Dialog

Beiträge zu «Awokeness»



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Ich als selbst Betroffene*r möchte hier anmerken, dass es sich wundervoll, wohlig warm und heilsam anfühlt, endlich und immer öfter sprachlich angesprochen, gesehen und anerkannt zu werden.
Es geht doch hier nicht um theoretisches toll - oder mühsam- Finden von Sprachregeln, sondern darum, Menschen ihre Existenz und ihr gleichberechtigtes Dasein zuzusprechen. Ich habe viiiiiel mehr Mühe damit, weiterhin Grammatik und unreflektierte Sprachgewohnheiten über das Anerkennen von bisher ignorierten Minderheiten zu stellen, als mich halt an ein paar wenige neue Satzzeichen oder Wendungen zu gewöhnen. Bei den Betroffenen bewirkt das sooo viel, ist das nicht die "Mühe" wert? Und warum reichen die Gefühle (und die schwierigen Lebensgeschichten) der Betroffenen nicht als "Argument" zur Legitimation solcher neuer Errungenschaften der Inklusion und Gleichberechtigung? Warum Theorien konstruieren? Um fehlende Empathie zu kompensieren?

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Ich stimme Ihnen zu, dass es wohl tut, angesprochen zu sein.

Gleichzeitig ist z.B. das * kein barrierefreies Zeichen (Vorleseprogramme lesen es als 'Stern' mitten im Wort vor; Menschen im Autismuspektrum werden im Lesefluss so stark gestört, dass Texte für sie unlesbar werden [als ass-diagnostizierte ist das auch meine eigene erfahrung]), d.h. die Inklusion ist da begrenzt.

Genau aus diesem Grund finde ich es wichtig, dass das Thema auch theoretisch beleuchtet und durchdacht wird - denn praktische Werkzeuge von Inklusion und Gleichberechtigung sollten doch möglichst keine neuen Grenzen ziehen.

Ganz persönlich bin ich der Überzeugung, dass Menschen sich gegenseitig so behandeln sollten, wie sie selber behandelt werden wollen: menschlich und respektvoll; das schliesst den achtsamen Gebrauch von Sprache ein.

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Ah ok, danke für den Hinweis! Stimmt, dauernd "stern" im Text vorgelesen zu bekommen, ist wohl eher irritierend als inklusiv :-) Ich finde, die Republik beispielsweise macht das eh schon super mit Abwechseln von weiblichen/männlichen Formen, und ab und zu mal ein Stern. ich persönlich finde ja, wir müssen uns gar nicht auf EINE Variante festlegen. Ob Stern, gap, Doppelpunkt oder abwechseln, Hauptsache es ist ersichtlich, dass sich da wer Gedanken macht und alle/ möglichst viele Geschlechter anspricht. Liebe Grüsse!

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Liebe Frau B., dann ist wohl auch der Doppelpunkt für eine bestimmte Gruppe von Menschen sehr irritierend?

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Hier ist ein Poetryslam-Beitrag von Thomas Kronschläger, einem Germanisten:

  • Grundform bilden (Raucher, Raucherin -> Rauch)

  • Singular: y anhängen (das Rauchy)

  • Plural: s ahnängen (die Rauchys).

lässt sich super sprechen.

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Tomas Bächli
freier Mitarbeiter
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Könnten wir alte weisse Männer dem neuen Sprachbeswusstsein nicht mit mehr Gelassenheit und Humor begegnen? Es ist ja nicht die immer wieder beschworene (und vorgeschobene) Arbeiterklasse, die gegen den Sprachwandel Sturm läuft, es sind ja vorallem die Grossintellektuellen beiderlei Geschlechts, die darüber jammern, dass sie ihre eingeschliffenen Formulierungen revidieren müssen. Gibt Schlimmeres, find ich.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Gelassenheit und Humor. Und damit auch Kreativität und Spiel. Sinn für das Poetische der Sprache – und des Lebens!

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die Grossintellektuellen

Schön gesagt!

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Mehr Gelassenheit, finde ich auch, Thomas Bächli, dazu gleich mehr.
Zuerst aber herzlichen Dank an Herrn Strassberg, dem vom dritten Absatz zum letzten ein wahrer Meister-Weitsprung gelungen ist, durchaus vergleichbar mit dem damals unglaublichen Weltrekord auf 8,90m von Bob Beamon 1968.
Gelassenheit, puh! Wir haben am Wochenende im Mellingen Historisches geschafft! Seit Jahrhunderten fest in Männerhand, haben es gleich zwei Frauen an die Spitze des Stadtrates geschafft. Frau Gemeindeammann und Frau Vize-Gemeindeammann ist die korrekte Schreibe, auch für mich nachvollziehbar, denn eine «Gemeindeamme» gehört in die Geburtenabteilung und Schwiizerdütsch «Gmeindamme» ist klar männlich besetzt.
Probleme bekomme ich aber, mit der Formulierung (mit etwas Hintergrundwissen in Sachen Redewendungen): ich hätte mit meiner Wahl auf die richtigen Pferde gesetzt. Pferd zwar sächlich, ist aber in Anlehnung an «der Gaul» halt doch männlich besetzt. Ich hätte auf die richtigen Stuten gesetzt, geht natürlich genau so wenig wie Pferd:innen.
«Gibt Schlimmeres», finde ich auch Herr Bächli, sie meinen aber nicht etwa die vernachlässigbaren Coronaviren oder gar der herbeigeredete Klimawandel, oder?? ODER??
PS zu den Stadtratswahlen:
Die beiden Kontrahenten haben sich gleich selbst aus dem Rennen genommen: Der eine möchte zum Thema Stadtentwicklung nach der Fertigstellung der Umfahrung die alte, marode Stahlbrücke durch eine Rekonstruktion der 1927/28 abgebrochenen Holzbrücke ersetzen, der andere das Hallenbad statt sanieren, am liebsten in die Luft sprengen.

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Gut gebrüllt, Löwe! Oder zitier ich da einen allzu alten weissen Mann, der dies einem noch weit viel älteren in den Mund legte? Mmh, darf man sicher weiterhin, Humor und Gelassenheit sind da wohl gegeben.

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Finde ich auch. Ich habe etwas Verständnis dafür wenn jemand die Veränderung verschlafen hat und jetzt manchmal etwas unfreundlich geweckt wird und das nicht immer toll findet. Aber die Gegenbewegung befasst sich so stark mit dem Thema und mit kleinsten Anfängen von neuen Bewegungen, dass ich kein Verständnis für eine allzu heftige contra-Meinung habe.

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Kritiker
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Wer so gut über die kaiserlichen Prüfungen des alten China Bescheid weiss wie Herr Strassberg, weiss auch, dass es dort keinen Platz für Lehrerinnen, Verwalterinnen und Richterinnen gab. An diesem historischen Sachbestand ändert sich nicht das Geringste, wenn man jetzt sprachlich so tut, als wäre das anders gewesen. Dafür steht da jetzt eine durch Sprache gesetzte, kontrafaktische Behauptung, die ihrerseits nach einer Korrektur verlangt.
Ich habe nichts gegen ein sprachliches Bewusstsein einzuwenden, das alte Gewohnheiten entstaubt, aber sehr wohl etwas gegen sprachliche Neuerungen, die der Sprache Gewalt antun und zulasten des klaren Ausdrucks gehen, und heutige Empfindlichkeiten wenn möglich noch in eine Vergangenheit hineinpressen, die andere Empfindlichkeiten pflegte.
Und mit Verlaub gesagt: Der Begriff Awokeness wird nie Teil meines Sprachschatzes werden. Der ist und bleibt im Deutschen ein Fremdkörper wie all die englischen Fachbegriffe aus dem Computer-Jargon, die manche Texte verunzieren. Nach wie vor muss es allen Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft ein Anliegen sein, sich so klar wie irgend möglich mitzuteilen. Das ist ein ebenso dringliches Anliegen wie der angestrengte Versuch, gesellschaftliche Machtverhältnisse durch sprachliche Willkür zu ändern.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Der Begriff Awokeness wird nie Teil meines Sprachschatzes werden. Der ist und bleibt im Deutschen ein Fremdkörper wie all die englischen Fachbegriffe aus dem Computer-Jargon, die manche Texte verunzieren.

Mit Verlaub, das heisst Rechner-Fachsprache! Das englisch-französische Kompositum verhunzt, ich meine «verunziert» die reine deutsche Sprache.

