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Leser
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Offenbar handeln Regierungen in statistischer Hinsicht unterschiedlich. Dabei spielen ethische Überlegungen eine Rolle. Vertreten diejenigen eine fragwürdige Ethik, die für die Herdenimmunität eintreten? Die Niederlande und Schweden scheinen dieser Vorstellung zu folgen.
Trotzdem wird die Humanität aufgegeben, wenn "quasi eine Geronto-Euthanasie, wo man einfach den älteren Teil der Bevölkerung dem Tod überlässt" (Oliver Nachtwey), praktiziert wird. Wir sollten deshalb zwischen dem Gut des Lebens und dem Gut des Wirtschaftens abwägen. Was ist von der Ansicht zu halten, dass auch das Sozial- und vor allem das Gesundheitssystem schlichtweg nicht mehr finanzierbar sei, wenn wir die Wirtschaft zerstören? Handelt es sich dabei letztlich nur um eine neoliberale Ideologie? Wie sähe eine andere Wirtschaft aus?

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Dr. der Rechtssoziologe
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Das ist das Problem eines dogmatischen Wirtschaftskonzepts. Die Lösung liegt in seiner Erkenntnis als solchen: Wir müssen weg von (finanz)wirtschaftsorientierten Bedürfnissen hin zu einer bedürfnisorientierten Wirtschaft.

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Ich denke, wir Alten sollten nicht so verdammt empfindlich sein. Natürlich gibt es immer ein paar verschreckte Eichenbergers/Martullo-Blochers etc., deren - vermutlich trotz allen Titeln - eher beschränkte Intelligenz bei grösseren geistigen Herausforderungen versagt, aber deshalb gleich von "Geronto-Euthanasie" zu reden, ist doch reichlich melodramatisch. Fakt ist doch, dass wir Alten in diesen Wochen unser Leben vergleichsweise (also im Vergleich zu allen, die noch im Erwerbsleben mit all den dazugehörenden Verantwortungen stehen) wenig umstellen müssen, unser mehr oder weniger komfortables garantiertes Grundeinkommen haben, was schon einmal zwei kleine, aber gute Voraussetzungen für solidarisches Denken und Handeln sind. Zum Beispiel, indem wir - vielleicht dankbar, und ohne deswegen Iwan Iljitschs Sorgen kleinreden zu wollen - daran denken, dass wir mindestens 65 Jahre lang ein ziemlich privilegiertes Leben führen durfte, unsere Bedeutung in dieser Welt und in dieser Gesellschaft nun nicht mehr so wahnsinnig gross ist und wir deshalb unsere kleinen Sorgen um Enkel, Reisen und was unseren Alltag sonst noch so bestimmt, frohgemut und aktiv relativieren sollten, indem wir daran arbeiten, unser originäres Rudelkonzept auf die Weltgesellschaft zu extrapolieren, wie es A. N. so treffend formuliert.

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· editiert

Wie recht Sie haben! Und N. wieder einmal lesen, den Peter N. meine ich...

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Dr. der Rechtssoziologe
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Ich bin mit vielem einverstanden. Allerdings glaube ich, dass die Solidarität kein Vernunftgebot, sondern genauso eine (tierische) Leidenschaft ist. Sie funktioniert deshalb nicht global, weil die natürlich tierisch vorgegebene menschliche Rudelgrösse nicht 8 Mrd., sondern ein paar dutzend Individuen sind. Um solidarisch mit einem unbekannten Individuum irgendwo auf der Welt zu sein, muss ich vernünftig sein und das originäre Rudelkonzept auf die Weltgesellschaft extrapolieren können. Wenn ich für Unbekannte Leidenschaft entwickeln können will, muss ich die solidarische Leidenschaft extrapolieren können. Und das braucht Übung, aber es lässt sich erlernen. Solange wir dies unseren Kindern nicht beibringen, führt eine globale Gesellschaft immer in den Zerfall, weil das Rudel dann nur ein Gedankenkonstrukt ist, aber nicht von Lebendigkeit getragen ist.

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@AndreasNoll
"Wenn ich für Unbekannte Leidenschaft entwickeln können will, muss ich die solidarische Leidenschaft extrapolieren können. Und das braucht Übung, aber es lässt sich erlernen. Solange wir dies unseren Kindern nicht beibringen, führt eine globale Gesellschaft immer in den Zerfall, weil das Rudel dann nur ein Gedankenkonstrukt ist, aber nicht von Lebendigkeit getragen ist."
Vollkommen richtig (für mich). Danke für Ihre klare Handhabe der Worte. Sollte natürlich zuhause aber auch in der Schule, vom Kindergarten an, spielerisch erlernt werden.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Aus reinem Forschungsinteresse: Welche Übungen zum «Extrapolieren- Können» schwebt Ihnen vor?

