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Die Tage wären heller, die Menschen glücklicher, wenn er nie geboren worden wäre. Der Labour-Chef Jeremy Corbyn ist das übelste, mieseste, verkommenste Arschloch, das je das britische Parlament betrat.

Zusammenfassend könnte man sagen: er wollte nichts falsch machen und hat darum alles falsch gemacht. Ihm deshalb das Existenzrecht abzusprechen (die Menschen wären glücklicher, wenn er nie geboren wäre), geht für mein Gefühl zu weit.
Um nicht falsch verstanden zu werden: mich stört die Gossensprache nicht. Ich muss berufsbedingt mit dem depressiven Pfarrer genauso reden können wie mit dem Dealer in U-Haft, den der Knastkoller erwischt hat. Das ist es nicht, was mir dieses stilistische Experiment als wenig gelungen erscheinen lässt. Es ist die Beschimpfung von Versagen, die mir sauer aufstösst. Dieser Gegensatz von Anspruch und Leistung hätte sich auch anders, respektvoller herausarbeiten lassen. Corbyn wollte das Beste und hat das Schlimmste erreicht, ist an sich selber gescheitert. Das ist eine Tragik, keine Schuld. Und man spuckt nicht auf jene, die schon am Boden liegen. Auch nicht, wenn sie vor Selbstgerechtigkeit triefen.
Man mag mir nun Corbynsche Prinzipientreue vorwerfen. Ich habe nicht seine Position und kann sie mir leisten ^^

Und an Constantin Seibt: nur weiter mit den stilistischen Experimenten! Dass ich kritisiere, heisst nicht, dass ich es nicht experimentell mag, im Gegenteil. Etwas lesen und dann lange darüber nachdenken können, was genau daran stört, und das dann mit-teilen, finde ich eine tolle Sache und eine der ganz grossen Stärken der Republik.

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Merci. Sie müssen wirklich mit sehr sehr verschiedenen Menschen geredet haben, denn Ihre Kritik war gleichzeitig sehr klar und sehr grosszügig.

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Rentner
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· editiert

Auch wenn die schonungslose Analyse des gegenwärtigen Führers der Labourpartei und dessen Verhaltens durchaus richtig sein mag, so frage ich mich dennoch, ob mit der zweimaligen der Fäkalsprache entliehenen und einmal gar als ‚übelst, miesest, verkommenst’ attributierten Bezeichnung ‚Arschloch’ für den Oppositionsführer, der mit seiner Prinzipientreue das Politikspiel vergeigt hat, das mit einer etwas pragmatischeren Haltung möglicherweise durchaus zu gewinnen gewesen wäre, der für das Überleben der Republik so dringend notwendigen Beschaffung von Neuverlegern und Finanzmitteln nicht ein Bärendienst erwiesen worden ist. Klartext ja, aber bitte nicht so !

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Sehe ich genau so. M.E. ist das Tüpchen auf dem I der [twitterbeitrag] (https://twitter.com/republikmagazin?lang=de): "Die Tage wären heller, die Menschen glücklicher, wenn Jeremy Corby nie geboren worden wäre", der zusätzlich den Eindruck erweckt, dieser Satz wäre der Titel des Artikels. Negativ-Werbung vom Feinsten.

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Jep. Ich sehe Ihren Punkt. Es ist mehr die stilistische Idee, Reinheit und Prinzipienfestigkeit mit ihrem absoluten Gegenteil zu verbinden: platter Gossensprache. Und damit die Fallhöhe des Schadens klar zu machen, die der sehr anständige Mann versucht hat.
Mir gefällt die Sprache auch nicht. Aber das Experiment damit. Ich hoffe natürlich, dass das der Republik nicht allzusehr schadet, aber es mach keinen Sinn, ein Medium zu gründen, wenn man dann nichts ausprobieren kann – und ausprobieren heisst nicht immer, aber fast immer: auf die Nase fallen.

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Brilliant geschrieben!
Als beruflich vielseitig herausgeforderter Psychologe habe ich die Selbstmordaktion von Labor mit wachsender Faszination beobachtet und sie haben sie hervorragend nachgezeichnet. Einige der fehlenden Puzzleteile haben an ihren Platz gefunden. Dafür danke ich Ihnen von Herzen, Herr Seibt. Wegen solcher Analysen werde ich der Republik weiterhin als grosser Fan verbunden bleiben.
Die Sprache mag einige stören; mir hat sie Emotionales erschlossen. Einige Passagen habe ich mehrmals gelesen und sie mental auf der Zunge vergehen lassen. Ich kann nur bestätigen: kompromisslose Prinzipientreue von Ideologen führt in allen Lebensbereichen zu Katastrophen.

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Genau wegen solchen Artikeln habe ich die Republik abonniert. Brillant! Leider gab es im laufenden Jahr etwas wenige davon.

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Als Teilzeit-Schlangenölverkäufer bleibt mir nichts übrig als Ihnen zu sagen: Aber nächstes Jahr!

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Urs Fankhauser
Citoyen
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· editiert

Lieber Constantin Seibt
Mir geht es mit dem britischen Drama ähnlich wie Ihnen, es ist tragisch und folgenschwer. Darum gefällt mir die Leidenschaft Ihres Artikels.
Ich könnte zwar problemlos Dutzende von MP’s aufzählen, die ich schlimmer als Corbyn finde (kleine Auswahl: Andrea Leadsom, Michael Gove, Priti Patel, Angela Smith, Ian Austin, …). Das ist aber nicht entscheidend. Grundsätzlich teile ich die Einschätzung, dass Corbyn als elektorale Bremse wirkte.
Aber einige wichtige Puzzleteile vermisse ich dennoch in Ihrer Analyse, bei einigen teile ich Ihre Wertungen nicht.

