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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

hätten sie doch verdammt noch mal ein einziges Wort darüber verlieren können, wie halsbrecherisch komisch dieses Buch ist.

Aber ist das nicht schon ab den ersten Zeilen klar, wenn Buck wie der dude aus Big Lebowski «stattlich und feist» im Schlafrock seinen Auftritt hat?

Erste Regel des Lesens: Keine Ehrfurcht! Vor Niemandem!

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Antonia Bertschinger
Schreiben und Recherchieren
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Also ich gehöre auch zu denen, die das Buch nicht gelesen haben - weil ich es beim ersten Versuch so langweilig, angeberisch und ekelhaft* fand, dass ich es gleich ins Brocki gebracht habe. (Dabei hätte ich es als Studentin der Englischen Literatur sogar lesen müssen:-))
((*Stream of consciousness im Kopf eines alten Lüstlings muss ich mir echt nicht antun ...))

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Liebe Frau Bertschinger, müssen muss natürlich niemand! Aber worauf gründet sich, ohne Lektüre, Ihr Urteil «alter Lüstling»? Das passt, glaube ich, eher schlecht zu Bloom, der Autor war keineswegs alt, als er «Ulysses» schrieb, und die sexuell freizügigen Passagen sind im Monolog von Molly Bloom enthalten. Wenn Sie das in die Zeit einordnen, erscheint es vielleicht schon etwas progressiver als in Ihrer Darstellung.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

«Kopf eines alten Lüstlings» und «gruusigen alten Mannes» – Hihi, wen meinst Du damit, Antonia? Den Autor selbst, also James Joyce, der 32 Jahre alt war, als er Ulysses begonnen hatte zu schreiben. Oder die Hauptfigur der ersten Kapitel (vor Bloom), Stephen Daedalus, der in Ulysses 22 Jahre ist?

Erinnert mich geradewegs an T. C. Boyles Unterscheidung in Friend of the Earth zwischen «Alten» und «Jungalten» – wobei Letzteres in der Zukunft auch auf ein Alter von 75 Jahren zutrifft.

Aber klar, man kann das natürlich als «ekelhaft», ja «obszön» empfinden. Wie bereits 1921, als Ulysses in New York als wegen Obszönität verurteilt und verboten worden ist. Ein Richter sagte in der Begründung:

“it sounds to me like the ravings of a disordered mind – I can’t see why anyone would want to publish it.”

Was heute absurd erscheint, wird durch den historischen Kontext etwas nachvollziehbarer:

The reaction seems excessive until we remember how radical Ulysses was. It took nine years and eight rejections before Dubliners, Joyce’s collection of short stories, was published in 1914. Among the objections was his indecent use of the word “bloody” (as in “she did not wish to seem bloody-minded”). A few years later, Joyce has Molly Bloom reveling in the memory of an afternoon tryst. It was bad enough, morally speaking, that she isn’t punished for her infidelity. What’s worse is that Leopold, her husband, tacitly condones it. Worst of all is Molly’s unabashed pleasure: “O Lord I wanted to shout out all sorts of things” – namely obscenities that even today the BBC’s editorial guidelines on strong language do not deem fit to publish.

The readers who most needed protection from Ulysses were the new generation of young women – the “girl undergraduates” and “Greenwich Girl Editors” who were presumably in danger of taking Gerty, Bella and Molly (the novel’s most “obscene” characters) as libidinal mentors. […]

Censors assumed that characters like Gerty MacDowell would lead women down a path of ever-expanding permission ending in broken families and a ruined nation.

Censors and sensibilities übertitelt BBC passenderweise.

Ironischerweise landete Joyce und Ulysses trotz der vielen Seitenhiebe gegen die katholischen Riten – die er als Ire und Jesuitenkolleg-Student bestens kannte – nicht auf dem Vatikanischen Index Librorum Prohibitorum. Wobei:

Not on the Index were Aristophanes, Juvenal, John Cleland, James Joyce and D. H. Lawrence. According to Wallace et al., this was because the primary criterion for banning the work was anticlericalism, blasphemy and heresy.

Uff, nochmals Glück gehabt. Denn ginge es um Obszönitäten, dann hätte man wohl selbst die Bibel und Homer auf den Index stellen müssen. Das wäre ironisch gewesen! :))

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Antonia Bertschinger
Schreiben und Recherchieren
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... um das noch etwas auszuführen: Damals war das Spiel "Trivial Pursuit" gross in Mode. Ulysses lesen war wie Trivial Pursuit spielen. Wer die meisten Anspielungen versteht, gewinnt den Klugscheisserpreis. Und das noch aus Sicht eines gruusigen alten Mannes ... ne du:-))))))).

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dankedanke! widerspiegelt mein jahrzehntelanges suchen zum zugang. beim letzten versuch, den ich mithilfe einer hörbuchversion tatsächlich zuende gebracht habe, dachte ich, es wäre spannend, den ulysses in alle richtungen zu studieren, hineinzukriechen - mit den vielen hilfreichen bemerkungen, die sich online dazu lesen lassen - ein rentnerinnenprojekt im einsamen haus an einer einsamen küste... jetzt bin ich auf die hörversion des irischen rundfunks gestossen - es geht also weiter.

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Die Lust des Lesens ... lustvoll, witzig, verblüffend, sinnlich.

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Geniesserin
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Gleich habe ich mir das Buch ausgeliehen - so ein schöner Beitrag an einem verregneten Tag!

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Ich hatte das Glück, das Buch damals im Englischstudium in einer Lesegruppe bei Fritz Senn himself kennenlernen zu dürfen. Es war unglaublich spannend, inspirierend und lustig! Geblieben ist mir auch „the consonantal cat“: Mrkrgnao ;-)

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Herzlichen Dank für diesen wunderbaren Artikel

  • ich muss ihn gerade wieder hervorholen

  • und schauen, wie weit ich letztes Mal gekommen bin ...

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Bin glaube ich auch nicht über das dritte Kapitel hinausgekommen, wenn überhaupt. Werd mich nun aber doch noch einmal dem Ulysses zuwenden. Vermeintlicher Misandrie/Misogynie zum Trotz - Jan Wilm sei dank.
"Sein (Joyce) Poldy ist in Wahrheit vital, sanft, gütig, unendlich liebens­würdig und sogar heroisch, etwa wenn er sich bei einer Konfrontation in der Kneipe für sein Judentum erhebt." (Aus: «Genius» von Harold Bloom.) Und Zitat Jan Wilm: "...einen Professor antisemitische Aussagen vortragen lässt, macht der Erzähler dem Professor einen Strich durch die Rechnung: «Ein stummes Hunger­rülpsen zerriss seine Rede.»

So gestaltet der Roman auch dort eine Art von Gegenrede, wo von den Figuren niemand das Wort erhebt."
Das kennen wir doch, Stammtischgepolter, dumme Sprüche am Familientisch, unter Bekannten - und alle schweigen.
Gerade in kleinem Kreis wünschte man sich selber mehr Zivilcourage - überhaupt mehr Zivilcourage aufzubringen !

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(durch User zurückgezogen)