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Hab Ihnen zugestimmt, Herr Rebora, und hab jetzt aber doch noch das Bedürfnis, dies auch verbal auszudrücken: Applaus!
Wobei, vielleicht müsst ich mich auf «Beifall» beschränken, das nicht vom lateinischen «applaudere» (etwas an etwas schlagen) abstammt.

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Nach wie vor muss es allen Mitgliedern einer Sprachgemeinschaft ein Anliegen sein, sich so klar wie irgend möglich mitzuteilen.

Das ist aber eine steile These, dass der Verzicht auf Anglizismen der Klarheit im Ausdruck dient. Für viele Konzepte gibt es heutzutage schlicht keine guten deutschen Übersetzung.

(Bei Awokeness bin ich aber bei Ihnen, das Wort habe ich vorher noch nie gehört und es scheint mir eine sehr sehr unübliche Version des Wortes "Wokeness")

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Danke für Ihren Text. Ich bin eine nichtsoalte weisse Frau. Und auch ich falle manchmal aus der Welt, und kann mich dann entscheiden bleibe ich draussen oder gehe ich wieder rein als Gast, setze mich hinzu, lausche und lerne, wie man es besser oder vielleicht einfach anders machen könnte.
Dieses "Wieder Reingehen" ist vielleicht einfach ein Prozess des Älterwerdens, die Welt verändert sich (nicht nur durch Awokeness), wir sind gefordert immer wieder zu lernen, zuzuhören und uns anzupassen. Das fühlt sich manchmal wie Abschied an, meist aber ist es eine Bereicherung. Eine neue Generation kommt und die wird unsere Welt nicht bewundern und verstehen, sondern umbauen, ich hoffe und glaube zum Besseren!

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Super Artikel, vielen Dank dafür!
Bisher habe ich noch nie eine so klare und konzise Argumentation gelesen, die unseren Wandel und dessen Notwendigkeit so klar und rational (statt emotional/moralisch) analysiert und generell (statt kultur-spezifisch) anwendbar ist. Vielen, vielen Dank!
Ich wäre für eine Englische Übersetzung zum teilen immens dankbar!

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Wenn es – wie heutzutage in amerikanischen Talk-Shows bereits üblich – salonfähig wird, Menschen mit einem abschätzigen "white old man" zu diskreditieren, dann geht es nicht um Inklusion sondern um die gute alte Macht.

Die Europäische Kommission hat sehr gute und praktische Guidelines for Inclusive Communication herausgegeben, welche die Grundprinzipien inklusiver Kommunikation erläutern und mit praktischen Beispielen illustrieren. Leider musste das Dokument nach einem Aufschrei militanter Christen wieder zurückgezogen werden, ist aber immer noch im Internet auffindbar.

In dem Dokument kommen auch Aspekte zur Sprache, die normalerweise weniger prominent sind in Inklusionsdiskussionen.

Zum Beispiel das Prinzip, bei der Kommunikation die Person, und nicht eines ihrer Attribute in den Vordergrund zu stellen:
Eine Person mit einer Behinderung ist eine ganz normale Person, mit einer Behinderung, und nicht eine "behinderte Person" oder gar eine "Behinderte". Herr Müller ist denn auch nicht behindert, er hat lediglich eine Behinderung.

Und Umschreibungen sollten neutral sein: Frau Meier leidet nämlich nicht an Trisomie 21 oder einer geistigen Behinderung, sie hat lediglich eine solche. Und ihr Vater ist nicht an den Rollstuhl gefesselt, noch ist er grundsätzlich "im Rollstuhl", er benutzt nur einen solchen.

Und ältere Leute gehören als solche nicht zu einer homogenen Gruppe, weshalb nicht eine Gruppenbezeichnung im Vordergrund stehen sollte, wie bei den Ausdrücken "alte Leute", oder beim im Englischen üblichen "the elderly", sondern eben die Person/en, wie bei der Bezeichnung "eine ältere Person", oder "ältere Personen".

Und das gilt auch für white old men...

Statt um die gute alte Macht, sollte es um Respekt und Rücksichtnahme im Umgang miteinander gehen. Das obige Kommissions-Dokument ist ein Beispiel dafür, dass es ja durchaus ehrliche in diese Richtung gehende Bemühungen gibt.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Immer wieder schön, die unerkannte Ironie der Geschichte zu sehen, wenn nun plötzlich, jetzt, wenn es um ihre eigene Bezeichnung geht, Inklusivität, PC, Gewaltfreie Kommunikation usw. ALLERhöchste Dringlichkeit erhalten, während sie zuvor, als die diskriminierenden Bezeichnungen ja bloss «die Anderen», unwichtigen Minderheiten betraf, als irrelevanter Quatsch von links-versifften Utopist:innen und unpragmatisch-idealistischen Pazifist:innen abgetan worden sind. Tja 🤷🏻‍♂️

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Autsch, das ist jetzt aber ein persönlicher Angriff, der mir, bloss aufgrund meiner Herkunft und meines Alters unterstellt, ich hätte mich um den Kampf gegen Diskriminierung foutiert, oder kein Verständnis für Diskriminierung.

Der weisse Truck-Driver, der vor rund 25 Jahren auf einem amerikanischen Highway versucht hat, meine Frau, mich, und unser Baby umzubringen, bloss weil wir ein – damals in den USA noch sehr unübliches – sogenanntes "gemischtrassiges / black-white" Paar waren (und immer noch sind, trotz allen Widrigkeiten), würde sich über ihren Beitrag freuen. Der Drang, andere runterzumachen auf Grund ihrer Herkunft oder anderen Attributen scheint nicht in Gefahr zu sein, auszusterben. Dass aber ausgerechnet ein Republik "Ratsmitglied" dazu beiträgt, ist der Republik nicht würdig.

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Die ersten Sätze in meinem Lateinbuch malten eine Szene aus dem alten Rom: Puella cantat. Domina vocat. Serva gallinas numerat. Das Mädchen singt. Die Herrin ruft. Die Sklavin zählt die Hühner.
Heute streamt Spotify die Boygroup. Das Kinderschutz Programm filtert die Website der Domina raus. Und der Futterautomat zählt die Hühner, weil Sklavinnen nicht mehr woke sind.
Bitte, alte Leute bleiben wir locker. Die soziale Praxis ändert sich und wir ändern uns mit ihr. Servus ;-)

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Sprachliche Endlösungen sind Moden unterworfen.

Nur der Ausdruck «Endlösung» nicht.

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Lustig, aber hier kommt schon die Sprachpolizei angetrabt: «Endlösung» ist im deutschen Sprachraum ein (starker) Euphemismus für den Genozid an den (europäischen) Juden. Er wirkt, Ihren Beitrag einleitend, deplaziert (und sicher ungewollt).

Ich wäre Ihnen verbunden, wenn Sie den Begriff austauschen.

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Ich liess den kleinen Ballon absichtlich steigen und war gespannt, ob in der REPUBLIK eine unerwartete Reaktion käme.
Kann ja noch werden.

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Den Begriff lese/höre ich aber noch häufiger, insbesondere in bilingualen Umfelden, wo man schnell mal final solution damit übersetzt.
Kennen Sie eine gute Alternative? Vielleicht nicht finale Lösung, das klingt nach google translator.

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Daniel Reichenbach
Filmer, Fotograf
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Sie sprechen mir aus dem Herzen. Meinem Alter und meiner Hautfarbe entsprechend gelte ich jetzt auch als alter, weisser Mann. Damit lande ich also in der selben Diskriminisierungs-Schublade, aus der sich die nachfolgende Generation per Semantik gerade befreien will. Ich bezweifle, ob das klappt. Beispiel: Seit fast 40 Jahren unterstütze ich die sprachliche Gleichberechtigung mit dem damals von der WOZ eingeführten Binnen-I. Was hat‘s gebracht? Noch immer kämpfen Frauen um gleichen Lohn, noch immer führen wir endlose Diskussionen über Diskriminierung und Ungleichheit.

Nun folgen neue Rezepturen: Soll ich mich also an den Binnenstrich oder den Binnendoppelpunkt oder was auch immer gewöhnen? Ehrlich gesagt, habe ich den Überblick verloren, wem ich mit welchen neuen Sprachregelungen grad was Gutes tun kann. Klar: Sprache gilt als eine von vielen HoffnungsträgerInnen, um aus dieser Welt allenfalls eine bessere machen.

