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Musikerin & Autorin
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Vielleicht mochte Platon die Schrift auch nicht, weil sie die Schüler unabhängiger macht von den Lehrern. Wer lesen kann, kann sich selber Informationen suchen. In einer rein mündlichen Kultur bleiben Schüler viel stärker auf ihre Lehrer und Gurus angewiesen um an Wissen zu gelangen.

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Vielen Dank! Tatsächlich gibt es in der Fortsetzung, und auch im siebten Brief, der dieselben Themen nochmals aufgreift, Stellen, die Ihre These sehr unterstützen würden

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Lieber Herr Strassberg, wenn Sie die ersten 3 und die letzten 3 Abschnitte weggelassen hätten, wäre das ein sehr interessanter und lehrreicher Artikel mit vielen philosophiehistorischen Informationen und bedenkenswerten Überlegungen !

  • und ich möchte mich immerhin dafür bedanken.

Schade nur, dass Sie das Ganze dazu missbrauchen, eine äusserst fragwürdige politische Positionierung zu 'begründen', bei der wieder mal 'die Anderen' blöd hingestellt und in doch reichlich überholten und nur aus reiner Bequemlichkeit reaktivierten politischen Denk- und Positionierungsmustern verortet werden - -

  • eine Positionierung übrigens in einem Medium, das ganz gewohnheitsmässig, ohne Scheu und Rücksichten Message und Massage, Medium und Inhalte / Informationen / Aussagen nach Belieben vermischelt, um eigene Positionen ebenso herauszustellen wie zu kamufflieren.

Einverstanden, dass Derrida, Foucault und Baudrillard einige interessante Ergänzungen beisteuern könnten ...

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so ganz ohne Polemik wären Kolumnen doch etwas dröge, nicht? So hat es wenigstens einen Bezug zu heute, und ist nicht einfach ein Seminartext.

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Ich habe auch nicht grundsätzlich etwas gegen selbstbezügliche Texte ... ;)
... etwas erstaunt bin ich schon über die "Likes", die wir beide für diesenkurzen Austausch eingefangen haben - ts ts ts ...

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Interessante Episode von Platon, die mich an meine Grossmutter erinnert. Sie las als Kind gerne, wurde aber von ihren Eltern ermahnt, dass sie gefälligst etwas Anderes machen solle (sprich: auf dem Hof helfen) - da Bücher "dumm machen". Kommt mir immer wieder in den Sinn bei Diskussionen um Smartphones etc.

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Lieber Herr Strassberg, vielen Dank für Ihre interessanten Ausführungen. Diese haben mich zu ein paar persönlichen Gedanken inspiriert.
Ihr Fazit, dass die Sehnsucht nach Unmittelbarkeit durch die modernen Medien auf’s Äusserste strapaziert wird, führt bei mir gleich zu einer gewissen Melancholie. Soll heissen, mit einer solchen Situation sinnvoll und adäquat umzugehen, das ist ja eigentlich fast nicht zu schaffen.
Die Reaktion eines Teils der Gesellschaft, die in dieser modernen Medienlandschaft schlussendlich den Rückzug auf die ausschliesslich persönliche und egozentrische «Wahrheit» zelebriert, ist unbedingt nachvollziehbar. Die Erkenntnis, dass es mit der «Wahrheit» in Wirklichkeit gar nicht so einfach ist, kann Einen ganz schön wütend (auf wen auch immer…) machen.
Das führt mich zu grundsätzlichen Überlegungen: Der einzelne Mensch ist im Allgemeinen ein sehr intelligentes Wesen. Die Schwarmintelligenz der menschlichen Spezies lässt allerdings, im Gegensatz dazu, erstaunlicherweise sehr zu wünschen übrig. Leider führen grössere Umwälzungen in Gesellschaften zu den immer gleichen Reaktionen: Wir gegen die Anderen, denn schuld sind immer die Anderen!
Wir mit den Anderen – das scheint, in Grossen und Ganzen, leider eher seltener möglich zu sein. Schade!