  • „Dabei hätte Labour nicht einmal eine Wahl riskieren müssen…“: Corbyn schien wild entschlossen, sich in diese Wahl zu stürzen. Aber die Besonnereren in seinem Kabinett und im NEC hätten ihn wohl schon zurückgehalten. Das Problem war, dass die LibDems und die SNP aus je eigenen Gründen die Wahl unbedingt wollten. Labour allein hatte nicht genügend Stimmen, um die Wahlen zu blockieren.

  • „Er verlor zwar zwei Wahlen, aber nie den Kompass“: Sehe ich nicht ganz so. Die Wahl von 2017 verlor er zwar auch. Aber mit einem Resultat, das seine KritikerInnen mit grossem Erstaunen zur Kenntnis nahmen und welches May die absolute Mehrheit aus der Hand schlug (sie musste dann mit der DUP koalieren). Ausserdem wurde Corbyn zweimal mit überwältigender Mehrheit zum Parteiführer gewählt, die Partei hat also seinen Kompass unterstützt. Die Parteimehrheit wollte unbedingt einen Kurswechsel, weg von Blair. Vor diesem Hintergrund kann man Corbyn nicht quasi exklusiv die Schuld am Debakel zuweisen.

  • „In der Tat entwickelte sich die Labour-Partei unter Corbyn zu einem Kampfplatz der linken Prinzipientreue“: Prinzipientreue finde ich wenig im Machtzentrum von Labour. Ich sehe dieses eher als Gemeinschaft von Hardlinern und Kontrollfreaks, die sich als “verschworene Wagenburg“ umzingelt von tatsächlichen oder (viel häufiger) vermeintlichen „Blairisten“ definiert hat. Und die sich in dieser Blase als legitimiert betrachtete, ihren tatsächlichen oder vermeintlichen Gegnerinnen in der Partei ihren Willen in der Art von Putschisten aufzuzwingen: das „Einfliegen“ linientreuer Kandidatinnen in verschiedene Wahlkreisen, die Fast-Abwahl von Tom Watson, die KPdSU-mässige Inszenierung des Parteitags in Brighton etc.

  • In Ihrer Analyse fehlen einige wichtige Elemente, die ebenfalls zum Bild gehören: Die Gewerkschaften. Das feindliche Umfeld. Die zerstörerische Wirkung des Brexit-Referendums.

  • Gewerkschaften: Labour ist (finanziell, historisch) stark von den Gewerkschaften abhängig. In der Person von Len McCluskey, dem Generalsekretär von Unite, wurde mehr als einmal „der Tarif durchgegeben“. Wenn er auf den Plan trat, hatte ich öfter den Eindruck, er sei der wirkliche Pate des Systems und Corbyn ein grosser Zauderer.

  • Das feindliche Umfeld: Damit meine ich nicht in erster Linie die Medien, die Corbyn sehr feindlich gesinnt waren (was für Labour höchstens hinsichtlich der Heftigkeit, nicht hinsichtlich des Grundtons eine neue Erfahrung war). Ich meine die anderen Parteien, die im Wesentlichen ihre Eigeninteressen höher werteten, als das gemeinsame Ziel, den Brexit zu verhindern (was im letzten Parlament rein zahlenmässig möglich gewesen wäre). Die SNP wollte eine Garantie für ein zweites Unabhängigkeitsreferendum. Die LibDems wähnten sich in der Position, 60 oder mehr Sitze holen zu können, wenn sie sich nur scharf genug gegen Labour wandten. Und die gut zwanzig ausgeschlossenen Tories (sowie die früher ausgetretenen MPs von „Change Britain“) wollten lieber untergehen, als auch nur eine Interimsregierung von Labour zu tolerieren. So starb die Chance auf ein zweites Referendum.

  • Die zerstörerische Wirkung von Brexit: Obwohl das Referendum eigentlich nur einen Wunsch ans Parlament darstellte, gelang es den Tories, dies zu einen möglichst harten Brexit als verbindlichem Auftrag des britischen Volks umzustylen. Die knappe Mehrheit (52%) wurde zum „überwältigenden Volkswillen“ hochgejubelt. Dass über politische Themen mehr als einmal abgestimmt werden kann, ist uns in der Schweiz geläufig. In GB wurde ein solches Ansinnen von vielen als „Hochverrat am Volk“ verschrien.

  • Der schlimmste Fehler von Corbyn bzw. Labour passierte aber bereits lange bevor in diesen Wahlen die „Red Wall“ im Norden einstürzte: Das Versagen in der Abstimmung über das Brexit-Referendum im Sommer 2016. Dieses war gewissermassen der Geburtsfehler, die Todsünde der gesamten Aera Corbyn. Es gelang Labour nicht, den Brexit als das Eliten-Projekt zu entlarven, das es von Beginn weg war. Labour hat es zugelassen, dass Millionen ihrer Wähler*innen dem Brexit im Glauben zustimmten, dieser würde ihre missliche Lage verbessern („Take back control“ und der ganze damit verbundenen Hohlsprech). Labour wäre gewiss in der Lage gewesen, mit einer engagierten Haltung den Brexit zu versenken. Aber gerade dies wollten Corbyn und seine Leute nicht, weil sie nie in der Gegenwart angekommen sind und die EU als einseitig neoliberales Projekt sahen. Mit dieser falschen Einschätzung haben sie sich letztlich in den Rachen des britischen Neoliberalismus geworfen.
    Britain is f….ed, it is indeed.

