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Multifunktional
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· editiert

Vielen Dank, Daniel Binswanger. Sie fassen das diffuse Unbehagen, welches mich schon länger erfasst, wenn ich an den Zustand unserer Politik denke, exakt in Worte!

Ergänzung: Das traurige ist ja, dass der Zustand der Linken auch nicht viel besser ist. Jeder schaut für sein Gärtchen und seine Pfründe anstatt dass man mit einer Vision versuchen würde, die Zukunft zu gestalten. Es fällt mir immer schwerer, eine Parteienliste oder Namen mit Überzeugung in die Wahlurnen zu werfen…

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Verlegerin
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Ich finde es gibt schon linke Visionen. Die Bücher von Naomi Klein zum Beispiel sind voll davon. Diese Visionen in die politischen Debatten reinzubringen, und ins Tagesgeschäft scheint mir die Herausforderung.
Die Klimastreikbewegung beispielsweise hat dies geschafft: Mit deren grossartigem Aufschrei hat sich die linke Politik endlich gewagt, Netto Null einzufordern und ist aus dem business as usual ausgebrochen. Der Frauenstreik hat auch einiges in Bewegung gebracht. In Chur pushed das Netzwerk "Chur mitgestalten!" die (linken) Politiker*innen die Behörden und die Öffentlichkeit fachlich und mit Visionen.
Bewegungen sind auch eine Schule.

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Multifunktional
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Einverstanden, linke Visionen gibt es. Das bedingungslose Grundeinkommen oder auch die Europa-Initiative der Operation-Libero sind auch noch zu nennen. Leider haben die meisten „Berufspolitiker“ nicht den Mut, sich auch für in der eigenen Wählerschaft nicht unumstrittene Visionen einzusetzen. Das Debakel beim Rahmenabkommen ist exemplarisch. Lieber „gegen die Kapitalisten und mit Gewerkschaftsparolen“ auf ausgetretenen Pfaden wandeln, statt grösser zu denken und für eine mitgestaltende Schweiz in Europa einzutreten.

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Liebe Frau W. Die Linke erarbeitet seit über hundert Jahren auch in der Schweiz immer wieder Visionen. Ab und zu raffen sich die Stimmberechtigten dazu auf, eine einzelne Sachvorlage der Linken anzunehmen - wie beispielsweise die AHV. Dies ist die Realität für linke Visionen unter den Bedingungen bürgerlicher Hegemonie.
Bei Wahlen retten sich jeweils viele wieder ans rettende bürgerliche Ufer. Im äussersten Fall reichts dann gerade noch für eine Stimm für die GLP. Oder "es fällt einem schwer...".

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Multifunktional
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Nichts gegen die Erfolge der Linken in der Vergangenheit. Aber was für Visionen verfolgt die SP heute für die Zukunft? Abgesehen von Unisex-Toiletten und Gendersternchen - jetzt etwas provokant gefragt?

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Jaa links-grün hat besseres zu tun.. momentan streiten sie sich gerade um Strassenbeleuchtungen

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Das alles hat System, und so geht das seit Jahren: zwei Schritte nach rechts, Provokation, Aufschrei, ein halbherziger halber Schritt zurück, zwei Schritte nach rechts usw. Von provozierenden Äusserungen bleibt immer etwas hängen, Lügen, oft genug wiederholt, werden zu vermeintlichen Tatsachen, Feindbilder (Europa, „Eliten“, versiffte Gutmenschen, Fremde etc. etc.) werden unermüdlich bewirtschaftet und die Geschichte wird langsam aber sicher umgeschrieben. So brennt sich die reaktionär-rechtsextreme Ideologie wie ein schleichendes Gift in unsere Köpfe und unser Handeln ein.
Was mich am meisten beunruhigt ist die offensichtliche Tatsache, dass sehr viele Menschen diese Entwicklung verharmlosen, bagatellisieren oder gar nicht zur Kenntnis nehmen wollen.
Vielleicht weil sie so unangenehm und bedrohlich ist wie die Klimakatastrophe.

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Etwas hat Daniel Binswanger ausgelassen was auch noch zu diesem Thema gepasst hätte. Nämliche die unsägliche Stellungnahme von Herrliberg in seinen Lokalblättern zum Krieg in der Ukraine in dem er die Situation der armen russischen Soldaten ausbreitet aber Putin als wahren Kriegstreiber mit keinem Wort erwähnt. Wenn das die schweizerischen Werten sind die CB ja immer so vehement verteidigt, dann gute Nacht.

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Betrachtet man ihr Abstimmungsverhalten, war die GLP in sozialpolitischer Hinsicht leider immer schon bürgerlich, sprich beim Service Public auf Abbau und Austerität aus. Einzig ihr wirtschafts- und technikgläubiger "Grüner Kapitalismus" und "White Liberal Feminism" macht sie "progressiv", aber nicht wirklich "links".

Polemisch ausgedrückt ist sie wie eine FDP, die Green & Pink Washing betreibt.

PS: Die UBS sponsert die ETH mit 40 Millionen Franken. Das Phishing, äh, Networking im bürgerlichen Milieu scheint sich auszuzahlen. Moral würde hier nur stören.

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Florian Gysin
Software Engineer
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Die GLP sind rechtsbürgerliche U-Boote. Das war in der ersten Generation so, und hat sich leider mit neuen Köpfen nicht verändert...

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Anderer 60
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Die Entäuschung ist nur für Leute, die die Grundsatzpositionen nicht gelesen haben. Die GLP ist in gewissen Sachen vielleicht progressiv. Vor den Wahlen reden sie im Standplatz der Altstadt nur über Grün. Das Soziale wird nur im Rande gestreift. Das Soziale ist für sie gleich wie die SVP. Ohne das Soziale gibt es aber keine Grün Umwandlung. Die GLP versteht es nicht. Sie ist tief konservativ.

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Da schliesse ich mich Ihnen gerne an. Ich finde die Idee liberal im Sinne der Freiheit des Bürgers kombiniert mit grün und sozialer Verantwortung sehr interessant. Nach kurzem Studium des Programmes der GLP war mir klar, dass diese Kombination dort nicht zu finden ist.

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Enarchist & Anfänger
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Gemeinsam ist diesen Menschen vermutlich der blinde Glaube an den Kapitalismus. Gemischt mit zunehmender Verzweiflung und Panik, weil die Grenzen des Wachstums immer deutlicher werden, treibt das allerlei merkwürdige Blüten, bei Bäumen würde man sagen Angsttriebe.
Wenn eigentlich intelligente Menschen ihr Blickfeld willentlich einschränken und nur noch in ihrem Kreis drehen, ist das nichts anderes als Dummheit.
Gerade habe ich bei Arnold Benz den Satz gelesen, dass Dummheit nicht zu bekämpfen sei, aber von der Evolution aussortiert werde. Evolution ist dynamische Anpassung, Stillstand tödlich. Das kann Mut oder Angst machen, je nachdem, wo man sich sieht.