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Gut gedacht und geschrieben, lieber Daniel! Wäre es nicht noch interessant, mit Luhmann Geld, Wahrheit und Macht als generalisierte Medien der Kommunikation zu verstehen, die der Übertragung reduzierter Komplexität dienen? In den Aussagebereichen, auf die Du fokussierst, eröffnet und alimentiert das Medium Wahrheit ja dauernd die Chance, über bestimmte Themen überzeugten Konsens zu erreichen.
Auch rückt mit den langen Ketten der Verknüpfung selektiver Ereignisse die Diachronie der Zeitdimension wieder mehr in den Mittelpunkt, die ja mit der Schrift im Phaidros-Zitat wohl mehr noch als die meist intuitiv privilegierte (gewissermassen) horizontale Kommunikation im Vordergrund steht.

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Vielen Dank fürs Weiterdenken, lieber Daniel, tatsächlich habe ich mit Luhmann noch kaum befasst, muss ich gestehen, aber das soll mir dafür ein Ansporn sein. Jedenfalls finde ich die Idee, alles, was Informationen trägt, als Medium zu bezeichnen, sehr verlockend, also auch Geld und Macht. Auch die Idee, dass es zur Beschleunigung auch eine Gegentendenz der Verlangsamung gibt, scheint mir sehr bedenkenswert. Macht mir jedenfalls Lust, dranzubleiben, danke!

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Danke, Herr Strassberg. Sie haben eine Gabe, Dinge auf den Punkt zu bringen.

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Eine sehr gelungene Annäherung an die Medienwelt, in der wir seit je leben.

Allein eine kleine Unwucht ist mir aufgefallen:

Es wurde zum Beispiel schon vielfach nachgewiesen, dass in einer Nachrichten­sendung die Kriegsbilder emotional viel stärker wirken als die Informationen, die dazu mitgeliefert werden. Die Informationen gehen im Sturm der heftigen Emotionen oft sogar unter. Manchmal vergisst man die Information statt das Medium.

Liefern nicht die Bilder nichtsdestotrotz die emotional aufgenommene "Information" und ist nicht das Medium in diesem Falle das Fernsehen?

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Besten Dank für diesen Einwand. Tatsächlich müsste man dazu Information besser definieren. Für Shannon ist Information ein Mass an Überraschung. In einer Situation, in der es nur zwei Möglichkeiten gibt, zum Beispiel der Sieger eines Tennismatchs, ist die Information, wer die Siegerin ist, genau 1 Bit. Bei vier Spielern schon 16 bit. In diesem Sinne würde ich emotionale Aufheizung nicht als Information verstehen (Das mit dem TV verstehe ich nicht? Ja, das Medium ist der TV)

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Um den Sieger (aus vier teilnehmenden Spielern) eines Matches zu verkünden, bedarf es sogar nur 2 Bits, z.B. hat in diesem Fall 01 gewonnen; 00, 11, 10 haben leider nicht gewonnen :-(.

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Bei vier Spielern sind es doch vier Bit, denn jedes Bit hat zwei Zustände, das sind dann sechzehn Zustände, aber nicht sechzehn Bits (was schon 65000 Zustände wären).

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Zu Ihrer Frage:
Sie schrieben ja "... statt das Medium" - ich habe das so verstanden, dass Sie damit die Bilder meinen (und diese sind m.E. ebenfalls eine Information und nicht das Medium).

