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Nach 30+ Jahren im Personalwesen (Verleih und Vermittlung) kann ich folgendes dazu beisteuern:

Ich habe weit mehr Menschen in neuen Funktionen scheitern sehen weil sie vom Persönlichkeits- oder auch Charakterprofil her nicht passten, als dass ihnen fachliche Fähigkeiten gefehlt hätten - oft ganz im Gegenteil...

Man kann einem Menschen (die generelle Eignung einmal vorausgesetzt) fast alles beibringen, aber seinen / ihren Charakter ändern ist eigentlich unmöglich.

Weitere Beobachtung - Achtung Gemeinplatz: Der Fisch stinkt vom Kopf her.
Will heissen: Die Leitung macht (oft unbewusst) vor, welche 'Typen' gefragt sind und welche nicht.

Und noch eine Beobachtung: Wie überall sonst auch, herrscht der 'amerikanische Pragmatismus' , wonach es sich nicht lohnt ein auch noch so klitze kleines Risiko einzugehen (cover-your-ass - Denken, oder etwas eleganter ausgedrückt: "no one ever got fired for buying Micro$oft.." oder so in der Art). Und eben: Titel und Diplome sind genau das.
Personaler zum Chef: "... ja, aber der Mann hatte doch alle Diplome und sogar einen Doktortitel, wie konnte ich da ahnen, dass das zum totalen Flopp wird?.." .

Und wenn es etwas zu beklagen gibt, dann die fast komplett durchgängige Amerikanisierung (nicht nur, aber besonders) des Personalwesens. Sieht man schon an den Stellenausschreibungen, nicht wahr? Da wird kein Verkaufsleiter mehr gesucht, sondern ein 'Key Account Manager', kein Generaldirektor, sondern ein CEO, COO, CFO, CTO, usw. habe ich einen C vergessen?

Es wäre wieder der XMV gefragt, der Xungi MönscheVerstand...

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Stichwort: Scheinsicherheit.

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Jakob Federer
Nonno
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Als es in unserem Dorf noch zwei Dorfmetzgereien gab, hingen dort an der Wand ganz viele Diplome mit wunderschönen Medaillen verziert. Unsere Kinder waren davon begeistert. Gold für die St.Galler Bratwurst, Silber für den Cervelat. Als ich dann nach einem dreijährigen CAS mit einem Diplom nach Hause kam, meinte die Tochter: "so Papi, jetzt hast du auch einen Wurstzettel." Rückblickend zum Schmunzeln, wenn ich heute mit jungen gut qualifizierten Menschen im Gespräch bin ist es jedoch ein Jammer. Der Wurstzettel ist wichtig, alles andere ist Wurst. (oder wenigstens vieles andere.)

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Wurstzettel, herrlich :-D merci fürs Teilen dieser Anekdote!

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Ich habe in meinem Arbeitsleben dreissig Jahre lang Personal eingestellt. Da ist ein bunter Strauss zusammengekommen! Hochdekorierte, ausgestattet mit Diplomen von Eliteuniversitäten, promovierte Leute, haben sich mitunter als Nieten herausgestellt. Andere, die "nur" einen Lehrabschluss ausweisen konnten, entwickelten sich zu herausragenden Leistungsträgern. Ein Muster gibt es nicht. Entscheidend ist letztlich immer die Person, der Mensch, ein Wesen halt, das viel zu kompliziert ist, als dass man es umfassend in Zertifikaten und Diplomen beschreiben könnte.
Für eine erste Triage muss/soll/kann/darf man sie allemal verwenden, muss dabei aber immer die Antennen ausgefahren haben, um möglichst jene Rohdiamanten aufzuspüren, die nicht im glänzenden Diplom-Vollwichs daherkommen.
Den Forderungen, wie sie im Artikel beschrieben sind, kann ich voll zustimmen:

  1. Arbeitgeber: Ausschreibungen so verfassen, dass sich die
    "wirklich interessanten Leute" angesprochen fühlen.

  2. Stellensuchende: Bewerbungsunterlagen so gestalten, dass sie möglichst viel über die Person aussagen. Auch Mängel aufzeigen, denn perfekte Alleskönner sind so selten, wie die Eierlegendewollmilchsau.