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Wow. Ich gebe Ihnen in jedem Punkt mehr oder weniger Recht. (Meine einzige Entschuldigung – ich wollte mal einen Artikel unter 40'000 Zeichen schreiben.)
Aber was für eine klasse Analyse! Falls Sie mal meinen Job wollen, werde ich nur Aussenseiterchancen haben.

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Urs Fankhauser
Citoyen
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· editiert

Ich schätze die feine Ironie Ihrer Antwort ;-) Im Übrigen würde ich Sie dazu ermuntern, von Ihrem Saftwurzel-Statement nicht allzu weit zurückzurudern. Journalismus muss ja nicht immer ausgewogen und austariert daherkommen. Bei mir kam der Furor als Authentizität rüber - und viele Andere hat er zu engagierten Entgegnungen herausgefordert. Insgesamt bringt uns das alle weiter.

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Puahhh, dieser Bericht hat mich gerade abgestossen und fasziniert zugleich. Spinnt der Seibt jetzt total oder hat er den Nagel voll auf den Kopf getroffen? Bedeutet das nun, dass wenn man ethisch korrekt und nachhaltig leben will und versucht, sich für die Gemeinschaft und sozial Schwachen einzusetzen, seinem Land und seinen Mitmenschen einen Bärendienst erweist, weil man dadurch den egoistischen, selbstsüchtigen, neoliberalen Kräften das Ruder überlässt? Muss man in gewissen Situation seine grundlegenden Prinzipien verraten, um Schlimmeres abzuwenden? Oder bedeutet es einfach, dass die Menschheit aus der Geschichte einfach nicht lernen kann und das System immer wieder in die Wand fahren muss, um sich nach dem daraus resultierenden, abgrundtiefen Grauen wieder auf das Wesentliche im Leben besinnen zu können?

Seit langer Zeit hat mich kein Beitrag mehr so aufgewühlt, zugleich abgestossen und fasziniert und zum Denken angeregt. Was ist der Weg aus dieser Misere, mit welcher Wirklichkeit erreichen wir eine lebenswerte Zukunft, für uns und viele Generationen nach uns?

PS: Der einzelne Mensch kann durchaus aus der Geschichte lernen und für sein Leben daraus Schlüsse ziehen. Der Menschheit als Ganzes scheint dieser Weg verwehrt zu bleiben!

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Lieber Herr Moser
ich hab das gleiche Dilemma. Ich glaube, man muss Prinzipien und Humor, Opportunismus und Ideale haben – und fällt trotzdem oft auf die Nase. Das Leben ist immer neu schwierig und deshalb lohnt es sich ja auch als Abenteuer.
Korrekt sein ist dabei klasse, aber nicht das Ziel. Manchmal muss man auch durch den Schmutz, um etwas zu erreichen.
Es geht Schritt für Schritt. Und was die Menschheit betrifft, hat sie zwar nun ein sehr ernsthaftes Klimaproblem, aber Ungleichheit, Unbildung, Kindersterblichkeit, Kriege, Seuchen, Hunger, Diktatur sind in den letzten 200 Jahren dramatisch zurückgegangen.
Von Nahem, im Spiegel, halten wir uns oft für Esel. Und zu Recht. Aber mit weiterer Entfernung sehen wir, dass der Esel durchaus seinen Weg macht. (Und umgekehrt.)

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Für mich ist das politische System falsch, wenn tatsächlich der Fehler eines Einzelnen in die Katastrophe führt (für das ich den Brexit nicht halte). Ein stabiles politisches System sollte fehlertolerant sein.

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Zu diesem Satz: "Der Labour-Chef Jeremy Corbyn ist das übelste, mieseste, verkommenste Arschloch, das je das britische Parlament betrat." erlaube ich mir, einen Satz aus Ihrem Troll-Essay zu zitieren: "überall Herren mit so zweifelhaften Manieren, dass man sie täglich fragen könnte: «Was sagt eigentlich Ihre Mutter dazu, dass Sie so reden?»“, Herr Seibt?

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Geehrte Frau Fall,
um ehrlich zu sein, meine Mutter hält nichts davon. Und sie hat oft einen guten Instinkt. Ich hab ihr zu erklären versucht, dass man den Schock zwischen persönlicher Sauberkeit und furchtbarem Vermasseln auch mit einem sprachlichen Schock vermitteln sollte – und dass die groteske Übertriebenheit und Plattheit der Beleidigungen zeigt, dass sie nicht den Mann, sondern sein Resultat meinen... aber sie hält das für Tineff.
Ich schwanke noch. Aber ich glaube, sie hat recht. Man sollte nicht so Wörter auf egal wen loslassen.

