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Lieber Herr Binswanger, wo ist die Würde eines Menschen, der nur noC. D.rch Maschinen und Chemie am Leben gehalten wird? Der an sieben Schläuchen hängt und für jede kleinste Körperfunktion auf Hilfe angewiesen ist? Wer sein Leben noch vor sich hat, wird das erdulden. Viele von uns Alten haben aber ihr Leben gelebt, und sehr oft gut gelebt. Wir haben keine Angst vor dem Tod, höchstens Angst vor dem Sterben. Wie beim Zahnarzt: Es könnte schmerzen, aber nachher wird alles gut. Der sanfte Druck zur Patientenverfügung ist nicht unanständig, sondern sinnvoll. Er sorgt nicht primär für leere Intensivpflegebetten, sondern für klare Verhältnisse und ist daher ethisch absolut vertretbar.

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hallo Herr W., "Sterbehilfe um unnötigen Leiden ein Ende zu setzen ist ja seit längerem ein wichtiges Thema.
Doch hier geht es um einen Virus, der wieder verschwindet..
Ausserdem geht es um die Grundsatzfrage, Menschenwürde und "Gleichheit" aller Menschen.
Ich persönlich finde das eine völlig andere Fragestellung, als die Frage, wer muss Sterben, wenn es zu wenig Beatmungsgeräte gibt?
Da fokussiert siC. D.s Problem auf die Besorgung von medizinischen Geräten!

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Schüler (ausser Freitags)
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„Nichts könnte wichtiger sein, als dass wir immun bleiben gegen jede Versuchung, von unserem ethischen Funda­ment auch nur einen Milli­meter preiszugeben.“

„Die Würde des Menschen ist
unantastbar.“

Ich finde es erschreckend und erstaunlich zugleich wie die oben zitierten Sätze für einige Menschen gelten können, aber für andere nicht - im Jahre 2020.

Ich spreche von Geflüchteten.
Lybien, Jemen, Lesbos.
Vergewaltigung, Folter, Hunger.
So viel Leid, direkt und indirekt von uns beeinflusst. Ich frage mich für was genau die Genfer Konvention geschaffen wurde...

Wie kann Europa überhaupt noch in den Spiegel schauen?

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Die Ausführungen von Herrn Binswanger sind nicht komplett. Es geht aus ärztlicher Sicht überhaupt nicht darum, möglichst viele Intensiv- und Intubationsplätze zu "sparen". Echt nicht! Es geht um die Menschenwürde. Und diese kann massiv unter Druck kommen bei schwer kranken Menschen, die der Intensivmedizin zugeführt werden. Keine Berührung, kein Kontakt zu den Lieben: das ist eine unendliche Qual, die ich persönlich nie auf mich nehmen würde. Wenn man die Zahlen anschaut, wieviele alte Leute überhaupt die Intubation überleben und dann noch wie viele dann wirklich wieder gesund sind (ähnliches bei der cardiopulmonalen Reanimation: gebrochene Rippen etc.) - dann muss ich mir überlegen, ob das meine Würde zulässt. Natürlich will ich niemanden eine nötige Therapie entziehen - doch wie gesagt: die Menschenwürde kann durch gewisse Therapie in gewissen Situationen torpediert werden.

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Ergänzung: Und der Weg entscheidet sich vor einer Hospitalisation, die Entscheidung fällt zu Hause oder im Altersheim! Darum überlege man wohl, wieviel Leiden man auf sich nehmen will.

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Lieber Herr S., iC. D.nke Ihnen für Ihren Beitrag, aus dem ärztliche Erfahrung und ärztliches Engagement sprechen. Ich ziehe weder Ihre noC. D.e Integrität der Ärzteschaft im Allgemeinen in Zweifel. Ich schreibe in dem Artikel im Übrigen auch ganz explizit, dass Patientenverfügungen eine gute Sache sind und dass es sicherlich viele Fälle gibt, bei denen der Verzicht auf eine Intubation die humanere Lösung darstellt. Ich finde es auch wichtig, dass Sie darauf hinweisen, dass bei einer Covid-19-Infektion das würdige Sterben ohnehin erschwert wird, weil Angehörige einem entweder gar nicht oder nur in Schutzkleidung beistehen können. Allerdings gilt dies bei Covid-19-Infizierten, ob sie nun intubiert sind oder nicht.
Sehr wichtig ist auch Ihr Hinweis auf die Langzeitfolgen einer Beatmung und auf die statistischen Überlebenschancen, Aspekte, die bisher sicherlich zu wenig in die Öffentlichkeit getragen wurden. Was die Langzeitfolgen anbelangt, würde es mich auch brennend interessieren, was es dazu für gesicherte Erkenntnisse gibt. Mit Bezug auf Covid-19 wohl wenige, da die Überlebenden von schweren Verläufen ja eben erst in die Rekonvaleszenz eingetreten sind. Am konkretesten sind die Angaben, die ich finden konnte in einem NZZ-Artikel von Andreas U. Gerber. Er zieht die Erfahrungen in Betracht, die man mit Covid-19-ähnlichen Lungenpathologien gemacht hat.
https://www.nzz.ch/meinung/lebensbe…ld.1548171
Aber es bleiben ein paar Fakten bestehen: Das Handeln der politischen Entscheidungsträger während der letzten Wochen ist mit aller Konsequenz darauf ausgerichtet, eine Situation zu vermeiden, in der wir eine Intensivbetten-Unterkapazität haben. Das ist auch richtig so. Ein wichtiger Teil dieser Bemühungen besteht darin, Patientenverfügungen einzuholen. Das ist, auch wenn alle Beteiligten nach bestem Wissen und Gewissen handeln problematisch: Das Ziel die Spitäler zu entlassen kollidiert mit der Notwendigkeit, das freie Ermessen der Senioren wirklich zu respektieren und sie nicht beeinflussen zu wollen. Das ist ein objektiver Konflikt. Herzlich, DB

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"Die Würde des Menschen ist unantastbar." - Das gilt nicht nur für Opa und Oma, sondern auch für die Flüchtlinge auf Lesbos ...

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Lieber Herr Hafen, da kann ich Ihnen nur Beipflichten. Es ist ja klar, dass man in einem Kommentar nicht über alles reden kann, aber mir selber scheint, dass ein Satz zur Situation der Flüchtlinge und dazu, dass auch sie Anspruch auf Schutz und die Wahrung ihrer Grundrechte haben unbedingt in den Text gehört hätte. In diesem Sinn: Danke für diese notwendige Ergänzung. Mit herzlichen Grüssen, DB

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Sanitäter im Assistenzdienst
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"Sie werden eingeholt, weil man von möglichst vielen Senioren eine Erklärung zum Verzicht auf Intensiv­behandlung möchte."

Das ist etwas böse. Ja, einigen mag dies als Motiv dienen. Anderen aber dienen harte Zahlen und die Erfahrung, dass die Erfolgsrate bei Reanimationen enorm tief ist. Wenn man denn die letzten Tage nur noC. D.nk gebrochenen Rippen und Medizinaltechnik erlebt, dann hat dies auch einen Nachgeschmack. Auch für die Familien und das Personal ist es durchaus traumatisch.

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die Behandlung ist nicht in allen Ländern gleich erfolglos, bei uns kommt das wesentlich seltener vor!

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Sanitäter im Assistenzdienst
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Menschen funktionieren physiologisch mehr oder minder gleich, ungeachtet der Nationalität. Medizinische Versorgung ist in "Erstweltnationen" ebenfalls vergleichbar.

https://www.nejm.org/doi/full/10.10…Moa2004500 beschreibt zB 50% Mortalitätsrate bei Intensivbehandlung in den USA, was vergleichbar mit China wäre. Anzunehmen, die Schweiz wäre da anders, ist sehr optimistisch.

Die gute Allgemeingesundheit wird mehr Patienten schützen/retten als die Spitzenmedizin.

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Lieber Herr W., vielen Dank für diese Bemerkungen, aus denen Ihre berufliche Erfahrung spricht. Sie haben sicherlich recht, dass es nicht schön ist, seine letzten Tage intubiert erleben zu müssen. Die entscheidende Frage dürfte wohl sein, wie hoC. D.e Chancen sind, eine künstliche Beatmung zu überleben. Die Reanimationen von denen Sie hier sprechen (gebrochene Rippen) beziehen sich aber nicht auf Covid-19-Infektionen, oder? Mit herzlichen Grüssen, DB

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Sanitäter im Assistenzdienst
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Guten Morgen,
die Chancen sind wirklich teilweise recht mies, nicht nur per se bei COVID, sondern Reanimationen generell. https://www.nejm.org/doi/full/10.10…Moa2004500 wie von mir und einem Arzt hier im Thema verlinkt, beschreibt aber explizit 50% bei intubierten Patienten (recht kleine sample size, aber scheint mit anderen Daten übereinzustimmen). (Anmerkung zwecks Klarifizierung: Es scheint die Hälfte zu versterben, man versucht wahrscheinlich nicht alle zu reanimieren).
Und tragisch ist auch, dass der Altersunterschied zu diesem Zeitpunkt nur noch relativ wenig ausmacht: "A greater percentage of patients over 65 years of age had died than patients under 65 years of age (62% vs. 37%)"
Wir werfen also +/- eine Münze, ob jemand wirklich kritisch krankes überleben wird. Darum auch meine andere Antwort: Ich meine, dass allgemeine gute Gesundheit und Prävention mehr Menschen retten wird.

Ich verstehe und schätze Ihre Argumentation, man solle nicht versuchen, Leben aufzuwägen oder gar geringzuschätzen. Bei Ressourcenknappheit wird dies aber definitiv zum Zug kommen müssen. Die Frage ist nun auch, ob es gerechtfertigt ist, bereits frühzeitig damit zu beginnen, um das System vor der Überlastung zu schützen.
Ich bin dankbar, macht das die SAMW und nicht ich.

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Lieber Herr Binswanger, darf ich Ihnen eine wahre Geschichte erzählen? Als ich 25 war und an meiner ersten Assistenzarztstelle tätig, wurde in einer struben Nacht ein alter Mann aus einem örtlichen Pflegeheim eingeliefert. Er hatte hohes Fieber, Husten und atmete so schwer, dass er kein Wort mehr herausbrachte. Auffällig war, dass er mich wegstiess, als ich seine Lunge abhören wollte. Eine nonverbale Kommunikation gelang mir nicht. Ich nahm an, er sei im Fieberdelir, ging von einer Lungenentzündung aus und konnte gerade noch ein Thoraxröntgen und eine Antibiotikainfusion verordnen, bevor ich in den OP gerufen wurde, um bei einem Kaiserschnitt zu assistieren. Als ich wieder rauskam, schlief der Patient, die Infusion lief, und das Röntgenbild bestätigte die Verdachtsdiagnose. Die junge Frau Doktor war fast ein bisschen stolz. Bis zum nächsten Morgen. Da rief jemand vom Pflegeheim an. Es tue ihnen leid, sie hätten im Trubel jener Nacht die Patientenverfügung übersehen. Dieser alte Mann hätte ausdrücklich keine lebensverlängernden Massnahmen mehr gewollt, man hätte ihn gar nicht einliefern dürfen... Das war in der ersten Hälfte der 1990er. Heute sind Patientenverfügungen so weit verbreitet, dass es hoffentlich anders liefe. Aber den schalen Nachgeschmack, den Sie erwähnen, hinterlässt dieses Erlebnis bei mir bis heute. Nicht wegen der Patientenverfügung! Wer nicht in die „Mühle“ geraten will, braucht eine. Das grösste Problem dabei ist, dass der Tod in Kulturen wie unserer dermassen nicht mehr zum Leben gehört, dass es leicht fällt, ihn zu verdrängen. Bis man schwer krank wird. Wie schnell das gehen kann, ist den wenigsten so richtig bewusst. Aber es gehört zu einem guten Leben dazu, das Ende nicht aus den Augen zu verlieren - und mit den Nächsten übers Ende zu sprechen. Oder mit der Hausärztin oder dem Pflegeteam im Heim, wenn man sonst niemanden hat. Es geht dabei nicht um freie Betten, sondern in erster Linie um den VersuC. D.r Gestaltung des eigenen Abgangs. In zweiter Linie vielleicht noch ein bisschen darum, den Betreuenden den schwierigen Entscheid über Leben und Tod zu erleichtern, falls er nötig wird. Hoffen wir, das werde nicht der Fall sein.

