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Guten Morgen,
Ehrlich gesagt weiss ich gerade nicht was ich von diesem Artikel halten soll. Ich finde ihn gut recherchiert und geschrieben. Es gibt aber einige Dinge die mich verunsichern oder traurig machen. Warum spricht man von einem One-night-stand wenn im Raum steht, dass es uneinvernehmlich gewesen sein könnte? Und klar, im Zweifel für den Angeklagten, aber darf das Gericht so unsensibel der Frau gegenüber sein (sie sei naiv?!). Ebenfalls leuchtet mir nicht ein warum die Kleider zerissen sein müssen und man sich so laut wehren muss das alle in der Wohnung das hören. Ich meine es gibt die Schockstarre die oft bei Vergewaltigungen eintritt, und man wehrt sich doch nicht unbedingt wie im Film schreiend und um sich schlagend. Vor allem wenn man die Person sympatisch findet möchte man dich daraus nicht so ein „riesen Ding“ draus machen und realisiert das alles viel später. Vielleicht war er auch unschuldig und es hätte ja sowieso nicht für eine Anklage gereicht. Aber, meiner Meinung nach, wegen fehlender Beweise und nicht wegen all diesen „gegen Beweisen“. ich hoffe ihr versteht meine Fragen. Es beschäftigt mich einfach sehr wie mit diesem Thema (vor Allem vor Gericht) umgegangen wird. Ohne das Urteil an sich anzuzweifeln. Vieleicht gibt es ja mal ein Aritikel in diese Richtung?
Herzlichen Dank für Alles

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leuchtet mir nicht ein warum die Kleider zerissen sein müssen und man sich so laut wehren muss das alle in der Wohnung das hören

Wie ich den Artikel verstanden habe, ist das nicht als "Beweis" des einvernehmlichen Sex verwendet worden, sondern als Beispiel dafür, was an Beweisen fehlte bzw. hätte das Patt der Aussagen auflösen können. Der Freispruch wurde, wie Sie es befürworten, aus Mangel an Beweisen gefällt, nicht aufgrund entlastenser Beweise.

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Danke erstmal für die Antwort. Deshalb habe ich es in Anführungs- und Schlusszeichen geschrieben. Ich persönlich finde es einfach schwierig, dass vor Gericht Beispiele gegeben werden die nicht unbedingt nötig für eine Cergewaltigung sind. Es ist schwer für mich das schriftlich zu erklären, aber die Frau hat jenachdem etwas schreckliches erlebt und dann wird ihr nochmal vorgezeigt was sie oder er anders hätten machen müssen damit es für eine Anklage gereicht hätte. Hätte es nicht gereicht zu sagen es gibt zu wenig was darauf hinweist? Weil viele dieser nicht „erfüllten“ Bedingungen treffen oft bei Vergewaltigungen nicht zu. Ich hoffe man versteht was ich damit meine. Schönen Abend noch😊

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Der Artikel betont zwar, dass der Angeklagte aufgrund des "in dubio pro reo" Grundsatzes freigesprochen wurde. Dann muss aber auch von der Richtigkeit der Aussage der Klägerin ausgegangen werden (in dubio - im Zweifel); Dann ist es sehr seltsam, sie als naiv zu bezeichnen und ihr Handeln in Fage zu stellen: Ihre Aussage wird somit implizit als Lüge abgetan. Seriös ist das nicht, wenn doch die rechtliche Grundlage für den Freispruch eine andere ist! Die Darstellung im Republik-Artikel geht zu wenig auf diese Widersprüchlichkeit des Gerichts ein.

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Liebe Frau K., vielleicht haben Sie dies überlesen, aber im Artikel schreibe ich: Die in-dubio-pro-Reo-Regel entspricht dem Grundsatz, dass erstens der Staat dem Beschuldigten die Schuld hieb- und stichfest nachweisen muss. Und dass dies zweitens einer gesellschaftlichen Wertehaltung entspricht, die besagt, dass wir im Zweifelsfall lieber einen Schuldigen freilassen, als dass wir einen Unschuldigen einsperren. Mich dünkt, das ist ein wichtiger Grundsatz für eine freiheitliche, rechtsstaatliche Demokratie. Mit besten Grüssen, Brigitte Hürlimann

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Ihrem Einwand, Frau Hürlimann, kann ich absolut folgen.
Aber die Klagende als «naiv» zu bezeichnen, finde ich ebenfalls grenzüberschreitend von der Oberrichterin. Diese persönliche Beurteilung steht m.E. einem Richteramt nicht zu und ist auch völlig unnötig. Warum machte Regula Affolter das? Es impliziert für mich tatsächlich, dass die Klagende mit einem Vorgang hätte rechnen müssen, den sie eigentlich nicht wollte – und das alles, nachdem die Richterin selbst festgestellt hatte, dass die Klagende übermüdet und betrunken gewesen war!