Hey: Wenn es denn klar ist, was gelten soll, mache ich gerne mit. Schliesslich stirbt die Hoffnung zuletzt. Auch die von alten, weissen Männern.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Naja, als Olympe de Gouges die Erklärung der Rechte der Frau und Bürgerin verfasste, zählten wir 1791 im Jahre des Herrn. Es dauerte dann 180 Jahre bis den Frauen der Schweiz 1971 von den Männern das Wahlrecht zugesprochen worden ist. Ja, mit 1990 Jahre des Herrn dauerte es gar fast 200 Jahre in Appenzell Innerrhoden.

Was hat‘s gebracht? Noch immer kämpfen Frauen um gleichen Lohn, noch immer führen wir endlose Diskussionen über Diskriminierung und Ungleichheit.

Also hätten sie gleich auf ihren Kampf um Gleichberechtigung verzichten sollen!

–> Nirvana-Fehlschluss (engl. nirvana fallacy), auch Trugschluss der perfekten Lösung genannt.

Man(n) kann die neue Unübersichtlichkeit, die so neu nicht ist, auch als Offenheit betrachten, welche die Möglichkeiten der Sprache, auch die poetischen, wieder er-öffnet. Als poetisch-politisches Spiel – von dem man(n) aber auch prosaisch-unpolitisch im Abseits stehen kann.

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Geht mir ähnlich, mit dem WOZ-generierten Binnen-I. Kam halt von links, hat somit das restliche politische Spektrum gegen sich. Selbst von weiter oben verordnete Sprachreformen setzen sich nicht durch – und schon gar keine Bewusstseinsveränderungen um. Hilflose Wortschöpfungen wie zum Beispiel «Schlauchapfel» halten höchstens so lange, wie «Banane» als undeutsch oder zu wenig völkisch oder wegen weiss ich was verboten wurde – also nicht mal tausend Jahre, auch wenn dies von den Nazis angestrebt wurde. Veränderungen im Alltag? Zero. Höchstens durch Verbote bzw. entsprechende Strafen. Aber dafür braucht es wohl eine Diktatur. Womit man in Bezug auf «:» oder «-» oder «I» oder «*» bereits beim Verhältnisblödsinn gelandet wären. Wohl auch bezüglich «iel», der französischen Neuschöpfung zwischen «il» und «elle».

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Danke für den sehr guten Beitrag. Umberto Eco hat in seinem Buch Die Suche nach der perfekten Sprache sehr schön dargestellt, wie Sprache unsere Wahrnehmung, Interpretation und Emotion bestimmt. Veränderungen in der Gesellschaft gehen mit Veränderungen in der Sprache einher, und befeuern oder behindern sich darin gegenseitig. Ob wir Veränderungen gegenüber aufgeschlossen sind oder ablehnen, uns in diesen aktiv beteiligen oder passiv sind - wir sind als Teil der Gesellschaft Teil dieser sprachlichen Veränderungen. Egal welchen Alters: die Welt ändert sich, Gesellschaften ändern sich, Sprache ändert sich. Die Zustände in dieser Entwicklung sind nicht immer perfekt, sie sind in Entwicklung - im Prozess des gesellschaftlichen Aushandelns. Statt mich über sprachliche Änderungen aufzuregen beteilige ich mich lieber im gesellschaftlichen Diskurs in deren Weiterentwicklung. ...und freue mich über solch schöne Beiträge wie Ihren hier.

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Musikerin & Autorin
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Interessant finde ich auch, dass sich manche ja schon davon angegriffen fühlen, wenn andere in ihren Texten gendern. Dass das bereits als die Verkündung eines Gesetzes gesehen wird, obwohl sie selber problemlos weiter ungegendert schreiben könnten. Sprich: Es geht vermutlich darum, dass es die alten weissen Herren schmerzt, dass sie die Macht verloren haben, allen vorzuschreiben, was sie tun müssen. Anders als Herr Strassberg merken aber die meisten, die da nun so jammern, glaub gar nicht, wo es ihnen wehtut und meinen stattdessen, sie wären die Retter der "schönen" Sprache.

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Junger Mensch
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Nun, ordentliche Rechtschreibung ist die Basis für eine gelungene Kommunikation. So funktioniert Sprache. Wenn jeder machen würde, was er will, so hätten wir immer noch ein riesiges Chaos und somit höhere Hürden für Menschen, die unsere Sprache erlernen wollen.

Man kann Gendern übrigens auch ablehnen, weil man die dahinterstehende Ideologie ablehnt.

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Wenn eine einheitliche Rechtschreibung und Grammatik so essenziell für die Kommunikation wären, dann müsste Mundart ja zur Kommunikation denkbar ungeeignet sein. Viele Leute sehen das aber anscheinend ganz anders. Interesse am Gegenüber und dem was er/sie zu sagen hat und vielleicht noch eine interessante eigene Idee, die zu kommunizieren es sich lohnt, sind vielleicht noch wichtiger für eine gelungene Kommunikation.

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Musikerin & Autorin
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Kann man schon. Die Frage ist nur: Wer nimmt sich heraus, den anderen vorzuschreiben, nach welchen Gesichtspunkten diese ihre Texte gestalten? Wäre es nicht vielleicht erspriesslicher, Sie würden halt so schreiben, wie Sie es für richtig halten und anderen das auch zugestehen ohne gerade die Ideologiekeule auszupacken?
Übrigens: Viele grosse Werke deutscher Dichtkunst sind entstanden, bevor es eine einheitliche Rechtschreibung gab. Und Sprachen mit weniger formellen Regeln dürften generell eher leichter zu erlernen sein.

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Als mir mal Jemand sagte, dass nur der/die Empfänger:in einer Aussage/Handlung, diese als verletzend oder herabsetzend empfinden kann und niemals der/die Sender:in darüber urteilen kann, ob sie das ist oder nicht, ist bei mir definitiv der Groschen gefallen, dass es notwendig ist, mich und mein Vokabular ständig zu reflektieren. Schliesslich bin ich empathisch und flexibel genug, gewisse Begriffe aus meinem Vokabular streichen zu können bzw. habe ich noch genügend Kapazität, neue zu erlernen.

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Junger Mensch
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Ja, das stimmt natürlich grundsätzlich. Aber: es darf nicht so weit kommen, dass man "nichts" mehr sagen kann, nur weil sich jemand dadurch verletzt fühlt. Sonst gibts nämlich einen Zirkelschluss, der auch für Ihre Position unhaltbar ist: Was soll geschehen, wenn ich mich von der Nutzung von :, * etc verletzt fühle?

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Ich kann Ihnen zu diesem Thema den Podcast „Gewaltfreie Kommunikation - Persönlichkeitsentwicklung mit Markus Fischer“ sehr empfehlen. Er betont immer wieder und für mich nachvollziehbar, dass es in aller Regel weniger auf die Worte ankommt, die man benutzt, sondern die eigene Haltung entscheidend ist.

Im Internet habe ich den Artikel Dialog statt Sprachhygiene von Markus Fischer entdeckt. Darin schreibt er:

Auch die pluralistische Hoffnung, emotionale Verletzungen durch Sprache zu vermeiden, ist zum Scheitern verurteilt. Emotionen sind subjektiv, kontextabhängig und vor allem „selbstgemacht“. Gefühle entstehen durch die subjektive Bewertung von Reizen durch unseren Organismus. Diese Bewertung kann sich ändern und ist individuell unterschiedlich. „Du Opfer“ kann eine böse Beleidigung oder ein jugendlicher Gruß sein, das hängt von den Umständen und der Bewertung ab.

Es gibt keine emotional sicheren, „nicht-verletzenden“ Worte. Eine pluralistisch verunsicherte Sprachhygiene projiziert eigene Ängste und Unsicherheit nach außen, macht andere für die eigenen Gefühle verantwortlich und fordert dann „sichere Worte“, um sich selbst zu schützen. Diese Sicherheit ist illusorisch. Eine (egozentrische) Haltung, die verletzen möchte, wird dies mit oder ohne Worte erreichen. Auch aus einer wohlwollenden Intention heraus kann man unabsichtlich verletzen. Dann bleibt nur, als Zeichen aufrichtiger Empathie, um Entschuldigung zu bitten.