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Beat Wirz
mitarbeitender Renter
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Ich habe hin und wieder die Brexit-Debatten im Unterhaus vor dem Bildschirm verfolgt und mich einige Male grün und blau über Corbyns Sturheit geärgert. Über alle verpassten Chancen, im Unterhaus Allianzen gegen die Tories und ihren erbamungslosen Brexit-Kurs zu schmieden. Um der Sache willen, falls hilfreich, auch zurückzustehen und jemanden anderen vorangehen zu lassen. Bis heute habe ich gedacht, dass Corbyn ob der Zerrissenheit über Leave und Remain in der Labour Party handlungsunfähig gewesen ist und möglicherweise gar nicht anders konnte, als alles zu vergeigen. Der Beitrag von Constantin Seibt hat mir nun aber ein Licht aufgesteckt. Und mich besser verstehen lassen, warum mich Corbyns Agieren im Unterhaus monatelang über alle Massen frustriert hat. Corbyn ist allem Anschein nach keine tragische Figur, sondern schlicht und einfach ein gefährlicher Sektierer, der vorerst für die englische Sozialdemkratie das Unglück und Unheil an sich gezogen hat wie der Misthaufen die arglosen Fliegen.

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Leider. Und das Leave/Remain-Dilemma hatte er noch zusätzlich am Haken. Es ist schade um diesen Menschen, der ohne seinen überraschende Karriere ein aufrechter, durchaus ehrenwerter Exzentriker geblieben wäre.

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Lieber Constantin Seibt

Ist "Ich-scheiss-drauf" nicht auch ein Prinzip? Zum Beispiel: "Ich-scheiss-auf-Sprachregelungen" (in der Politik? im Journalismus? im öffentlichen Raum)?
Jedenfalls finde ich - welche guten Argumente da auch immer sind, um Corbyn und seine Politik zu kritisieren - diese Sprachwahl unwürdig:

"Der Labour-Chef Jeremy Corbyn ist das übelste, mieseste, verkommenste Arschloch, das je das britische Parlament betrat."

Oder muss ich eher sagen: "beschissen" finde ich diese Sprachwahl, damit man sich auf Augenhöhe begegnet, und ich nicht eines 'Reinheitsprinzips' verdächtigt werde?

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Ich bin der Charakterisierung 'Arschloch' kürzlich bei Max Frisch (Stiller) begegnet, war etwas überrascht...
Wir sollten es mit der gepflegten Politischen Korrektheit nicht übertreiben, das ist einfach lächerlich angesichts der tragischen und menschenverachtenden Gesamtsituation hier auf unserem Planeten...

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Rentner
·
· editiert

Der Verzicht auf Fäkalsprache im öffentlichen Diskurs scheint mir noch lange keine Übertreibung politischer Korrektheit zu sein. Constantin Seibt hat doch mit seiner Wortgewandtheit einen Fehltritt, wie ich ihn bezeichne, auch wenn die Wortwahl bewusst als stilistischer Kontrapunkt zu ‚Prinzipientreue und Reinheit’ im Titel getroffen worden sein sollte, in diese Richtung sprachlicher Radikalisierung nicht nötig, um seiner von mir geschätzten Meinung vermeintlich mehr Gewicht zu verleihen.

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Billo Heinzpeter Studer
Präsident fair-fish international
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«Der Labour-Chef Jeremy Corbyn ist das übelste, mieseste, verkommenste Arschloch, das je das britische Parlament betrat.»

Da hat sich Constantin Seibt ein wenig vertan; an ein übleres und verkommeneres Arschloch im britischen Parlament als Tony Blair kann ich mich nicht erinnern, mal abgesehen von Boris Johnson.
Aber ansonsten stimme ich mit Seibts Kurzanalyse weitgehend überein. Ich hab Corbyns sture Politisiererei schon lange kritisiert. Ja: «stur» trifft es besser als «konsequent». Blödsinnig stur, mit dem Charme einer rostigen, zur Freude jedes Heimwerkers festklemmenden Schraube.

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Jep. Manchmal sollte man auf seine Leser und Leserinnen hören, bevor man schreibt.

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Billo Heinzpeter Studer
Präsident fair-fish international
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Ha! Stell ich mir noch schwierig vor, beim Schreiben auf Leser zu hören, bevor die's lesen und reagieren konnten ;-) Also falls ich an Selbstzensur interessiert wär, würd ich ja nicht ausgerechnet die Republik abonnieren…

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Chapeau ! Also inhaltlich habe ich einige Differenzen (vielleicht nehme ich mir noch die Zeit, das darzulegen). Aber insgesamt stimmt die Richtung der Kritik. Grandios finde ich jedoch, dass da einem Journalisten sprachlich die Pferde durchgehen! Nicht dass ich die Kraftwörter als solche besonders gelungen oder angebracht finde, aber ich freue mich über die Leidenschaft, die sich hier Bahn bricht. Was auch gesagt werden muss: würde ein solcher Beitrag auf der Kommentarseite stehen, wäre innert Sekundenbruchteilen einer der moderierenden Sprachsheriffs der Republik zur Stelle. Ist mir schon zweimal aus wesentlich harmloserem Anlass passiert. Wenn ihr Exempel deren Übereifer etwas zurückbindet, soll es mir recht sein ;-)

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Herr Fankhauser, Sie haben recht: hätte sich einE LeserIn auf der Kommentarseite im Ton und der Wortwahl so vergriffen, hätte die Redaktion mit Recht eingegriffen. (Ob das bei diesem Artikel vielleich auch versucht wurde, werden wir aus verständlichen Gründen wohl nie erfahren.)
Allerdings finde ich, mit dem Begriff "Sprachsheriffs" tun Sie der im allgemeinen eher zurückhaltend moderierenden Redaktoren Unrecht.
Und sicherlich sollte der hier diskutierte Text von C. Seibt nicht als Vorwand für die Aufweichung der Diskussions-Regeln, die in der Etikette festgehalten werden, herhalten. Quod licet Iovi, non licet bovi. ;-)

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OK, Sprachsheriff ist ein kleiner Sarkasmus, müsste nicht sein. Aber ich erlebe die Moderation nicht als zurückhaltend. Und ich habe keineswegs vor, die Etikette aufzuweichen. Kritik am teilweise kleinlichen Eingreifen von Moderatoren muss aber möglich bleiben.