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Rechtsanwältin
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Einfühlsam und mit Empathie verfasst. Gratulation zu diesem Meisterwerk.

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Interessierter Leser🤓
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Wie immer bei „Am Gericht“ ein top Bericht!👌

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Auch ich finde es absurd, dass das Gericht offenbar allwissend sein muss. Wieso masst es sich an, bei einem Vier-Augen-Delikt zu entscheiden, was passiert ist? Wenn der Freispruch doch genau aus Mangel an Beweisen für eine Tat erfolgt?
Ist es so schwierig, ihr zu sagen: "es tut uns wahnsinnig Leid, falls der Mann schuldig sein sollte, aber aus rechtlicher Sicht können wir nichts machen"..?!

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Ungefähr so hat es das Gericht ausgedrückt. Einfach ohne das "es tut uns wahnsinnig Leid". Die drei RichterInnen haben dafür die in-dubio-pro-reo-Regel erklärt und auf die Grenzen des Strafrechts aufmerksam gemacht.

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Naja im Beitrag klingt es schon sehr nach Victim Blaming, was die Richterschaft da von sich gibt. Haben ja auch einige andere schon angesprochen. Es klingt, als meinte das Gericht wissen zu müssen, was sich abgespielt hat.

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Denn es kommt vor, dass ihre sexuelle Integrität zwar verletzt wurde, der Übergriff aber nicht rechts­genügend bewiesen werden kann. Dann muss der Täter freigesprochen werden.

Und weil das so ist, und aller bitteren Resultate und nachvollziehbaren Empörung zum Trotz in einem Rechtsstaat so sein muss, ist gut zu überlegen, ob man nach einem sexuellen Übergriff eine Anzeige machen will und soll. Ein Verfahren, das mangels Beweisen zu einem Freispruch führt, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit eine (Re)Traumatisierung. Nur schon die Untersuchung/Befragung ist extrem belastend. Darüber muss sich jede*r Betroffene im Klaren sein, wenn man eine Anzeige erwägt.

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Was Sie hier proklamieren, kommt einer Aufforderung zur wehrlosen Hinnahme und Akzeptanz von Vergewaltigung gleich - eine entsetzliche Vorsellung!

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Wenn Sie Ihre Anwürfe unter Ihrem richtigen Namen wiederholen, nehme ich gerne ausführlich dazu Stellung. Proklamiert habe ich gar nichts.

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Rechtsanwältin
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Wenn genügend Aufklärung geleistet wird und das Opfer trotz dem in dubio pro reo Risiko den Verfahrensweg bestreitet, könnte dies präventive Wirkung für allfällige weitere Übergriffe entfalten?