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Multifunktional
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Ihr Kommentar ist genau das, was ich meinte, wenn ich in meinem untenstehenden Kommentar schrieb

Das traurige ist ja, dass der Zustand der Linken auch nicht viel besser ist. Jeder schaut für sein Gärtchen und seine Pfründe anstatt dass man mit einer Vision versuchen würde, die Zukunft zu gestalten.

Gegen den „bösen Kapitalismus“ zu wettern und die Dummheit der Leute zu beklagen bringt uns nicht weiter. Wir drehen uns im Kreis mit der Rechten in einem immerwährenden Tanz, statt mit Blick nach vorne in die Zukunft voranzugehen und die Probleme anzupacken und anzusprechen. Nicht das sagen, wovon man denkt, dass es die eigene Klientel hören will sondern das, wovon man denkt, dass es gesagt und vor allem getan werden muss!

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Enarchist & Anfänger
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Meinen Satz

Wenn eigentlich intelligente Menschen ihr Blickfeld willentlich einschränken und nur noch in ihrem Kreis drehen, ist das nichts anderes als Dummheit.

sollte man durchaus auch auf sich selber beziehen. Das Spannende unserer Zeit ist für mich gerade, dass Labels und Zuschreibungen aufplatzen wie von Rost unterwachsener Lack. Zum Vorschein kommen ziemlich orientierungslose Menschen, die sich fragen, wie das noch ausgehen mag.
Parteien, Kirchen etc. sind vor allem Machtkonstrukte, die anderen ihre Sichtweise verordnen und Handlungsanweisungen geben. Dass diese rundum wackeln und vereinzelt, vielleicht sogar zunehmend Menschen rauskommen, macht mir Hoffnung.

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Leser, Biotech, Jazz, Sport
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Naja, die darwinschen Kräfte, die aktuell auf Homo sapiens wirken kennen wir nicht. Evolution ist ein historisches Fach. Stammtisch-populistisch könnte man genau so gut argumentieren, die Intelligenz sterbe aus (negative Korrelation IQ und Anzahl Kinder).

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Enarchist & Anfänger
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Man kann alles sagen oder hinterfragen. Intelligenz ist vielleicht nicht das Gegenteil von Dummheit.
Wer kann mit mehr Lebensformen kooperieren unter sich ändernden Bedingungen? ist für mich zentraler als etwa Wer ist von einer höheren Macht auf alle Zeiten auserwählt?

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Was wird die Forschung in 20 oder 50 Jahren über die Protagonisten der Weltwoche-Party sagen? Haben sie zum Wohle der Schweiz und ihrer Bewohnerinnen gearbeitet? Eines ist jedenfalls klar, wer die Schweiz in den Alleingang trieb (Energie, Forschung etc.), die schränkten die Entwicklungsmöglichkeiten massiv ein. Weitere Erkenntnisse werden folgen.

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Der grosse Unterschied zwischen der Schweiz und unseren europäischen Nachbarn D und F, ist das dort niemand auf die Idee käme mit den Rechten in irgendeiner Form zusammenzuarbeiten. Diese klare und richtige Abgrenzung fehlt bei uns. Die Freunde der Steuerhinterziehung von FDP/GLP regieren sehr gerne unser Land zusammen mit den Freunden des Faschismus von der SVP. So hat sich das unmenschliche und undemokratische Gedankengut der SVP in unsrem Land etabliert. Die Frage wie hältst du es mit den Rechten sollte man jedem Politiker stellen, der gewählt werden will. Wenn er eine Zusammenarbeit sieht, weiss man das man als Demokrat nicht für ihn stimmen kann. Nur die klare Abgrenzung befreit uns von diesem Spuck und gibt uns die Chance unser Land zum Wohle seiner Bürger zu entwickeln. Die anstehenden globalen Zukunftsfragen sind dringend und müssen angegangen werden. Es gibt keine Zeit mehr zu verlieren.

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Was ist wahre Bürgerlichkeit?

Bürger zu sein in einem unverkürzten Sinn beruht wesentlich auf persönlicher Selbstdisziplin und Gemeinsinn: Disziplin im Sinne der Selbstverantwortung für die eigene Lebensführung und Daseinssicherung, soweit das zumutbar ist; Gemeinsinn hinsichtlich des tiefen Wunsches, dass alle Gesellschaftsmitglieder in realer Freiheit sowie in wechselseitiger Achtung und Gleichberechtigung zusammenleben und sich gemeinsam eine demokratische Ordnung geben. Bürgerlichkeit ist unteilbar: Sie beruht auf der grösstmöglichen allgemeinen Freiheit, also der Freiheit, die für alle zugleich möglich ist und die Rücksichtnahme auf alle andern ein-, nicht ausschliesst. Deshalb legen wirklich bürgerlich gesinnte Personen höchsten Wert auf eine zivilgesellschaftliche Ordnung, die den gleichen Status aller Gesellschaftsmitglieder in rechtlicher und möglichst auch in sozialer Hinsicht gewährleistet. Bürgerlich ist es deshalb auch, universale Prinzipien der Gleichberechtigung und Gleichbehandlung aller gegen (letztlich spaltende) kulturalistische Identitätspolitik hochzuhalten.

Bürgerlich zu sein impliziert, dem erwähnten Moment der Selbstdisziplin entsprechend, in historisch untrennbarer Weise durchaus ein Stück weit den Bourgeois, der seine existenzielle Unabhängigkeit und Sicherheit, aber auch seinen Anspruch auf öffentliche Mitsprache, auf seine Bewährung und seinen Erfolg im Geschäftsleben abstützt. Aber vorrangig bleibt ihm jederzeit sein Selbstverständnis als Citoyen, der individuelle Freiheit und Wohlstand nicht libertär gegen alle andern denkt und verfolgt, sondern als gemeinsames, eben bürgergesellschaftliches Projekt versteht. Wahre Bürgerlichkeit meint also, die so begriffene, im Kern egalitäre Bürgergesellschaft und ihre Regeln des zivilisierten Zusammenlebens beharrlich zu verteidigen gegen alle realpolitischen Bemühungen mächtiger Lobbyisten – und die sitzen hierzulande ja direkt in den Parlamenten –, irgendwelchen Sonderinteressen einen privilegierten Status zu verleihen.