Eigentlich unnötig zu betonen, dass dies keine Entschuldigung für bewusst verletzendes oder kriminelles Verhalten ist. Wir können und sollten die schlimmsten sprachlichen Auswüchse gesetzlich regeln, aber dies müssen begründete Ausnahmen bleiben. Die Kommentare in den Social-Media-Kanälen sind voll von herabwürdigenden und rassistischen Äußerungen. Diesen wird man auch nicht durch das Vorschreiben einer politisch korrekten Sprache Herr (Frau auch nicht ;o). Hier helfen wohl nur eine gute Kinderstube, Bildung und, wo das versagt hat, die Justiz.

Die integrierende Haltung in der Diskussion um die Sprachhygiene ist sehr viel wichtiger als die Frage, ob „Sprache Bewusstsein schafft“ oder umgekehrt. Der Streit um Sprachregeln muss in einem freien Klima erfolgen. Mitgefühl, Liebe und Toleranz haben sich noch nie durch Verbote oder Regeln verordnen lassen. Wir können lernen, mehr Verantwortung zu übernehmen, mehr Empathie zu entwickeln und unser Mensch-Sein besser zu verstehen. Und das zu leben, worum es bei der „Sprachhygiene“ ja gehen soll: Um die Menschlichkeit, die uns alle verbindet.

Vielleicht können Sie ja damit was anfangen.

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...ich kanns nicht selber erklären, aber empfehle an dieser Stelle das Buch "Why we matter - das Ende der Unterdrückung" von Emilia Roig. Sie beschreibt und erklärt dort unglaublich klar und verständlich viele Mechanismen der Unterdrückung und legt beispielsweise dar, warum es keinen "umgekehrten Rassismus" gibt. Das würde nach meinem Verständnis auch Ihre, pardon, absurde Frage beantworten.

... fühlen Sie sich denn von Gendersternen, - gaps etc. verletzt, und wenn ja, warum?

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Liebe(r) Anonym 7
Das Vermeiden bestimmter Begriffe ist bei mir die Konsequenz aus der Hinterfragung/Ablehnung gesellschaftlich verankerter (und somit auch auf mich übertragene)
Denk- und Handlungsmuster und beruht u.a. auf Einsicht und dem Versuch, mich in andere Menschen einzufühlen. Für mich ist das ein durchaus gewollter und zuweilen äusserst spannender Prozess und ich fühle mich dabei keineswegs eingeschränkt oder benachteiligt. Dieses etwas trotzige Gefühl von „man darf heute ja gar nichts mehr sagen“ sollte nicht entstehen, wenn man sich bewusst ist, dass man und vorallem warum man mit einer Aussage verletzend sein kann.

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Leserin
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Ein Grund mehr, eine einzelne Person anzusprechen, statt grosse Menschengruppen. Wertschätzung kommt dann überzeugender zur Geltung.

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Darf die Frage, ob der Weg der richtige ist, gestellt werden? Wäre eine Entwicklung weg von der permanenten Unterscheidung der Geschlechter, zu einer neutralen Sprache, nicht viel angenehmer, eleganter und diverser?
Siehe Artikel im Magazin von Nele Pollatschek vom 22. Mai 21

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Ja klar, unbedingt, find ich auch! (Geschlechtsneutral statt möglichst viele nennen) ... Aber das Ding ist, bis mal in allen (naja, oder möglichst vielen) Köpfen angekommen ist, dass es noch was anderes als männlich und ausserdem mehr als zwei Geschlechter gibt, dass ein Junge auch Hausmann und ein Mädchen auch Pilotin werden kann, müssen wir da wohl durch und die Diversität sichtbar machen. Sonst denken beim neutralen "Kita-Personal" wieder alle nur an Frauen und bei "Fussball-WM" an Männer. Das ist meine Theorie, ha, jetzt hab ich doch auch eine :-D

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Junger Mensch
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Wie Herr Pieren korrekt in den Raum stellt, könnte das das Ziel sein. Dass jetzt mit voller Kraft in die Gegenrichtung gefahren wird, nämlich jede noch so kleine (irrelevante?) Unterscheidung zwanghaft in alle Texte einzuarbeiten, nur um dann alles wieder abzuschaffen, ist doch reichlich umständlich und wohl auch kontraproduktiv.

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Wenn von alten weissen Männern die Rede ist, die sich gegen das Gendern wehren, sind alte weisse Frauen implizit immer mitgemeint aber fast nie genannt.

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Jede Umwälzung kündet sich in der Schreibweise an. Diese Wahrheit hat Golo Mann aus seinen Erfahrungen in Deutschlamd festgehalten:Er meinte damit: Die Form geht dem Inhalt voraus. Leidtragend dabei ist immer die Ästhetik der Sprache, die als politisch rechts bezeichnet wird. Marguerite Yourcenar mag dabei als Beispieldienen. Als "première dame de l'académie française" wurde sie wegen ihres meisterlichen Stils von der Linke angegreiffen: Gekonnt schreiben ist politisch verdächtig.
Dies ist der eigentliche Inhalt des vorliegenden Textes und gleichzeitig eine Verteidigungsschrift für die unästhetische Gender-Schreibweise der Republik. Ideologisch verdächtig war aber auch schon immer, wer sich mit Geschmackslosigkeiten anbiederte. Diese wären im Zusammenhang mit Geschlechtergerechtigkeit (um die es eigentlich ginge) völlig überflüssig. Die Troubadours knieten vor dem weiblichen Geschlecht auch nieder, aber sie sangen dazu wenigstens formvollendete Lieder.
Die Republik zieht ihre Verdienste aus gut ausgeleuchteten Texten und verdirbt diese durch eine modisch-störende Schreibweise. Deshalb muss ich als Abonnent wählen: Ich sehe nicht ein, warum ich für guten Inhalt eine hässliche Schreibweise in Kauf nehmen muss, und verzichte deshalb auf die Fortführung meines Abonnentes.

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Ihr Beitrag, Herr K., verwirrrt mich etwas. Ich meine, die Republik macht es mit der Sprache recht gut, indem männliche und weibliche Formen abechslungsweise benutzt werden. Ich bin froh, dass die verschiedenen gendergerechten Formulierungen wie *in, -Innen, -:in vermieden werden, ebenso dass die missbräuchliche Verwendung von Parizipien als Substantive nicht genutzt wird und ganz besonders, dass die mühselige Nennung beider Formen (die Sänerinnen und Sänger, die Leserinnen und Leser) keinen Platz findet. Mich machen diese Formen, geschrieben oder gesprochen, halb verrückt, und offen gesagt, ich würde das generische Maskulinum vorziehen.

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Lieber Herr A. M..Mit dem Schlusssatz IhrerReplik haben Sie das getroffen, worin wir uns einig sind: Mit dem genereischen Makulinum ist das hier behandelte Problem gelöst, kurz und leserfreundlich. Alles andere ist eine lästige Überdeterminierung.
Wenn man dem Menschen eine positive Eigenschaft zuerkennen kann, dann seine Begabung zur Kunst. Dazu gehört - vermutlich als älteste Kunstform - die Sprachkunst. Wenn diese jetzt wegen eines Problems, das bereits gelöst wird, mutwilligbeschädigt wird, dann geht es ans Eingemachte.
Wir leben im Zeitalter der Überschreitungen von roten Linien aller Arten. Wenn dabei auch die Sprache einer Scheingerechtigkeit zuliebe unter die Räder kommt, dann zielt dies ganz zentral gegen unsere Natur.

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Ich glaube, bei diesem Thema kommt immer ein subjektives „Sprachgefühl“ ins Spiel, das - vermutlich vor allem altersabhängig, aber auch von anderen Aspekten geprägt - sehr unterschiedlich sein kann. Wo es der Einen die Nackenhaare aufstellt, sieht der Andere kein Problem und umgekehrt.
Für manche ist es noch immer eine Art Vergewaltigung der Sprache, wenn in einem Text SchülerInnen, Schüler*innen oder Schüler:innen steht - für andere ist das mittlerweile vollkommen selbstverständlich und fühlt sich somit „normal“ an. In der geschrieben Sprache scheint mir das (welche der 3 Schreibweisen auch immer ...) inzwischen für eine grössere Gruppe selbstverständlich.
Viel komplizierter wird meines Erachtens die Frage, ob und wie dies in der gesprochenen Sprache sinnvollerweise zum Ausdruck kommen soll. Je nach Grad der diesbezüglichen "Awokeness" - um beim konkreten Thema zu bleiben - hört man das „Gendersternchen“ als Pause gesprochen wird (um nicht immer "… en und … innen" sagen zu müssen).
Noch hört sich das für mich sehr unvertraut und etwas befremdlich an, wird aber bereits ganz allmählich selbstverständlicher. Keine Ahnung, ob ich irgendwann selbst dazu übergehe, weil ich merke, dass es für mich plötzlich „stimmig“ ist - wichtig ist mir dafür grundsätzlich offen zu sein und mich dem nicht aus traditionalistischen Gründen per se zu verschliessen.