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Lernende
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Dabei war der Start meiner Berufskarriere auf zwei Gebieten vor dreissig Jahren nur möglich, weil damals in der Schweiz noch keine solche Zettelwirtschaft herrschte. Ich kam in der Mitte des Lebens, als Dramaturgin und Journalistin, hierher, beides nutzlos für die Migrantin, in einem Land mit potentiellen Rezipienten, von denen ich nichts verstand, und ohne jede Connection. Nur die grosszügige Handhabung meiner restlichen Ressourcen, nota bene ohne jeden Wisch, ermöglichte mir, zur Dolmetscherin und Erwachsenenbildnerin zu mutieren, und ganz nebenbei fast gratis ein Psychologiestudium zu machen. In der unbürokratischen, pragmatischen Schweizer Arbeitswelt ankommen brachte mir einen Schub sondergleichen. Ich war tief beeindruckt. Erst nach und nach musste ich die beiden Diplome berufsbegleitend liefern. Auch das waren nochmals wirksame Impulse gegen den Stillstand. Meine Generation hatte wohl einfach Glück.

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Brot
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In der Softwareabteilung der Republik scheint der Ratschlag angekommen zu sein. Von Anfang an ist entweder kein Diplom vorausgesetzt und ab Juli 2019 wird sogar explizit darauf eingegangen:

«Es ist keine formale Ausbildung zwingend: Wir interessieren uns für dich, ganz egal, ob du einen Master hast oder du dir alles selbst beigebracht hast.»

Anders sieht es in der Personalabteilung aus:

«Wir erwarten einige Jahre Berufserfahrung im HR sowie eine fachspezifische Weiterbildung (HR-Fachfrau, HR-Fachmann mit eidg. Fachausweis oder gleichwertige Ausbildung).»

Im journalistischen Bereich (Kulturjournalistin, ArtdirektorIn, RedaktorIn) finde ich dann keine explizite Stelle. Zählen in journalistischen Berufen Diplome generell wenig?

Jedenfalls interessant, wie sich selbst innerhalb desselben Unternehmens je nach Bereich die Voraussetzungen bezüglich Ausbildung unterscheiden.

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Interessante Beobachtung, merci fürs Aufstöbern!

Ja, bei den journalistischen Stellen im engeren Sinn (Redaktor mit für das Themengebiet X) sind Diplome sicher nicht das erste Kriterium. Mich interessiert viel mehr: Was hat jemand für Ideen, wie geht eine Person an Themen heran, wie bringt sie uns weiter? Die bisherigen Arbeiten zum Thema X sind natürlich ein wichtiger Anhaltspunkt, um das einzuschätzen, aber nicht der einzige. Wir nehmen uns bei der Republik jeweils recht viel Zeit, führen diverse Gespräche, etc. um Bewerberinnen für eine Stelle kennenzulernen.

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"Das (Ausbaupotenzial) haben wir den Staubsaugern voraus", schreibt Reto Hunziker. Das stimmt natürlich, aber heute zählt, was vermessen werden kann. Leider ist das Ausbaupotenzial schwerer zu vermessen als die Anzahl Diplome. Kommt dazu, dass viele Personalverantwortliche von den psychologischen Determinanten eines Menschen oft nur oberflächlich oder keine Ahnung haben, obwohl die viel prägender sind für eine zukünftige Arbeit als Diplome, die heute für jeden absolvierten Kurs am Samstagvormittag vergeben werden und vor allem den Anbietern einen Gewinn bringen. Siehe auch: Richard Gris, "Die Weiterbildungslüge".
Übrigens: Am Beispiel der Staubsauger zeigt sich auch, dass die Auswahl der Entwickler nicht sonderlich auf deren Entwicklungspotenzial beruht, denn sonst würden sie nicht sog. moderne Kugelmodelle konstruieren, die die Abluft senkrecht ins Gesicht des Staubsaugenden blasen. Und den Schlauch zum Reinigen verkehrt anschliessen geht auch nicht mehr. Ob das wohl an den Diplomen der Konstrukteure liegt?