Leider befinden sich aus dieser Perspektive die real existierenden politischen Parteien, die sich in unserem Land als «bürgerlich» bezeichnen, in einem weitgehenden Selbstmissverständnis, wenn nicht sogar in ideologisch gewollter Selbsttäuschung. Sie sind degeneriert zu Ego-Parteien, die tendenziell der rücksichtslosen Maximierung des eigenen Vorteils (oder im Erwerbsleben: des privaten Gewinns) den Vorzug vor den tragenden Prinzipien der Bürgergesellschaft einräumen, wo immer sie das aufgrund ihrer Sonderinteressen (die sie natürlich als Inbegriff des Gemeinwohls verbrämen) als «nötig» erachten.

Der einst staatstragende schweizerische «Freisinn» war in seinem (nicht zuletzt protestantisch geprägten) Ursprung wahrhaftig bürgerlich. Die heutige FDP ist in gesellschaftspolitischer Hinsicht ein hoffnungsloser Fall; zu sehr ist sie von der neoliberalen Verkürzung der allgemeinen Freiheit auf die Wirtschaftsfreiheit, der Bürgergesellschaft auf die Marktgesellschaft und des Gemeinwohls auf kommerzielle Partikulärinteressen verseucht, selbst wenn sie sich gegen gesellschaftspolitisch rechtskonservative Gesinnungen und Parteien noch abzugrenzen versucht, wenn auch bedauerlicherweise mit beängstigend verschwimmenden Grenzen.

Aber die Grünliberalen? Sie könnten doch die parteipolitische Hoffnung all jener sein, die sich weder mit dem gesellschaftlichen Nationalkonservativismus der Rechten noch mit dem kaum weniger konservativen Sozialetatismus der traditionellen Linken identifizieren mögen. Die GLP hätte, idealtypisch extrapoliert, vielleicht das Potenzial zur neuen staatstragenden Partei mit modernem gesellschafts-, wirtschafts- und umweltpolitischem Kompass, offen für innovative Konzepte der realen Freiheit und Chancengleichheit aller (z.B. mit einer aus Vermögens- und Erbschaftssteuern finanzierten «Sozialerbschaft» für alle, wie sie neuerdings auch Thomas Piketty postuliert) – ohne den antietatistischen Reflex der allzu libertären FDP, aber auch ohne die sozialetatistische Befangenheit der traditionellen Linken (der in der Fixierung auf die symptombekämpfende sozialstaatliche Umverteilung und den identitätspolitischen Schutz aller Minderheiten die Perspektive auf eine emanzipatorische Gesellschaftsgestaltung weitgehend abhandengekommen ist).

Zurecht weist Daniel Binswanger auf die sehr enttäuschende Haltung der GLP-Spitze zur Verrechnungssteuer-Abstimmung hin – falls sie denn signalisieren sollte, dass auch in dieser jungen und an sich fortschrittlichen Partei die «Wirtschaftsnähe» eben doch über den bürgergesellschaftliche Gemeinsinn obsiegen wird. Die GLP würde dann tendenziell immer dann, wenn es darauf ankommt, ihre ideelle Grundhaltung der citoyennité-fernen Prioritätenordnung rechtsbürgerlicher Kreise opfern – womit sie sich am Ende überflüssig machen würde und gleich wieder mit der alten FDP fusionieren könnte. Bleibt zu hoffen, dass die GLP dieser Gefahr zu widerstehen vermag und, flankiert von einer vermehrt emanzipatorisch statt sozialpaternalistisch denkenden Linken, zur realpolitischen Kraft einer aufgeklärten, zukunftsoffenen und weltpolitisch solidarischen Schweiz wird.

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Johanna Wunderle
NL
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Vielen Dank für Ihre Ausführungen Herr Ulrich.
<Leider befinden sich............ Parteien, die sich in unserem Land als "bürgerlich" bezeichnen, in einem weitgehenden Selbstmissverständnis, wenn nicht sogar in ideologisch gewollter Selbsttäuschung.>
Ich fürchte, das Letztere kommt der Realität näher.
Gibt es eine grössere Gefahr für "Wahre Bürgerlichkeit " als Indoktrinierung der schwächsten Mitbürger um selbstsüchtige- zum Teil äusserst verwerfliche - Interessen durchzusetzen ?

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Märchentante*onkel
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Wahre Bürgerlichkeit im freiheitlichen Sinn ist in der Tat gemeinsinnige und würdevolle Gesellschaftsgestaltung in einer emanzipatorisch bürgergesellschaftlichen und gewissenhaft selbst- und fremddisziplinären Freiheitsordnung und ohne bedauerliche kulturalistische Identitätspolitikentgleisungen, wobei ich den Hauptakzent im Wesentlichen auf das unverkürzte Ideal einer friedlich und wechselseitig achtungsvollen Gesellschaft im aufgeklärtesten, zukunftsgewandtesten und sich weltpolitisch solidarisierendsten Sinn legen würde, ein Ideal ohne sozialetatistische Fehlgriffe, schauerliche sozialstaatliche Umverteilungsprogramme und sozialpaternalistisch fehlgeleitete Konzepte, wo das Geld jeweils in den falschen Taschen landet, sowie ohne unsäglichen linken identitätspolitisch fehlgeleiteten Minderheitenschutz, denn wo kämen wir denn hin, wenn wir sie alle auch noch schützen müssten, wo doch in einer emanzipatorischen Gesellschaftsordnung immer nur die sich im Sinne der Selbstverantwortung für die eigene Lebensführung und Daseinssicherung kümmernde Mehrheit vor diesen übergriffigen Minderheiten geschützt werden muss.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Liebe Frau C., ich gehe richtig in der Annahme, dass diese Ihre amüsante Polit-Schwurbel-Stream-of-Consciousness-Prosa ironisch zu lesen ist? Kompliment. Herzlich, DB

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Lieber Herr Ulrich, Ich kann nicht viel mehr, als dieser sehr differenzierten Einordnung und begrifflichen Explikation Ihrerseits vollumfänglich zustimmen. Ganz herzlichen Dank für diesen Beitrag. Herzlich, DB

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Sehr geehrter Herr Ulrich
Was sie als Ideal umschreiben ist das Programm des «libéralisme combattant» der Restaurationszeit nach dem Wiener Kongress. Als es dann in verschiedenen Ausprägungen der Liberalen gelang, politische Macht zu erlangen, wurde daraus überall der «libéralisme confortable» - zu dem was FDP und GLP heute in der Schweiz darstellen, zum Macht- und Privilegiensicherungsinstrument der namensgebenden Bourgeoisie. Das Teile dieser Bourgeosie in krisenhaften Situationen gerne bereit sind, mit der radikalen und gar faschistischen Rechten zu flirten, hat sich in der Schweiz und besonders in Zürich schon in den Dreissigerjahren gezeigt. Mein Erstaunen über die 2 Geschichten Herrn Binswangers hält sich in Grenzen, aber ich bin sehr froh, dass er sie anspricht.

