekehrt müssen und dürfen die Regierenden allen Bürgern (nicht nur dem Wahlvolk) vertrauen, dass sie ihre getroffenen Entscheidungen (mit allem Recht unter Einhaltung der Gesetze und Verordnungen parallel auch dagegen zu demonstrieren, Petitionen zu verfassen, zu klagen etc.!) akzeptieren und verantwortungsbewusst mittragen.

Für die Rechtfertigung politischer Entscheidungen gilt – zumindest innerhalb einer Demokratie - immer eine mehrheitliche Überzeugung, warum sie so und nicht anders nötig und sinnvoll sind. In der aktuellen Krise sind diesbezüglich die folgende 5 Punkte (unter «Nicht-Querdenkern») Konsens:

  1. Es gibt eine Pandemie und sie ist nicht von einer sogenannten «globalen Elite» geplant.

  2. Der Virus Sars-CoV2 ist identifiziert und mit Testmethoden verlässlich genug nachweisbar.

  3. Ohne Massnahmen würden Patienten mit COVID-19 das Gesundheitssystem überlasten und eine dadurch erhöhte Sterblichkeit akzeptiert.

  4. «Abstand halten» und «Hygienemassnahmen befolgen» sind daher sinnvolle Empfehlungen.

  5. Da diese Empfehlungen alleine nicht genügen, sind andere Massnahmen nötig.

Auf dieser gültigen Basis ist immer noch vieles Gegenstand diverser Diskurse - im persönlichen Austausch, auf den journalistischen Meinungsseiten, in Politmagazinen und Talkshows und insbesondere auf den sozialen Medienkanälen.
Nach meinem Erleben drehen sich diese Diskurse vor allem immer wieder um die folgenden Fragen:
—> Welche wissenschaftlichen Erkenntnisse (diverser Disziplinen!) sollen/müssen berücksichtigt werden für die Einschätzung der Wirkung und damit Sinnhaftigkeit welcher Massnahmen?
—> Auf welcher Datenbasis und nach welchen Kriterien (R-Wert, Intensivbettenbelegung, Personalbelastung Todeszahlen, messbare Effekte ...) sollen Entscheidungen über Massnahmen getroffenund angepasst werden?
—> Auf welche Experten (diverser Disziplinen) und deren Empfehlungen sollen/dürfen sich die politischen Entscheidungsträger verlassen?
—> Welcher erhoffte Nutzen rechtfertigt nach welchen ethisch-moralischen Prinzipien - auf der Grundlage des geltenden Rechts - welchen in Kauf zu nehmenden «Schaden» für welche Personen(gruppen)?
—> Welche individuellen Freiheitsrechte (z.B.: sich mit beliebig vielen Menschen ohne Maske in Innenräumen zu treffen) oder gar Grundrechte (wenn es ein Dilemma zwischen Ihnen gibt) dürfen befristet eingeschränkt werden?
—> Ist eine Impfung (neben einer „Durchseuchung", die aber nur sehr langfristig
erreichbar wäre) die einzige Möglichkeit, um möglichst bald wieder zu einer „Normalität“ (= Sozialleben ohne besondere Massnahmen) zurückzukehren und sind die aktuell auf den Markt gelangenden Impfstoffe geeignet und ausreichend „sicher“ hinsichtlich unerwünschter Nebenwirkungen?

Darauf bezogen habe ich oben geschrieben: «schwappt die eigene Position, getragen von einer aktuellen Informations- oder Erkenntniswelle mal mehr in die eine, mal schwappt sie mehr in eine andere Richtung».
Dies tut sie allerdings eher um Nuancen, immer innerhalb und «längs» klarer Grenzlinien bzw. Leitplanken, nicht «quer» zu ihnen ...

Jenseits dieser Leitplanken gibt es ein gegen Irritationen oder Fakten offensichtlich absolut „wasserdichtes“ System der Querdenker:
Solange etwas nur - egal wie annähernd 100%ig wahrscheinlich - als «allgemein gültig» (z.B. "Elvis ist tot“) existiert, wird einfach das Gegenteil als „eigentlich wahr“ vermutet und behauptet: „Elvis lebt“. Sobald es echte Fakten gibt (oder im Beispiel gäbe: exhumierte Knochen, die seiner DNA zugeordnet wurden), wird wahlweise entweder die Information (die DNA-Analyse) als „unglaubwürdig“ und „falsch“ oder deren Quelle
(der DNA-Analyst) als „unseriös, befangen und/oder Teil eines Täuschungskomplotts“ bezeichnet, der Fakt somit zum vermeintlichen «Fake» erklärt und die eigene Hypothese ("Elvis lebt“) als sogenannter „alternativer Fakt“ weiterhin als „wahr“ empfunden und behauptet.
=> der Verschwörungstheoretiker hat so für sich immer die „Wahrheit“ auf seiner Seite - wahlweise aus irrationaler Überzeugung oder aus irrationalem Zweifel!