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Wow, grosses Thema. Aber klar: dass ich in fünf Minuten tot sein kann ist eine unpopuläre Tatsache (hoffentlich kriege ich diesen kleinen Artikel hier noch fertig). Und diese (v)erträgt sich schlecht: "The world we know depends on life that never ends"; von irgendeiner Musikkapelle in der tiefen Vergangenheit getextet.
Die Schnapsidee des self-made man, der ohne jeden sozialen Kontext aufsteigt ist ein typisches Geistesmerkmal von Leuten wie Martullo-Blocher. Sie entspringt dem Weltbild des ich-gegen-die-Welt, das ängstlich und fragil macht.
Glücklicherweise verstehen immer mehr meiner Mitmenschen aber: Was wir sind, sind wir durch die Anderen, mit und in der Natur und Kultur. Sicher gehen wir alle, alle zurück zu den Sternen, und genau das ist ja unsere Bedeutung. Das heisst aber eben nicht: ogottogott, ich hab nur ein Leben, da muss ich jetzt - gegen die Welt - ein Maximum (von was eigentlich?) herausholen. Und sofort das Rattenrennen eröffnen, und bloss nicht zu kurz kommen. Dien Anderen sind nur binär: Freund oder Feind. So ein Leben ist Traurig. Stressig. Lustlos.
Solidarität ist in so einem Weltbild immer nur eine Art Almosen, vielleicht noch eine Art win-win-Situation, wo man sich Glückspunkte gegen Wohltaten erhofft. Schon ein Blick in den sehr schönen Artikel des heutigen Tages (und grad so gut übrigens in die Wikipedia) führt aber zur Erkenntnis, das Solidaritat sehr viel mit gemeinsamen Zielen, Zusammenarbeit und Verantwortung Vieler zu tun haben könnte. Forschen wir doch mal dieser Richtung hinterher!
Puh, Artikel geschafft. Und immer noch am Leben! Gut, nä?

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Noch ein Journalist
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"Hamstern ist Ausdruck einer ausgesprochen zielorientierten und effizienten Vernunft."
Wirklich? Hamstern, würde ich sagen, ist bestenfalls Ausdruck einer ausgesprochen kurzfristigen und primitiven Vernunft. Es passt damit durchaus in die historische Periode, um die es in dem Text hauptsächlich geht und in der die Menschheit einen ganz anderen Wissenstand hatte (die Wahrscheinlichkeitsrechnung war damals tatsächlich ein enormer Fortschritt, auch wenn sie uns heute eher simpel erscheint). Nur sind wir seitdem ein ganzes Stück weiter, vor allem dank der Mathematik: Kybernetik, Spieltheorie, Komplexitätstheorie oder gar Emergenz lehren uns, dass Systeme komplex sind, auch gesellschaftliche, und wir vernünftigerweise in kurzfristigen Notsituationen (Feuer! Feuer!) kurzfristig handeln sollten, bei allem anderen dagegen langfristig und komplex denken sollten.
Wie das geht, kriegen wir, glaube ich, gerade als Kollektiv raus, aber es scheint zumindest, als würden dabei Werte oder ein gutes Gefühl durchaus hilfreich sein. Und natürlich hilft auch, in Wissen und Bewusstsein halbwegs auf dem aktuellen Stand zu sein. Wer dagegen so kurzfristig, mechanistisch, dümmlich und, ja, letztlich menschverachtend argumentiert wie die von Ihnen erwähnten Politiker (die ich als Deutscher nur vom Hörensagen kenne, aber keine Sorge, wir haben solche Figuren auch), ist letztlich auf dem Stand des 18. Jahrhunderts (bestenfalls), was auch für das persönliche Überleben keinesfalls hilfreich ist und damit leider auch nicht wirklich vernünftig.

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Leserin
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Die Klimajugend weiss, warum sie ein anderes System will. Auch deshalb habe ich Freude an der.

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Bin ich auch ein "Iwan Iljitsch", wenn ich einfach nicht glauben mag, dass das "Gesetz der Solidarität" lauten könnte: Je mehr Personen unsere Solidarität gilt, desto kürzer ist ihre Halbwertszeit? Dass ich also nicht hinnehmen mag, dass der Mensch nicht über die Fähigkeit verfügen sollte, zu erkennen: Wir sind keine Insel der Glückseligen, wir sind alle voneinander abhängig. Eine Wahrheit, die jeder Wald seit Jahrmillionen praktiziert und immer weiter verfeinert (wenn man ihn nur lässt), sollte ausgerechnet dem Menschen nicht zugänglich sein?