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Bin ganz mit Ihnen einverstanden, Herr K.! Der von der Aufklärung getragene staatsbürgerliche oder republikanische Liberalismus des frühen 19. Jahrhunderts hat immerhin die (in der Schweiz gelungene, in Deutschland und anderswo gescheiterte) liberale Revolution von 1848 und damit die schweizerische Staatsverfassung ermöglicht. Dass die an die Macht gelangten Freisinnigen danach in Situationen des Konflikts zwischen ihren staatsbürgerlichen Idealen (also ihrem Selbstverständnis als citoyens) und ihren partikulären wirtschaftlichen Interessen (als Besitzbürger oder bourgeois) sich immer öfter für Letztere entschieden, verwundert realpolitisch tatsächlich nicht. Umso mehr gilt es eben angesichts der aktuellen, ökonomisch libertären und politisch rechtsautoritären „Versuchungen“ die Freisinnigen und inzwischen auch die Grünliberalen immer wieder an die essenzielle staatsbürgerliche Grundorientierung eines wohlverstandenen und „nachhaltigen“ Liberalismus zu erinnern, nicht wahr?

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Nebenbei gingen diese Woche die Schulen wieder los, zum ersten Mal mit Laienlehrer. Qualifikationen bei Arztpraxen wurden gesenkt, Spitäler laufen weiter am Limit. Weiterhin kein Plan bei der Energie. Läuft also bei den Bürgerlichen

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Ich kann es nur auf Französisch formulieren: Si nous les laissons continuer leur chemin, nous tous allons nous Trumper...

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Der Konservatismus ist in der Krise. Demokratiefähige/willige Bürgerliche "handeln" seit Jahren apathisch und so wird das ganze bürgerliche Spektrum von demokratiefeindlichen Kräften in Geiselhaft genommen. Wenn dies die Bürgerlichen nicht schleunigst erkennen, werden sie politisch bald irrelevant.

Trotzdem verstehe ich nicht, wieso hier die GLP und andere Akteure indifferenziert in den gleichen Topf der zukünftigrn Nazis geworfen werden?

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Binswanger schreibt über verschiedene aktuelle Phänomene im bürgerlichen Spektrum, so auch über die Ja-Kampagne zur Verrechnungssteuerreform, bei der die GLP mitmacht. Das heisst doch nicht, dass er damit die GLP in den Nazi-Topf wirft.

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Ich frage mich, wie Sie "bürgerlich" definieren. Vielleicht braucht man da gar keine theoretischen Übungen zu machen. Ein Blick auf das Geschehen in den Räten reicht. Ich sehe da eine grosse Einigkeit von FdP, SVP und in der Regel auch noch Mitte und GLP, wenn es um das bürgerliche Kernanliegen geht: Steuern runter! Ich sehe da keine "Geiselhaft", sondern wohlgelaunte Einigkeit.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Lieber Herr F., da haben Sie mich nun aber wirklich ganz, ganz falsch verstanden. Herzlich, DB

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Lieber Herr Binswanger, Ihre Gedankengänge im Artikel kann ich sehr gut nachvollziehen, ich bin da grundsätzlich ganz bei Ihnen.
Was mich zu meinem Kommentar hinreissen liess war aber Ihr Schluss:

Was, wenn die neue Bürgerlichkeit [also die GLP] de facto nur die traditionelle ist – mit linden­grünem Anhauch? Und was, wenn die traditionelle Bürgerlichkeit tatsächlich den Kompass zu verlieren beginnt und plötzlich weit die Tore öffnet für Umsturz­fantasien, Putin-Pazifisten und einschlägige deutsche Ehren­gäste?

Also das Ja der GLP zur Verrechnungssteuer quasi als Dosenöffner Richtung brauner Gesinnung (oder als Offenbarung, dass die GLP eben doch nichts Neues ist).

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Lassen wir mal AfD, SVP, Weltwoche etc. zur Seite und fragen wir, entspricht denn das "hier die Guten mit ihren "Werten", dort die Bösen Autokraten" wie es von Mitte bis Links (u.A. G. Pfister) seitenweise verbreitet wird der Realität? Globale Politik ist leider nicht eine Frage von Moral und Ethik sondern von Macht- und Wirtschaftsinteressen. Und aus dieser Sicht darf/muss die Rolle des Westens unter Führung der USA hinterfragt werden. Der Ukraine-Krieg hat nicht am 24.2.22 begonnen sondern hat eine leidvolle Vorgeschichte. Die Doppelmoral von Politik und Medien bei deren Beurteilung ist offenkundig.

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Man kann hier nochmals Warren Buffet zitieren, der von der New York Times gefragt wurde, was er für den zentralen Konflikt unserer Zeit halte: " Das ist doch klar - es ist der Krieg reich gegen arm und meine Klasse, die Klasse der Reichen hat diesen Krieg begonnen und wird ihn auch gewinnen." Dem ist nichts hinzuzufügen.

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Bleibt allerdings die Frage, worin dieser "Gewinn" besteht und was das für die Zukunft dieses Planeten und seiner Bewohner:innen langfristig bedeutet bzw. wo es langfristig hinführt ...

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Man muss unterscheiden: Was Warren Buffet sagt, trifft für nur wirtschaftliche Kriege zu und in der ökonomischen Sprache gibt es bezeichnender Weise auch viele militärisch besetzte Ausdrücke, wie Werbefeldzüge und Märkte erobern, Verkaufsstrategien usw. Militärisch geführte Kriegen sind demgegenüber ökonomisch gesehen ziemlich dumm, sie kosten in jeder Beziehung ungeheuer viel, ein möglicher Gewinn steht in keinem Verhältnis zu den wirtschaftlichen Kosten (abgesehen vom Leid, Schmerz, von Verlusten, von all den Zerstörungen, insbesondere auch von unwiederbringlichem Kulturgut und überhaupt von Zukunft). Autoritär geführte Länder, natürlich insbesondere Autokratien aber erreichen in ihrem Streben nach Herrschaft einen Punkt, wo sie eine Machtausweitung bzw. einen Krieg brauchen, um ihre Macht zu erhalten.