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Liebe Frau F., iC. D.nke Ihnen herzlich für diese eindrückliche Geschichte. Sie bestätigt aus meiner Sicht, dass Entscheidungen über lebensverlängernde Massnahmen extrem anspruchsvoll sind, dass sie von erfahrenen, mit dem Fall vertrauten medizinischen Fachkräften mitgetroffen werden müssen, dass Patientenverfügungen eine sinnvolle und wichtige Sache sind - was ich ja auch in meinem Kommentar zum Ausdruck brachte. Es stört mich nicht, dass man mit hochbetagten Senioren das Gespräch über dieses Thema sucht, sehr im Gegenteil. Theoretisch sollte dies ja ohnehin geschehen und unterbleibt wohl häufig nur aus fehlgeleiteten "Takt". Was mich jedoch stört an der aktuellen Situation, ist, dass wir einen objektiven Zielkonflikt haben: Die Senioren (und auch alle jüngeren Bürger) sollen selbstbestimmt zu der Festlegung kommen, die ihnen am besten entspricht. Die Gesundheitsbehörden müssen Massnahmen ergreifen, um die Intensivstationen zu entlasten. Das hat enormes Entgleissungspotenzial. Und da müssen wir sehr genau hinschauen. Herzlich, DB

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Danke. Irgendwie bleibt die Irritation bei mir bestehen ob der Unterstellung, „man“ wolle Omas und Opas Behandlung wegrationieren. Vielleicht bin ich naiv, aber ich kann mir schlicht nicht vorstellen, dass das so gemeint ist. Noch ist ja auch kein Engpass auf Schweizer Intensivstationen absehbar - oder täusche ich miC. D.? Hingegen erleben und wissen wir im Gesundheitswesen nur zu gut, wie es läuft, wenn zuviel gemacht wird. Das ist der absolute Super-GAU. Auch für den/die Betroffene/n. Akutspitäler sind Maschinen. Gesundheits-Wiederherstellungs-Maschinen. Wie alle Maschinen funktionieren sie nur dann gut, wenn man sie zweckmässig einsetzt. Man kann sie auch anders einsetzen. Und dann... „O Mensch, halt ein vorm Krankenhaus!“ Gerbers Interview in der NZZ hat mir sehr eingeleuchtet.

In der breiten Öffentlichkeit ist teils immer noch nicht angekommen, dass mehr nicht immer besser ist. Es dünkt mich richtig, wenn die, welche das nun mal wissen, es in der aktuellen Situation zu vermitteln versuchen - egal, ob wir auf einen IPS-Notstand zusteuern oder nicht. Unabhängig von Covid-19 ist die Palliativmedizin eine valable Alternative zur Apparatemedizin im Akutspital. Sie etabliert sich zunehmend, ist aber noch nicht in allen Regionen der Schweiz verankert. Letztes Jahr kam ich in den Genuss eines Referats von Gian Domenico Borasio, Palliativmediziner in Lausanne. Er wäre bestimmt spannend zu interviewen. Unter anderem scherzte er (sinngemäss und aus dem Gedächtnis zitiert), die Apparatemedizin sei die Rache des kapitalistischen Systems an seinen Profiteuren: alten weissen Männern. (Er ist selber einer, darf das also sagen.) Und besonders an Privatversicherten. Als vorbeugende Massnahme empfiehlt er die Zusatzversicherung zu streichen. Die Unterlagen zum Vortrag geben ihn nur ansatzweise wieder. Hier sind sie trotzdem: https://www.kssg.ch/system/files/me…orasio.pdf Eine erstaunliche Erkenntnis der zitierten Studie aus dem NEJM war, dass palliativ (statt maximal/apparativ) Behandelte am Lebensende nicht nur eine höhere Lebensqualität haben, sondern auch eine höhere Lebenserwartung. Lassen Sie siC. D.s bitte auf der Zunge zergehen! OK: auC. D.e Kosten waren tiefer. Aber das ist nicht die hidden agenda dahinter. Wirklich nicht. (OK, vielleicht die der Politik. Aber nicht an der Front.) Es ist kein Entscheid zwischen gut=teuer=knapp einerseits und schlecht=billig=vorhanden andererseits. Es geht darum, im Einzelfall das zu tun, was nicht nur medizinisch angemessen ist, sondern auC. D.r Lebensphilosophie des/der Patient/in entspricht. Wer soll das wie und wann entscheiden, wenn nicht der/die Patient/in selbst? Und warum rufen jetzt ausgerechnet die aus, die „dem System“ misstrauen? Gut dran ohne Patientenverfügung sind genau die, welche anders ticken: die ihrem Betreuungsteam vertrauen. Wenn man keine Verfügung hat, entscheidet die Heimärztin. Realistischerweise entscheidet sowieso irgendein Weisskittel, wenn man keine hat, in die Mühle gerät und sich nicht mehr mitteilen kann. Wie wollen Sie das sonst regeln? Vertrauen (keine Patientenverfügung) und Kontrolle (Patientenverfügung) scheinen mir in diesem Fall beide besser als Empörung. Nüt für unguet.

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Liebe Frau F.,
als Berufskollege, als pensionierter Hausarzt auf dem Land, auch mit heimärztlicher Erfahrung, erlaube ich mir, zu Ihren Kommentaren einige Überlegungen anzustellen. In vielem bin ich mit Ihnen sehr einverstanden, gerade auch was die Wichtigkeit und Berücksichtigung von Patientenverfügungen angeht. Ich muss das alles nicht wiederholen, auch wenn dadurC. D.e Kritik mehr Raum einnimmt, als was mir Ihren wichtigen Überlegungen angemessen erscheint.
Was ich sehr problematisch finde, und mit dieser Haltung sind Sie leider nicht allein, ist die apodiktische, ideologisch gefärbte Gegenüberstellung der sanften, liebevollen palliativen Medizin einerseits und der brutalen, hoch technisierten maschinellen Gesundheitswiederherstellungsmedizin andererseits.
Das entspricht nicht der Realität. Mit solchen Vorurteilen spricht man den Verantwortlichen auf Intensivpflegestationen ethische Haltungen und Überlegungen ab. Man fördert Vorurteile und provoziert unnötige Ängste. Das ist unfair und zeugt auch von einer fehlenden Wertschätzung der enormen Arbeit, die durC. D.s Pflegepersonal und die Ärztinnen und Ärzte auf diesen Abteilungen geleistet wird.
Wie Sie sicher aus Ihrer ärztlichen Erfahrung wissen, ist das Leben (und auC. D.s Sterben) nicht schwarz-weiss. Es sind die feinen Graustufen, um die wir uns kümmern müssen. Oder anders gesagt, es sind die so unterschiedlichen individuellen persönlichen aber auch gesundheitlichen und sozialen Gegebenheiten, die in die Entscheidung, wie weit eine Therapie gehen soll, einfliessen müssen.
Ich erlebe zur Zeit, wie ein guter Freund von mir, etwas über siebzig jährig, wegen einer schweren Covid-19 Erkrankung auf einer Intensivpflegestation sehr liebevoll (soweit iC. D.s aus der Ferne beurteilen kann) betreut wird und nach Tagen des Bangens nun auf einem erfreulichen Weg zur Besserung ist. Solche Erfahrungen machten es mir bereits früher unmöglich, eine herabwürdigende Haltung gegenüber der sog. Apparatemedizin einzunehmen.
Ich fürchte auch, dass Sie, was den Druck aus gewissen Kreisen der Gesellschaft (und der Wirtschaft!) auf ältere Menschen angeht, vermutlich wirklich etwas naiv sind. Es gibt leider auch in unserer Gesellschaft viele „slippery slopes“, auf denen an sich vernünftige Überlegungen sehr rasch in übelste Abgründe führen. Diese Gefahr ist reell, und sie macht mir auch Angst. Der Firnis der Zivilisation ist dünn, das dürfen wir nie vergessen.

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Lieber Herr Kienholz, da haben Sie mich bei allem Respekt glaub falsch verstanden. Ich bin die letzte, die den Verantwortlichen auf Intensivstationen ethische Haltungen und Überlegungen absprechen würde - oder die enorme Arbeit auf Intensivstationen nicht schätzen würde. Als Mutter einer Primarschülerin würde ich sofort auf eine IPS wollen, wenn sich meine Überlebenschancen erhöhten. Und das Plädoyer für die Palliativmedizin war deklariertermassen unabhängig von Covid-19 (eine theoretisch heilbare Erkrankung). Ebenso habe ich ausdrücklich gesagt, dass es kein Entscheid ist zwischen gut=teuer=knapp einerseits und schlecht=billig=vorhanden andererseits, sondern dass es darum geht, im Einzelfall das zu tun, was nicht nur medizinisch angemessen ist, sondern auC. D.r Lebensphilosophie des/der Patient/in entspricht. - Nur habe ich - zugegeben vor etwa 25 Jahren - wiederholt erlebt, dass (rückblickend terminal) Kranke und Angehörige sich überfahren fühlten von der Maximalmedizin und davon, dass man nicht Tacheles geredet hatte mit ihnen, was die eingeschränkte Prognose betraf. Am ratlosesten habe ich meinen wortkargen ersten Chef erlebt nach schweren Vorwürfen der Tochter eines alten Mannes mit einem grossen Herzinfarkt, dessen Tod sich nur verzögern liess. Das umgekehrte Problem hatten wir tatsächlich nie, auch nicht an meiner zweiten Stelle im Appenzell, wo man nicht immer alles gemacht hat, jedoch umso sorgfältigere Patientengespräche führte. Das bleibt das A und O. Und es geschieht halt wirklich besser schon vor der Spitaleinweisung. Nicht? - Achtzigjährige beschäftigt diese Thematik naturgemäss im Schnitt stärker als Sechzigjährige. In der Ophthalmologie, wo ich heute arbeite, geht es zwar selten um Leben und Tod. Dafür ist es ein geriatrisches Fachgebiet. Die meisten Siebzigjährigen empfinde ich noch lange nicht als alt. Hätte ich vielleicht klarstellen sollen. Jedenfalls bekomme ich mit schönster Regelmässigkeit zu hören: me sött nöd möse so alt werde! Umgekehrt habe ich noch nie in der Sprechstunde gehört, dass sich jemand unter Druck gesetzt gefühlt hätte, den Tod zu begrüssen, bevor er oder sie reif dafür war. Sie?

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Wie kommen Sie auf die Idee, dass Frau F. (oder ich allenfalls in meinen ähnlichen Beiträgen) der Intensivmedizin ethische Haltung absprechen? Im Gegenteil - ich habe (weil ich auch Pflegende und Ärzt*innen auf Ips persönlich kenne) riesen Respekt. DoC. D.r Entscheid fällt vor dem Eintritt in die Klinik. Und der soll möglichst weise sein. Wie wissen auch aus Ihrer Praxis, wie oft völlig illusiorische Vorstellungen gemacht (und auch propagiert) werden - die einen normalen Umgang mit Krankheit und Sterben verunmöglichen. Das einfach als ganz kurze Antwort. LG MSg

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Zuzufügen wäre dem noch, dass die Würde des Menschen zu achten und zu schützen ist - auch jenseits unserer Landesgrenzen.