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Präventive Wirkung auf wen? Kann es die Aufgabe eines Vergewaltigungsopfers sein, dem Täter durch ein enorm belastendes Verfahren mit ungewissen Ausgang - vielleicht - eine Lernerfahrung zu ermöglichen? Je nach Persönlichkeit kann sich der oder die Täter*in durch einen Freispruch auch bestätigt fühlen.
Für das Opfer ist ein Freispruch immer eine bittere Erfahrung, die auf die Vergewaltigung noch oben drauf kommt. Sein Vertrauen in sich selber, Gott und die Welt ist erschüttert bis zerstört. Soll es sich damit trösten, dass sein Leiden trotz des Freispruches wenigstens für den Täter (!) und die Gesellschaft einen Nutzen bringe? Mit einiger Wahrscheinlichkeit wird eher sein Vertrauen in die Justiz auch noch zerschmettert.
Aus der Perspektive der Strafverfolgungsbehörde (woher ich dieses Argument an gemeinsamen Weiterbildungen auch schon gehört habe) mag Prävention ein sinnvoller Gedanke sein, aus derjenigen des Opfers ist er zynisch. Noch schwieriger ist ein Freispruch mangels Beweisen, wenn ein Kind betroffen ist.
Ihre Überlegung nachzuvollziehen braucht ein geschultes Rechtsempfinden, das, wie man an manchen Reaktionen nur schon in diesem Thread hier sieht, längst nicht alle Erwachsenen mitbringen. Woher auch und weshalb sollten sie? Ein Kind ist zu diesem Rechtsverständnis schlichtweg nicht in der Lage.
Damit ist das Problem, dass ein Strafverfahren ein Stückweit immer einen ungewissen Ausgang hat, natürlich nicht gelöst. Bei einem Sexualdelikt, wo es ja häufig um eine Vier-Augen-Geschichte geht, bei der Aussage gegen Aussage steht, pauschal auf eine Strafanzeige zu verzichten ist sicher keine Lösung. Opfer zu einer zu drängen aber genauso wenig. Gute, hilfreiche Lösungen müssten mE wo immer möglich im Rahmen interdisziplinärer Zusammenarbeit gesucht und geschaffen werden.

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Der Ausdruck "Freispruch" sollte in so einem Fall nicht verwendet werden dürfen. Es müsste ein "neutraler" Ausdruck geschaffen werden, der nicht den einen der beiden entlastet.

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Ich denke, damit würde mehr Probleme geschaffen als behoben. Ein Mangel an Beweisen kann ja nicht zuletzt vorliegen, weil der/die Beschuldigte tatsächlich nichts widerrechtliches gemacht hat. Bedenkt man dies, finde ich die Idee, dass man nicht freigesprochen, sondern "lediglich nicht verurteilt" wird, äusserst beängstigend. Gerade bei so schwerwiegenden Vorwürfen wie Gewaltverbrechen, wird damit die/der Beschuldigte enorm stigmatisiert (was auch mit Freispruch schon sein kann, aber so noch gravierender wäre). Die Beweislast würde damit ein Stück weit umgedreht: In die Kiste kommt man zwar nur bei nachgewiesener Schuld, aber um nicht mit Rufmord gestraft zu werden, muss man seine Unschuld beweisen.

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Interessanter Artikel der die Problematik gut erfasst.

Das menschliche Gedächtnis selbst ist auch sehr interessant. Es ist gut möglich, dass beide Beteiligten die Geschehnisse wahrheitsgetreu nach ihrem Gedächtnis wiedergegeben haben.

Erinnerungen werden aber nicht einfach aufgezeichnet und können später wieder akkurat abgefragt werden. Erinnerungen sind ein mixmax aus vergangenen und aktuellen Ereignissen und werden dauernd verändert. Dies geschieht für jede Erinnerung von jeder Person.

Mehr Informationen findet man hier:
https://www.sciencedaily.com/releas…185651.htm

Es kann niemand, nicht einmal die beiden Beteiligten, wissen, was in dieser Nacht tatsächlich geschehen ist.

Zahlreiche Freisprüche vom US-Amerikanischen innocence project sind auch auf falsche Identifikation zurückzuführen. Selbst wenn die Zeugen und Opfer zu 100% sicher waren, dass der richtige Täter identifiziert wurde.

Menschen können nicht zuverlässige Zeugen von Ereignissen sein.

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Unsere Erinnerungen sind halt "Geschichten" die wir uns selbst immer wieder erzählen wenn wir uns erinnern. Geschichten werden ausgeschmückt, nicht aus bösen Absichten, sondern weil wir uns dann besser erinnern können. Wir werden uns eher an ein rotes, statt ein graues Auto erinnern, weil es einen stärkeren Eindruck gemacht hat, erst recht wenn es eine Relevanz in der Erinnerung hat.

Täter werden wohl fast immer eine Erinnerung haben, wo sie nicht böse gehandelt haben, weil wir in unseren Geschichten nicht "die Bösen" sein wollen. Somit wird das eigene Handeln immer in einem positiven Rahmen umrationalisiert. Bei jedem Erinnern und Weitererzählen, werden Details an den Hauptstrang der Geschichte angepasst, nicht an Sinneseindrücke. Rassisten werden zum Beispiel immer Täter immer mit dunkler Haut in Erinnerung haben, als sie wirklich hatten. Nette Leute behalten wir hübscher in Erinnerung als sie sind, etc.