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Souri Thalong
Community-Support
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Mit der Erwähnung der «leidvollen Vorgeschichte» ohne Nennung des Aggressors liest sich Ihr Dialogbeitrag leider als unsachgemässe Verharmlosung der Rolle der kriegstreibenden Partei – wenn nicht sogar als Entschuldigung für deren Angriff –, Herr Sigrist.

So viel dazu – denn der Ukraine-Krieg ist nicht der Fokus hier. Lassen Sie uns nicht vom Thema abkommen. Danke.

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Richtig. Das Thema ist die fehlende Abgrenzung der Bürgerlichen zu den Rechtsaussen. Was mich stört: jeder der die Rolle der USA/Nato und der Ukraine vor dem 24.2.22 hinterfragt oder gar kritisiert, wird auch gleich in die Ecke der Verschwörungstheoretiker gestellt. Ich könnte X Beispiele bringen, aber der Ukraine-Krieg ist ja hier nicht das Thema…

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Herr Binswanger thematisiert die Frage, wo die Grenze zu den Personen liegt, deren Äusserungen so daneben sind, dass sie vom demokratischen Diskurs ausgeschlossen werden sollen. Roger Köppel zieht diese Grenze sehr sehr weit, wenn er überhaupt eine zieht. Das kann man kritisieren. Es ist aber halt auch eine Gegenbewegung zur Cancel-Culture oder wie auch immer man die Mode bezeichnen will, Leute wegen ihrer Meinungsäusserungen nicht bloss zu kritisieren, sondern ihre Entlassung oder mehr zu fordern.

Im gleichen Artikel kritisiert der Autor die Position der GLP zur Verrechnungssteuer. Das darf mit der obigen Frage nicht vermischt werden (und war bestimmt auch nicht die Absicht).

Es wäre schade, wenn immer mehr Leute sich weigern würden, an Veranstaltungen teilzunehmen, an die auch «die Falschen» eingeladen werden. Wie oft kommt es doch vor, dass man sich über die Meinung einer Person zum Thema X fürchterlich aufregt, beim Thema Y aber gleicher Meinung ist.

Man muss sich gut die Konsequenzen überlegen, wie es weitergeht, wenn man mit bestimmten Kreisen den Dialog verweigert, diese aber trotzdem nicht einfach aus der Welt verschwinden.

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Der Dialog ist ist für unser gesellschaftliches und politisches Zusammenleben zentral. Er muss aber von beiden Seiten gesucht werden. Wenn Veranstaltungen und sog. Gespräche nur dazu benutzt werden, die eigene Ideologie zu verbreiten und sich dann dieser Monolog-Partnern zu rühmen und so der eigenen destruktiven Ideologie den Anschein einer breiten Abstützung zu geben, ist das sehr kontraproduktiv. Ein Beispiel dafür ist ja Daniele Ganser, der auf seine Parlamentarierkontakte hinwies, um seinen abstrusen Behauptungen den Anschein von Seriosität zu geben.
Rechtsextreme Autokraten und Diktatoren sind an keinem ernsthaften Dialog interessiert.

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Man merkt in der Regel schnell, ob 1. das Gegenüber an einem Dialog interessiert ist und 2. evtl. sogar bereit ist, die eigene Position zu überdenken und vielleicht sogar die Meinung zu ändern.
Das zweite findet selten bereits während einer Diskussion statt, es sei denn man geht bewusst ergebnisoffen in die Diskussion. Wenn man sich seiner Sache plötzlich nicht mehr sicher ist, ist es vielleicht auch klüger, einmal darüber zu schlafen und die Argumente in aller Ruhe anzuwägen.

Einen Monolog eines nicht zuhörenden Gegenübers zu ertragen, ist sogar auch dann mühsam, wenn man weitgehend gleicher Meinung ist.

Vortragsveranstaltungen sind natürlich etwas anderes, aber: Was gibt es langweiligeres als Vorträge mit anschliessender Podiumsdiskussion, wenn diese augenscheinlich nur von Claqueuren des Vortragenden bestritten wird (inkl. allenfalls eines intellektuell leichtgewichtigen Alibi-Gegners).

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Das mit dem Dialog ist gut, vernebelt aber oft Realitäten wie Beispiel Putin zeigt. Die Reiserei nach Russland, all die Telefonate waren nutzlos, die Worte erreichten nicht das Ende lang gezogener Tische. Da kann es nicht schaden, wenn Daniel Binswanger Fakten beschreibt, die man sehen könnte, wenn man denn wollte. Und aus dem Sehen wäre Agieren geraten.

Die Aktion dank politischem Bewusstsein für die Akzeptanz von Grabendimensionen einer Gesellschaft aber scheint sich ins Verbale verzogen zu haben. Wenn überhaupt.

Was zählt, ist der parteiliche Status in der Gesellschaft und der persönliche Profit. Der Gemeinsinn, das Allgemeinwohl, die Verantwortung der Unternehmen gegenüber dem Miteinander ist zertreten vom fast totalen Streben nach Macht und Profit der Gewinnler. Wie abhängig und verletzlich das uns trotz scheppernder Lautsprecher von rechts bezüglich Freiheit und Unabhängigkeit macht, erleben wie gerade. Man hätte es sehen können. Auch bezüglich China.

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Der Dialog vernebelt Realitäten? Gut möglich, aber dieses Risiko müssen wir in einer Demokratie eingehen.

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Das wäre jetzt total absurd wenn Köppel diese Linie ziehen würde (von ausserhalb versteht sich)

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Naja, es sollte wohl erlaubt sein (fast) alles zu fordern. Muss ja niemand darauf eingehen. Wenn jemand findet, er tue das Richtige, kann er der Kritik wohl argumentativ dagegenhalten.

Und Gegenbewegung? Ich bitte Sie. Eher eine seit ewig existierende Bewegung, die jetzt ihr Momentum gekommen sieht.

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Für mich ist die GLP schon seit deren Gründung die Wölfin im grünen Schafspelz.

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Ich habe die glp nie als bürgerliche Partei verstanden, sondern als neue Partei/Bewegung, die die links-rechts-Schablone überwindet und sachorientiert Positionen bezieht. Auch wenn ihr das nicht immer gelingt, tut die der Schweiz gut.

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Unter bürgerlich verstehe ich: primär die Interessen der Privilegierten (von mir aus kann man auch „der Starken“ sagen) vertreten. Da fällt es mir schwer, die glp nicht zu den Bürgerlichen zu zählen.
Angesichts der Tatsache, dass die Bürgerlichen nicht von heute auf morgen verschwinden werden aus der Politlandschaft, kann ich der glp als kleinstes Übel in diesem Lager aber selbstverständlich auch Gutes abgewinnen.