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Ein ausgezeichneter, nachdenklicher Text aus dem eine existentielle Betroffenheit und ein trotziger Pessimismus spricht.

Zum Ausdruck kommt die Fatalität der «naturalistischen Vernunft» in Humes anderem berühmten Diktum:

Es läuft der Vernunft nicht zuwider, wenn ich lieber die Zerstörung der ganzen Welt will, als einen Ritz an meinem Finger.

Das Verfolgen des Eigeninteresses und nicht des Gemeinwohls ist auch Ausdruck des neuzeitlichen (bürgerlichen) Individuums. Das keine Sünde mehr ist, also a-sozial, sondern zur Tugend erklärt wird, da letztlich kontraintuitiv pro-sozial. So hiess der Untertitel von Mandevilles «Bienenfabel» bekanntlich «Private Vices, Publick Benefits». Das Gemeinwohl emergiert durch die «unsichtbaren Hand», wie Humes Freund Adam Smith epochemachend und ganz im Geiste der Wahrscheinlichkeits­rechnung und späteren Spieltheorie schrieb.

Wegen dieser Abweichungen sind Handlungen Einzelner nicht besonders gut vorhersehbar. Das Verhalten von Massen ist es aber wohl.

Stark fand ich deshalb auch die Unterscheidung zwischen:

  • Exklusives Wir + Solidarität mit der eigenen Gruppe

  • Statistisches Wir + Solidarität mit der Mehrzahl

  • Inklusives Wir + «Solidarität mit der ganzen Menschheit»

Das exklusive Wir und damit auch die exklusive Solidarität bedarf einer Innen/Aussen-Unterscheidung, etwa in Form eines Freund/Feind-Schemas. Einer Identität «determinatio ex negativo». Wir sind die Negation «des Anderen».

Das statistische Wir reduziert das Individuum zu einem bloss statistischen Wert. Die Zahl ist nicht mehr Stellvertreter des Menschen, sondern der einzelne Mensch ist ein austauschbarer Stellvertreter der Zahl. Eine «lebende Münze», wie Klossowski schreibt, mit der ein Kalkül gemacht werden kann, in dem manche Wahrscheinlichkeitswerte als blosse Ausreisser oder als vernachlässigbar. Und die in der Bilanz ohne grosse Verluste herausgerechnet werden können. Das statistische Wir ist also eines ohne Solidarität oder wenn, dann mit einer der blossen Mehr-Zahl.

Gegen diese naturalistisch-egoistische und ökonomisch-instrumentelle Vernunft müssten wir erneut eine idealistisch-universalistische und praktisch-deontologische Vernunft stark machen, nach der wir, wie Kant es formulierte:

Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.

Erst recht bei der «nekropolitischen» Verfügung über den Tod. Denn wie Strassberg mit Tolstoi schön darlegte, ist ein Todesfall kein blosser Wahrscheinlichkeitswert, sondern für jedes Individuum eine daseinsmässige Notwendigkeit. Gleichzeitig aber auch eine Kontingenz, eine Absurdität, ein Undenkbares mit der wir mit einer existentiellen Dringlichkeit konfrontiert sind.

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Eigeninteresse und Gemeinwohl schliessen sich nicht aus, im Gegenteil, sie bedingen sich gegenseitig.

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Rentnerin
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Gut fand ich folgende Aussagen: «Solidarität appelliert immer an ein Wir, doch es gibt sehr unterschiedliche Arten, wir zu sagen. Wir Christen haben denselben Glauben, wir Sozial­demokraten haben dasselbe politische Ziel, wir Patrioten haben denselben Feind, wir Bauarbeiter haben dieselbe Aufgabe. Häufig konstituiert sich das Wir auch um eine Führerfigur, dann wird es besonders gefährlich: wir Freudianer, wir Stalinisten.»

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Genau bei diesem Absatz habe ich mit der Lektüre aufgehört (und nur noch die Kommentare überflogen). Ein generisches Maskulinum nach dem anderen. Und das in einem Artikel über Solidarität? ("Wir Sexisten kämpfen um den Machterhalt.")