Ich will mit diesem Beispiel keine der beiden Parteien beschuldigen. Ich will damit sagen, dass wenn eine Hauptaussage mit der sich eine Person identifiziert "Ich bin ein Opfer." ist, werden alle Erlebnisse an diese Hauptaussage angepasst. Das gleiche passiert mit Personen, die sich mit der Hauptaussage "Ich bin eine gute, unschuldige Person." identifizieren. Alle Erinnerungen werden daran angepasst.

Irgendwann haben Erinnerungen nichts mehr mit der Realität oder Fakten zu tun, erst recht nicht wenn diese Fakten gegen die eigenen Grundsätze verstossen.

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Herr M. da gebe ich Ihnen völlig recht, obwohl der Bericht von 2014 ist. Dies betrifft jedoch nur unsere autobiographischen Erinnerungen. Die traumatischen Erinnerungen jedoch, bleiben in der Amygdala blockiert.
Sie können dann die englische Uebersetzung anklicken:

https://stopauxviolences.blogspot.c…O0fViR5NBk

In deutscher Sprache finden Sie auch die Arbeiten von Dr. Michaela Huber.

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Studentin Kommunikation
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Ich finde es wirklich unglaublich zynisch, dass dieser Artikel "Kein guter One-Night-Stand" heisst. Es mag sein, dass die Unschuldsvermutung gilt und das für Sie wichtiger ist, als "survivors" zu glauben, aber eine Vergewaltigung hat wirklich nichts mehr mit Sex zu tun. Es ist nicht "schlechter Sex", es ist nicht "Sex gegen ihren Willen" – es ist eine Vergewaltigung. Und das mag jetzt "nur" in den Augen der Frau so sein. Aber wenn das Gericht das nicht anerkennt (was die herablassende Schlussrede deutlich zeigt), ist es umso wichtiger, dass die Medien und die Gesellschaft als Ganzes das tun!

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Geschätzte Frau S., das Gericht ist zur Auffassung gelangt, dass eine Vergewaltigung nicht rechtsgenügend nachgewiesen kann. Und die Richterin, die ich zitiere, betont genau das: Dass es zwar strafrechtlich betrachtet zu keinem Schuldspruch kommt, dass der Mann aber unabhängig davon seine Lehren ziehen soll. Sprich: Sich künftig anders verhalten, unabhängig von den Regeln des Strafrechts. Anständiges, respektvolles Verhalten geht weiter übers Strafrecht hinaus. Auf das hat das Gericht hingewiesen. Es ist zu keiner herablassenden Schlussrede gekommen, in keiner Art und Weise. Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann

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Studentin Kommunikation
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Liebe Frau Hürlimann
Jetzt sind Sie der eigentlichen Kritik (der Titel ist sehr grenzwertig) ausgewichen. Auf Twitter finden Sie dazu mehr.
Aber trotzdem: "Ober­richterin Regula Affolter versucht ihr bei der mündlichen Urteils­begründung klarzumachen, dass man sie nicht als Lügnerin einstufe. «Wir sind überzeugt, dass sie ein Erlebnis hatten, das sie nicht wollten. Sie gingen angstfrei, aber übermüdet und betrunken mit zwei Männern in eine Wohnung und legten sich mit dem Beschuldigten ins gleiche Bett.» Das sei naiv gewesen, sagt die Richterin, die Situation aus dem Ruder gelaufen. «Sie wünschen sich im Nachhinein, die Ablehnung deutlicher geäussert zu haben.»"
Die fett markierten Passagen finde ich sehr herablassend. Das mag Geschmackssache sein, aber wichtig ist es trotzdem.
Freundliche Grüsse
E. S.

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Olivia Kühni
Journalistin Republik
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Liebe Frau S., ich verstehe gut, was Sie meinen. In vielen Medienberichten wird immer wieder von "Sex" gesprochen, was eine Vergewaltigung tatsächlich nicht ist - sie ist ein Gewaltakt.

Gleichzeitig ist sie aber auch ein Straftatbestand. Das heisst: von einer Vergewaltigung kann man nur sprechen, wenn jemand entsprechend verurteilt wurde. Sonst ist es vor dem Gerichtsverfahren eine "mutmassliche Vergewaltigung", danach, im Falle eines Freispruchs, eben offiziell keine.

