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Die Idee dass ein grundsätzlich harmloser Mensch durch widrige Lebensumstände zum Kriminellen wird ist ur-sozialistisch ja selbst grundsätzlich aufklärerisch. Dass eine Idee der Aufklärung nun das US Comicuniversum, welches früher ultraorthodox gut und böse schwarz weiss trennte, finde ich positiv. Dass eine Relativierung der Bosheit eines Kriminellen zu einem Aufschrei führt, halte ich für ein bedenkliches Zeichen wie es um die Aufklärung steht.

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Ich glaube, der Aufschrei kommt nicht von der Relativierung des Bösen allein - das ist ja an sich nichts Neues in Hollywood. Vielleicht besteht die Provokation des Films darin, dass ein weisser Mann als Opfer der Gesellschaft dargestellt wird? Die sind ja nach gängigem Erzählmuster privilegiert und eher Täter. Das würde auch erklären, weshalb die Kritik vor allem von links kommt.

Ein Beispiel für ein konservative Diskussion findet man beim Federalist:
https://thefederalist.com/2019/10/0…the-joker/

Interessanterweise sehen die im Film das Versagen staatlicher Institutionen dargestellt, mit dem Schluss, dass nichts die Familie ersetzen kann. Dabei hat beim Joker die Familie ja ebenfalls versagt.

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Sorry, Ekkehard Knörer mag ein profunder Kenner von allerlei sonderbaren Filmen sein, aber aus seiner Schreibe werde ich beim besten Willen nicht klug, und das müsste ich in Sachen "Joker" wohl werden, denn sonst bleibt mir nichts anderes übrig, als den Film ungesehen vorbeigehen zu lassen - oder hoffnungsfroh eine der anderen Besprechungen zu lesen, die im Moment über den Film erscheinen ....

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Oder einfach daran denken, dass Joaquin Phoenix einer jener intensiven Schauspieler ist, die es sich auf jeden Fall anzusehen lohnt, und sei es in schlechten Filmen?
Ihrem Eindruck von Ekkehard Knörers Schreibstil stimme ich im Übrigen zu.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Warum ist das Verschwommene „reaktionär“?

George Monbiot fragt in Die Stunde der Killer-Clowns, ‚warum das Kapital heute nicht mehr auf Technokraten und Managertypen setzt, sondern auf autoritäre Witzfiguren wie Trump, Johnson oder Bolsonaro‘. In Salman Rushdies satirischem Roman The Golden House wird Trump gar als „Joker“ persifliert, der gegen die demokratische „Batwoman“ gewinnt. Und wie Hillary Clinton alias „Batwoman“ über deplorables sprach, werden im Film „Joker“ die Anderen von Politiker als clowns bezeichnet.

Doch was, wenn die Realsatire die Satire rechts überholt wird und man über beides nur noch sagen kann: This isn’t funny anymore.

Das ist denn auch der politischen Hinter­grund, der nicht deshalb unerkennbar und unerlebbar ist, weil er verschwommen im Diffusen raunt, sondern gerade für alle in seiner ganzen Ambivalenz offensichtlich und selbstverständlich, weil er allgegenwärtig und übermächtig geworden ist.

Denn heute – nach den Roaring Nineties – schliesst sich der Kreis, in dem er an die Anfänge des Neoliberalismus der 70er/80er Jahre anknüpft, also an Austerität, Ungleichheit, Aufstände, Kriminalität und Law & Order.

Privilegierte und Glückliche sprachen von Individualisierung, Flexibilisierung und Anerkennung. Andere von Entwürdigung, Marginalisierung und Missachtung.

Ob ganz Oben oder ganz Unten, das Chaos von Trump oder von Attentätern werden laut Monbiot vom Kapital und dem System als Ablenkung instrumentalisiert, um via Schock-Therapie bzw. -Strategie die Besitz- und Machtverhältnisse zu sichern.

„Reaktionär“ ist nicht eine fehlende Analyse oder ein verschwommener Hintergrund, sondern dieses Zeitalter. Die Krankheit ist epidemisch, die Krise systemisch, d. h. überall und nirgends zugleich.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Das Verschwommene bezeichnet aber nicht nur das Atomisierte und Diffundierte, sondern auch das Ambigue und Ambivalente. Der Film „Joker“ und die Figur(en) lassen denn auch einen Zusammenhang zwischen Humor, Existenz und Gesellschaft feststellen (ein Diskurs der an einen vorigen anknüpft), als auch das grundlegende Problem von (Anti-)Heroismen im Zeitalter des Post-Heroismus.