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Genau, danke Even Meier: ich bin wirklich etwas erschüttert über die fast "nur" Männer-Begrifflichkeit. Nachdem wir in diesen Wochen noch und noch von ExpertEN überschüttet und eingeordnet werden. Wie es aber scheint, ist die Solidarität "unter uns", nein, es wird eben viel zu früh von "wir" und "uns" gesprochen (Zitat Ruth C.Cohn), die Solidarität zwischen zwischen frau und man eher noch wieder etwas zurückgebildet! Und: meine Erschütterung zeigt sich auf diesen Kommentarseiten, dass ich meinen eigenen Artikel (zwecks Korrektur und Ueberarbeitung) dreimal geladen und publiziert habe): exgüsi! Aber gut!, nein schlecht: "wohlmeinende Ideologen" sind für mich noch schlimmer. Gebt mir doch bitte einen echten Patriarchen, da weiss ich wenigstens, woran ich bin! und muss nicht noch "dankbar sein" für das angebotene Wir.

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Da haben Sie wohl einen alten Boomer erwischt...😉

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Ahhh, deswegen kam mir der Beitrag so leichtfüssig und angenehm zu lesen vor. Mal erfrischend NPC! Für mich mit ein Grund weshalb ich englische der deutschen Lektüre vorziehe. Da kann man sich der Ausdrucksvielfalt und sprachlichen Eleganz ohne holprige Stolpersteine erfreuen.
Zum Thema selbst: der Begriff "Solidarität" wird in diesen Zeiten ziemlich überstrapaziert. Es geht dabei immer um ein "wir" versus "denen". Solidarität beim "wir" hat oft auch einen Beigeschmack von Pflicht. Solidarität mit "denen" ist freiwillig, kommt aber oft moralingetränkt daher. Deshalb gehe ich eher ein mit den rationalen Egoisten und folge auch gerne dem Prinzip "sowas tut man" (oder "nicht").

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Eine Auseinandersetzung mit lebenserhaltenden Massnahmen gleich mit dem Ende der Solidarität zu verknüpfen finde ich fragwürdig.
Gerade wenn ich selbst eine Rolle spielen will, will ich gefragt werden, ob ich ggf an eine Beatmungsmaschine will oder nicht. Zumindest für mich war die Aufklärung horizonterweiternd, dass man zur Beatmung künstlich gelähmt und narkotisiert wird - da nehme ich lieber Morphium. Wie hoch ist die Überlebenswahrscheinlichkeit, würde ich bewusstlos an der Maschine hängen? Und wem würde ich die Entscheidung zumuten, wann abzustellen?
Wer einfach in den Tag hinein lebt und denkt, der Herr Doktor wird‘s nötigenfalls schon richten, nimmt keine Eigenverantwortung wahr. Ist Eigenverantwortung nicht ein Baustein zur Solidarität? Jeder ist verantwortlich für mein tun, sei es bezüglich Corona oder CO2-Emissionen. Ich sehe primär das Gift der Verblendung: Gerne wird ignoriert, dass man irgendwann sterben wird, und dass das eigene Tun die Virus-Verbreitung beeinflusst - und das Klima.

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Die aktuelle "Solidaritäts-Welle" hatte eigentlich sozusagen nichts mit "richtiger Solidarität" zu tun: nach der guten Aeusserung von L. M. unten, muss ich das nicht weiter ausführen. Die Corona-Solidaritäts-Welle (Hype) glich eher dem Märchen von "des Kaisers neue Kleider"; diese Erkenntnis war auch bei Euch irgendwo zu lesen und wurde in Kreisen von ü70-jährigen immer deutlicher: Und die farbigen "Kleider" (vielleicht sind es die sieben Schleier der Salome) haben da und dort wirklich das, was zwischen den Zeilen, hinter allem Klatschen und moralin-sauren pseudomitsorgenden Worten, Artikeln war und ist, verschleiert, nämlich: eben "die nackte Tatsache": dass die, wir! Alten uns bitte möglichst schnell selber entsorgen sollen. Selber versuche ich hin- bzw. wieder zurückzufinden zu meiner Soldidaritätsarbeit: nicht hektisch und auch nicht hypig-dramatisch gut und vernünftig zu mir und den Meinen zu schauen, Meine persönlichen z.T. hart erkämpften Krisen-Gene wieder zu pflegen, weiterzuentwickeln und neu zu entdecken. Dies, z.B. im Anschluss an das Gejammer vom ach so hoch-armen-Ludwig Hasler in der NZZ am Sonntag. Ehrlich (exgüsi): "derartige Typen" haben uns doch bereits im Nachgang zu 1968 grauenhaft auf den Nerv gegeben! Aber: siehe da: sie haben uns den Weg über Schock, Abwehr, Zorn, Aggression hin zur Karikatur, zum Lachen, dann auch zum Lachen über uns selber und... schliesslich auch zu einem Element innerhalb der neuen Frauenbewegung geführt. Diese Sorte Krisengen hoffe ich wieder zu finden und weiterzufliegen. Danke!