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Das Zitat in Ihrem letzten Satz finde ich völlig unpassend; ich habe die Republik nicht abonniert, um einem Personenkult zu huldigen.

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Temporär-Abonnent
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"If Britain had a proportional system, the pro-Remain parties could have formed a coalition with a majority in Parliament."
https://www.nytimes.com/2019/12/16/…rexit.html

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Jep. Unser System schluckt viel Drama – was schade und vernünftig ist.

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Lieber Herr Seibt! Auch wenn Sie mit Kraftwörtern um sich schmeissen: Das ist ein ziemlich schwaches Stück, dass Sie da abgeliefert haben! Sie vergleichen Labour unter Corbyn mit einem sektiererischen Grüppchen. Dann ist bloss merkwürdig, dass Labour gerade unter der Führung von Corbyn so viele neue Mitglieder gewonnen hat.
Es gäbe noch eine Reihe weiterer Widersprüche in Ihrem Text, die benannt werden müssten. Leider fehlen mir Zeit und Geduld dazu. Mein Fazit: Einfach nur ärgerlich!

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Sehr geehrter Herr S., tut mir leid Sie enttäuscht zu haben – und wenn Sie trotzdem Zeit finden für eine detaillierte Kritik, wäre ich Ihnen verbunden für Mühe und Zeit. Zwecks dazulernen. Ausser Sie finden: Hopfen und Malz verloren, nicht noch die Gerste hinterher werfen.

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Etwas Zeit und Geduld müssen schon drinn liegen, will man mehr verstehen als was gerade "offensichtlich" ist. Ja es ist merkwürdig und müsste misstrauisch machen, "dass Labour gerade unter der Führung von Corbyn so viele neue Mitglieder gewonnen hat".
Seibt's Analyse ist unerreicht und trifft den Kern.

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In einigen Jahren oder Jahrzehnten, wenn die Briten aus der EU augetreten sind und das grosse Glück gefunden haben und wieder Weltmacht sind, wird sich beurteilen lassen, was Corbyn angestellt hat. Für Europa betrachte ich es als Chance, näher zusammen zu rücken.
Aus heutiger Sicht haben die Briten einem ähnlichen Dünkel nachgegeben, wie ihn die Schweiz schon Jahrzehnte pflegt und ihn immer wieder als sehr erfolgreich anpreist.
Warum es eine erfolgreiche Strategie sein soll, immer das Anderssein hervorzuheben, wenn man gemeinsam in einer Bude wohnen muss, kann ich nicht verstehen.
Die Briten wurde nicht nur von Corbyn sondern auch von ihrem Demokratiesystem gelinkt. Hätten sie ein System, bei dem nicht nur eine Mehrheit erzeugt wird, die die Minderheiten nicht mehr berücksichtigt, wäre der Brexit anders verlaufen.

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Märchentante*onkel
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nämlich gar nicht

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Das stimmt. Nur muss man als Politiker mit den gegebenen Verhältnissen arbeiten statt mit den idealen. (In denen Politik auch nicht mehr nötig wäre.)

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Richtig, Labour und Corbyn haben versagt. Die Liberaldemokraten trotz Stimmenzuwachs aber genauso. Das entscheidende Versagen scheint mir rein rechnerisch: Hätten sich die beiden Parteien vor den Wahlen in den entscheidenden Gebieten abgesprochen, gäbe es jetzt eine progressive Koalitionsregierung - und dem Land bliebe ein schmerzhafter Umweg erspart.

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Märchentante*onkel
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· editiert

Das Allerschlimmste an Corbyn haben wir ja hier noch gar nicht erwähnt: Dass er nicht sofort zurückgetreten ist, dass er nach der Wahl fröhlich (soweit er fröhlich kann) behauptet, 'We've won the argument' und dass er eine ähnlich extreme Nachfolgerin ohne Massenappeal aus seinem intoleranten Parteimachtzirkel installieren will. Wenn Du denkst, es kann nicht noch schlimmer kommen, dann wirst Du von der britischen Labour Party immer wieder aufs neue überrascht. (Und ich schreibe dies, weil mir Labour am Herzen liegt.)
Wir treten keinen, der am Boden liegt, wir treten einen, der arrogant und unbelehrbar geblieben ist und sich die Kritik redlich verdient hat.
Den Satz mit dem Nicht geboren und dem Arschloch allerdings streichen, es gibt witzigere und treffendere Bezeichnungen: mit dem Charme einer rostigen, festklemmenden Schraube von Herrn Studer (siehe unten) trifft die Schraube auf den Kopf.

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Herbert Bühl
Alt Regierungsrat
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Was für ein menschenverachtender Ton von Constantin Seibt. Eine herbe Enttäuschung der Republik. Ich habe mir Qualitätsjournaliamus anders vorgestellt.

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Ja. Er wird auch meist anders geliefert. (Falls das überhaupt welcher war.) Aber zu Qualität gehören definitiv Experimente – und die meisten davon scheitern kläglich.