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Bravo! War mir anfangs nicht ganz klar wo die Reise hinging und war versucht nicht weiterzulesen. Am Ende fokussierte sich der Gedankengang dann aber blitzschnell auf einen ganz klaren Punkt. Nun verstehe ich endlich warum mir, wie in keiner anderen aktuellen gesellschaftlichen Frage sonst, die Vertreter beider Positionen gleichermaßen unsympathisch sind.

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Leserin
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Ich würde mich Ihnen sofort anschliessen, Herr G., wenn Sie nach oben noch Luft gelassen hätten, in meinem halbvollen Glas. Die Vertreter und Vertreterinnen hier und da sind mir gleichermassen sympathisch, es sind ja Menschen. Wir kommen schon irgendwann ein bisschen näher zusammen (Schopenhauers Stachelschweine). Es sind doch nur Meinungen. Danke Herr Strassberg. Ich sehe alles genau so, suchte noch nach Worten, die Sie uns gaben. Und eigentlich war es mir nie wichtig genug, was hier in der Schweiz fast niemand verstand. Philosophie ist so ein schöner Luxus.

Bei den Stachelschweinen fällt mir eine hübsche Parabel ein, von Gerald Hüther erzählt, eine wahre Geschichte. Den Elefanten droht das Aussterben. Die Menschen greifen ein, so dass die Elefanten sich wieder vermehren können. Eines Tages (Botswana) sind da zu viele Elefanten. Die Menschen greifen wieder ein, und schiessen eine Anzahl Elefanten ab. Welche? Die Alten natürlich. Eines Tages wird ein Dorf von einer Elefantenherde angegriffen und niedergetrampelt. Wie konnte das passieren? Herr Hüther hat eine Interpretation: Es fehlten in der Herde die Alten, die Erfahrenen, die Geduldigen, die hätten abwiegeln können.

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Stimme Ihnen zu, meine Aussage kam wohl misanthropischer rüber als sie gedacht war. Komme eigentlich mit Leuten auf beiden Seiten dieser Diskussion ganz gut klar, aber den Machtspielchen und dem Posieren, die diese Diskussion zu oft überlagern, kann ich sehr wenig abgewinnen. Dazu sind diese Themen doch eigentlich zu wichtig.

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Hi, hi - hat zwar für mich beim schnellen Lesen "Bahnhof" drin, insbesondere bei Bourdieu, aber ich verstehe jetzt: als alter, weisser Mann bin ich aus der Welt gefallen. Bisher dachte ich: na ja, so geht es jeder Generation.

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Danke für diesen Artikel. Mir gefällt, dass dem Autor diese thematische Auseinandersetzung zur Selbstreflektion dient.
Was ich vielleicht noch beifügen möchte: hier wird vor allem über eine äussere Form diskutiert. Noch viel wichtiger finde ich, aus welcher innerer Position Form genutzt wird - respektvoll, tolerant, ansprechbar, verbunden, usw.

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Advocatus diaboli
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1979 verkündete Jean-François Lyotard in Das postmoderne Wissen das Ende der «Grossen Erzählungen». Die Thesen von Lyotard und anderen Vertretern der Postmoderne (Jean Baudrillard, Paul Virilio, Vilém Flusser, Klaus Theweleit – obwohl sich diese vermutlich gar nicht zu dieser Strömung dazuzählten) lösten in der akademischen Welt ein kleineres Erdbeben aus. Mein eigener Doktorvater, der mit diesen Autoren nicht viel anfangen konnte, meinte, dass die Postmoderne ihr baldiges Ende finden werde. Und schrieb weiter an seiner eigenen grossen Erzählung. Was mich nicht daran hinderte, die Bücher trotzdem zu lesen. Und sie faszinierten und inspirierten mich tausendmal mehr als diejenigen, die er mir zum Lesen empfahl.
Natürlich sollte mein Doktorvater mit seiner Prophezeiung recht behalten: von der Postmoderne spricht heute niemand mehr. Doch, und das ist meines Erachtens das Witzige an der Geschichte, von den Autoren der «Grossen Erzählungen» eben auch nicht mehr. Was das mit der Kolumne von Strassberg zu tun hat? Neue Strömungen werden meistens als Angriff angesehen. Und sie werden dementsprechend bekämpft. Dabei wird aber in Regel übersehen, dass sich diese Kämpfe in sehr kleinen Welten abspielen. Etwas mehr Gelassenheit und Selbstironie würde nicht schaden.

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Vielen Dank! Ich verstehe jetzt auch die eigentlich absurde Tatsache, dass es vor allem die Rechten (bzw. die alten weissen Männer) sind, die übers Gendern reden bzw. fluchen. Die Linken und andere woke Menschen reden nicht darüber, sie tun es einfach.

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Supporter
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Sehr geehrte Frau Bertschinger
Das ist so leider nicht richtig. Es ist vielmehr so, dass Linke, die dagegen aufbegehren, recht schnell als Konterrevolutionäre in die rechte Ecke geschoben werden.
Unsere Welt lässt sich leider nicht mehr in 1-dimensionale Linke und Rechte unterteilen. All diese Themen (Covid, Klimawandel, Gleichberechtigung) werden von verschiedenen Bevölkerungsgruppen unterschiedlich bewertet. Überschneidungen sind nur partiell und kaum noch representativ. Das nutzen umgekehrt rechte Gruppierungen um ihrer Bewegung einen Anschein von von Respektablität zu geben.
Wenn man nun einfach sagt: Der gendert nicht, also ist der rechts", dann macht man dass, was die Linke schon immer auf die Verliererseite bringt:
Man diskreditiert anstatt zu vereinigen. Menschen, die man beschimpft, kann man nicht überzeugen.
Meine grössten Einwände gegen das Gendern sind 2 Dinge:

  1. Es wird nichts bringen

  2. Die Grenze verläuft zwischen arm und reich, nicht zwischen Mann, Frau und beyond

Aber ich stimme Daniel Strassberg voll zu: "Mit den «anti-woken» Stimmen, welche die Argumente vorbringen, die eigentlich auch die meinen wären, kann ich mich nicht identifizieren."

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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  1. Die Grenze verläuft zwischen arm und reich, nicht zwischen Mann, Frau und beyond

Welche Grenze?

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Deine (sicher vereinfachte dargestellte) Position nennt man Klassenreduktionismus.
Die Ausweitung (vielleicht sogar Synthese) ist der Intersektionalismus - die Idee, dass mehrere verschiedene Diskriminierungsarten gleichzeitig (und einander verstärkend/verändernd) wirken können (z.B. auf eine Arbeiterin+Frau+Queer-Person)

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Vielen Dank für den Beitrag zu einem spannenden und drängenden Thema.

Betrachte ich jedoch das Thema aus der eigenen Perspektive als Autor von Texten, die zumindest in der Absicht oftmals an ALLE Menschen gerichtet sind, so stehe ich vor einem Problem: Ich möchte in meinen Formulierungen wirklich alle berücksichtigen, da dies mir als wichtig, notwendig und fair erscheint. Nun bitte helfe mir jemand, der aus ästhetischen oder anderen Gründen gegen die Einführung von neuen Formen oder Symbolen in der Sprache ist, Formulierungen zu finden, in denen sich diese meine Absichten vollständig umsetzen lassen. Ist es da nicht vielleicht doch besser, sprachästhetische Gegenargumente als weniger schwerwiegend zu beurteilen, in den sauren Apfel zu beissen und sich einfach ein neues Leseverhalten anzutrainieren? Wie war das wohl damals, als man begann, Satzzeichen einzuführen? Noch die Römer kannten diese nicht. Selbst Satzenden mussten intuitiv erfasst werden.