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Grundsätzlich ist es ja wirklich gut, dass Daniel Strassberg (DS) seine Überlegungen in einen weiten historischen Zusammenhang stellt. Allerdings müsste jeweils genau geprüft werden, ob z.B. das «Schon-die-alten-Griechen» wirklich zutrifft. Das ist im neuesten Fall, bei Platon, jedoch nur partiell so (auch wegen Fragwürdigkeiten in der Übersetzung, doch die lassen wir beiseite). Platon kritisiert zwar die Schrift bzw. «Geschriebenes», weil dadurch kein wirkliches Wissen geschaffen werde, sondern nur «Meinung» (zutreffender als: «Schein»), nichts «Klares und Sicheres», wie es in der von DS nicht zitierten Fortsetzung heisst; Texte seien bloss Gedächtnisstützen für den, der bereits kundig sei. Was DS hernach noch zu Platon schreibt, ist blosse Interpretation: Nirgends sagt Platon, Schreibende würden «nur noch von aussen gelenkt» und Schrift als Erinnerungsmittel würde man «wohl besser mit Droge übersetzen», auch nichts über «Verdummung». – Doch wie entsteht nach Platon wirkliches Wissen? Eben nicht aus Texten, denn diese verstünden ja nichts von ihrem Inhalt, und wenn man etwas mehr wissen wolle, sagten sie nur immer dasselbe; wenn man sie kritisiere, könnten sie sich nicht selber helfen, sondern bräuchten immer ihren Vater. Wirkliches Wissen, über das Gute und Gerechte, entstehe nur im Gespräch, wenn es als solches von einem Wissenden in die «Seele des Lernenden geschrieben» werde; das könne dort reifen und sich dann selber helfen. – Auf diesem (sehr knapp skizzierten) Hintergrund lässt sich Platons Schriftkritik nicht mehr so leicht in die Handy-Welt übersetzen... Dafür trifft sie etwas sicher ebenso Wichtiges und Aktuelles: Was ist eigentliches Lernen? Und warum brauchen wir LehrerInnen und nicht einfach nur Arbeitsblätter? – NB: Auch zur Vermutung von T. W. in den «Beiträgen» findet sich bei Platon keine Stütze.
Eine zweite grosse Ungenauigkeit bei DS kann nur angedeutet werden: Kommunikation verläuft anders, als er sie darstellt. Sprache oder ein sie verwendendes Medium ist kein «Träger einer Information – ein Gerät, ein Behältnis» für einen Inhalt. Das sind alles Metaphern, die den Sachverhalt verschleiern: das sog. Containermodell der Kommunikation. Es werden eben keine Inhalte transportiert! Oder wie ein einprägsames Wort sagt: «Thoughts do not travel». Die Sache ist viel raffinierter, doch sie bräuchte eine eigene Abhandlung.

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Advocatus diaboli
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«The medium is the message» war die Überschrift des ersten Kapitels in McLuhans Understanding Media: The Extensions of Man, 1964 erschienen. Erst 1967 gab McLuhan mit dem Grafikdesigner Quetin Fiore (und Jerome Agel) ein experimentelles Collage-Buch unter dem Titel The medium is the massage heraus. Interessant ist seine Hauptthese in Understanding Media, die nichts von ihrer Gültigkeit verloren hat. McLuhan stellt darin ohne Wertung fest, dass jedes neue Medium eine Ausweitung des Körpers ist und etwas an seinen bisherigen Grenzen auflöst und somit – wie die Auflösung von «Identitäten» immer – Gewalt freisetzt. Für McLuhan sind Medien alles, was als Erweiterung des menschlichen Körpers und seiner Anlagen angesehen werden kann, also beispielsweise das Rad als eine Erweiterung des Fusses, das Buch und der Spiegel als eine Ausweitung des Auges.
Der Kulturwissenschaftler Klaus Theweleit ist der Meinung, dass McLuhan der Figur des Narziss viel näher ist als Freud, wenn er behauptet, nicht in sich selbst sei Narziss verliebt, sondern in das ausweitende Medium. Deshalb sprach McLuhan vom Medium als «Massage»: alle Medien massieren uns gehörig durch. Auf der einen Seite weitet die Massage aus, auf der entgegengesetzten Seite betäubt sie. Alle technischen Erweiterungen des menschlichen Körpers funktionieren sowohl als Betäubungs- als auch als Wachstumshelfer.