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So ist es.

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Sehr guter Artikel! Aber ich bin nicht sicher, ob in einigen Situation "rationelle Egoisten" nicht die "besseren" Menschen darstellen als "wohlmeinende Ideologen".

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Mitdenker
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Interessant, ausgerechnet Tolstoi, der begnadete Erzähler, der so gar nicht als moralische Instanz und Vorbild taugt.
Seine frauenverachtende Haltung ist mittlerweile einigermassen bekannt, aber wer sich intensiver mit der Kreutzersonate und Tolstois Kommentaren befasst, erfährt noch ganz anderes.
Sex sei nicht nur ausserhalb der Ehe sündhaft und das Aussterben der Menschheit christliche Bestimmung. 😉

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Leserin
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Er wird hier auch nicht als moralische Instanz vorgeführt.

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Mitdenker
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Das stimmt natürlich, trotzdem finde ich, Tolstoi als Referenz bezüglich Selbstverständnis und Tod zu verwenden, einigermassen problematisch.

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Herr Strassberg, ich rate Ihnen dringend mit Ihrem Kollegen Herrn Graf zu sprechen oder noch besser, das Buch seines letzten Interviewpartner Rutger Bregman "Im Grunde Gut" zu lesen! Einerseits um Ihre Stimmung zu verbessern, andererseits um zu verstehen, ein wahrer Rationalist glaubt an das Gute im Mensch. Herzliche Grüsse an Sie beide und ein herzliches Dankeschön an Herrn Graf für den besten Buchtipp seit Jahren!

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Danke für den Hinweis aufs Rutger Bregmans Buch „Im Grunde Gut“. Unglaublich inspirierend. Beim Lesen des Artikels habe ich oft an seine Ausführungen gedacht und mir überlegt, was Rutger Bergman wohl entgegnen würde.

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möglich-machen GmbH
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Im Text werden auf Erkenntnisse und Menschenbilder der letzten 300 Jahre Bezug genommen. Ausser acht gelassen wurde die Einsicht des 20. Jahrhunderts, dass es “global commons”, gemeinschaftliche Weltgüter, wie die Weltmeere, das Klima gibt. Diesen müssen wir als Weltgemeinschaft Sorge tragen. Wie zu den Menschenrechten. Kurz: die Ökologie lehrt uns die heute gültigen Parameter der Solidarität. Herr Strassberg blendet diese Entwicklung aus. Gibt‘s deshalb Fridays for Future?

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Strassbergs Antwort auf seine Frage, «weshalb wir uns mit Solidarität so schwertun, weshalb sie so kurzlebig ist», ist die hegemoniale Wirkmacht der naturalistisch-egoistischen und ökonomisch-instrumentellen Vernunft.

Solidarität mit der ganzen Menschheit wird so lange versagen, wie die naturalistische Vernunft noch Geltung hat, die den Einzelnen wie ein Gasmolekül behandelt. Oder mit anderen Worten: solange das Universale eine Zahl und keine Idee ist.

In der politischen Philosophie wurde die Frage gestellt: «What Do We Owe To the Distant Others?». Jan Narveson, Anhänger des libertären Anarcho-Kapitalismus und der Vertragstheorie (engl. contractualism), antwortete: «We Don’t Owe Them a Thing!».

Die Frage ist nun aber, wie wir ein inklusives Wir mit einer universalen Solidarität ohne Aussen realisieren könnten. Also auch ohne «Aliens» wie Ronald Reagan als Gedankenexperiment vorschlug oder Ozymandias im Graphic Novel «The Watchmen» verwirklichte. Strassberg weist auf folgende Voraussetzungen hin:

  • Die naturalistische Vernunft darf keine Geltung mehr haben.

  • Das Universale ist keine Zahl mehr, sondern eine Idee.

Also durch das, was wir «die idealistisch-universalistische und praktisch-deontologische Vernunft» nennen könnten. Doch gilt für diese weiterhin Strassbergs Gesetz?

Je mehr Personen unsere Solidarität gilt, desto kürzer ist ihre Halbwertszeit.

Wir schafften es von Wenige (exklusives Wir) zu Alle. Aber dieses Alle ist bloss eine abstrakte Zahl (statistisches Wir). Wie gelangen wir zu einem Alle, das eine verkörperte Idee ist, mit einer lebendigen Solidarität, in dem das Individuum Selbstzweck ist (inklusives Wir)?

Ein wichtiges Element wird sicherlich die Praxis sein, mit der eine alte Gewohnheit ent-lernt und eine neue Gewohnheit entworfen und gelernt wird. «Tugenden» aus der eine Hexis, ein Ethos oder ein Habitus entsteht.