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Supporter
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Kann man überhaupt komplett inklusiv schreiben/reden? Sprache ist eine Abstraktion. Eine Abstraktion betont bestimmte Aspekte und lässt andere verschwinden. Die Frage nach dem Geschlecht scheint für junge Menschen ungemein wichtig zu sein (was absolut verständlich ist), die Bedeutung nimmt aber im Alter bei den meisten ab.
Wenn ich über ein Thema wie "Forscher auf einer Konferenz" spreche, ist das Geschlecht dieser Menschen (für mich) relativ nebensächlich, ebenso wie mir die Haarfarbe oder die Nationalität der "Forscher" egal ist. Wir können sie auch gerne "Forscherinnen" nennen, aber dann sollte die männliche Form bitte verschwinden(dieses Problem haben die englischsprachigen Länder meines Wissens nicht). Denn wenn ich "Forscher und Forscherinnen" oder Sternchen oder Binnen-I verwende, lege ich einen Fokus auf den Geschlechtsaspekt, der in den meisten Fällen aber nicht gerechtfertigt ist (es sei denn, man möchte genau über das gerade sprechen).
Zudem die binäre Zuordnung zu einem der zwei biologischen Geschlechter ja nicht das Ende der Fahnenstange ist.

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Köchin
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Und es muss immer auf Englisch sein. Che vosch fer, cunter il vent no posch pischer.

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Mich freut dieser Artikel sehr, vielen Dank. Zu ergänzen wäre, dass mit «alte weisse Männer» je nach Zusammenhang oft die Komponente «gutsituiert» oder gar «reich», in anderem «privilegiert», mitgemeint werden muss. Das nimmt dann jene aus, die sich des Problems bewusst sind und bereit sind für Verbesserung, wie eben z.B. Daniel Strassberg.

Ich habe seit Jahren die Gender-Problematik in der Sprache beobachtet und weiss, dass es fast unmöglich ist, eine saubere Lösung herzustellen. Hat man mal ein Binnen-I, bleiben die «jemand», «jeder*man» und so weiter; andere Sprachen haben geschlechterspezifische Endungen oder gar unterschiedliche Bezeichnungen für Farben und Zahlen, im Englischen ist das neutrale Nomen eher ein Problem als eine Lösung. Dennoch war das geniale Binnen-I ein starkes Zeichen und für vieles ein sehr eleganter Ausweg. Damals wie heute kämpften die gebildeten alten Männer und Frauen gegen das Antasten ihrer guten alten Tradition (und haben die beschwerlichen Doppelnennungen und Schrägstriche zementiert). Jetzt sind die Franzosen dran mit dem "iel" - der Mechanismus der Empörung läuft auf Knopfdruck ab.
Das Sternchen erscheint auch mir oft unpassend und auch ein wenig absurd; aber ich werde mich hüten, in diesem Chor der Privilegierten dagegen mitzuschreien. Es ist das gute Recht von Jungen, Woken und in der Sprache und Gesellschaft zu wenig Berücksichtigten, dass sie Änderungen vorschlagen und Neues versuchen.
Meine stille Hoffnung ist, dass irgendwann unsere Sprache frei ist von all diesen Belastungen, weil sie in der Gesellschaft eliminiert sind. Dann ist das «generische Maskulinum» endlich neutral, und «jeder» «Arzt» meint selbstverständlich auch farbige Frauen und genderunspezifische Menschen.

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· editiert

".... weil sie in der Gesellschaft eliminiert sind." Ohne allzu negativ zu sein, so weit kommt es vermutlich nicht. Denn wenn die grösseren Differenzen verschwinden, werden die kleinen umso wichtiger und dann formen diese die Sprache. Wichtig und richtig ist einzig, "sich des Problems bewusst [..] und [..] für Verbesserung bereit [sein]".

PS. nach dem Lesen von A. B.s Beitrag:
Wir evaluieren hier die Auswirkungen von Doppelpunkt und Stern im Redefluss und der Kanton Wallis baut 2021 ein "nicht behindertengerechtes" Amtsgebäude. Gleichzeitig redet der Walliser "Tschugger" von Menschen mit besonderen Bedürfnissen.

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Ich kann mich dem nicht anschliessen, dass sich in den letzten Jahrzehnten nichts verändert hat für uns Frauen. (Natürlich geht es uns zu langsam, aber dennoch…). Frauen sind sichtbarer geworden und treten als machtvoll Handelnde auch sehr oft sehr selbstverständlich auf und -hey!- die Deutschen hatten eine KanzlerIN! Usw., usf.,… Das BinnenI, das wir uns ersprochen haben, war ein kleiner Baustein.
Warum nicht weiterschreiten und „Knacklaute für * oder : verwenden…oder was auch immer. Ich fände es lustig.

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Dass Frauen sichtbarer geworden sind, dem kann ich zustimmen. Als ich mit dem Studium begonnen habe, hatte ich oft nur eine Kollegin in der übungsstunde. Mittlerweile sind die Zahlen nicht viel besser, aber immerhin ist es auch jedem Bewusst, wenn es nur eine Frau im Raum gibt, und man spricht auch noch ständig darüber. Na danke.
Ich versteh nicht, warum das Geschlecht an Bedeutung gewinnt, statt sie zu verlieren. Warum war ich Studentin, aber mein Kollege Stundent, obwohl wir doch das gleiche gemacht haben (nämlich hauptsächlich gefaulenzt)? Ich finde die Unterscheidung anmassend, aber da die Gesellschaft unbedingt darauf besteht, allen mitzuteilen, dass ich eine Frau bin, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich insgeheim darüber zu ärgern, dass ich überhaupt ein Geschlecht habe.

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Sieglinde Geisel
Gründerin von tell-review.de
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Der Beitrag bringt vieles auf den Punkt, und hat zugleich Tiefe, super.
Hier ein Beitrag im Onlinemagazin tell zzm Thema. Der Philosoph M. Krohs denlt stärker von der Sprache her: Er analysiert den Preis, den man (bzw. die Sprache) fürs Gendern bezahlt: Es geht u.a. um Geschmeidigkeit.
https://tell-review.de/gendern-spra…lkonflikt/

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Ich kann am Spiel nicht mehr teilnehmen, weil ich seine Regeln nicht mehr beherrsche und sie auch nicht mehr lernen will.

Eigentlich zeigt das doch geradezu wunderbar und erschreckend, dass diese Bewegung im Endeffekt genau die falschen Leute ins [selbst auferlegte] Abseits stellt. Die tatsächlichen Übeltäter sind ja inhärent immun gegen so was und strömen erfreut ins entstandene Sendungsvakuum.

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Die Generation alter weissen Männer, die ihre Macht und Privilegien gesichert hat.
"Woker" geht es kaum.

  1. Was ist hier "weiss"? Bitte definieren.

  2. Haben nur weisse (was auch immer das bedeuten soll) Männer Macht?
    2a) Haben Personen Macht und Privileg immer, wenn sie "weiss" und Männer sind?
    2b) Ist dies garantiert?
    2c) Ist es überhaupt wahrscheinlich?
    2d) Zu Punkt 2c: Denken Sie nur einen Moment lang, was die Voraussetzungen sind, um Macht ausüben zu können.

  3. Sind in dieser Welt nirgendwo nicht-weisse und nicht-männliche Personen zu finden, die erhebliche Macht ausüben?

  4. Natürlich müssen wir überlegen, was in diesem Zusammenhang mit "Macht" gemeint ist. Vermutlich u.a. sind Folgende nicht gemeint: Die Macht eines Richters, eines Polizisten, Lehrer, Eltern, sogar Hunden Besitzer. Ist es Macht oder Ohnmacht einen Nachbarn zu beschimpfen.

Die im Artikel erwähnten und verwandten Klassifizierungen spiegeln keineswegs die Welt, wie sie ist. Auch wenn gutgemeint sind sie engstirnig und bringen uns nicht weiter.

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Vielen Dank, lieber Herr C., eine bessere Illustration meiner Überlegungen konnte ich mir nicht wünschen

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Quod erat demonstrandum...

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Mir ist die "Woke"-Bewegung sehr sympathisch und ich bemühe mich seit ein paar Jahren stark um die Verwendung möglichst gendergerechter Sprache. Als Konsequenz davon wurde mir mein eigenes teilweise ungenügendes Handeln bewusst. Bei mir persönlich hat sich die Sprache also auch aufs Handeln ausgewirkt.