Es ist für uns Journalistinnen sehr wichtig, dass wir öffentlich nur dann von einer Straftat sprechen, wenn diese auch nachweislich passiert ist. Sonst besteht die Gefahr, dass wir Menschen an den Pranger stellen, die unschuldig sind - das ist sehr gefährlich, weil sonst Menschen in Machtpositionen andere Menschen mit irgendwelchen Anklagen öffentlich zerstören könnten. Das ist eine schwierige Gratwanderung.

Darum ist es wichtig, dass wir eine Vergewaltigung (oder andere Taten) tatsächlich benennen, wenn es gemäss Gerichtsurteil eine gab - darauf aber verzichten, wenn es sie gemäss Gerichtsurteil nicht gab.

Wo Sie aber Recht haben: darüber hinaus sind Medienberichte immer wieder sexistisch, betreiben "victim blaming", wiederholen Sprachmuster, die sich gegen Frauen und insbesondere gegen Überlebende von sexuellen Übergriffen richten. Die Aussage der Richterin ("naiv") kann tatsächlich so wirken.

Meines Erachtens hat Brigitte Hürlimann aber sehr gut aufgezeigt, dass die Richterinnen sich hier der sensiblen Situation bewusst waren - und dargelegt, warum ihnen dennoch die Hände gebunden waren. Sie MÜSSEN im Zweifel für den Angeklagten entscheiden.

Vielleicht interessant für Sie: diese Serie der Republik darüber, was bei der Verfolgung von Sexualstraftaten in der Schweiz oft falsch läuft.

https://www.republik.ch/2020/06/18/…ung-selbst

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Studentin Kommunikation
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Liebe Frau Kühni

Als Journalistin mit einem kurzen Abstecher ins Jus hinter mir ist mir das völlig bewusst. Und trotzdem bin ich der Meinung, dass insbesondere der Titel weder die Situation gut darlegt, noch sensibel ist. Ich muss Ihre Arbeit nicht machen, aber ein Titel, in dem der Frau ihre Erfahrung nicht abgesprochen wird, wäre problemlos möglich gewesen. Auch für die Frau gilt die Unschuldsvermutung; also, dass sie nicht lügt. Mit der Aussage "es war ein schlechter One-Night-Stand" wird eine eindeutige Wertung vollzogen; nämlich, dass sie lügt. Das ist nicht in Ordnung und hätte, wie gesagt, verhindert werden können und müssen.

Ich wage es anzunehmen, dass mindestens eine der Autorinnen des von Ihnen vorgeschlagenen Textes mir hier beipflichten würde.

Freundliche Grüsse
E. S.

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Ich stimme Anonym 1 zu, der Artikel macht mich traurig. Ich finde die Wahl des Titels missverständlich. Selbst wenn es rechtlich gesehen keine Vergewaltigung war, für die Betroffene war es eine. Ich finde es auch enttäuschend, dass das Gericht die Frau als naiv bezeichnet.
Ich verstehe auch nicht ganz, warum der Kollege nicht auch befragt wurde. Wenn die Frau während der Fahrt mehrfach geäussert hat, dass sie keinen Sex möchte, und der Kollege das bestätigen kann, was ist dann daran missverständlich?
Mal angenommen es war (rechtlich) eine Vergewaltigung, und der Mann hat ihre Signale ignoriert, und sie hat aber (wie es oft vorkommt) mit "Freeze" reagiert, wie kann das dann jemals gerecht gelöst werden ohne Beweise? Die wenigsten werden wahrscheinlich von sich aus zugegeben, verstanden zu haben, dass die Frau das nicht möchte.
Sollte nicht zumindest der Verdächtigte ein verpflichtendes Training absolvieren müssen, damit er lernt, wie Zustimmung beim Sex funktioniert?