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zunächst war die Massage nur ein Druckfehler, aber aus dem Grund, den Sie erwähnen, hat er es stehen lassen

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Danke für diesen ausgezeichneten Artikel! Eine kleine Ergänzung. Von dem deutsch-amerikanischen Philosophen Nicolas Rescher habe ich gelernt, dass wir immer unterscheiden müssen zwischen der Welt, wie wir sie wahrnehmen, und der Welt, wie sie existiert.

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Statist
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Gefällt. Danke dafür.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Wie heisst es so schön?

Just because you're paranoid doesn't mean they aren't after you. (Joseph Heller, Catch-22 – allegedly)

Übertragen: Nur weil die Medien-Paranoia als verabsolutierte Kritik überzogen ist («Lügenpresse!»), heisst das noch lang nicht, dass manch Medienkritik nicht zutrifft – und auch nicht, dass den Medien als solchen die Absolution erteilt werden kann.

Jede Nachricht ist «präformiert durch die Zentren der Kulturindustrie» befindet etwa Adorno. Und die Kulturindustrie verordnet uns unablässig zu lachen, «darüber, dass es nichts zu lachen gibt». So findet etwa jene Präformation statt:

Input (Aussage): Information + Input (Medien): Entertainment —> Output (Medien): Infotainment

Ein gutes Beispiel hierfür sind die Nachrichtensprecher:innen im Film «Don’t Look Up!» (2021): Berechtigte Panik über den drohenden Weltuntergang wird zu erträglichem Spass heruntergekocht, so dass sich die Zuschauer:innen (und sie selbst sich) nicht sorgen müssen. Womit nichts sich ändert.

Susan Sontag schrieb 2003 in «Das Leiden der anderen betrachten»:

Die Nachrichten sind zur Unterhaltung geworden und werden überall verbreitet (…) das Leiden hat ein Publikum, und wir sind Konsumenten von Gewalt (…).

Doch auch ein scheinbar «objektiver» Ton ist ein Zeichen «repressiver Toleranz», wie Herbert Marcuse bereits 1966 feststellte:

Wenn ein Nachrichtensprecher über die Folterung von Menschen, die für die Bürgerrechte eintraten, in dem gleichen Tonfall berichtet, dessen er sich bedient, wenn er den Aktienmarkt oder das Wetter beschreibt, oder mit der gleichen grossen Gemütsbewegung mit der er seine Reklamesprüche aufsagt, dann ist solche Objektivität unecht, mehr noch, sie verstösst gegen Humanität und Wahrheit, weil sie dort ruhig ist, wo man wütend sein sollte, und sich dort der Anklage enthält, wo diese in den Tatsachen selbst enthalten ist. Die in solcher Unparteilichkeit ausgedrückte Toleranz dient dazu, die herrschende Intoleranz und Unterdrückung möglichst klein darzustellen oder gar freizusprechen. Wenn jedoch Objektivität irgend etwas mit Wahrheit zu tun hat und wenn Wahrheit mehr als eine Sache der Logik und der Wissenschaft ist, dann ist diese Art der Objektivität falsch und diese Art der Toleranz unmenschlich.

Medien dürfen nicht lügen, sondern sollen das Richtige berichten, doch Medien müssen nicht lügen, um falsch zu sein. Denn vielleicht gibt es keine richtigen Nachrichten in den falschen (ok, das wäre jetzt wieder überzogen – aber nur ein bisschen).

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Ein Nachtrag noch zum Begehren nach unmittelbarer Wahrheit und Wirklichkeit. Jede Nachricht ist, wie oben bemerkt, «präformiert durch die Zentren der Kulturindustrie» sagte Adorno. Und die Kulturindustrie, fügte er mit Horkheimer in der «Dialektik der Aufklärung» (1944) hinzu, ist «pornographisch und prüde».

Ist Letzteres kein Widerspruch?