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Genau. Neben dem im Artikel genannten Widerspruch zwischen Fürsorge und Konkurrenz gibt es auC. D.njenigen, dass die Menschenrechte zwar universal gelten sollen, aber in der Praxis nur für Menschen wirklich gelten, die in dem Land wohnen, dessen Bürgerrecht sie haben - und auC. D.nn nur, wenn dieses Land einigermassen demokratisch regiert wird.

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Vielen Dank, Daniel Binswanger, dass Sie diese Problematik in der Republik thematisieren. Ihren Überlegungen kann ich vollständig beipflichten. Als Sohn einer hochbetagten Mutter, die in einer Altersresidenz lebt, wurde ich letzte Woche ebenfalls mit der Thematik konfrontiert. Meiner Mutter wurde schriftlich mitgeteilt, die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich habe angeordnet, dass eine Hospitalisation von COVID-19-Patienten nur erfolgen dürfe, wenn

  • der zuständige Residenzarzt/Hausarzt die Spitaleinweisung veranlasse
    und

  • die Verlegung ins Spital dem Willen des Patienten (Patientenverfügung) entspreche.

Weiter steht in diesem Brief, ich zitiere:
"Falls keine Patientenverfügung vorliegt und der Wille nicht geäussert werden kann, dürfen wird Betroffene nur in der Residenz pflegen.

Wir ersuchen Sie daher dringend eine Patientenverfügung bei uns zu hinterlegen. Falls wir schon im Besitz einer solchen sind (Kopie), brauchen Sie nichts zu unternehmen. Wir legen diesem Schreiben eine Vorlage zum Ausfüllen bei."

In der beigelegten Patientenverfügung (Patientenverfügung | Kurzform) ist aber überhaupt nichts zu den Bedingungen einer allfälligen Spitaleinweisung zu finden.

Ich habe miC. D.rauf bei der Leitung der Residenz naC. D.n rechtlichen Grundlagen dieser kantonalen Anordnung erkundigt und habe darauf die entsprechende Verfügung der Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich erhalten (Anordnungen und Empfehlungen an die Alters- und Pflegeheime betreffend Corona-Virus-Patientinnen und Patienten) erhalten.

In dieser Verfügung wird den Heimen empfohlen, in Zusammenarbeit mit den Heimärztinnen und -ärzten und den Hausärztinnen und -ärzten der Heimbewohnerinnen und -bewohner abzuklären, welche Massnahmen die Bewohnerinnen und Bewohner im Falle einer Erkrankung an COVID-19 wünschen.

Ein entsprechendes Formular (Dokumentation Patientenwille betr. Verlegung ins Akutspital bei COVID-19-Erkrankung), welches grosse Ähnlichkeiten zur erwähnten Kurzform der Patientenverfügung hat, ist in der Verfügung enthalten. Im Gegensatz zur Patientenverfügung erlaubt dieses aber eine klare Willensäusserung bezüglich einer allenfalls notwendigen Spitaleinweisung.

Diese Empfehlung hat die Leitung der Residenz offensichtlich nicht umgesetzt. Sie geht vielleicht davon aus, dass es sich bei einer Residenz ja nicht um ein Heim handelt.

In der Verfügung sind meines Erachtens hochproblematische Sätze zu finden, die nach meinem Empfinden klar gesetzwidrig sind, wie z. B.:

"Der Spitalaufenthalt muss Aussicht auf einen Behandlungserfolg" haben.

Ich habe der Residenz meine diesbezüglichen Bedenken klar per E-Mail am 30. März 2020 mitgeteilt und auch angeboten, dass meine E-Mail an die Gesundheitsdirektion weitergeleitet werden darf. Bis jetzt habe ich keine Antwort erhalten.

Das Verbot einer Spitaleinweisung im Fall einer COVID-19-Erkrankung ist für mich zynisch. Es entsteht leider der Eindruck, dass Bilder, wie wir sie aus italienischen Spitälern kennen, unbedingt vermieden werden sollen.

Ganz zum Schluss noch: Es geht hier nicht in erster Linie um meine Mutter, sondern um grundsätzliche Fragen.

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Lieber Herr S., iC. D.nke Ihnen sehr herzlich für die ausführliche Darstellung des Falls Ihrer Mutter. Ich teile Ihr Erstaunen über die konkreten Vorgänge. Dass im Falle des Nicht-Vorliegens einer Patientenverfügung eine Hospitalisierung nicht mehr erlaubt sein soll, entbehrt aus meiner Sicht jeder Rechtsgrundlage. AuC. D.e alleinige Entscheidungsgewalt des Residenzarztes über die Hospitalisierung ist extrem befremdlich. Die Republik wird an dieser Sache dranbleiben. Herzlich, DB

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Einen herzlichen Dank auch von mir an Herrn Binswanger für die heutige Kolumne und an meine Vorkommentatorinnen und -kommentatoren für diese wichtige Diskussion.

Zwei Aspekte fehlen meines Erachtens bisher aber noch.

Erstens fehlt mir die Betrachtung der Alternativen zu einer Patientenverfügung. Denn in einer Situation absoluter Knappheit an Beatmungsgeräten (die wir hoffentliC. D.ch noch werden vermeiden können) wird jemand darüber entscheiden müssen, wer behandelt werden kann und wer nicht. Wollen wir dies auf dannzumal am Anschlag arbeitende Ärztinnen abwälzen?

Zweitens wurde mir in den vorangehenden Kommentaren etwas zu oft darauf verwiesen, dass die Spitäler ihre Kapazitäten hochzufahren haben. Ich möchte dies nicht bestreiten und ich weiss auch, dass hier bereits das Menschenmögliche getan wird. Aber es ist halt auch einfach, dies jetzt zu fordern. Genau so wichtig ist es, dass wir alle unseren Beitrag leisten. Wir müssen jetzt mithelfen, die Kurve flach zu halten. Und wir müssen uns später dafür einsetzten, dass die Menschen an der Spitalfront auch langfristig sowohl materiell wie auch ideell die ihnen zustehende Anerkennung erhalten werden.

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Liebe Frau N., vielen Dank für diesen wichtigen Beitrag. Sie haben vollkommen recht: Auch in dieser Diskussion sollte nicht beiseite gelassen werden, dass man die Intensivpflege-Kapazitäten zwar hochfahren, aber auch nicht erwarten soll, dass dies in unbegrenztem Masse möglich ist. Und dass wir alle unseren Beitrag leisten müssen, indem wir verhindern, uns selber anzustecken und zu Vektoren des Virus zu werden und indem wir mithelfen, damit andere sich vor Ansteckungen schützen können. Herzlich, DB

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Ganz herzlichen Dank, Daniel Binswanger, für diese fundierten Überlegungen, die in den nächsten Wochen und Monaten sehr wichtig sein werden, wenn der DruC. D.r Wirtschaft, dass System möglichst rasch wieder hochzufahren, Kollateralschäden in Kauf zu nehmen und weiterzufahren wie vorher, massiv zunehmen wird.
Patientenverfügungen sind wichtig und allen älteren Menschen anzuraten. Viele Pflegeheime verlangen zu recht beim Eintritt eine eine solche. Dass jetzt aber Druck ausgeübt wird auf alte Menschen, möglichst grundsätzlich auf eine Intensivpflege zu verzichten, finde ich äusserst problematisch. Das muss ein individueller Entscheid bleiben. Ein gesellschaftlicher Druck auf solche Entscheide führt rasch zur Diskussion über lebensunwertes Leben. Wohin das führt, sollten wir alle wissen. Mit andern Worten: es geht bei dieser Diskussion um die grundsätzliche Frage, was denn die Grundlagen unseres Zusammenlebens sein sollen.
Ich wehre mich auch ganz vehement gegen die Ansicht, dass – wie in einem Kommentar von H. W. erwähnt – die Menschenwürde nicht mehr gegeben sei, wenn jemand auf der Intensivstation völlig abhängig von Pflegepersonal, Maschinen und Medikamenten ist. Es ist ein fataler und folgenreicher Kurzschluss, wenn Menschenwürde mit Autonomie gleichgesetzt wird. Menschenwürde ist ein Wert an sich, unabhängig davon, wie selbständig oder unselbständig ein Mensch ist. Sonst müssten wir ja auch Säuglingen und Schwerstbehinderten die Würde absprechen.
Die Entscheidung, ob eine Intensivbehandlung angezeigt ist, hängt von vielen Faktoren ab. Es bestehen dazu auch hilfreiche und fundierte ethische und fachliche Richtlinien.
Keinesfalls darf das Alter allein ein Kriterium sein, zumal auch ältere Menschen eine gute Chance haben, dank einer Intensivbehandlung im Rahmen einer Covid-19 Erkrankung völlig zu genesen.

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Bravo und vielen Dank für diesen Artikel!
Meine Frau Renata und ich haben schon vor einiger Zeit aus freiem Willen eine Patientenverfügung aufgestellt, mit der wir auf lebensverlängernde Massnahmen verzichten. Dass nun aber im Angesicht der Corona-Pandemie ältere Leute und Risiko-Patienten gepusht werden, in letzter Minute eine solche Verfügung zu unterschreiben, um allenfalls eher Berechtigten bessere Überlebenschancen zu ermöglichen, ist ethisch absolut unhaltbar!

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Bitte bedenken: Senioren, die in der Patientenverfügung bestimmen, dass sie keine Lebensverlängerung durch "Maschinenmedizin" wollen, beziehen siC. D.rin wohl nicht auf eine Krankheit von der sie sich innert 2 - 3 Wochen vollständig erholen könnten, wie das bei Corona der Fall sein kann. Ich erachte es einen groben Missbrauch, wenn in diesem Fall die Verfügung herangezogen wird um eine mögliche Behandlung schon gar nicht erst anzufangen.
Wenn das Schule macht: Herzoperation mit Herzlungen-Maschine (etc.) gar nicht erst machen, wenn eine Patientenverfügung da ist und der Patient über 80 ist. Lohnt sich nicht, unabhängig von der Erfolgsaussicht.
Da kommt mir unweigerliC. D.r Science Fiction Film "Soylent Green" in den Sinn.

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Elisabeth & Hans Jecklin-Speiser
E.&H.-Kulturstiftung Zürich
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Doch, Herr F., wir beide haben zusätzlich zur schon bestehenden Patientenverfügung schriftlich erklärt und vom Hausarzt bestätigen lassen, dass wir im Falle einer Corona-Infektion keine künstliche Beatmung wünschen. Wir wollen weder in einer Maschine sterben noch mit einer die Lebensqualität beeinträchtigen Behinderung aufwachen. Und wir sind offensichtlich nicht die Einzigen, die das bewusst so wählen. Jg. 1940/1938, zurzeit gesund, fit und lebensfroh, doch nicht um jeden Preis am Leben hängend.

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Lieber Herr F., herzlichen Dank für diesen Beitrag, Sie sprechen einen sehr wichtigen Aspekt an. In der Tat ist es nicht einfach, welche Behandlungen ein erkrankter Senior vielleicht einmal auf sich zu nehmen hat, und deshalb ist auch nicht ganz einfach ex ante festzulegen, was für ihn akzeptabel ist und was nicht. Umso wichtiger ist es, dass die Patienten siC. D.rauf verlassen können, dass in ihrem Sinn und in ihrem Interesse von Dritten entschieden wird, wenn sie es gegebenenfalls nicht mehr können - also von den Angehörigen oder vom medizinischen Personal. Und umso wichtiger ist es, dass garantiert bleibt, dass auC. D.s medizinische Personal diese Ermessensfragen im Patienteninteresse - und nur im Patienteninteresse - beantwortet. Herzlich, DB

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Soylent Green?

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Ja, Soylent Green, danke.