Bei alldem sehe ich auch eine gesellschaftliche Brisanz. Ich möchte das Ganze nicht historisch überfrachten und pathetisch aufladen, ausserdem hinkt der Vergleich und ist auch nicht sehr fair, aber dennoch: es fühlt sich - auf eine Art (die uns „Nachkriegsgeborenen“ bislang nur kopfschüttelnd und unfähig, auch nur ansatzweise
zu erahnen, wie «so etwas» damals passieren konnte, schlichtweg nicht zugänglich und
begreifbar war!) - so an, als hätten sich gute Freunde den Nazis (= Querdenker und
Verschwörungsmystiker) angeschlossen, statt mit mir in den Widerstand (gegen - ethisch und humanitär - inakzeptable Folgen durch das Virus und seine ausgelöste Erkrankung) zu gehen. Mit dem glücklichen faktischen Unterschied, dass das
Zahlenverhältnis aktuell umgekehrt ist: der „Mainstream“ folgt dem Primat einer Pandemie mit all ihren politisch-gesellschaftlichen Erfordernissen während selbsternannte „Querdenker" sich als Widerstandskämpfer begreifen – zynischer Weise zum Teil mit exakt diesem historischen Vergleich!

P. S.: Zum Abschluss noch ein Zitat aus einem Artikel in der SZ, das ich sehr passend dazu finde: „Es ist nicht nur eine Frage von Solidarität und Rücksichtnahme: Für die Alten geht es um ihr Leben. Für die Mittelalten um ihre Gesundheit. Für die Jungen aber geht es um nichts weniger als die Zukunft. Um ein Leben in einem Land, das durch ein Virus seine Moral und seine soziale Sicherung auf Dauer zu beschädigen droht.“

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Und wir wissen, dass die Schweiz in die Gruppe der zynischsten und jämmerlichsten Versager gehört.

Österreich gehört auch zu dieser Gruppe. Es werden dort während der zweiten Welle bisher etwa gleich viele Corona-Tote wie in der Schweiz verzeichnet .

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Ich hoffe Sie vergleichen nicht die absoluten Zahlen. Die Übersterblichkeit ist in Österreich Ende 2020 im freien Fall und schon fast im Normbereich für ü65 (z-score: 3), in CH noch extrem hoch und nur langsam sinkend (z-score: 13).
Quelle: EUROMOMO.eu, excess mortality, z-score by country, Wochen 26-52, korrigiert

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Ich verlasse mich auf die Zahlen von SRF und ORF, die das nicht zeigen. Der freie Fall der Übersterblichkeit bei EUMOMO ist erst geschätzt. Woher, wenn nicht von den Ü65, soll die Übersterblichkeit denn kommen. Ich habe bei anderen Darstellungen auch schon bemerkt, dass die normale Sterblichkeit in Österreich höher liegt als in der Schweiz. Warum weiss ich nicht.

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Diese Tatsache scheint einige zu stören. Österreich hat die Massnahmen getroffen, die wohl manche hier sich für die Schweiz gewünscht haben.

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Mathematiker
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„Aus Schaden wird man klug“, sagt das Sprichwort, aber aus Schaden klug zu werden ist kein Automatismus; unsere Gesellschaft hat den Zustand erreicht, wo sie auch aus Schaden nicht mehr klug wird. Wenn wir versuchen die in den letzten Monaten beobachteten Phänomene zu verstehen und daraus möglichst vernünftig auf die im Sinne des Gemeinwohls optimale Strategie für uns als Kantone, als Staaten, als Staatengemeinschaften zu schliessen, überzeugt mich bisher Yaneer Bar-Yam am meisten (https://carta.info/zero-covid-eine-…t-moglich/ und seine dort verlinkte Website https://www.endcoronavirus.org/). Ich würde mir wünschen, dass alle unsere Politiker und alle anderen Verantwortlichen beim BAG, die Kantonsärztinnen, usw. diese Information zur Kenntnis nehmen und beherzigen.