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Der Wolf kann ein gutes Gewissen haben, während er die Schafe reisst.

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Das hängt allein davon ab wie fest der ''Glaube'' des Wolfes (und des Schafs ist) der sein Handeln legitimiert.

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Altgrüner
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Seit die FDP Elisabeth Kopp und damit ihr sozial progressiveres Programm geopfert hat (Stichwort: Individualbesteuerung, Gleichstellung), kann die bürgerliche Politik zusammengefasst werden als: Steuern runter und behaupten, irgend eine technische Innovation löse alle Aufgaben durch Wachstum, es brauche keine soziale Innovation.

Und: Irgendwie erinnert mich die propagandistische Neudefinition von 'bürgerlich' durch die SVP an den alten Furgler-Witz, wo der Papst ihm sagt: 'Glauben Sie mir, Herr Furgler, ich bin römisch-katholisch!'.

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Beinahe einverstanden.

Ergänzt werden sollte all das aber noch um den Part der SVP, der dieses Programm erst für genügend grosse Kreise wählbar macht.

Es hätte keine Chance, würde die SVP es nicht komplett mittragen, dann aber schwachen Randgruppen innerhalb der Bevölkerung, wie Ausländern, Sozialhifebezügern, IV-Rentnern etc. die alleinige Schuld für dessen Konsequenzen in die Schuhe schieben.

Der untere Mittelstand wählt eine Ausgrenzungspolitik in der Hoffnung, dann innerhalb der gezogenen Grenzen mehr für sich vorzufinden. Das aber in völlig egozentrischer Verkennung der Tatsache, dass der Wohlstand schon vorher in viel kleineren Kreisen konzentriert wurde und dass das was von dieser Ausgrenzung übrig bleibt, letztlich unter ihrer Mithilfe ebenfalls dort zu liegen kommen wird.

Erst dieser Schulterschluss macht diese Art der Poltik in der Schweiz überhaupt so erfolgreich. Er ermöglicht es Poltik für die Wenigen salonfähig zu machen. Die Machtlosen zum Übel und Groschengrab hochzustilisieren und in dessen Windschatten die eigenen Taschen zu füllen.

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KonfusZius
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Danke D. T.,
… auf den Punkt gebracht !

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Lieber Herr S.,

Ihre Erinnerung an Elisabeth Kopp finde ich in diesem Kontext sehr verdienstvoll. In der Tat, das war noch eine andere Bürgerlichkeit (und eine andere FDP). Und ja: Der Furgler-Witz ist wirklich äusserst hübsch. Vielen Dank! Herzlich, DB

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Altgrüner
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Oh, da gibts doch den Furgler -Witz für Journies gratis dazu!

Fakt: Furgler ging übers Wasser.
Schlagzeile im Blick: Furgler kann nicht schwimmen!

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Kritischer Leser
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Schön wär's, wenn sich der Zerfall auf die bürgerlichen Kräfte der Schweiz beschränkte. Die ideologische Nähe der SVP zur AfD ist ja nichts wirklich Neues, und dass sich im rechten Spektrum jede Menge Verschwörungstheoretiker tummeln, ist ja längst sattsam bekannt. Sympathien für Putin und seine Verschwörungstheorien gibt es aber leider auch von links, und das ist etwas, was mir persönlich grosse Mühe macht. In der Pandemie ist mein Kontakt zu einer Reihe von Bekannten und Freunden abgebrochen, die sich als Corona- und Impfskeptiker outeten, und ich befürchte, das sich das jetzt über diesen idiotischen Krieg von links wiederholt: Von Leuten, die es eigentlich besser wissen müssten, aber allen Ernstes die putinschen Lügen von der faschistischen Ukraine wiederkäuen, die man auf keinen Fall und in keiner Form unterstützen dürfe. Da wird die Fortsetzung des freundschaftlichen Gesprächs jedenfalls entschieden mühsam.
Wenn man allerdings bedenkt, dass das gemeinsame Bezugssystem von Rechts und Links nun schon seit Jahrzehnten von einer Krise in die nächste taumelt, dann muss man sich eingestehen, dass etwas in dieser Art durchaus zu erwarten war, und darf nicht allzu sehr erstaunt sein. Wir sind, ob uns das passt oder nicht, und ob wir uns als links oder rechts verstehen, kapitalistisch "vergesellschaftet bis auf die Unterhosen" (Robert Kurz), und wenn das gesellschaftliche Fundament wackelt, dann kann das eigene Selbstverständnis ja nicht unberührt bleiben.

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Kleines Korrigendum: Michael Hengartner ist nicht ETH-Präsident, das ist Joël Mesot. Hengartner ist Präsident des ETH-Rats (des Aufsichtsgremiums).

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Richtig! Vielen Dank.

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Abonnent
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Nun ja, für die Zürcher mag ETH gleich ETHZ sein, aber für einen Berner wie mich ist ETH eben der ETH-Bereich mit allem drum und dran und dann wäre Hengartner doch wieder Präsident der ETH ;-)
Der Fokus des Artikels ist ein ganz anderer und er legt in Worte was mir mein Bauchgefühl seit etlichen Wochen und Monaten sagt. Einmal mehr Danke Herr Binswanger.

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Wie so oft ist vieles eine Frage von Moral, Doppelmoral und der Bereitschaft/Fähigkeit, über den eigenen Tellerrand hinaus zu denken und entsprechend zu handeln (bzw. Entscheidungen, die einen zu diesem und jenen „nötigen“ zu akzeptieren …)!

Es geht „uns" (in den kapitalistisch geprägten Gesellschaften) entweder zu gut oder "wir“ haben zumindest den Anspruch bzw. die Überzeugung, dass es es uns gut gehen darf und muss - koste es (global gesehen, andere genau unter diesem Denken und Handeln Leidende) was es wolle!

Jedem ist das Hemd näher als die Jacke und wenn die Moral fehlt, dann leitet sich das auch noch aus einem einem Stolz her, dieser Gruppe anzugehören bzw. dort hineingeboren worden zu sein.

Nicht ganz so verwerflich, aber genauso schlimm: die Verpackung dieses Denkens und Handelns als „Verantwortung für die Menschen“ (im eigenen Land, der eigenen Region, der eigenen Stadt …), mit der es gerechtfertigt wird!