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Ähnliche Phänomene sehe, beobachte und höre ich genauso im sozialen Arbeitsmarkt. Da gibt es 1000 Möglichkeiten für weitere Zertifikate. Will man dann später nur den Bereich wechseln, geht ohne weitere Papiere meist gar nichts mehr, obwohl man durchaus qualifiziert ist.
Und wohl gemerkt, Weiterbildungen kann man an den Steuern abziehen, hingegen eine Ausbildung an einer höheren Fachschulen nicht. Zumindest im Kanton Bern wird es meistens so gehandhabt.

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Ich konnte meine HF im Kanton Bern abziehen. Habe damit auch die Abteilung gewechselt.

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Ich konnte ebenfalls die HF in Bern abziehen jedoch zwei Drittel meines Ausbildungsganges nicht, deshalb schrieb ich meistens . . . . . Offiziell sind Ausbildungen nicht abziehbar bei den Steuern nur Weiterbildungen, dies teilte mir das Steueramt der Stadt Bern unmissverständlich mit. Aber natürlich gibt es Ausnahmen oder eine gewisse Kulanz je nach Sachbearbeiter*in und Sachverhalt.

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Es ist nicht nur ein Diplomwahn es ist auch eine Fokussierung auf sonstige Äusserlichkeiten. Als ich noch im Studium war, habe ich mich mal auf ein Praktikum beworben, wo nebst dem Hauptfokus auch Fundraising Kenntnisse verlangt waren.
Ich brachte die mit von meiner Freiwilligenarbeit, wo ich schon ganze Fundraising Strategien entworfen hatte und mich an Events weitergebildet hatte. Natürlich nicht belegt aber ich konnte alles darlegen und aufzeigen...
Wen haben sie genommen? Jemand, der ein anderes „Praktikum“ in Fundraising gemacht hatte, wobei „Fundraising“ hiess: vorformulierte Briefe anzupassen, zu drucken, in ein Kuvert zu tun, dieses zu adressieren und per Briefpost abzuschicken....

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Das Problem ist, dass der Rekrutierungsprozess ausgelagert wird. Ans HR. Jemand muss denen etwas erzaehlen, den Kandidaten spezifizieren. Da wird teilweise ueberspezifiziert. Luftschloesser. Enthaelt teilweise auch Banales. ZB MS Office. Das wirkt teilweise abschreckend.

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es war einmal, vor vielen, vielen jahren, da waren die personalchefs und -finnen noch eine subspezies der trüffelschweine. weil es für viele berufe keine ausbildung gab (zum beispiel für texter, webdesigner oder social media manager), waren alle texter, webdesigner oder SoMeMa zwangsläufig quereinsteiger.

für die personalabteilung war das natürlich ein dankbarer job: sie waren nicht die selektionäre wie heute, sondern talentscouts oder eben trüffelschweine. sie mussten durch das ganze unappetitliche mykel die trüffel erschnüffeln. das ging manchmal gut und manchmal in die hosen. die besseren trüffelsauen hatten eine erfolgsquote von 4:1, die weniger guten schafften es auf 1:4. und niemand machte den weniger guten einen vorwurf – immerhin hatten sie es versucht. und man kann ja nicht jeden euromillions-jackpot knacken.

heute gibt es ausbildungen für texter, webdesigner, social media manager und weissichwas. es wäre allerdings eine grobfahrlässige abkürzung, daraus nun zu schliessen, ein ausgebildeter texter, eine dipl. webdesignerin oder ein attestierter SoMeMa sei deswegen in seinem fach kompetenter oder besser. (trotzdem wird die schleifspur auf diesem trampelpfad immer tiefer.) das wertpapier im wechselrahmen besagt nichts – ausser dass die person am tag der schlussprüfung den kurzzeitgedächtnisspeicher mit den richtigen synapsenschmeichlern befüllt hatte. mit der richtigen erziehung und streng geheimen wunderdrogen würde auch ein affe diesen test bestehen. oder von mir aus eine trüffelsau.