Die Kulturindustrie sublimiert und vermittelt nicht, sondern reduziert und unterdrückt. Wie in Tantalos’ Qual exponiert sie immer wieder das Begehrte und stachelt die unsublimierte Vorlust auf, um die Erfüllung letztlich zu versagen. In der Serienproduktion des Sexuellen und mechanischen Reproduktion des Schönen wird Liebe auf romance und Erotik auf porn reduziert.

Das klinisch sauber Zur-Schau-Gestellte wird zugelassen, weil der Konsument sie nun wie jede andere Ware konsumieren kann. Auf die Ersatzhandlung folgt die Scheinbefriedigung, so dass weitere Ersatzhandlungen nötig werden – es regiert das ökonomische Prinzip.

Zur leichten Konsum-Ware wird auch die Nachricht: In der Serienproduktion des Wirklichen und mechanischen Reproduktion des Wahren wird Neugierde auf clickbait auf und Wissen auf Nachrichten reduziert. Je spektakulärer die Headline, je reisserischer die Berichterstattung, je «nackter» die «enthüllte» Wahrheit, umso mehr Konsument:innen, Quote, clicks – und dennoch weiter weg von der Wirklichkeit. Das ist das Pornographische.

Und das gleichzeitig Prüde: Nachrichten exponieren medial das Begehrte, «die nackte Wahrheit», und stacheln die unsublimierte Vorlust nach unmittelbarer Wirklichkeit auf, um die Realisierung letztlich zu versagen.

Auch hier gilt: Auf die Ersatzhandlung folgt die Scheinbefriedigung, so dass weitere Ersatzhandlungen nötig werden – es regiert das ökonomische Prinzip. Im Grunde also reproduzieren Nachrichten bloss die vorherrschende Meinung: die wirtschafts-liberale Ideologie des Bürgertums und des Kapitalismus.

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Martin Hafen
Präventionsfachmann, Soziologe
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Mögliche Ergänzungen (und auch Widersprüche) finden sich bei Niklas Luhmann. Auch Sinn und Sprache sind Medien, die unterschiedliche Verstehens- und Anschlussmöglichkeiten eröffnen. Daraus folgert im direkten Widerspruch zu Shannon/Weaver, dass Information nicht übertragen werden kann. Dabei ist es nicht die "Störung" der Übertragung, welche die Kommunikation (durchaus auch beim körperlichen Beisammensein) erschwert, sondern der Umstand, dass der Informationsgehalt einer Kommunikation erst in der nachfolgenden Kommunikation ersichtlich wird. "Was ich gesagt habe, weiss ich erst, wenn ich die Antwort kenne", wie der Kybernetiker Norbert Wiener es ausdrückt. Der Grund dafür ist, nach Luhmann, die psychische (und damit undurchschaubare) Interpretation des Gesagten. Körperliches Beisammensein verändert diese Interpretation, weil zusätzliche Informationsmöglichkeiten (z. B. die Körperhaltung, Gestik und Mimik) vorhanden sind. Aber sie garantiert nicht das absolut "richtige" Verstehen einer Information, denn das ist per definitionem nicht möglich. Was möglich ist: Dass sich die Beteiligten daraufhin einigen, dass das Mitgeteilte "richtig" verstanden worden ist. Das klappt oft, aber nicht immer, wie sich auch in intimen Beziehungen jeden Tag aufs Neue erfahren lässt.