Meine Überzeugung ist und bleibt bzw. ist immer mehr, dass wir eine radikalen (eigentlich globalen, aber auch national im Treffen von Entscheidungen abbildbaren) Systemwechsel brauchen und die Politiker, die diesen vor allem gestalten müssen, dem eigenen “Volk“ diesen zumuten (und so gut erklären) müssen (damit eine Mehrheit es annehmen kann …).

Leider sind die meisten nach wie vor gefangen im Proporzdenken, Lobbyismus, Parteidoktrinen etc. …

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Apropos GLP...

Haben die eigentlich jemals etwas "grünes" geleistet? Immerhin sind sie seit Jahren dabei, aber bei ökologisch relevanten Abstimmungen sind sie nur dafür, wenn die Vorlage keine Chance hat, oder auch ohne ihre Hilfe durchkommt.

Gibt es irgend ein Beispiel, wo die GLP national oder kantonal bei einer Abstimmung zu einem ökologischen Thema das Zünglein an der Waage gespielt hat? Und wenn ja, waren sie dafür oder dagegen?

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Lieber Pedro Gonnet, ein ökologisches Profil würde ich den Grünliberalen nun nicht absprechen wollen. Sie haben zum Beispiel die Grünen bei der Atomausstiegsinitiative unterstützt, sprechen sich für die völlige Dekarbonisierung des Verkehrs bis 2040 aus, haben 2015 ihre Initiative "Energie- statt Mehrwertsteuer" durchgefochten (und spektakulär verloren). Es ist so, dass die SP ein deutlich grüneres Profil hat als die Grünliberalen. Aber für die GLP ist das Anliegen, Klimapolitik mit Anreizsystemen und marktwirtschaftlichen Methoden zu betreiben sehr authentisch und absolut zentral. Wie erfolgreich sie damit sind, ist leider eine andere Frage. Und auffällig ist auch, dass man sie heute in anderen Politikfeldern viel, viel stärker wahrnimmt. Herzlich, DB

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Altgrüner
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Dekarbonisierung des Verkehrs findet mittlerweile die ganze Autoindustrie sexy - grad viel Mut braucht das nicht. Her mit der nächsten Abwrackprämie!

Energie statt Arbeit zu besteuern war eine uralte grüne Idee, aber es war mutig, die aufzugreifen, das gebe ich zu.

Was Pedro Gonnet aber anspricht: Was ist denn eigentlich 'Grün'?
So wie man links und rechts einteilen kann nach der Kontrollüberzeugung (Bin ich meines Glückes Schmied?), so könnte man die ursprüngliche grüne Bewegung vielleicht definieren als Menschen, die die Einsicht teilen, dass fossile Ressourcen endlich sind und Umweltnutzung einen Preis hat. Sorgsamer Umgang damit ist meist eine Form von Zwang, zum Beispiel als Bepreisung beim Abwasser. Wenn man nun seine Hoffung darin setzt, dass technologischer Fortschritt nachhaltige Nutzung ohne grossen Zwang ermöglichen würde, und gleichzeitig suggeriert, dass Umweltbelastung irgendwie durch Bevölkerungswachstum und Migration entstünde, dann sind dass neoliberale oder nationalistische Positionen. Also, was ist grün? Und, um zurück zu Ihrem Thema, Herr Binswanger, zu kommen, was ist (alt-) 'liberal'?

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Funktion(s)los
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„Die Schweiz ist seit der Gründung des Bundes­staates 1848 und bis zum heutigen Tag ein zutiefst bürgerliches Land.“
Vielleicht darf ich zuerst einmal diese These etwas in Frage stellen: Sie stimmt, wenn man „bürgerlich“ in einem parteipolitischen Sinn versteht. Nur: Ich beschäftige mich seit nunmehr über 50 Jahren mit dem wohl ‚bürgerlichsten‘ Dichter der Schweiz: Gottfried Keller, und dann sieht die Sache etwas anders aus. Jeder Versuch, ihn gewissermassen fiktiv in die heutige Parteienstruktur einzuordnen, wird scheitern.

So hat ihn z. B. Blocher in einer Albisgüetli-Rede für seine Politik in Anspruch genommen, mit einem Zitat, das ironischerweise immer falsch überliefert wurde, und dessen richtige Überlieferung sogar Wasser auf seine Mühle gewesen wäre. 1841 in einem seiner ersten politischen Aufsätze wehrt sich Keller gegen die damals aufkommenden nationalistischen Versuche der ‚deutschen‘ Presse, die Schweiz nach Sprachen einzuordnen und deren ‚Nationalcharakter‘ entsprechend zu definieren. Er defiiniert schon dort den Nationalcharakter der Schweizer durch ihre Liebe zur Freiheit und lehnt damit jede naturalistische (Sprache, Geburt und ähnliches) Definition der Zugehörigkeit ab. Da gibt es dann keine Einbürgerungsgesuche, sondern nur den Willen, sich selbst einzubürgern. Ich bin persönlich eigentlich erstaunt, dass er nicht auch von den „Grünen“ reklamiert wird.

Für Keller beruht die Schweiz auf einem Mythos. Sie wird in sich zeitlich leicht modifizierender Form in den Sonetten (ursprünglich „Vaterländische Gesänge“ genannt) ausgebreitet. Seinen längsten Aufsatz schreibt er über den Mythenstein, das Schillerdenkmal, auch als einen Ruf zur Versöhnung nach dem Sonderbundskrieg. Max Frisch hat sich mit „Wilhelm Tell für die Schule“ ebenfalls mit dem Mythos beschäftigt und historisch ziemlich fein daneben geschossen. Im Zentrum des Mythos steht eben nicht der Tell, sondern die 3 Eidgenossen, so bei Füssli, im Bundeshaus etc. Und damit der Rütlischwur: „Wir wollen sein ein einzig Volk …“. Und mit diesen wenigen Worten wird eine Willensnation begründet. Die Theorie dazu kann man bei Rousseau im ‚Contrat social‘ nachlesen - und Rousseau war natürlich auch Schiller ziemlich geläufig. Was also Binswanger schreibt, bezieht sich wohl auf den Bourgeois, etwas schwieriger wird es dann beim Citoyen. Beim Citoyen geht es nicht mehr so einfach mit dem ‚Sozialdarwinimus und mehr oder weniger grosszügiger Armenfürsorge“ frei nach Hajek.