Ich finde allerdings den Begriff "alte weisse Männer" nicht zielführend. Weil er missverständlich ist. Der Begriff beschreibt nicht "alte weisse Männer", sondern die Privilegien, die gewisse Menschen genossen haben und das fehlende Bewusstsein dazu, bzw. das Festklammern an Strukturen, die diese Privilegien aufrecht erhalten. Diese Erkenntnis scheint mir sehr wichtig.

Der Begriff "alte weisse Männer" löst bei vielen (selbst bei wohlgesinnten) Aggression aus und die wiederum behindert den so wichtigen Denkprozess. Andere fühlen sich gar nicht angesprochen, obwohl genau sie damit gemeint wären. Viele denken wohl, das müssen diese Männer jetzt aushalten, das ist ja nichts im Gegensatz zu der Unterdrückung, von der sie (unbewusst) Teil waren. Mag sein, aber es behindert trotzdem eher eine Lösung, als dass es sie fördert.

Ich wünsche mir deshalb (vor allem in solch theoretischen Diskussionen) einen Begriff, der nicht auf den Mann zielt, sondern auf Handlung, Verhalten, Strukturen, Denkmuster.

Was haltet Ihr davon?
Vorschläge?

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Den Begriff "alte weisse Männer" werden Sie kaum wegkriegen, weil es bei unter dem Vorwand der Weltverbesserung geschaffenen Feindbildern eben zunächst mal um das Bewirtschaften des Feindbildes geht. Insofern ist der Begriff "alte weisse Männer" überhaupt nicht missverständlich, wie sie sagen, sondern er meint genau das was er sagt. Menschen, denen es wirklich, wie sie sagen, darum geht "Privilegien, die gewisse Menschen genossen haben und das fehlende Bewusstsein dazu, bzw. das Festklammern an Strukturen, die diese Privilegien aufrecht erhalten" zu bekämpfen, lassen sich schon jetzt nicht auf einen solchen Wischiwaschi Begriff ein, schon nur weil er das Problem gar nicht benennt. Und denjenigen, denen es nur um ein Feindbild geht, werden Sie dieses nicht wegnehmen können.
Den Vorschlag von E. S. in diesem Dialog finde ich gut: Die Rigiden. Aber eben: Erfolgschance minim.
Was uns nicht davon abhalten darf, ständig darauf hinzuweisen, um was es geht, und uns für den Abbau ungerechter Privilegien und die Bekämpfung der Herabwürdigung und Benachteiligung von Menschen basierend auf ihrer Herkunft, ihres Geschlechts, oder irgendwelcher persönlichen Eigenschaften einzusetzen.

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Ich halte sehr viel von Ihrem Beitrag. Vorschlag zur alternativen Bezeichnung: Die Rigiden.

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Bitte auch nicht auf Nicht-Männer zielen! ^^

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Der Begriff beschreibt nicht "alte weisse Männer", sondern die Privilegien, die gewisse Menschen genossen haben und das fehlende Bewusstsein dazu, bzw. das Festklammern an Strukturen, die diese Privilegien aufrecht erhalten. Diese Erkenntnis scheint mir sehr wichtig.

Und wer sind diese «gewissen Menschen» historisch und gegenwärtig in grosser Mehrheit? Diese «gewissen Menschen» waren und sind eben mehrheitlich Reiche, Alte, Weisse oder Männer, so wie «die anderen unterprivilegierten Menschen» mehrheitlich Junge, BIPoC oder Frauen und LGBTQI waren und sind. Bei alten, weissen Männer trifft nun eben oft die intersektionelle Privilegierung und deren Festklammern zu, was sie dann zu Alten Weissen Männern macht.

Jedoch, wie ich an anderer Stelle schrieb:

Nicht jeder alte weisse Mann ist ein Alter Weisser Mann. Doch so lange es alte weisse Männer gibt, die sich wie Alte Weisse Männer verhalten, wird das Stereotyp Alte Weisse Männer reproduziert (indem sie sich etwa fragil geben und wie hier gleich einen «umgekehrten Sexismus oder Rassismus» beklagen).

Was wir mit den gegenwärtigen Strömungen des Feminismus, Anti-Rassismus, Post-Kolonialismus usw. vor allem lernen müssen, ist, dass scheinbar alltägliche Begriffe immer Konstruktionen sind, Stereotypen. Wir lernen also die Differenz, den wesentlichen Unterschied zwischen:

  • Konkretem Individuum mit seinen akzidentellen Attributen

  • Abstrahierter Allgemeinheit mit ihrer stereotypen Attributen

Was wir damit ebenfalls lernen, ist, dass Begriffe wie Alt, Weiss, Mann keine individuellen, konkreten Personen bezeichnen, sondern allgemeine, strukturelle Positionen. Denn natürlich hatten nie alle oder gleichermassen die der strukturellen Position entsprechenden Privilegien. Es handelt sich also um eine hohe statistische Signifikanz, welche das Stereotyp – das durchaus als stolze Selbstbezeichnung verwendet wurde («Du bist noch jung, du hast noch keine Ahnung!», «Weisse sind Schwarzen überlegen!», «Sei ein Mann!») – prägten und von alten, weissen Männern, die sich wie Alte Weisse Männer verhalten, reproduziert wird.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Aber um doch noch Vorschläge für Alternativen anzubieten:

  • Dinosaurier (aussterbend, also das Stereotyp, obwohl, ich mag Dinosaurier)

  • Zombies (leben noch, obwohl schon obsolet)

  • Unverdient Privilegierte

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Lieber Daniel
Ich denke nicht, dass man "einfach zu alt wird", um Teil der Frauenrechtsbewegung zu sein, der Antirassismus- oder Antifaschismusbewegung.
Diese Dinge sind keine Bewegungen der Jugend, genauso wie ältere Leute bei den Klimademos mitmarschieren.
Klar, einige Dinge sind sicher anders als früher, und ich denke es gibt durchaus Platz für eine differenzierte Diskussion, insbesondere wenn man sich wie du abgrenzt von denen, die "Cancel Culture" schreien.

Ich hoffe dass du deinen Satz

Ich kann am Spiel nicht mehr teilnehmen, weil ich seine Regeln nicht mehr beherrsche und sie auch nicht mehr lernen will.

ändern kannst und die Energie dazu findest, es weiterhin zu versuchen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Wenn man schon nur die Sprachspiele anschaut (die immer verwoben sind mit Lebensformen), so kann es einem schon so scheinen, dass die Einen für, sagen wir, marxistische Diskurse der 70er zu jung sein kann (nicht muss), während Andere wiederum für, sagen wir, den Online-Diskurs des intersektionalistischen queer-feministischen anti-speziezistischen Öko-Sozialismus, zu alt sein kann (nicht muss).

Oder wer von unseren Zeitgenoss:innen versteht noch den Universalienstreit, in dem über die Via moderna vs. Via antiqua debattiert wurde. Oder die Querelle des Anciens et des Modernes?

Das Problem ist nicht eines des Alters per se, sondern des Wissens um die Regeln der Sprachspiele, des Sich-Auskennens in der Stadt, welche sich ständig verändert, was Zeit beansprucht und Teilnahme voraussetzt.

Unsere Sprache kann man ansehen als eine alte Stadt: Ein Gewinkel von Gässchen und Plätzen, alten und neuen Häusern, und Häusern mit Zubauten aus verschiedenen Zeiten; und dies umgeben von einer Menge neuer Vororte mit geraden und regelmäßigen Straßen und mit einförmigen Häusern. (Wittgenstein, Philosophische Untersuchungen)

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Liegt hier nicht der alte Streit zu Grunde ob "das Bewusstsein [=awokeness] das Sein" bestimmt? Nur dass die "Utopisten" kaum mehr von links (gender pay gap) sondern von rechts (cancel culture) kritisiert werden?

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Leserin
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Danke für den Wittgenstein. Meta: In welchem Teil der Agglo findet der Streit ums Gendern und andere Spaltung statt? Im neuen Gemeindehaus aus Sichtbeton? Eher nicht bei den Störchen am See? ... Oder?

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Auch ich fühle mich manchmal in dieser (und anderen) Fragen aus der Welt gefallen und denke mir es hat mit meinem Alter zu tun. Auch als ältere, weisse Frau frage ich mich, was dann schlussendlich übrigbleibt von den Versuchen über Sprache etwas zu verändern. Wie von Vorschreiber:innen erwähnt, verlief die damalige Diskussion über <Innen> ähnlich, bewirkt hat sie für meinen Geschmack zu wenig. Trotzdem freue ich mich darüber mit welcher Kraft und Vehemenz hier eine neue Generation Veränderung sucht.
Es löst bei mir aber auch Wehmut aus. Meine Vermutung, Veränderung gelingt , wenn (auch) Erfahrung einfliesst. Danke Dani für den Artikel. Lese sie immer sehr gerne Deine Artikel.