Das Unbehagen gegenüber "neuen" Medien (in jedem Zeitalter) hängt mit der Veränderung der gewohnten Kommunikationsbedingungen zusammen. Interaktivität im Sinne der "Kommunikation unter der Bedingung körperlicher Anwesenheit" (Luhmann) verläuft unter ganz anderen Bedingungen als ein Brief zu Platons Zeiten oder ein anonymer Beitrag in einer Leserbriefspalte. Und wenn Firmen wie Cambridge Analytica aufgrund der Analyse von Facebookposts mit grosser Genauigkeit US-Wähler:innen herausfiltern können, deren politische Position (hier zwischen Demokrat:innen und Republikaner:innen) unbestimmt ist, dann verändert das die Bedingungen politischer Kommunikation im Vorfeld von Wahlen erheblich, weil dann - nach Verkauf der Daten an eine Partei - genau diese Personen mit den passenden Botschaften beliefert werden können. Das Gleiche gilt für Besitzverhältnisse von Medienkonzernen, die zu politisch einseitigen Beeinflussungsversuchen der wahl- und stimmberechtigten Bevölkerung führen können, was die Rolle der Massenmedien als 4. Gewalt in einer Demokratie beeinträchtigt. Eine gewisse Skepsis und Wachsamkeit gegenüber "neuen" Medien ist demnach sowohl verständlich als auch wünschbar. Das Mediengesetz - das als kurzer Nachtrag - macht nichts anderes, als die Kommunikationsbedingungen kein kleines bisschen zu verändern - ob zum Guten oder zum Schlechten, wird sich zeigen.

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Wäre noch interessant Ihre Gedanken in Verbindung mit Derrida zu diesem Thema zu lesen, weil Platon und Rousseau zentrale Ziele seiner Kritik waren.

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Senior Researcher
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Ein hochinteressanter Beitrag. Bloss, mit dem Mediengesetz hat er nichts zu tun. Das Mediengesetz leidet am alten mephistophelischen Problem, das Gute zu wollen und das Böse zu schaffen (Mephisto sagt's anders herum).

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"Die Verdummung der Massen durch die Medien soll nicht aus Naivität geschehen, wie im alten Ägypten, sondern von mächtigen Kreisen orchestriert werden, im Dienste ihrer Machterhaltung und Profitgier"
Ob dies eine "Verschwörungstheorie" ist, oder eine empirisch begründete Beschreibung für eine Verschwörung (Klassenkampf von Oben), lässt sich eben nicht nur aus den Worten herauslesen, sondern man braucht dazu auch Empirie. Auf die hat die REPUBLIK dankenswerterweise mit dem übersetzten Abdruck einer spektakulären Beitragsreihe zu Murdoch vor einiger Zeit deutlich hingewiesen. In dieselbe Kerbe könnte man sicher noch zahlreiche weitere Beiträge hauen.
Aber wenn man es mit der Empirie genauer nimmt, kommt vielleicht kein nett zu lesender Text mehr heraus, den man dann genüsslich philosophierend konsumieren kann. Ich bevorzuge die empirischen.
Und ich ärgere mich ein ums andere Mal, so auch in diesem Traktat, darüber, dass Medienschaffende mit dem Begriff der "Medienschelte" sogleich die perfekte Immunisierung an Bord haben. Gefahr benannt, Gefahr gebannt. Hat man erst einmal etwas Kritisches als "Medienschelte" erkannt, braucht man nicht mehr weiter in die Details zu gehen, oder sich gar selbst zu fragen, welchen Beitrag das eigene Medium (und die darin herrschenden Spielregeln, etwa der Aufmerksamkeitsökonomie usw.) vielleicht doch am wahrgenommenen gesellschaftlichen Problem hat: ja, ja, ist nur wieder diese Medienschelte! Sollten sich die Politiker eine Scheibe von abschneiden, dann hätten sie es vielleicht leichter: "Auch ja, ist ja wieder Politikerschelte. Nächste Frage?"

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Lieber Herr Strassberg, hoffentlich bekomme ich noch eine Antwort von Ihnen auf meinen gestrigen Beitrag. In der Zwischenzeit möchte ich Sie mit einer weiteren Ungereimtheit in Ihrem Text behelligen: Sie erwähnen zustimmend die (mir nicht bekannten) Autoren Shannon/Weaver u.a mit dem Satz: "Es gibt keine STÖRUNGSFREIE (Grossschreibung von mir) Kommunikation." Ganz kurz hernach folgern Sie aus Shannon/Weaver: "Ein Medium ist also der Träger einer Information..., der es ermöglicht, diese STÖRUNGSFREI über eine Distanz hinweg zu übermitteln." – Wohl nicht ganz störungsfrei gedacht? Nüt für unguet!