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Geschätzte Leserin, geschätzter Leser, der Kollege wurde in der Strafuntersuchung befragt, auch das Paar, das in der Wohnung übernachtete. Die drei wurden einfach nicht mehr vor dem Berufungsgericht befragt, übrigens auch vor der ersten Instanz nicht. Das Gericht kennt selbstverständlich all diese Einvernahmen. Man kann aber durchaus die Frage stellen, ob es in solchen Fällen mit wenigen Beweisen sinnvoll wäre, sämtliche Zeugen nochmals vor Gericht zu befragen. Beste Grüsse, Brigitte Hürlimann

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Liebe Brigitte Hürlimann,
Vielen Dank für die Antwort! Ich finde Ihre Darstellung und den Artikel differenziert und interessant zu lesen, leider ist das Thema sehr schwierig und das Strafrecht wird der Problematik meiner Meinung nach leider nicht gerecht. Es wurde mich interessieren was Sie denken, wie eine Rechtsprechung und Gesetzgebung (oder gesellschaftliche Veränderung) aussehen könnte, die einen gerechteren Ausgang ermöglichen könnte.

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Es ist jedes Mal störend und ein Mal zu oft zu lesen (viel Schlimmer noch, es von der Richterin “erteilt” zu bekommen) die Frau sei naiv, sich neben einen Mann zu legen!

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Ein schwieriges Terrain zwischen dem Wunsch nach Aufklärung eines Sachverhaltes und dem Risiko einer juristischen Fehleinschätzung. Der Grundsatz „in dubio pro reo“ muss bei jedem Zweifel Anwendung finden und es ist die Aufgabe der Gerichte, dies im Einzelfall auch zu definieren. Dem geforderten u. auch berechtigten Anspruch jeder Partei in einem solchen Verfahren nach Gerechtigkeit, kommt diese Regelung am nächsten, egal ob Sie/Er Recht hat oder Recht bekommt. Dies muss man wohl so akzeptieren u. für die eine Partei wird es nie zufriedenstellend gelöst werden können - das jeweilige Trauma wird die Menschen mehr oder weniger lange begleiten.

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Sehr geehrte Frau Hürlimann
Ich schätze diesen und andere Beiträge von Ihnen. Aber der Titel dieses Beitrags ist verunglückt: Er verharmlost und leitet falsch. Wir wissen alle, was «kein guter One-Night-Stand» ist; wohl vergleichbar mit einem schlechten Essen. Sowas kann passieren. Nun, wenn sich aber Gerichte mit einem ONS befassen müssen (und sich eine beteiligte Person missbraucht fühlt!), dann ist «kein guter One-Night-Stand» unzulässig verharmlosend. M. E. ist ein «fataler/gravierender One-Night-Stand» ein adäquaterer Titel für Ihren gelungenen Beitrag.
Freundliche Grüsse

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Geschätzter Anonym 7, es haben gestern schon einige VerlegerInnen den Titel harsch moniert, ich habe ihn gestern verteidigt, werde mir nun aber, mit etwas Distanz, die Sache nochmals gründlich überlegen und die Titelgebung hinterfragen. Und mit den Redaktions-KollegInnen darüber reden. Im Text spreche ich ja tatsächlich von einer "fatalen Nacht". Freundliche Grüsse, Brigitte Hürlimann

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Sehr geehrte Frau Hürlimann, zumindest wegen mir brauchen Sie sich nicht übermässig zu hinterfragen, ich finde den Artikel samt Titel gut, wohltuend sachlich gehalten angesichts des schwierigen Themas.
Sowieso schätze ich u.a. aus diesem Grund die meisten dieser Am-Gericht-Berichte.

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Ein sehr spannender Beitrag und bestimmt ein grosses Thema unserer Zeit. Danke

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Nachdem die junge Frau die Herren im Taxi gewarnt hatte, hätte sie sich auch nackt ins Bett legen können. Nichts entschuldigt eine Vergewaltigung. In diesem Fall aber waren beide stark alkoholisiert. Der eigentliche Täter fehlte im Gerichtssaal, nähmlich der Alkohol.
Ein Mann der die Absicht hat eine junge Frau zu vergewaltigen, tut dies nicht in einer Wohnung mit Zeugen. Das Opfer könnte ja schreien.
Die schlimmsten Täter sind die, die genau wissen, wie man beim Opfer eine Dissoziation auslösen kann, d.h. das Opfer vergisst 1 Jahr, 10, 20, 50 Jahre und evtl für immer. Deshalb wurde in Frankreich für Personen, die als Kind vergewaltigt wurden, die Verjährung von 20 auf 30 Jahren erhöht, was immer noch ungenügend ist. Ja, die Schweiz hinkt hinterher. Versuchen Sie eine Traumatische Amnesie zu erwähnen. Auch weiss hier niemand, welche negativen Auswirkungen ein solches Trauma auf das spätere Leben des Opfers hat. Es fehlt an Aufklärung bei den verschiedenen Opferhilfe Stellen, gibt es doch auch in der deutschen Schweiz fähige Traumatherapeuten/innen.