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Das Thema Patientenverfügung ist sicher nicht einfach so aktuell geworden. Klar. Ich gehe aber nicht davon aus, dass das es darum geht möglichst viele Verzichtserklärungen zu erhalten. Sondern darum Klarheit zu schaffen. Das kann der Verzicht sein oder der Wunsch naC. D.m vollen «Programm».
Zu implizieren es handle sich «offensichtlich» um einen «Plan» möglichst viele Verzichtserklärungen von Senioren zu erhalten, tönt für mich zu stark nach «Verschwörungstheorie».

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Lieber Herr M., vielen Dank für diesen Einwand, den ich grundsätzlich nachvollziehen kann. Gegen eine korrekte Erhebung des Patientenwillens ist ja grundsätzlich nichts einzuwenden, und das schaffen von Klarheit ist sicherlich sinnvoll. Aber es ist einfach eine Tatsache, dass die Motive aus denen hier gehandelt wird, ganz klar anzeigen, dass man hofft, Verzichtserklärungen einzusammeln. Sonst müsste das nicht jetzt stattfinden, nicht auf amtliche Anweisung, nicht mit dieser Dringlichkeit. Das hat mit Verschwörungstheorie rein gar nichts zu tun. Und ist extrem irritierend. Herzlich, DBvielen

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Sie haben recht.
Der Beitrag von R. S. und die Verfügung der Züchrcher Gesundheitsdirektion (siehe Abschnitt 2.4: Anordnungen an die Alters- und Pflegeheime bez. Coronavirus-Patienten (3. April 2020) (PDF, 5 Seiten, 444 kB)) haben mir die Augen geöffnet.

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Gute und richtige Überlegungen zur Würde des Menschen. Machen wir uns aber nichts vor, die Würde der Menschen ist auch bei uns nur bedingt unantastbar: je naC. D.m wie wir versichert sind, steigen oder sinken unsere Überlebenschancen. Mal abgesehen vom Umgang mit Menschen die nicht zu uns „dazugehören“ und die wir möglichst weit weg halten wollen.

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Danke M. H., Sie sprechen den Kern der Probleme mit den und der "Fremden", Obdachlosen, Nichtangepassten, Ausgebeuteten, an Hunger und Seuchen Sterbenden weltweit an. Wir sind weit entfernt von all den idealistischen Vorstellungen von der Würde des Menschen, den ein fiktiver Gott angeblich nach seinem "Ebenbild" erschaffen haben soll.

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« Die Würde des Menschen ist unantastbar. » (wenn dem nur so wäre, im Jahr 2020 - und wenn Solidarität wirklich alle einschlösse - auch zB. Menschen ohne Papiere).

« Sie unterzieht auch unsere Wertebindungen einer existenziellen Prüfung - einer Prüfung, an der wir nicht scheitern dürfen. Nichts könnte wichtiger sein, als dass wir immun bleiben gegen Jede Versuchung, von unserem ethischen Fundament auch nur einen Millimeter preiszugeben. Und nichts dürfe anspruchsvoller sein. »

Und da gibt es noC. D.nklere Stellen als alte, gebrechliche und alleinstehende Menschen zu einer Patientenverfügung zu drängen...

Wer werden die sorgsam informierten und gut begleiteten Menschen sein an denen die neuen Impfstoffe und Medikamente gegen das Virus ausprobiert werden? Da war es schon in der Vergangenheit nicht weit her mit unseren Werten...

Danke für die angestoßene Diskussion

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Ich verstehe den Druck eher so, dass Entscheidungen, die längst getroffen wurden bitte noch schriftlich festgehalten werden sollen. Ich habe mehrfach erlebt, wie dieser eigentliche Wille von Patienten missachtet wurde, weil die Spitäler im entscheidenden Moment nicht die juristisch einwandfreie Verfügung zur Hand hatten.

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Lieber Herr M., vielen Dank für diesen Beitrag. Wenn Sie recht haben sollten, wäre tatsächlich alles in Ordnung. Es darf in der Tat nicht geschehen, dass ein Patient gegen seinen Willen einer belastenden Behandlung unterzogen wird, und dass es zu dieser Situation immer wieder kommt, weil keine Verfügung vorliegt und die Ärzte nicht anders können, ist sicherlich zutreffend. Aber noch einmal: Hier werden nun grossflächige behördliche Anstrengungen unternommen, um Verfügungen zu erwirken. Ganz offensichtlich aufgrund ganz anderer Dringlichkeiten und mit einer anderen Agenda. Das ist ein Problem. Mit herzlichen Grüssen, DB

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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In einer früheren Diskussion beschrieb ich, dass die Patientenverfügung einerseits AusdruC. D.r Autonomie und des Individualismus ist und andererseits auC. D.s (Neo-)Liberalismus, der die Verantwortung auf die Einzelnen verschiebt. Und wie eine erzwungene oder dringend nahegelegte Patientenverfügung ein Selbstwiderspruch in sich bedeuten würde.

Diese Entlastung der Anderen durC. D.n Einzelnen ist eine kollektive Form der Kontingenzbewältigung. Statt Gott, Glück oder Gesetze das Individuum. Nicht wir sollen und wollen schuldig sein, sondern du alleine. Für dein Schicksal [sic!] wie auch für deinen Tod.

Wir wollen uns die Hände nicht schmutzig machen, sondern sie in Unschuld waschen, damit unsere schönen Seelen eine reine Weste behalten können.

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Elisabeth & Hans Jecklin-Speiser
E.&H.-Kulturstiftung Zürich
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Sehr geehrter Herr Binswanger
Wenn es wirklich so ist, dass derzeit ältere Menschen zu Patientenverfügungen gedrängt werden, ist das sicher zu verurteilen. Ob und in welchem Mass siC. D.s so abspielt, wie sie schreiben, weiss ich nicht.
Was aber zur individuellen Entscheidungsfindung dienlich wäre, fehlt auch in Ihrem Artikel: Wie hoch ist die Überlebensquote über 70- bzw. über 80-jähriger Patienten im Falle künstlicher Beatmung. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit von Folgeschäden und welcher Art sind diese, mit denen zu rechnen ist.
Es gibt sicher Fachleute, die über entsprechende Erfahrungen verfügen.
Mein früher Input in diesem Sinne auf einen Artikel über das Dilemma der Ärzte und des Pflegepersonals ist mit einem Hinweis auf eine WortnunanC. D.rch einen Redaktor abgewimmelt worden.

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In einer Krise betagte oder kranke Menschen aufzufordern, eine Verfügung zu verfassen, ist aus meiner Sicht unethisch, mindestens sehr fragwürdig. Eine Verfügung soll unabhängig - insbesondere ohne Druck von den Angehörigen, der Umgebung und der Gesellschaft verfasst werden. Auch sollte sie mit der Person verfasst und besprochen werden, die im Bedarfsfall die Rechtsvertretung inne hat. Wie festgehalten: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Abgesehen davon, hat die Verfügung mit dem neuen Kindes- und Erwachsenenschutzgesetzt einen hohen Stellenwert erhalten. Fachpersonen sind gehalten, zu prüfen ob eine Patientin, ein Patient eine Verfügung hat. So haben sich gerade ältere Menschen insbesondere dann, wenn sie in eine Langzeitpflegeinstitution eintreten um dort zu leben, mit der Verfügung auseinandergesetzt und haben bereits eine verfasst. Am Lebensende oder bei einer schweren Erkrankung muss die medizinische Indikation für ein Behandlung immer sehr sorgfältig abgewogen werden. Krise hin oder her. Und schliesslich: Es kommt vor - wie oft lasse ich offen - dass Patientinnen, Patienten gegen ihren Willen medizinisch behandelt werden.

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Unethisch scheint mir, ein so folgenschwerer Entscheid wie eine Hospitalisation (was bei alten Leuten dann wohl oft in der Intensivstation mit Intubation bedeutet) nicht abgesprochen wird mit der Patient*in. Und zwar ehrlich und offen. Will ich wirklich verzichten auf Berührung, auf Begleitung, auf Verzicht des Verabschiedens von der Familie? Ist es mir vielleicht nicht wichtiger, in meiner geliebten oder wenigstens gewohnten Umgebung meine letzten Stunden zu verbringen? Intubation kann für Menschen im Alter unendlich qualvoll werden - resp. die Zeit danach, falls man überlebt. Die Komplikationsrate ist sehr gross (leider finde iC. D.e Zahlen dazu im Moment nicht): will iC. D.s auf mich nehmen?

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"Ist es unter diesen Voraussetzungen noch glaubhaft, dass das Interesse der Patientinnen und Patienten der strikte und alleinige Leitgedanke des ärztlichen Handelns darstellt?"

Das ist längst nicht mehr glaubhaft, aber nicht wegen den Empfehlungen zu Patientenverfügungen. Spätestens seit das "Gesundheitswesen" zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig geworden ist, der dem üblichen Wachstumszwang unterworfen ist und von dem die Einkommen von Hunderttausenden abhängen, hat sich eine Eigendynamik entwickelt, die das Interesse der Patientinnen und Patienten in den Hintergrund stellt.
Ich verstehe den schalen Nachgeschmack, den Sie mehrmals erwähnen. Ich spüre ihn auch. Als Entscheidungshilfe taugt er wenig.

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Herr Binswanger iC. D.nke ihnen für den Text, die Reflexionen. Sie spiegeln den Überbau
Konflikt meines Alltags als Hausärztin in der Agglomeration von Zürich. Zahlreiche Gespräche habe ich geführt zur Patienten-Verfügung. Der Antrieb der älteren Menschen zum Thema waren v.a die Angst durC. D.e Bilder , Berichte aus Italien und anderen Regionen, dass diese Altersgruppe keine entsprechende Fürsorge erhalten würde.
Auf dem Hintergrund der vertrauten Beziehung, der sehr guten unkomplizierten Zusammenarbeit mit dem zuweisenden Spital (keine altersbedigte Restriktionen ),mit der Möglichkeit des Aufzeigens von palliativ-therapeutischen Massnahmen( der schweizerischen Palliativen Gesellschaft )hoffe ich Ängste etwas abbauen zu können und Gewährleistung zu geben dass die Autonomie gewahrt bleibt.
Was mich aufschreckte letzte Woche, war eine Aufforderung der Gemeinde an mich für meine Patienten im Alters-Pflegeheim (namentlich )ein Rezept im Voraus auszustellen für Medikamente in palliativer Absicht bei einer Covidinfektion ohne, dass die betroffenen Personen darüber wussten u/o ein Gespräch geführt wurde.
Vor solchen Missachtungen der Grundrechte habe ich Angst und Befürchtungen .
Deswegen nochmals Dank für ihre Anregungen.

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Liebe Frau Dirr, ganz herzlichen Dank für diese spannende Innenansicht. Ich könnte mir gut vorstellen, dass es typisch ist für die Situation, in der wir uns befinden, dass einerseits eine gut funktionierende und ethisch korrekte Versorgung gewährleistet wird, insbesondere vom medizinischen Fachpersonal, und dass andererseits siC. D. und dort ein behördliches Agieren spürbar macht, das wirklich problematisch erscheint. Dass man auf Vorrat, ohne die Betroffenen zu fragen oder zu informieren, Rezepte für Palliativversorgung ausstellen soll, ist in der Tat befremdlich. Herzlich, DB

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Sehr geehrter Herr Binswanger, herzlichen Dank für diese Kolumne ! Mir würde es tatsächlich übel, wenn ich jetzt eine Besprechung mit älteren Bewohnern durchführen müsste.Das käme ja einer Rationalisierung gleich!!
Eine Patientenverfügung in „normalen“ Zeiten zu verfassen, braucht genügend Zeit und Nachdenken und Information.