Lassen Sie mich versuchen die vielleicht wichtigsten Schlussfolgerungen von Bar-Yam und Konsorten zusammenzufassen: es ist nicht möglich die Ansteckungen konstant zu halten auf einem Niveau grösser Null (weil dann ein Ausbruch mit exponentiellem Wachstum jederzeit wieder auftreten kann). Also muss das Ziel sein, die Ansteckungen zu eliminieren, d.h. Ansteckungen betreffen dann nur noch Personen, die sich in Quarantäne befinden, weil sie z.B. von aussen zugereist sind. Jede einzelne Neuinfektion ist eine Bedrohung der nationalen Sicherheit! Das definiert sog. Grüne Zonen, in denen es keine interne Ansteckungen (mehr) gibt; dann wird versucht diese Grünen Zonen zusammenzuschliessen und zu vergrössern. Die Autoren klassieren die Länder in „Winners“ (z.Zt. 27 Länder, grün), „Countries that are nearly there“ (z.Zt. 15 Länder, gelb) und „Countries that need to take action“ (z.Zt. 97 Länder, rot); unnötig zu sagen, dass die Schweiz (wie die meisten Länder West- und Mitteleuropas) tiefrot ist. Es ist klar, dass z.B. Quarantänen rigoros durchgesetzt werden müssen; mit der Vorstellung von 400 Touristen, die aus der Quarantäne einfach abreisen, würde sich ein Land lächerlich machen – ja, das soll vorgekommen sein; es blamiert sich jeder so gut, wie er kann! Falls so eine Strategie konsequent verfolgt wird, dauert sie dafür nicht ewig.

Man kann es wohl vergleichen mit dem Löschen eines Brandes: wenn man Wasser spritzt, aber zu wenig oder am falschen Ort, brennt es einfach weiter, und je später man löscht, umso länger brennt es, und umso grösser ist der Brand, und umso mehr Wasser braucht man. Wir (als Gesellschaft) haben viele Brände gebraucht, bis unsere Feuerwehren den heutigen Stand erreicht hatten, bis sie verstanden, wie sparsam (und wie grosszügig!) sie mit dem Wasser umgehen müssen und wo sie wieviel Löschwasserreserve brauchen; wieviele Pandemien brauchen wir?!

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Bruno Bucher
Suuri Läberli gefällig?
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“ Versagt haben (in sehr unter­schiedlichem Masse) die Meinungs­führer – die politischen Verantwortungs­trägerinnen, die Parteien –, die zivil­gesellschaftlichen Akteure und nicht zuletzt das Medien­system.”

Vielleicht sollten wir einmal versuchen, die Frage nach der Qualität der Parteien ins Zentrum der Debatte zu rücken.
Transparenz: Seit bald 50 Jahren bin ich aktives SP-Mitglied. Bin also ziemlich parteiisch. Das hat mir als Juso ein Herauswurf aus der Berufsmittelschule eingebracht. Jetzt, am Ende meines Berufsleben, ringe ich mit der Tatsache, dass ich als weisser alter Mann als Dozent unfreiwillig in die (ordentliche) Pensionierung geschickt werde, obwohl es andere Usanzen und erstandene Abmachungen gibt. Ausgelöst hat den Konflikt die neue Direktorin, die auch eine SP-Politikerin gibt.

Es hat sich vom Ergebnis her gesehen nichts geändert. Nur die Motive haben sich gewandelt.
Meine Ableitung dazu: Parteien wie sie es vor 50 Jahren gab, gibt es heute nicht mehr. Damals konnte eine gelebte Debatte zu Einschnitten in den Lebenslauf führen. Die Frontlinien verliefen zwischen Progressiven und Reaktionären. Heute findet sich der Frontverlauf zwischen den Geschlechtern. Gleichzeitig wechselt die Deutungs- und Verfügungsmacht von Männern zu Frauen. In diesem Wandel werden Werte geopfert. Werte, die über Generationen von Männern an Männer quasi weiter vererbt wurden. Unter Duldung und Ausschluss der Frauen. Meine linke Generation weichte diese Tradition auf und bereitete nicht nur der Emanzipation das Feld vor, sondern auch der sanften Revolution der Machtübernahme. (Die Revolution frisst ihre Kinder.)

Blocher führte die Kaderpartei SVP ein und führte diese wie ein Regiment. Das ging an den anderen Parteien nicht spurlos vorbei. Und zwar im Sinne der Umrüstung. Man denke an Gössi, an Pfister und nicht zuletzt an Levrat. Unter ihm brach quasi die einst starke Basisorganisation weg. Vorbereitet wurde dieser Prozess bereits von Bodenmann. Fehr versuchte Gegensteuer zu geben, scheiterte aber am Zeitgeist, der das absolute Leistungsprinzip am Arbeitsplatz diktierte. Auf Kosten von Benevol in den Parteien, Gewerkschaften und Vereinen. Levrat als Profi-Verbandsmanager reagierte mit der Reorganisation der SP. Auf Kosten der innerparteilichen Debatten, die neben der ewigen Personaldiskussionen oft auch Sach-bezogen waren. Und so zu gewissen Vorgaben an die Abgeordneten führten.