Im Buddhismus, der ähnlich wie der chinesische Mohismus und der antike Stoizismus ein Universalismus anstrebte, gab es verschiedene «Techniken». Meditationspraxen, mit denen der Kreis der Solidarität ausgeweitet wird und gleichzeitig die gefühlte Empathie mit jedem einzelnen leidenden bzw. lebenden Wesen imaginativ eingefühlt wird.

Doch je weiter der Kreisumfang geht, desto kleiner sollte der Mittelpunkt, das Ego, werden. Bis zum Extrem von dessen Verschwinden, dem Nicht-Ich. Ist eine solche Praxis für unsere individualistische expressive Gesellschaft adaptierbar?

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Und dennoch liegt es im ureigensten Interesse des/der Einzelnen - als triebgesteuertes, nur im sozialen Verband (über)lebendes Tier - dass es seinem/ihrem Nächsten, den ArtgenossInnen gut geht. Kropotkin beschreibt das in "Die gegenseitige Hilfe" (Mutual Aid: A Factor of Evolution) und es lohnt ein Nachdenken darüber.
Alles kulturelle, zivilisatorische Bemühen ist letztlich auf das Wohlergehen aller ausgerichtet, mag es durch bestimmte gesellschaftliche Bedingungen auch noch so pervertiert sein. Überwinden wir diese Pervertierung in Solidarität!

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Ihr abschliessender Absatzt bereitet mir mühe und lässt ein unbehagen entstehen. Solidarität mit der gesamten Menschheit ist die eingentliche Solidarität aus humanistischer Sicht. Bezieht sie sich auf eine kleinere Gruppe von Menschen grenzt Sie automatisch auch aus.
Die naturalistische Vernunft lässt eine Solidarität unter menschen zu! Da die Natur uns definiert. Gerade wegen einer bestimmten anordnung von Molekülen unterscheiden wir uns als Menschen von anderen Lebewesen. Ich empfehle Michael S.-Salomon "Jenseits von gut und Böse" zu lesen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Ich habe «naturalistische Vernunft» aus Strassbergs Ausführungen i. S. einer «naturalistisch-egoistischen und ökonomisch-instrumentellen Vernunft» interpretiert. Ich glaube nicht, dass er leugnen würde, dass der Mensch ein Naturwesen ist. «Humanismus» stellt ja ebenfalls nicht bloss auf reine biologische Tatsachen ab, sondern stellt meist auch «ideale Werte» auf. Ich schaffte es leider nie «Jenseits von Gut und Böse» von Michael S.-Salomon zu lesen. Was schreibt er zum Thema «inklusives Wir» und «universale Solidarität»?

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... und wenn wir bedenken, dass alle offiziellen Massnahmen vom Anfang bis zum Schluss mit Statistiken begründet wurden, Statistiken zudem, die niemals transparent waren, geschweige denn ihre Auswertungen und Interpretationen ...

... wenn wir auch bedenken, dass selbst die REPUBLIK noch am 1. April vermeldete: "Gemäss Zahlen, (früher vom BAG, neu vom Kt.ZH), zählt die Schweiz heute mindestens 17’751 Infizierte. Am 23. März waren es erst rund 9000 – die Fallzahlen verdoppeln sich derzeit ..."; - neuerdings wird immerhin präzisiert "positiv auf Covid-19 getestete Personen." - und wenn wir grosszügig sein wollen, auch rückwirkend: "Bis Anfang April kamen täglich neue Fälle im vierstelligen Bereich dazu." - Es ist immer noch die Rede von "Verdoppelung von Fallzahlen in so und so vielen Tagen" ...

Statistik ad absurdum: Niemand hat(te) eine Ahnung (bestenfalls vagste Hochrechnungen), wieviele Menschen insgesamt infiziert waren oder sind. Die aufgeführten sogenannten "Fallzahlen" sind streng statistisch mehr von Testaktivitäten als von Infektionen abhängig. Wenn jemand an absoluten Zahlen interessiert (gewesen) wäre, hätten flächendeckende oder wenigstens 'repräsentative' Tests stattfinden müssen.

... wenn wir weiter bedenken, dass die heute fehlenden Beatmungsgeräte, auf die jetzt unter dem zynischen Etikett 'Solidarität' einzelne Personen ('mit abgelaufenem Datum') verzichten sollten, genau von den Kreisen, die dies heute fordern, in den letzten Jahren aktiv eingespart wurden ...