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Almost eight months later, I finally read this article and wrote a few words about it for my daily prose. Plato and Shannon! Thanks! https://andrewjshields.blogspot.com…k-and.html

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"Hinter der sich immer schärfer artikulierenden Medienschelte steht also nichts anderes als die Sehnsucht nach Unmittelbarkeit, nach einem direkten Erleben der Wahrheit. "
Eine schönere Entschuldigung und einen besseren Freipass für einseitige Berichterstattung oder Propaganda hätte ich mir nicht träumen können. Da bekommen Sie sicher Beifall sowohl von NZZ wie auch Weltwoche. Kommt nicht so oft vor.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Spannend wie die drei heutigen Texte sich zusammen lesen lassen. Sie laden geradezu einer intertextuellen Lektüre ein. Geht es hier um Medium und Message sowie das Begehren nach reiner Wahrheit, geht es bei Coens Macbeth um Sein und Schein sowie das Begehren nach absoluter Präsenz. Und bei Kollys «Die Frau, eine Verpackung» um Form und Materie (lat. mater für Mutter und matrix für Gebärmutter sowie die Unterordnung der Materie, der Mutter, der Frau, der Sexualität unter die Form, das System, die Gesellschaft, den Geist, Gott.

Zwischen allen Differenzen die Spur Derridas: Pharmakon, Supplement, Glas, die 3-Cent-Briefmarke, das auf die schwangere Frau verweist.

Doch um beim Medium zu bleiben: Platons Vorbehalte gegenüber der Schrift lässt mit Saussures Beispiel nachvollziehen: Kennt man die Bedeutung des Wortes «Baum», allein durch das Wissen, das in allen Wörterbüchern und Lexika niedergeschrieben worden ist, also ohne, dass man je einen Baum wahrgenommen, erfahren und damit auch erinnert (anamnesis) hat? Kennt man die reale Geschichte alleine durch die erzählte Geschichte? Das reale Geschehen alleine aus Zahlen und Statistiken?

Platon würde sagen, nein, das ist weder Wissen noch Weisheit. Was er befürchtet, ist das freie Flottieren der Bedeutungen, ohne jede Verankerung in der Realität (der Ideen).

Daraus folgt die Skepsis gegenüber jedem Medium, denn jedes Medium präformiert die Information nach uneigentlichen, d. h. nicht der eigenen, sondern dem Medium eigenen Formen, Differenzen, Kriterien, Unterscheidungen: Die Schatten an der Wand.

Und hieraus rührt das Begehren nach einem von jeder Medialität und uneigentlichen Form befreiten Information, wobei die Idee (altgr. eidos, lat. forma) gewissermassen der Nullpunkt der Form ist, wo alles derart transparent ist, alles 1:1 übereinstimmt: Protokollsätze, Seiendes für sich stimmen mit den brute facts – das ein Kommilitone mal treffend falsch mit brutalen Fakten übersetzte –, Seinden an sich überein.

Doch jede Information ist nur als codierte, d. h. geformte, in-formierte Information. Ohne jeden Code, ohne jede Form gibt es nur weisses Rauschen, reine Materie, absolutes Chaos, maximale Entropie: Ein information overload, ein Trauma.

Deshalb ist die Schrift – sowie jedes Medium – ein pharmakon: Gift/Droge und Hilfs-/Heilmittel zugleich. Es prä-formiert, doch ohne diese In-formierung würde man nichts – das nicht Nichts ist – sehen. Das pharmakon ist paradox, denn die Differenzen, die im und durchs Medium gezogen werden, verschwimmen, wenn sie aufs Medium selbst bezogen werden.

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