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Yvo Wüest / Education Minds GmbH
Trainer Didaktische Reduktion
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· editiert

Die grosse Überraschung heute: Das Editorial in der Financial Times.
Zitat: 'Radical reforms — reversing the poliC. D.rection of the last four decades — will need to be put on the table. (...) Policies until recently considered eccentric, such as basic income and wealth taxes, will have to be in the mix.'
Fazit: Wir brauchen einen neuen sozialen Vertrag in der Schweiz und für diese Welt.
Siehe: https://www.ft.com/content/7eff769a…d274e920ca

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Ja klar (ohne den Artikel der FT gelesen zu haben), das hängt alles zusammen und wenn ich in der aktuellen Kolumne mit der „Unantastbarkeit der Würde des Menschen“ konfrontiert werde, denke ich insbesondere an das bedingungslose Grundeinkommen.

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Yvo Wüest / Education Minds GmbH
Trainer Didaktische Reduktion
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In der FT, einem gemeinhin auf die Verbreitung wirtschaftsfreundlicher Allgemeinplätze fokussierten Medium, im Editorial einen Artikel zu finden, der sich mit der Unantastbarkeit der Würde im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie auseinandersetzt (und gleichzeitig erste notwendige politische Massnahmen anspricht), hat mich überrascht.

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Vom Sinn des Wirtschaftens

Der gegenwärtig viel diskutierte Trade-off zwischen Gesundheits- und Wirtschaftspolitik ist das Symptom für ein zeittypisch verkürztes, von seiner eigentlichen Sinn- und Zweckbestimmung entkoppeltes Wirtschaftsdenken, das letztlich auch noch in der von Daniel Binswanger zu Recht problematisierten Gefahr eines bedrängenden Umgangs mit Patientenverfügungen zum Ausdruck kommt. Vielleicht bieten solche dilemmatische Erfahrungen Anlass, naC. D.r Krise unser Verständnis von einer gut aufgestellten Volkswirtschaft grundsätzlich zu überdenken.

Wirtschaften ist ja nicht Selbstzweck, sondern soll dem guten Leben und Zusammenleben der Menschen dienen. Es genügt nicht, die Wirtschaft auf maximale EFFIZIENZ hinsichtliC. D.r Steigerung des Bruttoinlandprodukts (Wirtschaftswachstum) auszurichten oder in einer kapitalistischen Marktwirtschaft gar nur auf maximale finanzielle „Performance“. Bereits aus der ökologischen Krise mussten wir lernen, dass die Wohlstandssteigerung unter die - schwierig genug umzusetzende - Bedingung ihrer NACHHALTIGKEIT zu stellen ist. Effizient zu gestalten ist in deren Perspektive vor allem der Einsatz der einzig wirklich knappen Naturgüter (Ökoeffizienz).

Da aber die Vermehrung des materiellen Wohlstands nach allem, was wir wissen, nicht komplett von der Naturbelastung entkoppelt werden kann, ergibt siC. D.raus unweigerlich auC. D.s Gebot der SUFFIZIENZ: Genug ist das Beste, was es gibt. Das lässt siC. D.rchaus auch ökonomisch ausbuchstabieren: Es gibt letztlich nichts Ineffizienteres, als Ressourcen und Arbeit für die Erzeugung sinnloser Dinge zu verschwenden. Dabei ist allerdings, etwa im Orientierungsrahmen der Philosophie des politischen Liberalismus, der gleichen Freiheit aller bezügliC. D.r selbstbestimmten Lebensführung Nachachtung zu verschaffen. Soweit faire Regeln des gleichberechtigten Zusammenlebens etabliert sind, ist in den subjektiven Fragen des persönlichen Lebenssinns jeder Autoritatismus fragwürdig.

Unter dieser Voraussetzung der Selbstbestimmung verträgt sich eine gewisse materielle Genügsamkeit mit den meisten Entwürfen des guten Lebens wohl wesentlich besser als das, was uns jetzt in der Corona-Krise das „social distancing“ im doppelten Sinn abverlangt, nämlich - über die Wahrung des physischen Abstands hinaus - die schmerzliche Einschränkung unserer zwischenmenschlichen Kontakte. Sie ist nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch menschlich nur für eine sehr begrenzte Zeit zumutbar. Soweit sie in der Corona-Krise nötig ist, um die Überlastung des Gesundheitssystems und weiterer Infrastrukturen zu vermeiden, ergibt sich für die postcoronale Epoche die Einsicht in ein bisher noch wenig beachtetes viertes Grundkriterium guten Wirtschaftens: die RESILIENZ, verstanden als die Robustheit der Grundversorgung aller Menschen mit dem Lebensnotwendigen auch unter unvorhergesehenen krisenhaften Belastungen, inklusiv hinreichender nationaler Selbstversorgung mit allen essenziellen Grundgütern und Infrastrukturen.

Eine in jedem Sinn „gesunde“ Wirtschaft sollte also, abstrakt zusammengefasst, vor allem effizient und resilient sein im Hinblick auf die Gewährleistung einer nachhaltigen und suffizienten (d.h. auf das wirklich Wesentliche des guten Lebens und Zusammenlebens ausgerichteten) Lebensform für alle. Dann wird der heute symptomatische Trade-off zwischen Wohlstand und Humanität von vornherein gegenstandslos.

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Lieber Peter Ulrich, herzlichen Dank für diese erhellenden Ausführungen. Sie haben vollkommen recht: Was in der Problematik der forcierten Patientenverfügungen aufscheint, sind fundamentale gesellschaftliche Widersprüche, deren Tragweite noch viel weiter geht. Der Gedanke, dass wir künftig uns nicht nur dafür engagieren müssen, dass die marktwirtschaftliche Effizienz durch ökologische Suffizienz ergänzt wird, sondern dass auC. D.s Prinzip der systemischen Resilienz ein neuer Leitgesichtspunkt werden muss, leuchtet mir absolut ein. Im Hinblick auf die Gesundheitspolitik scheinen mir die Konsequenzen naheliegend zu sein: Wir müssen zurück zu den "Überkapazitäten", die es uns erlauben, in einer Krisensituation nicht in selbstverschuldete Zwangslagen zu geraten. Mit herzlichen Grüssen, Daniel Binswanger

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Lieber Daniel Binswanger, auch meinerseits herzlichen Dank für Ihr Feedback. Darf iC. D.e einleuchtenden Konsequenzen aus dem Kriterium der (systemischen) Resilienz - nämlich robuste Kapazitätsreserven im Gesundheitssystem - noch kurz ergänzen? Es geht m.E. auch um die umfassenden sozioökonomischen Voraussetzungen des guten Lebens für alle. Laut heutiger Aussage von Daniel Koch (BAG) haben 97% der bisher in der Schweiz an Covid-19 Verstorbenen an schlechten gesundheitlichen Voraussetzungen (Vorerkrankungen) gelitten. Dabei gibt es Zusammenhänge zu schichtspezifischen Lebenslagen. Die Chance, die Infektion zu überleben, hängt daher nicht nur vom Alter der Betroffenen, sondern auch auch von den sozialen Verhältnissen ab, in denen sie zuvor gelebt haben. Man bedenke, was mit der Pandemie auf die USA, den Iran oder gar auf Indien zukommen könnte. Eine Volkswirtschaft, die allen Gesellschaftsmitgliedern eine anständige Lebenslage bietet, beugt demnach im Fall einer Pandemie wohl am wirksamsten gegen katastrophale Folgen jeder Art vor. Und das ist weniger eine Frage des absoluten Wohlstandsniveaus eines Landes als der hinreichenden Inklusion aller Bevölkerungsschichten in die wirtschaftliche Entwicklung.

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Informatik-Ingenieur und Ökonom
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· editiert

Binswanger verfällt implizit dem Irrtum, dass es hier um ein Abwägen zwischen Menschenwürde und Wirtschaftsinteresse gehe. Es geht hier aber um eine viel grössere und schwierigere Fragen, nämliC. D.e, was ein Leben überhaupt lebenswert macht. Es gilt abzuwägen, welche Einschränkungen an Lebensqualität der Mehrheit zumutbar sind, um eine Minderheit zu schützen. Der italienische Philosoph Giorgio Amgaben hat dies viel schöner dargelegt, als iC. D.es kann:

https://itself.blog/2020/03/17/gior…fications/

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Lieber L. M., statt eines Abwägens zwischen „Menschenwürde und Wirtschaftsinteresse“ haben wir laut ihnen zwei Abwägungen:

  • Lebenswertes Leben vs. nicht-lebenswertes Leben

  • Lebensqualität der Mehrheit vs. nicht-lebenswertes Leben der Minderheit

Diese Diskussion läuft jedoch auf dieselbe utilitaristische Abwägung zwischen „Menschenwürde und Wirtschaftsinteresse“ hinaus, die schnell auf eine abschüssige Bahn geraten kann.

Giorgio Amgaben ist zudem ein schlechter Zeuge für diese Position. Einerseits warnt er zwar vor autoritären Versuchungen eines permanenten Ausnahmezustandes. Doch andererseits ist die Reduktion auf das „nackte Leben“, also der aufgrund des Kampfes ums Überlebens von aller Menschenwürde entkleidete Mensch, der für übergeordnete Ziele sein Leben lassen muss, ja genau das, was er kritisiert. Der homo sacer galt im römischen Recht „einerseits als vogelfrei und durfte straffrei getötet werden. Andererseits galt er auch als heilig. Aufgrund seiner Heiligkeit durfte er nicht geopfert werden“.

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Informatik-Ingenieur und Ökonom
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Sie haben grosses Talent darin, meine Kommentare zu verzerren.

Betrachten Sie folgendes, konkret mir bekannte Beispiel: eine ältere Dame findet, sie möchte ihren möglicherweise letzten Frühling lieber draussen verbringen, als zu Hause festzusitzen. Dafür ist sie bereit, das Risiko einer Erkrankung in Kauf zu nehmen und würde im Ernstfall auch auf eine künstliche Beatmung verzichten. Hier hat jemand eine bewusste persönliche Abwägung über die Lebensqualität in verschiedenen Szenarien gemacht.

In diesem Beispiel geht es nicht um Wirtschaftsinteressen, sondern um die Frage, was das Leben lebenswert macht. Ihre Behauptung, solche Fragestellungen würden stets auf "Menschenwürde vs. Wirtschaftsinteressen" hinauslaufen, ist demnach falsch.

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„...nämliC. D.e, was ein Leben überhaupt lebenswert macht.“

Amen.

„Es gilt abzuwägen, welche Einschränkungen an Lebensqualität der Mehrheit zumutbar sind, um eine Minderheit zu schützen.“

Nö. Sondern in Ihrer Patientenverfügung geht es einzig um die Frage: was macht Ihr Leben lebenswert? Ihr eigenes? Unter welchen Umständen, mit welchen Einschränkungen möchten Sie daran festhalten? Ich habe noch weitere Kommentare brösmelet und hoffe, die machen die Intention klarer. In dieser Hinsicht bin ich auch mit Herrn Binswanger nicht einverstanden. Danken Sie dem Himmel, liebe Ökonomen, dass es nicht Sie sind, die zu entscheiden haben, wann welche Apparate abgestellt gehören. Idealerweise entscheidet das auch nicht mein Berufsstand (bin Ärztin), sondern der Mensch, der an den Apparaten hängt. Vorher, weil es an den Apparaten nicht mehr geht. In einer - genau: Patientenverfügung.