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Ich finde nicht, dass das Experiment gescheitert ist. Es hat eine engagierte Diskussion mit vielen notwendigen Widersprüchen und erweiternden Statements produziert. Also nicht zuviel Zerknirschung ob dem Tabubruch, lieber Seibt !

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Daniel Reichenbach
Filmproduzent
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· editiert

Anstand, Rücksicht, Verständnis, Fairness, Solidarität, Ehrlichkeit, Ritterlichtkeit - alles Tugenden, die auch mir jeden Tag einiges an Energie und intellektueller Arbeit abverlangen. Da darf auch mal aus dem Arschloch gefurzt werden dürfen. Politische Korrektheit ist nicht nur langweilig, phantasielos, sondern in der Summe vor allem abstumpfend, einlullend und - brandgefährlich. Wenn wir aus all diesen dräuenden Schlamasseln rauskommen wollen, brauchen wir Mut und Leidenschaft, gepaart mit fein ziselierter Moral.

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· editiert

Klare Worte mit nachvollziebarem Dreh ins Allgemeingültige.
Aber ist dieses Allgemeingültige nicht selber schon wieder rein, absolut und fundamentalistisch...?
Es ist verdammt kompliziert...

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Sie haben Recht. Im Grund ist Corbins Kompromiss- die Antwort auf Blairs Prinzipienlosigkeit.
Und wenn mein Söhnchen isst, dass die Wände nachher bemalt sind, dann sehne ich mich, den Lumpen in der Hand, nach fugenloser Reinheit.

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Versucht die politische Rechte, ihr Programm in Reinheit umzusetzen, wird es meist
lebens­gefährlich für alle anderen. Versucht es die politische Linke, wird es
erfreulicher­weise meist nur lebens­gefährlich für sie selbst.

Geschrieben in völliger Leugnung der Opfer des radikalen Kommunismus im 20. Jahrhundert.

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ichfürchte...
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da habe ich mich beim Lesen auch SEHR gewundert.. ist das nur unsorgfältig oder ernsthaft die Meinung des Autoren? Möchte man chinesischen Investoren gefallen? (kleiner Scherz)
Man kann auf das "meist" im zitierten Satz verweisen, und versuchen, linke Gewalt in diese 5 Buchstaben zu quetschen, aber der Satz fühlt sich trotzdem kreuzfalsch an.

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Versuchen kann man's, aber die Opfer des Roten Terrors oder des Grossen Sprung nach vorn (um nur zwei Beispiele zu nennen) passen dort nicht rein.

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Märchentante*onkel
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· editiert

Danke für diese grandiose Analyse. Es scheint ausser für groteske Ideologen self-evident, dass in einem FPTP-System die siegbringende Taktik darin liegt, die unentschlossenen WählerInnen in der Mitte zu überzeugen, nicht die eigenen AnhängerInnen, die sowieso für einen stimmen. Das FPTP-System ist grausam, weil es eine potenziell pluralistische Parteienlandschaft zu einem Zweiparteien-Staat reduziert und insbesondere auch kleinere und neue Parteien wie die Grünen verhindert. Abermillionen von WählerInnen haben keine echte Stimme, wenn sie das Pech haben, in einem Wahlkreis zu leben, der seit Generationen von Tories oder von Labour dominiert ist. Ausser wenn Labour einen grotesken Ideologen zur Wahl stellt, der es doch tatsächlich schafft, Labour sogar in den Labour-Stammlanden unglaubwürdig zu machen. Und so sind Seibts Bezichnungen halt doch ziemlich zutreffend, weil sie dem Land einen radikalen Brexit bescheren, obwohl die WählerInnen diesen Kurs in dieser Wahl nicht mehrheitlich und nicht eindeutig bestätigt haben. Das FPTP-System hat die Wahlen entschieden.

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Soziologiestudent
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Naja, das hässliche Bild, das von den liberalen und rechten Medien über den für sie unliebsamen Corbin gezeichnet wurde, hatte wohl auch seinen Beitrag zu diesem Wahlverlust. Zudem war das Dilemma zwischen Leave und Remain-Anhänger*innen sehr gross. Der unklare Mittelweg hat meiner Meinung nach viel mehr Schaden angerichtet, als diese angeblich so schädliche „Prinzipientreue“. Schade eigentlich, wenn man bedenkt, dass genau die Labour unter Corbin für wirkliche Veränderung gestanden wäre. Sie hatte diese Radikalität, die man bei den meisten anderen Sozialdemokratischen Parteien in Europa vermisst und bemängelt.

Zur Wortwahl dieses Artikels wurde schon genug gesagt...

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Ui, da ist einer wütend. Was Sie beschreiben, Herr Seibt, scheint mir eine Mischung aus hohen Ansprüchen an sich selber, Konfliktscheu und Führungsschwäche. Den Platz nicht ausfüllen können, an den einen die Zeit gespült hat, finde ich eher tragisch als wuterregend. Aber das ist Auslegungssache. Was Corbyn gemäss Ihrer Beschreibung offensichtlich verpasst hat: die jungen, aggressiven Dogmatiker seiner Partei zur rechten Zeit auf ihre Plätze zu verweisen. Hat er ihr Sprengpotential nicht erkannt?

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Ich glaube nicht. Er hat zwar immer wieder zu Zurückhaltung gemahnt, aber nie jemand direkt angepfiffen. Es ist natürlich auch eine riesige Versuchung, wenn man so lange einsam predigte, dann nach 30 Jahren Einsamkeit über tausende junger leidenschaftlicher Anhänger hat, diesen ernsthaft die Leviten zu lesen.