Ist es da überzogen zu folgern:
Die zuständigen Stellen haben sich von Anfang an nur um halbwegs vernünftig klingende Begründungen, basierend auf relativ unerheblichen Zahlen und hoch spekulativen Auswertungen, für ihre getroffenen oder zu treffenden 'generalstabsmässigen' Massnahmen gekümmert;

  • niemals wirklich um die betroffenen Menschen, denn sonst hätten sie viel mehr in gesundheitlich und sozial unterstützende Informationen und Massnahmen investiert, anstatt den Menschen nur Angst und Isolation zu verschreiben.

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Entwickler & Zivi
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Solidarität ist eine Entscheidung. Ich entscheide mich dafür, das «wir» so gross zu zeichnen wie möglich.

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Ja, die Gelehrten und ihre Weisheiten, sind fürwahr ein Genuss das Seelenheil am Leben zu erhalten. Danke.
Beim Thema Solidarität glühen unsere Hirn-Synapsen im Wettstreit zu Wahrheit.
Dem Individuum, Mensch gewährte die Natur etwas mehr Hirnmasse.
Fluch und Segen gleichermassen.
Etwas unwillig sind wir zur Solidarität verdammt:
„ Jeder Organismus und jedes Individuum dient ohne Ausnahme im Endeffekt nur als Energie Lieferant seinem Planten Erde“.
Die Solidarität der Souveräne wird in Politik und Medien derzeit lautstark orchestriert.
Die digitale Information zu erwiesener Gefährlichkeit des Knurrli-Virus, hatte den europäischen Kontinent anno Februar 2020 erreicht.
In Kalkulation der möglichen wirtschaftlichen Verluste versus Gesundheit obsiegte die Gewinn Maximierung.
Die Fehlkalkulation, „Solidarität zu Kapitalismus“, bezahlen nun 513,5 Mio. Europäer mit Freiheit Entzug.
Mein Respekt hält sich in Grenzen.
Selbst im Zeitalter der Sklavenhaltung, war es üblich, vor dem Verkauf den Gesundheitszustand zu prüfen.
Das Gastarbeiter Gewerbe des 21. Jahrhundert verzichtet scheinbar zu solch intelligenter Handlung.
Legal oder illegaler Aufenthalts-Status, wir Bürgerlichen möchten unserer Klientel bei der Gewinn Maximierung möglichst ungestört und unbestraft ihren Reichtum scheffeln lassen.
Im Lichte der derzeitigen CH-Wirtschaft Justiz Gebaren, scheint die Einhaltung Gesetzlicher Werte dem studierten Adel des 21. Jahrhunderts eher lästig.
Das ihr Ansehen komplett in der untersten Schublade verschwunden ist, wird nun winselnd beklagt.
Die Kapital Wirtschaft scheitert und kollidiert zu offensichtlich, regelmässig mit ihren Antipoden: Vernunft und Verstand.
Ein Gesellschaftlicher Evolutionsschub ist notwendig.
Europas 513,5 Mio. Bewohner wünschen Teilhabe und Mitbestimmung, während sich
die europäische Elite sich derweil eher um Sicherung ihrer Machterhaltung bemüht?
Das Rezept Xi Jinping, mit Sozialkredit-System in totaler Überwachung seine Schäfchen im Gleichschritt vegetieren zu lassen?
Oder Trampel Bello mediale Weisheiten, Me-first?
Egomanisten scheiterten stets. Die Zeit kennt keine Gnade…

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Informatik-Ingenieur und Ökonom
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"Das Gesetz der Solidarität könnte lauten: Je mehr Personen unsere Solidarität gilt, desto kürzer ist ihre Halbwertszeit."

Dahinter steckt eine tiefere spieltheoretische Weisheit: je grösser eine Gruppe wird, desto unwahrscheinlicher wird spontanes kooperatives Verhalten. Wenn man immer wieder auf die gleichen Leute trifft, dann handelt es sich bei der Interaktion um ein "repeated game" [1], was viel öfter zu solidarischem Verhalten führt als einmalige Interaktionen. Deshalb ist die Solidarität in einem Dorf oft grösser als in der "anonymen" Grosstadt und deshalb - und jetzt kommt die unbequeme Schlussfolgerung - untergräbt die Globalisierung und jede andere Öffnung von Grenzen auf subtile Weise die Solidarität zwischen den Menschen.