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Armando Köppel
Rente-Geniesser
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Das gilt also auch für mich, bin Grossvater, bald 70 Jahre alt, habe eine Patientenverfügung und meine 5 Kinder wissen, was ich will wenn ich mich nicht mehr selber wehren kann. Es ist sehr lobenswert wie Sie sich, Herr Binswanger, für uns einsetzen. Für unsere Würde, für unser freies Bett in der Intensiv - koste es was es wolle (wirklich?).
Aber ich kann Sie beruhigen. Für uns wird viel gemacht und leider auch manchmal "gut gemeintes" das wir gar nicht wollen. Schweizers "Ethisches Fundament" hört oft auf wo das Geld fehlt, und ganz sicher an den Grenzen der Schweiz, leider!
Ich geniesse Ihre Kolumne seit Jahren, aber steckt nicht etwas viel Misstrauen im Verdacht, man wolle nur...?.. Wir Alten wollen gefragt werden, sicher! Wir möchten aber auch Nein sagen können zu einer Medizinmaschine, die uns nicht gefällt. Die meisten von uns hatten ein sehr gutes Leben, ein schönes Alter und erleben viel Solidarität. Aber Leben ist nun mal lebensgefährlich! Eine Patientenverfügung zwingt uns, uns mit den Fragen von Krankheit, Pflege und Sterben auseinanderzusetzen und das ist gut so. Ich und viele meiner Freunde und Bekannten wollen ein erfülltes Alter und ein gutes Leben, aber im Wissen dass es bald einmal endet, und das es gut ist so. Das ist Vielen bewusst und den Anderen kann eine gut überlegte und mit Angehörigen diskutierte PV helfen. Aber danke für Ihre Sorge um uns. Ich wünsche Allen "Republikanern" Zuversicht und etwas mehr Gelassenheit in dieser Zeit. He, die Sonne scheint draussen, es ist warm!

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Lieber Herr Köppel, herzlichen Dank für Ihre Stellungnahme. Ich kann Ihren Ausführungen eigentlich nur zustimmen: In der Tat, wir brauche Zuversicht und Gelassenheit - und nicht nur die Republikaner. Nur was Ihren Einwand betrifft, mein Verdacht, man lege es darauf an, möglichst viele Verzichtserklärungen einzuholen, sei übermässig misstrauisch, muss ich Ihnen widersprechen. Die Gesundheitsbehörden bereiten sich vor auf einen Pflegenotstand, bauen Bettenkapazitäten aus, bieten das Militär auf etc. Und in dem Rahmen verpflichten die Kantonsbehörden sämtliche Pflege- und Altersheime dazu, im Eiltempo Patientenverfügungen einzuholen? Ich bin nach wie vor der Überzeugung: Da sollten wir sehr genau hinschauen. Mit herzlichen Grüssen, Daniel Binswanger

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Sehr geehrter Herr Binswanger

Genau hinschauen finde ich sehr wichtig, vor allem bei heiklen Themen wie diesen. Und ich bin froh, dass Sie das machen!

Ihre Interpretation, da könnte eine böse (unethische) Absicht dahinter stecken (Anm.: hinter dem Drängen zur Verfügung), kann ich nicht teilen. Ich sehe eher gute Absichten!

  1. Die benötigten IPS- Plätze sollen zugunsten Aller möglichst tief gehalten werden.

  2. Die alten Menschen sollen spätestens jetzt bestimmen, was sie wollen und was nicht, bevor sie nicht mehr selber können

  3. Die Angehörigen und Mediziner sollen von schwierigen Entscheiden entlastet werden

  4. Die Lebensqualität soll nicht auf Kosten der Lebensquantität geschmälert werden.

  5. Alternative Behandlungsoptionen (palliative Care) soll vorbereitet werden können (Morphiumverordnung und Bestellung)

  6. Die Angehörigen werden in verschiedene Belangen sensibilisert
    usw.

Für mich ist es jedenfalls sehr angenehm, wenn ich bei meinen Behandlungsentscheidungen in der Akutsituation den Willen der Patienten mitberücksichtigen kann, auch wenn sie sich nicht mehr verständigen können.

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Ergänzerin
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· editiert

Sehr geehrter Herr Binswanger

Eine Hauruck-Aktion betreffend Patientenverfügungen ist ethisch sicher fragwürdig. Die Fragestellung nach möglichst selbstbestimmtem Sterben ist auf weite Sicht dennoch sinnvoll, darum kommen wir nicht herum. Auch Isolierung und Einsamkeit sind hier zentrale Themen.

Zum Glück ist die generelle Lage auf den Schweizer Intensivstationen zurzeit nicht alarmierend. Ich frage mich vielmehr, wie der Anteil der über 70-Jährigen von 89 % und der über 60-Jährigen von 97 % an den Todesfällen mit Coronaviren (gemäss Fallzahlen BAG, 3.4.) überhaupt zustande kommt:

  1. Wie haben siC. D.e Verstorbenen vor und naC. D.r Verfügung der Massnahmen angesteckt?

  2. Wo muss der Hebel angesetzt werden, damit Ansteckungen möglichst reduziert werden?

  3. Wie kann dies möglichst effektiv und ohne Dauerisolation der Risikogruppe getan werden?

Diese Fragen sind auch im Hinblick auf zukünftige Epidemien wichtig. Deutschland verfügt bereits über eine Forschungsgruppe um Prof. Streeck, die der Frage der Ansteckung durch Coronaviren nachgeht. Die Ergebnisse werden demnächst veröffentlicht. Wie es aussieht, ist der gezielte Einsatz von Masken bei Personal und Bezugspersonen zum Schutz der Risikogruppe als Vorsichtsmassnahme durchaus sinnvoll, da die Übertragung von vermehrungsfähigen Coronaviren wirklich über Tröpfchen (und nicht Oberflächen) geschieht. Die Verfügbarkeit von Masken wird in vielen Bereichen Entwarnung bedeuten, die Intensivstationen dauerhaft entlasten und ältere Personen aus der Zwangsisolation befreien. Dadurch entsteht Raum für die grossen ethischen Fragen.

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Komisch, iC. D.chte Patientenverfügungen wären bei Altersheimen und Pflegezentren längst Standard. Zumindest mussten wir zwingend eine für die demente Mutter meiner Freundin hinterlegen, und sie war bloss unter der Woche jeweils im Tageszentrum eines Pflegeheims. Dabei hatten wir aber eher die Reanimierung im Falle eines Herzstillstands im Sinn, nicht einen Krankheitsfall.

Grundsätzlich finde ich es gut, dass noch fehlende Patientenverfügungen eingeholt werden. Eine aufwändige und schmerzhafte Behandlung gegen den Willen einer Patientin wäre eine Dummheit, und eine doppelte, wenn deswegen eine andere Person nicht behandelt werden kann. Es ist aber eine Frage der Umsetzung.

Im Prinzip müssen die knappen Behandlungsressourcen bei der Patientenverfügung komplett ausgeklammert werden, und dürfen weder implizit noch explizit angesprochen werden - sonst lässt sich keine freie Willensäusserung garantieren. Schwieriger wird es sein, eine allfällig schmerzhafte Behandlung in die Abwägungen einfliessen zu lassen, ohne den Patienten zu beeinflussen. Gerade wenn die geistigen Fähigkeiten eingeschränkt sind.

Ich würde mir auf jeden Fall kein neutrales Gespräch mehr zu diesem Thema mit meiner "Schwiegermutter" zutrauen, ohne dass ich sie unwissentlich in die eine oder andere Richtung beeinflusse.

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Lieber Herr W., ich muss ihnen Recht geben: Alles hängt an der Umsetzung der Gespräche über eine Patientenverfügung. Und: Die Senioren nicht auf unzulässige Weise zu beeinflussen, dürfte sehr anspruchsvoll sein. Ihre Bemerkungen werfen aber auch ein Schlaglicht auf das Dilemma der heutigen Situation: Kann man solche Gespräche durchführen, wenn die gesundheitspolitische Priorität ganz klar die Entlastung der Intensivstationen ist? Herzlich, DB

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Lieber Herr Binswanger, ich bin ebenso der Ansicht dass wir sehr genau hinschauen müssen. Allerdings sehe iC. D.e Sache in der jetzigen Situation nicht ganz so kritisch.

Nach meinem Wissen werden die Gespräche in der Regel von Personen geführt, welche in einer persönlichen Beziehung zu den Betroffenen stehen - also Angehörige, Hausärzte, Pflegepersonal. Das wird nicht immer völlig neutral sein, aber im Allgemeinen hätte ich grosses Vertrauen dass diese Personen aufrichtig im Interesse der Betroffenen handeln.

Am ehesten sehe iC. D.e Gefahr, dass durC. D.e mediale Präsenz des Themas ein sozialer Druck aufgebaut wird. Dies kann sowohl die Gesprächspartner wie auC. D.e Betroffenen beeinflussen, bewusst oder unbewusst. Wenn wir, wie laut aktueller Prognose, knapp an der Katastrophe vorbeischrammen, dann dürfte dieser soziale Druck eine untergeordnete Rolle spielen.

Anders würde es aussehen, wenn wir absehbar mit einem grossen Mangel an Intensivstations-Plätzen rechnen müssten. Aber soweit kommt es hoffentlich nicht.

Mit den besten Wünschen, FW

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IC. D.nke, man darf niemanden unter Druck zu setzen, präventiv auf eine medizinische Behandlung zu verzichten, weder sanft noch sonstwie, wenn der/die Betroffene nicht verzichten möchte. Genauso wenig, wie man ihn oder sie zu einer Behandlung überreden darf, wenn die nicht gewollt ist. Druck aufbauen, indem man gezielt Schreckensbilder heraufbeschwört, finde ich in beide Richtungen unanständig.

Dass Triage-Entscheide für diejenigen, die sie dann gegebenenfalls fällen müssen (noch sind wir nicht soweit!), extrem belastend sein werden, ist unbestritten, und sie haben jede Unterstützung verdient, aber einem Menschen seine Würde aberkennen, weil er (vielleicht vorübergehend) nicht selber für sich sorgen kann, ist gefährlich. Ich bin Daniel Binswanger sehr dankbar für sein klares Statement.

Wenn jetzt ernste Gespräche geführt werden in vertrauten Beziehungen über das Sterben, ist das sicher sinnvoll und kann ein Gewinn sein. Vielleicht macht das Virus da ja auch etwas möglich, was vorher aus Scheu vermieden wurde.
Aber von Staates wegen Patientenverfügungen zu fischen, oder Menschen gar präventiv zum Verzicht auf einen Spitaleintritt motivieren wollen, da wünsche ich mir eine Armada von trotzigen Alten, die denjenigen, die diese Ideen ausbrüten, ganz kräftig den Marsch blasen!

Sage ich als jemand, die ihre Patientenverfügung schon lange gemacht hat. Weil ich es wollte. Nicht, weil es jemand von mir erwartet hat. Dieses Recht würde ich niemandem zugestehen.

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IC. D.nke Herrn Binswanger sehr für seinen Artikel, in dem er kurz und prägnant etwas anspricht, was in diesen "nicht normalen" Zeiten existenziell wichtig ist: eine wache Sensibilität ist Voraussetzung, um zu verhindern, dass der Mensch als Mittel missbraucht wird.

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Ich bin über 83, spiele Geige in einem Symphonieorchester, male, bin fit, habe eben meinen ersten Roman beendet, geniesse das Leben mit meiner Partnerin (55) und Freunden, lese viel, bin in der Klimabewegung aktiv, und versuche die Welt etwas besser zu machen als sie ist... Wie heisst das jetzt? Hochbetagt? Bloss wegen eines Kalenderdatums? Beim Eintrittstest im Fitnessclub sagte der Computer letztes Jahr "Biologisches Alter: 68". Jetzt sind plötzlich alle genau ab dem 65. Geburtstag "vulnerabel"?
Beim Durchlesen der weiteren Beiträge kommen Fragen über Fragen auf: Gibt es Erkenntnisse über die Gründe für die zunehmende Bedrohlichkeit mit steigendem Kalenderalter? Ich höre immer wieder von Senioren mit milden Verläufen. Kann ich vorbeugend etwas tun, damit ich eine allfällige Infektion ohne Spitaleinweisung überstehen kann? Gibt es überhaupt eine nennenwerte Zahl von Patienten, welche die Lebensrettung unbeschadet überleben? Fragen voller Angst.

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Bloss, dass Ihre Partnerin dreissig Jahre jünger ist, hätten Sie mir jetzt nicht noch auf die Nase binden müssen. Für Sie mag das ein Argument im Sinne des Votums sein, für mich nicht.