«Die Statistik ist wie eine Laterne im Hafen. Sie dient dem betrunkenen Seemann mehr zum Halt als zur Erleuchtung», pflegte der deutsche banker hermann abs zu sagen. es reicht, statistik durch diplome und den betrunkenen seemann durch eine ausgebildete personalfachperson zu ersetzen. und schon sind wir im hier und jetzt.

weil es für jede tätigkeit ein berufsbild gibt und somit auch einen abschluss, und weil in der ehemaligen personalabteilung keine talentscouts und trüffelsauen mehr arbeiten sondern dipl. HR-fachleute, hat der wind natürlich gedreht. komplett. die HR-spezialisten sind überqualifzierte checklisten-abarbeiter, die sich vor lauter angst, einen fehler zu machen, nicht auf ihre intuition verlassen. (und selbst wenn: vor lauter versagenspanik konnte sich ihre intuition gar nie richtig ausbilden.) wenn sie jemanden anstellen, der sich schon bald als asozialer rohrkrepierer herausstellt, kann der recruiter zu seiner arbeitsplatzsicherung darauf hinweisen, der versager habe alle diplome und eine sehr gute ausbildung mitgebracht.

die recruiter müssen heute keine spürnase für die nächste überfliegerin, den nächsten elon musk mehr haben. sie müssen stattdessen teamfähige, leistungsbereite, in sieben sprachen verhandlungssichere und mit 12 jahren berufserfahrung gesegnete 24-jährige hochschulabsolventen rekrutieren.die HR-abteilungen sind heute oft ein trainingsgelände für (meist weibliche) führungskräfte, denen man den sprung ins alleroberste management zutraut. als leiterin HR sind sie also nicht auf dem gipfel ihrer karriere angelangt, sondern auf durchreise. entsprechend wollen sie natürlich keinen fehler machen, der womöglich den schritt in die nächste lohn- und bonusstufe gefährdet. also wird sie nicht versuchen, für jeden job die besten leute zu finden, sondern als teflon-manager jeden fehler zu vermeiden. und falls doch einmal eine nilpe eingestellt wird, kann sie/er die schuld entweder einem subalternen recruiter zuschieben oder aber auf die hervorragenden qualifikationen – diplome, atteste, abschlüsse – der nilpe verweisen. es gibt also (auch in den HR-abteilungen) keine fehlerkultur mehr. stattdessen muss schon der erste schuss eine mouche sein, sonst ist womöglich die karriere zu ende, bevor sie richtig angefangen hat.

zum glück für diese geplagten recruiter gibt es heute ersatz-laternenpfähle in form von zeugnissen, diplomen und so. hard facts on thin paper. hehe.

wozu das führt, ist augenfällig – die (ja: die) HR-dame schaut zuerst auf das quantifizierbare. sind diplome vorhanden, ist die grösste hürde überwunden. denn niemand wird ihr später den vorwurf machen, sie habe eine inkompetente nilpe eingestellt.

hinter dieser diplomgläubigkeit steckt natürlich ein fundamentaler denkfehler: diplome sind kein qualifizierung, sondern eine krücke mit der aufgabe, qualität zu beziffern. beweise? die qualität muss quantifiziert werden, um das diplom zu erhalten. note 4 und höher ins töpfchen, note 3.9999 und schlechter ins kröpfchen. die x-te stelle nach dem komma kann also den unterschied ausmachen zwischen anstellung und absage.

und weil alles nach quantifizierter sicherheit in form von diplomen lechzt, entsteht natürlich ein nachfrageüberhang. das lockt subito all die spürhunde und trüffelsauen an, die eine gute nase haben für marktlücken. (natürlich ist diese nase keine legitimation, einen fernkurs für bitcoinmineure anzubieten. aber die marktlücke heiligt die mittel. get it while you can, denn in drei jahren ist auch diese lücke durchs SECO reglementiert und verbarrikadiert.)

und in vier jahren das grosse aufatmen bei den HR-abteilungen: endlich können sie auch dipl. cryptoschürfer*innen rekrutieren. dank diplom gänzlich ohne risiko.

in einer englischen zeitung hätte ich mir die vielen buchstaben und ihre vergebliche aufmerksamkeit sparen können. drei buchstaben hätten genügt, um den ganzen irrsin auf den punkt zu bringen:

CYA

cover your ass.

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