Vor dem Hintergrund des sich anhaltend entpolitisierenden Mediensystems frage ich nun, wer denn die Debatten organisieren soll? „Meinungsführer“? Karriereorientierte Verantwortungsträgerinnen?
Alle ziemlich frei von Ideologie und Orientierungskompass, ausser vielleicht einer digitalisierten und unter der Haut implementierten Windfahne? Wundert es da wirklich eine derartig frei schwebende Politik zu sehen, wie wir es in diesem 2020 erlebt haben?

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Lieber Bruno

unter Genossen können wir uns ja duzen! Als relatives Neumitglied im Kanton BS erlebe ich die SP an der Basis als sehr diskussionsfreudige, und v.a. auch von den Mitgliedern finanzierte und z.B. im Wahlkampf auch getragene Gruppe. Dies ganz im Gegensatz zu den bürgerlichen Parteien, die von bekannten Namen und einflussreichen Berufsrollen leben und so auch gewählt werden.

Was mich aber an der SP besonders stört, ist die immer stärker werdenden Sekretariate, die Berufspolitiker aufziehen, und die dann auch in die Gremien und Parlamente gewählt werden. Wie siehst du das?

Was ich nicht so ganz verstehe, ist deine Kritik am Machtwandel von Männer zu Frauen. Das ist doch klar und auch eine gute Nachricht. Auch wenn du den Machtverlust etwas gar binär siehst, so ist dies doch super wenn in unserer Gesellschaft endlich auch Frauen mehr Macht haben! Ich meine, wir müssen vor allem ein wenig mehr zuhören, und da muss auch die SP besser werden. Meinst du nicht auch?

Herzlichen Gruss, Christian

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Bruno Bucher
Suuri Läberli gefällig?
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Lieber Christian

Klar, lokal mag das zutreffen. Eine Partei lebt ja nicht vom Programm alleine, sondern von den Menschen, die ihm Leben einhauchen. Ob sich dann dieses Leben bis in die nationale Partei fort- und durchsetzt? Hier setzt meine Kritik an.

Die Machtfrage. Leider kann ich dir hier nicht zustimmen. Macht, einfach weiblich bekleidet, ist immer noch Macht. Als Demokrat sehe ich diese diskriminierungsfrei geteilt. Alles andere lehne ich ab. Auch im wirtschaftlichen Umfeld. Insbesondere da.

Beste Grüsse Bruno

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Studi
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"Fast würde man sich wünschen, dass die Killer, welche die gefährlichsten chemischen Kampf­stoffe der Welt zum Einsatz bringen, wenigstens mit minimaler Professionalität agierten."

Wenn man den Text liest, gibt es Parallelen, die nicht von der Hand zu weisen sind. Es ist verblüffend, wie nonchalant der "Cleaner" darüber berichtet. Das Gleiche gilt wohl für viele Vertreter der vermeintlich "extremen" Haltungen: Auch sie sind ganz "normale Menschen".
Auch wir selbst.

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Ihr Artikel hat mir ganz gut gefallen. Bloss dass unsere Behörden Expertenmeinungen kaltschnäuzig belächelten, habe ich eigentlich nicht festgestellt. Meiner Ansicht nach haben sie verantwortungsvoll gehandelt und dabei auch Fehler gemacht. Zur schlüssigen Abwägung „Leben gegen Wirtschaft“ ist wohl keine Gesellschaft in der Lage.

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Mich stört vor allem der Kürzestschluss, das in eine konkurrierende Entweder-Oder-Beziehung gezwungene Paradigma 'Leben gegen Wirtschaft' müsse entschieden werden und lasse sich entscheiden durch das Fordern eines sofortigen Lockdowns. Wer diese Forderung möglichst lauthals skandiert, ist pro Leben, wer sie in Frage stellt oder sich mangels Wissen auch nur zu der Entscheidung ausserstande sieht, wird zum Feind und Gegner hochstilisiert, der kaltschnäuzig lächelnd den Verlust von Tausenden Menschenleben in Kauf nimmt. Wozu diese Inszenierung gut sein soll, ausser um den Machtanspruch einzelner zu befriedigen, müsste erstmal jemand schlüssig erklären. Dazu den Kant aus seinem Grab zu holen, empfinde ich als nicht zureichend. Wenn man die Toten schon so permanent in Anspruch nehmen will, die aktuellen wie die schon seit Jahrhunderten begrabenen, würde meiner Meinung nach Macchiavelli vielleicht eher passen.

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