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Ich habe das beigefügt, weil es alles komplizierter macht. Meine Partnerin muss sich zeitweise bei der Arbeit exponieren und bringt ev. Corona frei Haus, ich soll mir derweil als "Hochbetagter" die Einkäufe bringen lassen... Es gibt sicher einige Paare mit Altersunterschieden.

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Ganz, ganz herzlichen Dank, Herr Binswanger!
Ein vorerkrankter Opa

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Lieber Herr K., vielen Dank für Ihre herzliche Reaktion! Auch in meinem Umfeld gibt es exponierte Menschen. Passen Sie auf sich auf!

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Danke für diese Perspektiven. Verschiedene Perspektiven finde ich gut, weil sie mir helfen, mich mit der Situation und meinen eigenen Fragen auseinanderzusetzen.

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Herzlichen Dank, Daniel Binswanger, für diesen sachlich und ethisch sehr wertvollen Beitrag.
Wieso weiss übrigens kaum jemand, dass wir in der Schweiz (und nicht nur da) in den letzten 20 Jahren die Anzahl Intensivbetten aus Kostengründen halbiert haben? Das sind minus 3% pro Jahr, gleicher Prozentsatz also wie das für "gesunden Wirtschaftsgang" nach (noch) gängiger Lehre geforderte Wirtschaftswachstum. Wenn da nur dieses verflixte Vorzeichen nicht wäre. Eigentlich hätte ja die Zahl der IP-Plätze mitwachsen müssen, denn der Bedarf pro Kopf ist nicht gesunken. Doch seit der zunehmenden Privatisierung des Spitalwesens, das eigentlich zum Service Public gehörte, obsiegt der Rentabilitätsgedanke. Die Menschenwürde hat aber ökonomisch keinen Preis, zählt also nicht.
Wieso wird selbst die Überschrift zur Präambel unserer Bundesverfassung (BV) laufend missachtet? Da steht doch: "Im Namen Gottes des Allmächtigen." Dies müsste also all unser gesellschaftliches Handeln bestimmen. So haben wir einst beschlossen und zugestimmt, unabhängig etwelcher Religionen. Nicht nur 1848, sondern letztmals mit der Totalrevision der BV anno 1999 . Wo bleibt nun unser Respekt vor dem Menschen als Gottes Geschöpf?

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Lieber Herr Olivier, vielen Dank für diesen Beitrag. Dass die Intensivbetten-Kapazität zurückgegangen ist, ist mir bekannt, allerdings kenne iC. D.zu keine Zahlen. Worauf berufen Sie sich mit den -50 Prozent in den letzten zwanzig Jahren? Das würde mich interessieren. Dass die Schweiz im internationalen Vergleich eine eher mediokre Intensivbetten-Ausstattung hat, wurde in der Republik bereits thematisiert.
https://link.springer.com/article/1…012-2627-8
Mit herzlichen Grüssen, DB

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Und trotzdem finde ich es fair & richtig, wenn ein 85 Jähriger, der statistisch gesehen sowieso nicht mehr lange lebt, zu Gunsten eines 25 Jährigen auf einen Intensivplatz verzichtet. Einer hat noch fast das ganze Leben vor sich, der andere steht schon an dessen Ende.
Natürlich nur, wenn wir an die Kapazitätsgrenze kommen.

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Es muss aber jedenfalls die freie Entscheidung des Betroffenen bleiben. Sonst wäre es nicht nur unmenschlich, sondern auch verfassungswidrig.

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Wenn der Zeitpunkt kommt, und nur ein Platz frei ist - ihn aber ein Alter und ein Junger benötigten, muss eine 3. Person/Instanz entscheiden. Der Junge darf nämlich auch selber bestimmen. Und in dem Fall wäre meine Entscheidung eindeutig.
Deshalb gilt es, die Kapazitäten hochzuschrauben, damit es möglichst nie soweit kommen wird.

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Die Kapazitätsgrenzen im Gesundheitsbereich sind nicht einfach natur- oder gottgegeben, sondern bewusst gesetzt. Die Frage stellt sich also nicht, wer auf einen Intensivplatz zu verzichten hätte (um in Ihrer Logik zu bleiben: Wer sagt denn, dass der 25 Jährige auf jeden Fall noch länger leben würde als der 85 Jährige?), die Frage stellt sich, wieso die Intensivpflegeplätze knapp sind. Oder anders: Wie viel wollen wir ausgeben für ein Gesundheitswesen, das seiner Aufgabe gerecht werden kann? Und muss es sein, dass mit dem Gesundheitswesen Profite gemacht werden können?

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Lieber Herr F., da kann ich Ihnen nur zustimmen. Wenn es wirklich zur Triage kommen müsste, dann müsste Alter natürlich zu einem Kriterium werden. Allerdings weniger aufgrund der generellen weiteren Lebenserwartung, als aufgrund der Überlebenschancen in der akuten Krankheitssituation. Es ist natürlich auch so, dass ältere, geschwächte Menschen mit höherer Wahrscheinlichkeit trotz künstlicher Beatmung nicht überleben, und knappe Ressourcen müssten so eingesetzt werden, dass ihr voraussehbarer Nutzen möglich hoch ist. Aber den entscheidenden Satz schreiben Sie ja selber: Natürlich nur, wenn wir an die Kapazitätsgrenzen kommen. Das macht den Antizipationsaspekt der Patientenverfügung so problematisch. Herzlich, DB

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Vielleicht ein wenig ab vom Thema- trotzdem: Wie sieht es eigentlich aus, wenn man dank Beatmung/Intensivmedizin nach Covid 19 Erkrankung überlebt hat? Welche (Dauer)Schädigungen, (z.B. der Lunge) sind da möglicherweise zu erwarten? Was bedeuten diese für die verbleibende Lebensqualität? Ich habe da keine Ahnung- aber eine Reanimation nach Hirnblutung, Herzstillstand usw. kann ja heissen, dass ich zwar überlebt habe, aber um welchen Preis? Was weiss man denn bei Covid 19 darüber?

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Leider finde ich aktuell die Zahlen nicht mehr. Doch natürlich sind die Folgeschäden (und die Überlebensrate ist klein - ich finde auC. D.ese Zahl nicht mehr) gross - je nach Alter und Vorerkrankungen. Ihre Frage ist sehr sehr wichtig - eigentlich erstaunlich, dass man bei der Suche im Internet nicht sofort darauf stösst. Denn darum geht es in dieser Diskussion! Der Tod am Tubus und das Überleben kann menschenUNwürdig sein.

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Hier einige - nicht nach Alter aufgeschlüsselte - Komplikationsraten:
https://www.uptodate.com/contents/c…lated_link

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Bitte auC. D.e Oma nicht vergessen. Sie ist es nämlich, die derzeit in Alterszentren mehrheitlich zum aktuellen Stand ihres Lebenswillens befragt wird.

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Liebe Frau H., da haben Sie allerdings sehr recht. Ich habe Opa zur Metapher genommen, weil die Hospitalisierungs- und Sterberate bei betagten Männern ja deutlich höher ist. Aber die Fragen stellen sich natürlich völlig Gender-neutral. In diesem Sinne: Nein, wir wollen Oma nicht vergessen! Herzlich, DB

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Leserin
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· editiert

Herzlichen Dank für diesen "würdevollen" Beitrag.
Eine Frage, die mich in diesem Zusammenhang noch Wunder nimmt: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit eines an Corona erkrannten 82,5 jährigen, dass er auch stirbt am Virus, wenn er behandelt wird?
Angenommen, die Mortalitätsrate läge sehr hoch, so könnte aus meiner Sicht der Behandlungsverzicht eher gerechtfertigt werden als umgekehrt. Gesetzt dass die Betroffenen auch einverstanden sind.
Auf jeden Fall befürworte iC. D.s Vorgehen, das Alter nur als untergeordnetes Kriterium zu bewerten bei der Vergebung der Betten (letzte Woche hatten Sie zu diesen Kriterien einen spannenden Beitrag). Denn die Unterschiede beim Gesundheitszustand in dieser Altersklasse scheinen mir beträchtlich.
Und ja, unbedingt Bettenkapazität hochfahren - so oder so!

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Fundamental wichtig. Danke, es hilft mir, meine eigene Position zu bestimmen.

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Ärzte fragen zu jeder Zeit, ob Pandemie oder nicht, naC. D.r Patientenverfügung. Wenn diese nicht vorhanden ist, eruieren sie den Patientenwillen bzw. den mutmasslichen Willen im Umfeld der betroffenen Person. Dabei gibt es ein klares Vorgehen an wen man sich wendet (samw Richtlinien). Ich habe es nie erlebt, dass eine Person zu einer Entscheidung gedrängt wurde oder ein mutmasslicher Wille missachtet wurde. Der Artikel ist für mich zu einseitig und es fehlen für miC. D.e problematischen Aspekte des Überlebens. Einige Beispiele:

  • Es kann sehr belastend für das Team sein, einen über 80-jährigen auf eine Intensivstation zu verlegen

  • Wenn jemand maschinell am Leben erhalten wird, muss jemand anderes den Entscheid zum Therapie Stopp treffen

  • Wenn die Menschen überleben, haben sie im Anschluss teilweise eine eingeschränkte Lebensqualität, entspricht dies "Primum non nocere"?
    So muss vorgängig abgewägt werden ob Leiden verringert werden kann. Das ist die Idee hinter der Patientenverfügung.

Palliativmedizinern zu unterstellen sie seien daran Menschen Patientenverfügungen aufzuzwingen, damit Intensivbetten eingespart werden können, hinterlässt bei mir einen schalen Nachgeschmack. Das man aktiv das Gespräch sucht, kommt daher, dass ganz viele Menschen aktuell akut davon bedroht sind innerhalb von 24h von noch zu Hause lebend, Intensivstations pflichtig zu werden. Aktuell sehen wir Verläufe, die in den Notfall spazieren und 12h später intubiert werden müssen. Corona ist eine hoch gefährliche Krankheit und hat eine Situation geschaffen, die es vorher kaum gegeben hat. NämliC. D.ss jemand innerhalb von 24h von leichten Grippesymptomen in einen intubierten Zustand kommt. Innerhalb dieser Zeit ist es nicht möglich, ein ausführliches Gespräch über allfällige lebensverlängernde Massnahmen zu führen und deren Bedeutung für das künftige Leben, bzw. allfällige damit verbundene Langzeitschäden. Wenn die Spitx dabei aktiv auf die Senioren zugeht, dann unterstützt sie alle Menschen die im Spital arbeiten um dann bereits auf informierte Patienten treffen, die sich eventuell damit auseinandergesetzt haben. Man hat die Zeit auf dem Notfall nicht, um dieses Gespräch zu führen.

Ihre Aussage über die PV: "Sie werden eingeholt, weil man von möglichst vielen Senioren eine Erklärung zum Verzicht auf Intensiv­behandlung möchte." finde ich höchst problematisch und in diesem Zusammenhang sehr polemisch.

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Die Würde des Menschen ist unantastbar. Das gilt auch für Opa.

Das gilt überigens auch für Fussgänger und Velofahrer.

Trotzdem nimmt unsere Gesellschaft in Kauf, dass jedes Jahr 1000 unschuldige Fussgänger und 1000 unschuldige Velofahrer von Autofahrern verletzt oder getötet werden, ohne viel zu unternehmen.
Ich halte das für eine Missachtung der Menschenwürde und der körperlichen Unversehrtheit und damit der Verfassung, die einiges schwerer wiegt als Erinnerungen an Patientenverfügungen zu versenden. Leider kommt das aber nie zur Sprache.