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Bruno Bucher
Trotzdem funktioniere ich.
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Geschätzter Constantin Seibt.
Für meinen Coût steht dieser Wutanfall (was euphemistisch jetzt ein Experiment sein soll) im Widerspruch zur Troll-Analyse und im schmerzlich relativierten Bild, das ich von Ihnen habe. Jemandem sein Recht auf Existenz abzusprechen ist für mich irritierend. Würde mir jemand so was ins Gesicht sagen, ich würde mit Fäusten antworten.
Man kann Corbyn’s Versagen auch in aller Freundlichkeit kritisieren. Was gar nicht geht, Corbyn für Johnson verantwortlich zu machen. Das ist reaktionäres Framing à la: die Linke ist schuld an der Ungerechtigkeit, weil sie die Ungerechtigkeit nicht beseitigt, darum wählt nicht links.
Corbyn hat sicher nicht über den Dingen gestanden. Zuviel wurde wegen seiner dürftigen und der Entwicklung hinterher hinkenden Kommunikation in ihn hinein interpretiert. Und weil die Torries Labour in die Hand spielte, fiel am Ende die von Murdoch von langer Hand geführte Schlammschlacht ins Gewicht. Da hatte Anstand nicht den Hauch einer Chance. Vielleicht hätte Corbyn Sie zum Kampagnenleiter berufen sollen. In der Rolle des wütenden, nicht des freundlichen Constantin Seibt.

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· editiert

Ich habe die Republik von Anfang an unterstützt, in erster Linie dank Constantin Seibt, welcher meiner Meinung nach einer der brillantesten Journalisten „war“, welcher die Schweiz besass.

Dieser Artikel hat mich schockiert, er ist unglaublich zynisch und analytisch leider sehr schwach. Ähnliches konnte man in den ganz rechten Blätter aus Grossbritannien lesen.

Dieser Artikel - und leider nicht nur der Inhalt, sondern auch der Stil- ist für mich sowas wie der Tropfen der das Fass zum überlaufen brachte und nun dazu führte, meine Unterstützung für die Republik zu beenden.

Schade.

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Sehr schade. ich habs vermasselt, offensichtlich. Gibt es nicht auch bessere Leute an Bord als mich?

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Märchentante*onkel
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Mich zum Beispiel?

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Herrjemineh, nun sind Herr oder Frau Anonymus also betupft und erlauben sich ein Entfernen ihrer Selbst aus dem Diskurs. Ich habe viele Ihrer Einwürfe, Bemerkungen gut nachvollziehen können, war an einigen Stellen nicht immer mit Ihnen derselben Meinung. Dazu gehört auch dieser fade Beigeschmack der Anonymität, von der ich nie verstanden habe, wieso die Republik diese toleriert. Aber gleich das Handtuch zu werfen, das ist nun definitiv schlechter Stil. Auch in diesem Sinne.

Schade.

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Muss irgendwo ein Nest sein mit diesen Anonymen. Die schwärmen ja wie die Rossbremsen die letzten Tage.

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Die Vorkommnisse in der Labour-Partei sind ein allgemeines Anzeichen für abnehmende Toleranz und schwindender Anstand gegenüber solchen, die eine andere Meinung haben. Das ist ja nicht nur in England so. Menschen, die anders denken, werden sofort als Gegner betrachtet und verteufelt, und nicht mehr eine Antithese zur eigenen These und damit eine Chance für eine Synthese.
Und, Herr Seibt, mit dem Begriff "Arschloch" bei Corbyn sind Sie wohl übers Ziel hinausgeschossen. Helmut Schmidt hat von "Hitler-Arschloch" gesprochen. Man sollte diesen Begriff wirklich solchen Kalibern vorbehalten.

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Intellektueller Landarbeiter
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Da kommt mir ein Buch des österreichischen Philosophen, Robert Pfaller, in den Sinn, mit dem Titel "Das schmutzige Heilige und die reine Vernunft".

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Corbyns ideologische Reinheit und Prinzipientreue: Gehört auch seine Tatenlosigkeit und versteckte Nähe zu antisemitischen Umtrieben in den eigenen Reihen dazu?

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Ich denke schon – er war halb Komplize, halb hilflose Ikone seiner Reihen. Und ja, es gibt eine unklare Grenze zwischen der Kritik an Israel und Antisemitismus. Und Corbin operierte, fürchte ich, ziemlich im Niemandsland: nicht klar antisemitisch und nicht klar anti-antisemitsch.
Und dann ist tatsächlich bei einigen Linken (und anderen Leuten) verdächtig, dass sie von allen Konflikten der Welt verdächtig obsessiv von Palestina und Israel reden.

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"Arschloch" mag einmal provokativ sein, das zweite Mal verwendet ist es nicht mehr originell. Dass die Linke nur sich selber zerstört, mag für die westlichen Staaten zutreffen, wenn man etwas historischer und globaler denkt, dann waren Figuren wie Pol Pot, Lenin, Mao Tse Tung, Enver Hodscha durchaus auch für ihre Völker lebensgefährlich.

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Sie haben Recht. ich war unpräzis. Ich dachte an die demokratische Linke, die auf den Reinheitstrip kommt. Die autokratische auf Reinheitstrip ist so tödlich wie ihre rechte Diktaturen auf diesem, nur meist mit noch mehr Bürokratie und Theoriebüchern.