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Der Täter ist nicht der Alkohol! Der Täter ist der Vergewaltiger. Punkt. Und es ist absolut naiv anzunehmen, dass Vergewaltigungen nur hinter verschlossenen Türen stattfinden. Vergewaltigungen passieren überall, auch in einer Wohnung mit Zeugen.

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Leider finden Vergewaltigungen häufig in einem Bereich statt, indem sich die Frauen sicher fühlen. Wenn sie mit ihren Ehemännern oder Partnern alleine in der Wohnung sind. Oder mit einem Onkel, Verwandten, einem guten Kollegen oder einem guten Freund. Der fremde Mann, der draussen hinter einem Busch lauert, ist die Ausnahme.

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Mein Fazit zu solchen Fällen ist ganz simpel: Möglichst solche Situationen zu vermeiden versuchen. Das kann einem dafür das Prädikat des Kostverächtenden einbringen.....
Die allermeisten zu Fussgehenden schauen am Fussgängergängerstreifen tunlichst auch nach beiden Seiten, denn was nützt sie ihr Vortrittsrecht wenn sie unfreiwillig zur Kühlerfigur eines unachtsamen Fahrzeuglenkenden werden?

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Geschätzter Herr Burger,

Ich finde den Vergleich mit Fussgängern unangebracht. Es gibt keinen sicheren Weg, um sich vor unerwünschten sexueller Übergriffen zu schützen, und für mich impliziert ihr Vergleich, dass das der Fall wäre und man deswegen eine "Mitschuld" trägt, wenn man einen sexuellem Übergriff erfährt.

Natürlich könnte man solche Situationen wie im Artikel vermeiden (auch wenn ich finde, dass die Bürde da disproportional auf den Frauen liegt, ihr Sozialleben einzuschränken, obwohl Männer statistisch öfter Täter sind).
Oft sind die Täter z. B. aber auch Menschen die man gut kennt und denen man vertraut.

Meiner Meinung nach sollte der Fokus viel mehr darauf liegen, dass alle (sowohl Männer als auch Frauen) viel mehr über gute Beziehungen und respektvollen Sex lernen, und wir alle als Gesellschaft "Consent" auch ausserhalb des sexuellen Bereichs höher schätzen.

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Mensch kann seine Meinung auch ändern; ein "Nein" im Taxi bedeutet nicht zwingend, dass einige Minuten (und Promille) später keine (implizite) Einwilligung stattgefunden hat. Umgekehrt bedeutet ja auch eine Einwilligung mit späterem "Nein" oder "Stopp" keinen Freifahrtschein.

Ausserdem: Schon nur die Anwesenheit des° Taxifahrer°s oder des zweiten Mannes kann die Frau dazu bewogen haben, Sex abzulehnen, obwohl sie gar (noch) nicht abgeneigt war.

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Um die Beweislast umzukehren, müsste man Sex grundsätzlich unter Strafe stellen. Der Beschuldigte kann dann nach Art. 28 ZGB eine Einwilligung des Klägers nachzuweisen versuchen - oder ein überwiegendes öffentliches Interesse.

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Dass er mangels Beweisen freigesprochen wurde “in dubio pro reo”, das ist nachvollziehbar. Alles andere nicht. Leider ein Fall von ‘Victim blaming und shaming’ .
Sie sei naiv gewesen. Ja, vielleicht. Aber er war ja anscheinend keine nette Person, kein Gentleman. Wieso wird sie so betitelt von der Richterin und ihm wird nichts zur Last gelegt?
Wieso sollten ihre Kleider zerrissen sein? Wieso sollte sie laut schreien, dass es als Vergewaltigung gilt? Und vor allem wieso steht nichts im Text, dass der Kollege bezeugt hat, dass Sie schon im Taxi gesagt hat, sie wolle keinen Sex? Das wäre doch ein eindeutiges Indiz.
Und diese Headline: Für sie war es ja kein one night stand sondern eben eine Vergewaltigung.

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