Jokers Lachen – das Florian Keller in der WOZ als „Tourette der Verzweiflung“ bezeichnet – kann als sardonisches Lachen beschrieben werden, dem ‚grimmigen, schmerzvollen Hohngelächter eines Zornigen, bei eigenem Schaden oder eigenem Schmerz‘. Der vom sarkastischen, dem ‚beissenden, bitteren Spott‘, unterschieden worden ist.

Sloterdijk unterscheidet weiter in seiner Kritik der zynischen Vernunft das kynische Lachen – das laute, hemmungslose und animalische – vom zynischen, das melancholisch-verächtlich von der Höhe der Macht und ihrer Illusionslosigkeit herab lacht.

Er spricht auch vom Teufelslachen, das die ‚Energie des Destruktiven‘ hat und ein ‚böses Gelächter über den Trümmern’ sei. Das nicht nur den anderen ‚totlacht‘, sondern sich auch das eigene Ich ‚zunichte‘ lacht - so dass nur noch ein ichloses ‚grosses Maul‘ übrig bleibt.

So wie beim Joker, der nicht nur one bad day hatte, sondern nur noch bad days (siehe The Philosophy of The Joker).

Der Joker – der sowohl als Spielfigur als auch als Narr – ausserhalb der Hierarchie steht, dadurch aber auch vogelfrei zum Abschuss steht, akzeptiert nicht nur das letztendlich irrationale Chaos und die nihilistische Gewalt der Wirklichkeit. Sondern verkörpert es, in dem er durch gewaltsame transgressive Akte alle Regeln bricht – selbst die eigenen – und die reine Intensität lustvoll und (nicht) lustig exzessiv geniesst.

Während dem Batman zwar dieselbe Realität akzeptiert – Gotham/Manhattan als Sündenpfuhl Sodom und Gomorrah – diese aber durch eine höhere Gerechtigkeit und Ordnung transzendiert. Dadurch aber auch die Regeln bricht, sich daher maskieren muss und zu einem verfolgten „schwarzen Rächer“ wird. Eine Gemeinsamkeit, die der Joker ihm selbst ständig unter die Nase reibt. Batman beschränkt sich aber – idealerweise ohne Kollateralschaden – nur „die Bösen“ in Selbstjustiz zu treffen.

Ra’s al Ghul – der Batman als Ziehsohn sieht – strebt ebenfalls eine höhere Gerechtigkeit an und möchte die Erde gleich ganz von der Krankheit der menschlichen Zivilisation reinigen, um sie in den naturgewollten Urzustand zurückzuversetzen.

Diesem Vulgär-Rousseau folgt der Vulgär-Robespierre Bane, der die selbst-betrügerische bourgeoise Ordnung zuerst in Anarchie versetzt, um dann als Diktator revolutionären Terror zu verbreiten. Notabene als super soldier on steroids, desssen Vater schon als Söldner in Südamerika Revolutionen unterstützte.

Am Interessantesten ist schliesslich Harvey Dent alias Two Face, der zuvor als „weisser Ritter“ die Kriminalität bekämpfte. Aber durch den Joker – dessen Prinzip one bad day macht aus einem weissen, einen schwarzen Ritter – zur Erkenntnis der unfairen, ungerechten und chaotischen Wirklichkeit gezwungen wird. Die dunkle Seite seines Reinigungs-Wahns, des masslosen Über-Ichs und des expansiven Law-and-Order-Systems, also das verleugnete verdrängte Ressentiment und die dunkle Rachsucht brechen durch die Krise Bahn. Nur noch der Zufall – etwa in Form des Münzwurfs – wird als absolute Gerechtigkeit akzeptiert. Verweist aber auch darauf, dass es oft nur der Zufall ist, ob jemand „gut“ oder „böse“ wird. Schliesslich kommt es zur notwendigen Spaltung in Form des Sündenbocks Batmans, als dem schwarzen Ritter.

Wenn es also etwas Reaktionäres gibt, dann ist es weniger „die Verschwommenheit des politischen Hintergrundes“, deren himmelschreiende Ungerechtigkeit die meisten von uns wie Hiob ertragen, als vielmehr der in Superhelden-Filmen gezeigte – heute zumindest gebrochene - (maskulinistische) Heroismus.

Denn wie Fraco Berardi in seinem Buch Helden. Über Massenmord und Suizid über Breivik u. a. schreibt:

In ihrer Rache an der Gesellschaft treiben die Täter das gesellschaftliche Prinzip des ‚Survival of the fittest‘ auf die Spitze: Man kann nur noch gewinnen, wenn man andere Leben zerstört. So beweisen sie sich zumindest einmal in ihrem Leben, die Geschicke der Welt zu lenken, Herr übers eigene Dasein, eben Helden zu sein.

Sei es Anders Breivik alias „Commander der Tempelritter“, Travis Bickle alias „Taxi Driver“ oder Arthur Fleck alias „Joker“.

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