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Ich möchte doch zu bedenken geben, dass nicht jeder verunfallte Fussgänger oder Velofahrer automatisch unschuldig ist. Im täglichen Verkehr sieht man teils haarsträubende Sorglosigkeit.
Aber grundsätzlich haben sie natürlich recht. Der Tod von verletzlicheren Verkehrsteilnehmern wird, gerade von der SUV-Fraktion, billigend in Kauf genommen, um die eigenen Überlebenschancen zu erhöhen. Hier scheint, ausserhalb der Grünen, niemand Handlungsbedarf zu sehen

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Die Würde des Menschen ist unstastbar .... Dann fangen wir doch gleiC. D.mit an und hören auf mit verniedlichenden und entmündigenden Begriffen, auch wenn sie so schön senimental sind, und nennen alte Menschen weder Opas noch Oma, sondern alte Menschen. Die je nachdem ein gelebtes oder weniger gelebtes Leben hinter sich haben.

Zum Sterben, da habe ich mir überlegt, Geburt, Geburtlichkeit: Wann ist diese eine gute? Aus mancher Erfahrung, nicht immer diejenige, wo es schnell und glatt, fast unbemerkt vor sich geht. Da stellt sich auch für uns, wo einige ja mehr dem Tod als dem Virus den Kampf angesagt haben, ob dies da auch beim Tod, beim Sterben gelten könnte? Vielleicht ist es ja das Sterben der anderen, das uns die grosse Mühe bereitet? Aushalten, Ausharren ist ja nicht gerade die Tugend, die heutzutage wesentlich zu sein scheint?

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allerbesten Dank für diese Gedanken.
Es ist kein weiter Schritt von dieser konstruierten Aufforderung zur Patientenverfügung Menschenleben zu opfern, um teure medizinische Massnahmen zu sparen, um so wirtschaftliche Verluste zu vermeiden - bis zu den Versuchen mit behinderten Menschen im zweiten Weltkrieg. Das ist eine Grundsatzfrage
Meiner Ansicht nach, haben diese Forderungen im Zusammenhang mit Covit19, nichts mit dem allgemeinen "Recht auf Sterben" zu tun, wenn "Weiterleben" zur Qual wird, wenn es sinnlos wäre, solche Qualen zu verlängern, weil alle Massnahmen in jedem Fall aussichtslos sind.
Zurzeit hätten jedoch einige dieser 85 Achtzig Jähren, gute Chancen mit Beatmungsgeräten wieder gesund zu werden. Alle Menschen haben ein Recht auf Heilung.

Zwei Gedanken hätte ich noch, einmal diese Rechte auch für die ärmsten Menschen gleichermassen geltend zu machen, siehe in den Flüchtlingslagern.

Als zweites hätte ich noch eine Bitte, nun nicht x - beliebig Heilmethoden oder neue Medikamente aus zu probieren, wenn die Zeit zu kurz ist, diese sicher zu prüfen.
Kann eine funktionierende Wirtschaft denn wirklich nur mit solchem Stress aufrechterhalten werden?

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Michel Romanens
Präsident www.vems.ch
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QALY werden noch zu reden geben, denn der Bund wird sie für Rationierungszwecke einsetzen. https://www.bag.admin.ch/dam/bag/it…0reply.pdf. Lebensqualität lässt sich nicht quantifizieren und schon gar nicht monetarisieren.
Eine medizinische Therapie hat eine Wirkung auf die Lebensdauer (T) und auf die subjektiv definierte Lebensqualität (Q): T x Q = QALY. Todesfall: Verlust von 1 QALY. 2 verlorene Lebensjahre = 2 QALY verloren. Herzinfarkt: 0.2 QALY verloren. 2 Jahre nach Herzinfarkt: 2×0.2=0.4 QALY verloren. Soweit der technische Hintergrund.
QALY Berechnungen sind insofern arbiträr und damit nicht reproduzierbar, als die Lebensqualität subjektiv ist und sich für eine Person trotz objektiv unveränderter Situation verbessern kann, z.B. wenn eine Person ihre Paraplegie akzeptiert.

Der Schweizerische Nationalfond hat in seinem Projekt Nr. 67 http://www.nfp67.ch/de
auch Projekte in Auftrage gegeben, welche ganz ungeniert naC. D.m Preis fragen, den wir bereit sind zu zahlen, wenn jemand krank wird oder sterben könnte (http://www.nfp67.ch/de/projekte/mod…ojekt-beck).

In Anbetracht der Manipulierbarkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Manipulierbarkeit von medizinischer Wirkung durC. D.e Gesundheitsökonomie – und dazu haben wir als Illustration den Statin-Bericht des SMB analysiert (http://www.docfind.ch/VarifoGutachten2019.pdf) – stellen sich nun reihenweise Fragen, welche auf der politischen Ebene diskutiert werden müssen.

QALY sind ein Rationierungsinstrument, welches mit dem Mantel der Wissenschaftlichkeit daherkommt, obwohl es ein reines Machtinstrument ist. So besehen sind QALY ein Angriff auf die Werteethik und die Würde des Menschen.

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Leser, 72 Jahre alt!
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Lieber Herr Binswanger. Wie das Leben eben doch antastbar ist, beschreibt Ferdinand von Schirach in seinem Buch "Das Leben ist antastbar" sehr deutlich und unmissverständlich. Machen wir uns nichts vor. Die gegenwärtige Situation zeigt das deutlich. Und ehrlich, ich möchte nicht in der Situation sein, in der ich über zwei Menschenleben entscheiden müsste. Das eine Leben, ein 80-jähriger Mann mit relativ guten Überlebenschancen oder das andere Leben einer jüngeren Frau mit zwei Jugendlichen, mit etwas geringeren Überlebenschancen. Über diese Phänomen hat die Republik ja verdankenswerterweise auch publiziert. Also, füllen wir die Patientenverfügung mit einer klaren Wertehaltung aus und finden wir uns damit ab, dass das Leben endlich ist.

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Lieber Herr W., das Leben ist antastbar, ohne Frage, und deshalb, da kann ich Ihnen nur zustimmen, müssen wir eine klare Wertehaltung haben, um es in Würde zu führen und zu beschliessen. Um es kurz zu machen: Nein, niemand möchte entscheiden müssen zwischen zwei Leben. Aber an dem Punkt sind wir nicht. Deshalb verwende ich mich gegen Vorab-Triage - auch wenn gegen Patientenverfügungen und gegen den Wunsch, keine Intensivmedizin in Anspruch zu nehmen, natürlich gar nichts einzuwenden ist. Mit herzlichen Grüssen, Daniel Binswanger

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· editiert

Unser 'ethisches Fundament' wäre mal zu definieren. Eine unlösbare Aufgabe! Wenn ich gesund bin und aus dem Leben gehen möchte, hilft mir keiner. Aber unser Staat schaut total weg, wenn im Namen von Religionen die körperliche Unversehrtheit unter die Räder gerät. Jede Person hat andere Vorstellungen. Es wird ein dauernder Disput bleiben.

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Erst breite Tests auf das Virus (Infizierte) und breite Tests auf Antikörper (Genesene) sowie ausreichend viele post-mortem-Tests bei Verstorbenen können Klarheit geben, wie die Seuche tatsächlich verläuft und welche Massnahmen zu welchem Ziel effektiv sind.

Aus Italien kommt eine unglaubliche Zahl aus einer Gemeinde der Sperrgbietes: https://milano.fanpage.it/castiglio…-positivo/

"In Castiglione d'Adda, einer der Gemeinden in der ersten roten Zone des Lodi-Gebiets, wurde festgestellt, dass 70 Prozent der Menschen, die Avis Blut spendeten, Antikörper gegen das Coronavirus entwickelten, obwohl sie nie die Symptome der Krankheit hatten. Eine Entdeckung, die zu wichtigen Entwicklungen im Kampf gegen Covid-19 führen könnte und die Einwohner der Stadt zu den Protagonisten einer Fallstudie macht. Die Zeitung La Stampa berichtete heute Morgen in einem Artikel von Monica Serra darüber."

Hier noch eine weitere Übersicht über alle (?) medizinischen Mittel (Nachweise, Medikamente, Impfstoffe) die für SARS-2/C19 in Arbeit sind:
https://www.visualcapitalist.com/ev…19-so-far/

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Unter (Zeit-)Druck entscheiden zu müssen, ist unwürdig, ja - aber ist es nicht die bessere Alternative als fremdbestimmt zu (über-)leben?

Die Entscheidungsgrundlagen sind es, die würdig angegangen werden müssen. Gerade wenn aus einem Nichtentscheid auch ein Entscheid wird.

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Da haben Sie sicherlich recht: Alles hängt davon ab, wie dieser Prozess durchgeführt wird, ob er wirklich umsichtig, sorgfältig und kompetent abgewickelt wird, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Angehörigen, und ob vermieden wird, dass die Senioren ungehörig zu etwas gedrängt oder manipuliert werden. Dafür sind die Bedingungen momentan sicherlich nicht ideal. Herzlich, DB

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Michel Romanens
Präsident www.vems.ch
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Im Arbeitspapier zum Umgang mit dem Sterben in der Schweiz hat der Expertenrat des Rationierklubs SAMW (https://www.physicianprofiling.ch/V…ng2014.pdf; https://www.physicianprofiling.ch/V…ta2014.pdf) den Satz "Die Medizin darf nie schaden / primum nunquam nocere" als Grundlage für schwierige Behandlungsentscheide beliebt machen wollen, womit dann mit einem Satz die Medizin ad absurdum geführt wird. Als Stakeholder haben wir auf diesen Bericht umfassend reagiert und die bekannten impliziten und expliziten Rationierungswünsche der SAMW im Umgang mit Menschen am Lebensende vehement kritisiert. Das die Republik davor warnt, dass das Recht auf Leben und medizinische Behandlung durch COVID erst Recht unterwandert werden kann, belegen die teils polemischen Beiträge zu diesem Thema genügend.

Ob eine Behandlung mehr schadet als nützt ist eine Frage, die auf der Mikroebene im Behandlungssetting professionell geklärt werden muss und auch wird. Ex ante optiert eine Medizin, die den Glauben an sich selber noch nicht verloren hat, für ein aktives Vorgehen, weil dies über Leben und Tod entscheiden kann.

Wenn Kolleginnen und Kollegen den Patienten oder die Patientinnen eher dazu drängen, auf eine lebensrettende Behandlung zu verzichten, weil sie vom "smarter medicine virus" https://docfind.ch/VEMSPositionspap…dicine.pdf) infiziert sind und dies unter dem Deckmantel des primum nil nocere tun, um sich moralisch vor sich selber zu rechtfertigen, muss ich auf die rechtlichen Rahmenbedingungen hinweisen. Wir sind im Auftragsrecht und haben den Patientenauftrag zu erfüllen. Wenn wir dies nicht tun wollen, müssen wir den Auftrag ablehnen, damit der Patient und die Patientin rasch genug andernorts Hilfe holen kann, auf die er ein Recht hat. Es steht uns nicht zu, den Patientenwillen und den Lebenswillen eines Patienten oder einer Patientin mit Horrorszenarien betreffend aktivem Vorgehen zu brechen.

Zudem ist der Verzicht auf eine potentiell wirksame Behandlung aufgrund welcher Einschätzungen und Überlastungen auch immer, umfassend zu begründen. Dazu ist eine Beurkundung (im rechtlichen Sinne) der Situation durC. D.n behandelnden Arzt notwendig, damit im Detail festgehalten wird, wie dieser Verzicht begründet wird. Dies muss teil einer Begleitinformation- und Forschung werden, welche a posteriori die aktuelle Situation medizinisch, soziologisch, philosophisch und ethisch aufarbeiten sollte.

In Zeiten der drohenden Rationierung von Recht auf wirksame Behandlung gemäss WZW-Kriterien ist der Artikel von Herrn Binswanger nicht polemisch sondern auch eine dringende Notwendigkeit zur Erinnerung an die Leitplanken des Arztberufs. Und hierfür gebührt im grosser Dank.

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