[1] https://en.wikipedia.org/wiki/Repeated_game

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Die "natürliche" kleinräumige Dorfsolidarität endete normalerweise an den Grenzen des Dorfes und wurde damit genau so wenig global wirksam wie die ebenso existente Stadtviertel-Solidarität in Grossstädten.
Neben der wirtschaftlichen Globalsisierung mit ihren teilweise fragwürdigen Auswirkungen verbreiteten sich mit der parallelen Globalisierung von Wissen, Kenntnissen, Begegnung (virtuell und real) aber auch globale Solidaritäts- und Aktionsformen wie FridaysForFuture, Crowdfunding- und Solidaritätsplattformen wie Avaaz und viele andere. Hier sehe ich eher einen Zuwachs an Solidarität durch Globalisierung und offene Grenzen, ein vernunftbezogenes Erwachsenwerden unserer "natürlichen" Grundsolidarität mit dem nächsten Umfeld aus Kinderzeiten.
Gleichzeitig huldigen ganze Gross-Nationen einer recht begrenzten "Dorf-Solidarität", wenn sie sich z.B. freudig hinter verlogenen Slogans wie "America first" oder "Lets take back control" und geschlossenen Grenzen selbst einsperren, dabei aber punktgenau in den eigenen Reihen diejenigen ausschliessen und "abhängen", die wirklich handfeste Solidarität nötig hätten.

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Mitdenker
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"Untergräbt... jede ... Öffnung von Grenzen...die Solidarität zwischen den Menschen"

Das kann doch nicht wirklich Ihr Ernst sein?

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So lange jeden Tag 4 Mio. Leute sich entscheiden lieber mit dem Auto zu fahren statt mit dem Velo, obschon sie dabei unsere Kinder vergiften, habe ich Mühe an Solidarität zu glauben.

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Markus Fäh
Psychoanalytiker, Zürich
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Lieber Dani, ich bin mit Deinen Überlegungen weitgehend einverstanden! Unglücklich finde ich, Freudianer und Stalinisten in einem Atemzug nennen.

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Herr Strasser, schlafen sie schlecht? Vielleicht, weil sie jetzt in der Corona Krise an ihre eigene Verletzlichkeit heran kommen. Vielleicht weil ihnen klar wird, dass sie nicht darum herum kommen werden, nicht jetzt, klar, nicht mit Corona und schon gar nicht im Getöse der Nutzethik der dampfwalzenartigen Polit"grössen", das jedem Menschen, der sich als solcher versteht, die Eingeweide zusammen zieht, ob sie wirklich das Gesundheitssystem rufen wollen, wenn es um ihr ureigenstes individuelles Sterben geht.
Reden wir doch zukünftig über diese menschliche Selbstverständlichkeit, wie über Fussball...
Die Nutzethikerinnen und ihre Entourage könnten abdanken..
Corona ist verdammt real, stand glaub ich in dieser Zeitung. Die Krise ist verdammt real und sie ist existentiell. Halten wir uns bitte an Akteure, die etwas dazu beiträgen können, wie wir auf den verschiedensten Ebenen durch diese Tage gehen. Dazu gehören die Referenzpersonen dieses Beitrags nicht.

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Wer wäre das denn?

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Der Beitrag springt zwischen Einstieg, wo es um den Solidaritätsenkeltrick geht , der durch die menschnverachtende Handlung von eindeutig einer politischen Richtung angehörenden Menschen entlarvt wird, über Menschenbilder aus dem 18.Jh. bis zur Koppelung des Begriffes Solidarität , an ein Wir-Gefühl zu Tolstoi und dem "Tod von Iwan Iljitsch bis zum Schluss, wo der Mensch kein Gasmolekül ist und die Solidarität doch universal werden soll.
Da drin müsste ich zuerst ein bisschen wissen, worum es eigentlich geht. Dieses Drucheinander beim gesellschaftlichen und politischen Ringen um das Gleichgewicht von Schutz der Gesundheit und Vitalität der Gesellschaft (Wirtschaft, Erhalt der Sozialsysteme, Schulen, Kultur,soziale Kontakte, Bewegung etc etc.) vor allem jetzt, wo es darum geht sich auf ein monatelanges Ringen einzustellen empört mich.
Ich habe mich bei meiner Reaktion auf das Sterben bezogen, in Beziehung zum Alter und zum Gesundheitssystem.
Die Corona Zeit zeichnet sich durch eine "Übersterblichkeit" (auch ein statistischer Begriff), bei den Alten ab. Die Diskussion spitzt spitzt sich in dieser Krisenlage zu, weil wir generell nicht über das Sterben im Zusammenhang mit dem Gesundheitswesen und dem Alter reden (dürfen) . Refferenzpersonen für diese Thematik finden sie zu Hauf bei Expertinnen/Experten: bei den Palliativmedizinerinnen, Altersethikerinnen und zum Beispiel bei „Über das Sterben“ von Gian Domenico Borasio, einem Mediziner.

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