Was soll das also? Wenn wir Bürgerlichkeit nach der Idee des Citoyens verstehen, dann kann ich persönlich nur hoffen, dass auch die Linke bürgerlich ist, aber ich weiss auch, dass das bei weitem nicht immer stimmt. Rechtsbürgerlich wurde vor kurzem in der NZZ ein Versuchsballon gestartet, das Bundesgericht zu einem Verfassungsgericht ‚hochzuschreiben‘, was das Rechtsstaatsprinzip vor das Demokratieprinzip gestellt hätte. Das wäre dann das Ende von 1848.
Wenn man unsere politischen Verhältnisse nach diesem Massstab der Citoyenneté betrachtet, dann verlaufen auch die politischen Linien oft anders. Im Moment ist jedenfalls die Linke ein bisschen sehr auf dem Fürsorgetrip nach dem Motto „Wo finden wir Interessent*innen, die wir noch bedienen können“. Die „Bürgerlichen“ im Sinne Binswangers haben dieses Problem nur sehr selten. Sie wissen immer, um was es für sie geht. Wenn aber das Bewusstsein für den Citoyen weg ist, dann ist die Schweiz mausetot.

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Altgrüner
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Dass Keller und die Liberalen vor 1848 von den Grünen vereinnahmt werden könnte, hat was.
Vielleicht schreibt dann wer mal 'Heinrich, der Grüne'?

edit:' ...und Rousseaus Definition von 'Bürger' oder 'natürlicher Mensch' und seinem Verhältnis zur Gemeinschaft war ja ' Es ist notwendig, sein Auskommen zu finden, Teil zu sein der Einwohnenden, und, wenn nicht wie sie, so zumindest mit ihnen zu leben' (Il faut qu'il sache y trouver son nécessaire, tirer parti de ses habitants et de vivre, sinon comme eux, du moin avec eux').

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Ein (wie immer) differenzierter Artikel, aber diesmal werden verschiedene Dinge in einem Atemzug gennant, die in der Schwere ihrer Konsequenzen nicht miteinander vergleichbar sind:

Die SVP hat schon länger klare libertäre Tendenzen, die leider stark zugenommen haben. Es fing an mit Äusserung wie „die da oben in Bern“, ging weiter mit der Verunglimpfung unserer RichterInnen in Lausanne und Strassburg, wurde verstärkt durch die offensichtliche Solidarisierung eines SVP Bundesrats mit militanten Demonstranten und mündet jetzt mit offenen Aufrufen zum Umsturz (und dies sind nur ein paar Beispiele). Erstaunliche Ähnlichkeiten zu den Entwicklungen in den USA, die zum Sturm auf das Capitol führten. Dieses Verhalten entspricht weder den bürgerlichen Tugenden, noch respektiert es unser Rechtssystem. Leider sind hier alle anderen Parteien untätig geblieben und es stellt sich die Frage, wie lange die Behörden diesem Treiben zusehen wollen.

Und nun zur Frage der Verrechnungssteuer: man kann mit Fug und Recht sich fragen, ob die Positionen der GLP gut recherchiert sind. Und ebenfalls sei der ironische Unterton zu Umwelt- und Genderfragen erlaubt. Doch dies hat in der Schwere der Konsequenzen nichts, aber gar nichts mit mit dem ersten Thema zu zu tun. Politischer Diskurs und Aufwiegelung zum Aufstand dürfen so nicht verglichen werden.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Liebe(r) Anonym 5, da habe ich mit Ihnen keine Differenz. Ja die Frage der Bankenplatz-Unabhängigkeit der GLP und die Frage der Amok-Tendenzen des heutigen Schweizer Bürgertum haben nichts miteinander zu tun und sind von ganz anderer Qualität. Ich dachte, das sei in meinem Artikel deutlich geworden. Weshalb ich sie beide behandelt habe: Sie betreffen die Zukunft der bürgerlichen Politik in unserem Land. Aber ja, vielleicht bestand die Gefahr der Insinuierung eines Konnex, da ich beide Themen im selben Kommentar abgehandelt habe. Herzlich, DB

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Verena Goanna •in :)) Rothen
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Etwas, was ich nicht verstehe:
Es wird ja ganz bewusst gelogen; diejenigen, die die Lügen und Verdrehungen streuen, sind sich sowieso dessen bewusst; die meisten derer, die diese Lügen dann auch noch hochjubeln, ebenfalls (jede Wette).
Was aber ist an Lügen denn dann überhaupt so attraktiv? Der Absturz ist ja doch auch immer mit vorprogrammiert; irgendwann kommt die Quittung.
Und besser wird durch das ewige Lügen ja nichts. Gar nichts.
Alle anstehenden Planungen, Arbeiten und Lösungen werden einfach länger blockiert. Jeglicher Aufwand wird einfach nur viel grösser. Die Zukunft — auf allen Ebenen — einfach viel teurer. Das zumindest erleben wir grad.
Und irgendwann schlagen die Lügen auf die Lügenden zurück. Was also zum Henker soll daran so attraktiv sein?
Falls das irgendjemand kapiert, möchte ich um Erleuchtung bitten; danke.

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Altgrüner
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Habe mal eine Reportage gelesen über einen (echten) Kriminalkommissar bei seiner Pensionierung. Er erzählte, es sei für ihn immer noch unfassbar, wie oft ein grosses Verbrechen begangen werde, um ein kleineres zu decken. Erleuchtet vielleicht, erleichert vermutlich aber nicht.
edit typo

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, webpubl&lektorin
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Danke für diese Antwort, M. S. L.; eben erst entdeckt. — Mit andern Worten: Je mehr die Verschwörungsideolog•innen sich verrennen und (ganz bewusst) lügen, desto heftiger müssen sie nachladen, um sich (aus ihrer eigenen Sicht) über Wasser zu halten?
Wäre das so inetwa die Übersetzung dessen, was jener Kommissar sagte?
—> Tatsächlich nicht unbedingt beruhigend; but food for thought, indeed.
Es bleibt die Frage: Wie kommen wir als Gesellschaft da wieder raus? Oder?

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Verena Goanna •in :)) Rothen
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Es ist zu hoffen, dass Sie Ihre Ferien trotzdem etwas geniessen konnten, Herr Binswanger.
Ist momentan wichtig. Braucht überall viel Nerven zur Zeit. Und kühle Köpfe.
Danke für Ihren Beitrag.

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Liebe Frau Goanna, vielen Dank für Ihre guten Wünschen. Und ja: Ich konnte meine Ferien geniessen! Herzlich, DB

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Verena Goanna •in :)) Rothen
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Schön! Danke für Ihre Antwort.

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“On a voulu, à tort, faire de la bourgeoisie une classe. La bourgeoisie est tout simplement la portion contentée du peuple.”
Victor HugoDe Victor Hugo / Les Misérables

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Daniel Binswanger
Feuilleton Co-Leiter
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Lieber R. S. Z., merci! Très joli. Cordialement, DB

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