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Ich dachte in diesen Tagen mal wieder an diesen Artikel, der damals - in meinen Augen - mit Inhalt und Ton ins Schwarze traf. Und bitter, daran zu denken, was hätte werden können, wäre Keir Starmer damals Labour-Leader gewesen...

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Urs Fankhauser
Citoyen
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A. C. hat einen Punkt angetippt, der in der Debatte zu wenig aufgegriffen wurde: wie geht es nach Corbyn weiter? Es droht ja tatsächlich eine Wahl, die Labour weiter beschädigen dürfte : Rebecca Long Bailey. Sie ist ungefähr gleich dogmatisch und Charisma-befreit wie Corbyn. Die Katharsis (vulgo Seibt-Moment) von Labour steht noch aus. Noch schlimmer: findet vielleicht gar nicht statt. Fähige Leute wie Starmer oder Thornberry sind als Remainer und durch die langjährige Corbyn-Nähe angeschlagen. Wer sonst könnte Labour vor Long Bailey retten?

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Märchentante*onkel
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Allenfalls Jess Phillips? Eine Politikerin mit Charisma, Eigenständigkeit und Humor.
https://www.theguardian.com/comment…s-phillips

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Urs Fankhauser
Citoyen
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Das könnte höchstens dann klappen, wenn sich alle moderateren Bewerberinnen wie Nandy und Cooper, sowie pragmatische Linke wie Starmer und Thornberry hinter sie stellen würden. Mal sehen...
Interessanter Link dazu: https://www.theguardian.com/politic…bour-party

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Eins muss man ihm lassen: Ein Steuermann eines solch trägen Dampfers, wie eine Partei, hat es wahrlich nicht einfach zwischen Skylla Radikalität und Charybdis Profilverlust hindurch zu manövrieren.

Viele Intellektuelle votierten für eine postkapitalistische Utopie, um die Linke aus dem deadlock der left melancholy in Zeiten des alternativlosen Neoliberalismus zu befreien. Manche forderten auch die Rückkehr des populistisch geführten agonalen Klassenkampfes.

Dies hätte auch dirty hands bedeutet. Und Ungewissheit, Experimente, Pluralismus, Pragmatismus, Kompromisse, Kooperation usw.

Stattdessen wollte man die Reinheit der Seele bewahren. Mit der Folge in ihrer Wirkungslosigkeit das Unglück nur noch unvermeidlicher zu machen. Und in „sehnsüchtiger Schwindsucht“ zu zerfliessen. Und so das „Momentum“ zu verpassen. Bei einer Gelegenheit, die günstiger nicht hätte sein können.

Die Rede ist natürlich von Hegels Kritik der „schönen Seele“. Oder wie Zizek gegen Liberale und Kosmopoliten wettert:

Sie inszenieren sich als schöne Seelen, die über der korrumpierten Welt stehen, aber letztlich wissen sie ganz genau, dass sie selber Teil davon sind.

In Hegels abstrakt wirkenden Worten:

Die schöne Seele, die jede Handlung als Verunreinigung ihrer guten Absichten auffasst, verkümmert entweder oder wird geradezu böse, wo sie die Versöhnungsangebote der anderen zurückweist.

Der hohle Gegenstand, den es sich erzeugt, erfüllt es daher nur mit dem Bewußtsein der Leerheit; sein Tun ist das Sehnen, das in dem Werden seiner selbst zum wesenlosen Gegenstande sich nur verliert, und über diesen Verlust hinaus und zurück zu sich fallend, sich nur als verlornes findet;

in dieser durchsichtigen Reinheit seiner Momente eine unglückliche sogenannte schöne Seele, verglimmt sie in sich, und schwindet als ein gestaltloser Dunst, der sich in Luft auflöst.

Sie besitze keine „Kraft der Entäußerung“. Das Wesen der schönen Seele ist, dass sie:

reines Sein oder das leere Nichts ist - ist also als Bewußtsein dieses Widerspruches in seiner unversöhnten Unmittelbarkeit zur Verrücktheit zerrüttet, und zerfließt in sehnsüchtiger Schwindsucht.

Es ist eine Hoheit und Göttlichkeit der Seele, welche zur Wirklichkeit nach allen Seiten hin in ein schiefes Verhältnis tritt und, die Schwäche, den echten Gehalt der vorhandenen Welt nicht ertragen und verarbeiten zu können, vor sich selbst durch die Vornehmheit versteckt, in welcher sie alles als ihrer nicht würdig von sich ablehnt.

Sie spinnt sich in sich selber ein und lebt und webt nur in ihren subjektivsten religiösen und moralischen Ausheckungen.

Zu diesem inneren Enthusiasmus für die eigene überschwengliche Trefflichkeit, mit welcher sie vor sich selber ein großes Gepränge macht, gesellt sich dann sogleich eine unendliche Empfindlichkeit in betreff auf alle übrigen, welche diese einsame Schönheit in jedem Momente erraten, verstehen, verehren sollen. Können das nun die anderen nicht, so wird gleich das ganze Gemüt im tiefsten bewegt und unendlich verletzt.

Aber vielleicht denkt man, das richtige „Momentum“ der Linken sei, die Scherben einzusammeln, nach dem der Elefant im Porzellanladen gewütet hat.

Was ja schön und gut wäre, wäre dies nicht mit viel Leid verbunden.

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