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Was für ein herrliches Leben erwartet uns da! Uns dauernd mit angezogener Handbremse durch ein Minenfeld von Fettnäpfchen zu bewegen, deren Bedeutung den gegenwärtigen Hypes, ständigen Modeströmungen oder den persönlichen Befindlichkeiten anderer unterworfen ist. Natürlich hat Sprache mit Macht zu tun - leider wenig mit der positiven „Macht für“ sondern vorwiegend mit der negativen „Macht über“. Wenn sie aber durch die Mächtigen zu stark reguliert und eingeschränkt wird, bilden sich sofort Subkulturen mit eigenen Codes um sich die Freiheit des Ausdrucks zu bewahren.

Für mich ist die ganze Sprachdiskussion ein grosses Ablenkungsmanöver von den eigentlichen Problemen der Menschheit, dem Stagnieren seiner Evolution auf der Stufe der Egozentrierung. Der Dürrenmatt‘sche Raubaffe mit einer ziemlich dünnen Kulturschicht an seiner Oberfläche ist hier ein prägnantes Bild. Mit der Zähmung der Sprache ändern wir nur die Farbe, aber nicht die Dicke der Kulturschicht. Darunter feiern der Tyrann (der allen seine Vorstellung von Ordnung aufzwingen möchte) und der mit allen Wassern gewaschene Händler (ich gebe dir, wenn du mir gibst; ich liebe dich, wenn du mich liebst), der verurteilende Richter und der Räuber weiterhin fröhlich Urständ.

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Absolut einverstanden. Insbesondere wenn das Befolgen der aktuell gültigen Sprachkodes so stark zur moralischen Differenzierung benutzt wird.

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Es ist nicht egal, wie die soziale Wirklichkeit sprachlich repräsentiert wird. Gut möglich, dass gewisse Formen der Gendermarkierung sich durchsetzen. Einwände gegen sprachliche Formen, die angeblich gegen die Reinheit und Schönheit der deutschen Sprache verstossen, sind manchmal nur vorgeschoben. Was mich mehr beschäftigt, sind gewisse Begriffe, bei denen ich meine Mühe habe, sie in einem emanzipatorischen Zusammenhang zu sehen. "Awokeness" gehört dazu. Ein Begriff, der eher an totalitäre religiöse Heilslehren erinnert, denn an den Kampf um Menschenrechte.
In der Woz kam kürzlich ein amerikanischer Professor zu Wort, der gewisse Exzesse der political correctness auf den Übereifer von Erstsemesterstudenten zurückführt. Diese Einzelbeispiele würden dann von koservativen Medien hochgekocht. Was in den USA zweifellos der Fall ist. Trotzdem habe ich den Eindruck, dass hier vieles schöngeredet wird, um sich ja nicht mit dem ideologischen Gegner gemein zu machen.

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Nur ganz am Rand zur Veränderung der Sprache. Mir ist schon lange aufgefallen, dass Kinder und Jugendliche, fast flächendeckend, in so einer Art "Balkan-Rhythmus" sprechen. Dies ist nicht despektierlich gemeint, es ist bloss eine Feststellung.

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Ich weiss, was Sie meinen, denn immerhin bin ich kaum älter als die letzt genannte Altersgruppe, kann Ihnen aber in dieser Absolutheit nicht zustimmen. Ihre Beobachtung mag zwar auf einige Gebiete und Gruppen zutreffen, gilt aber nicht überall. Das Ganze scheint mir vor allem abhänigig davon zu sein, wie zum Beispiel Schulklassen und das persönliche Umfeld zusammengesetz sind und wer die Idole der Jugendlichen sind. Gerade in meiner (eher ländlichen) Umgebung ist diese Tendenz nicht so weit verbreitet, in grösseren Ortschaften schon bedeutend stärker.

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(durch User zurückgezogen)
Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Allen aus der Welt und Sprache gefallenen kann ich Sloterdijks Bücher Weltfremdheit (1993) und Zur Welt kommen – Zur Sprache kommen (1988) wärmstens empfehlen. Geht es im ersten um eine «Phänomenologie des weltlosen oder weltabgewandten Geistes», die «gleichsam ein großes Welttheater unter dem Aspekt des Fernseins von der Bühne» entfaltet, so im zweiten um eine «Poetik des Sichaussetzens als eine Poetik des Anfangens».

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Danke für diesen klugen Beitrag!

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Identitätspolitische*r analphabet*in
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Nichts ist schwieriger und nichts erfordert mehr Charakter, als sich im offenen Gegensatz zu seiner Zeit zu befinden und laut zu sagen: Nein!

Kurt Tucholsky

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Und wer statt Awokeness lieber Antiwokeness (also «Schlafschafe»?) mag, der oder die gehe an die «Anti-Wokeness-Uni» in Texas (NZZ, Guardian) mit vielen Angry (but Intellectual!) White Men.

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Jetzt aber echt? Wer "awokeness" als Kampfbegriff ungeeignet findet, soll sich an die Antiwokenessuni in Texas verziehen? Und was die Schlafschafe, ein Begriff der Coronaleugner hier verloren hat, erschliesst sich mir auch nicht. Ayez pitie de mon ignorance et faites moi savoir seulement la motie de ce que vous savez.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Humor und Selbstironie – siehe Dialogverlauf hier oder hier – scheint offenbar nicht jedermanns[sic!] Sache zu sein. Antiwoke heisst ja wörtlich übersetzt Gegen-Wache, also Für-Schlafende, wozu es im deutschen Sprachbereich bereits – vor Corona! – das Neusprech «Schlafschafe» gibt. Das – ironischerweise – auch in diesem Kontext passt, da Antiwoke ja oft die Mehrheit, den «Mainstream» für ihre Argumentation gegen die angeblich irrelevanten Probleme der Wenigen, Marginalisierten, Minderheiten benutzen.

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Musikerin & Autorin
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Zum hier behandelten Thema der "Wokeness" und allfälligen Zensur habe ich hier gerade einen sehr spannenden und differenzierten Artikel gelesen, der die Hintergründe der Vorgänge an englischen und amerikanischen Universitäten beleuchtet, die derzeit im deutschen Feuilleton grad gerne als Beweis für eine schädliche und angeblich übermächtige Cancel Culture von linker, feministischer und anti-rassistischer Seite her gesehen werden: https://uebermedien.de/65256/eine-l…cKZU3u5OL0

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Musikerin & Autorin
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· editiert

(gelöscht, da der Beitrag irgendwie doppelt hochgeladen wurde)

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Master - Slave
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Und doch verwendet die Republik auf Github noch den negativ behafteten master branch anstatt den von Microsoft neu vorgeschlagenen main branch.

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Musikerin & Autorin
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· editiert

(gelöscht, da mehrfach erschienen - ich weiss nicht warum)

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Selbst-kritische Selbst-Reflexion at its best! Alles andere ist selbst-interessengeleitete, selbst-gerechte Polemik. Vielen Dank dafür, Daniel Strassberg!

Mir kamen bei der Lektüre deines sehr stringenten, wenn auch nicht strengen Arguments – mit dem schönen Bogen von und zu den Mandarinen dieser Welt (ist ja bald Weihnachten) – natürlich noch ganz viele andere Namen in den Sinn: Aristoteles Wissens- und Handlungsarten, Wittgensteins stillschweigende Übereinkommen und selbstverständlich scheinende Gewissheiten, Ryles Knowing-that und Knowing-how, Heidegger, Schütz, Schatzki usw. ‹Auf die Auflistung derer Argumente will ich hier aber gerne verzichten ;)

Auch in der Kunstkritik ist es oft die selbst-reflexive Auseinandersetzung mit Werken, die einem spontan, d. h. intuitiv-emotiv nicht gefallen, ohne zu wissen warum, welche am meisten Selbst-Erkenntnis hervorbringt. Mit der wurmenden Frage «Warum gefällt mir das nicht?» geht man – am besten im Dialog mit jemandem, der oder dem es gefällt – seinen eigenen Interessen, Werten und Prinzipien auf den Grund. Und findet dabei auch den eigenen Abgrund, denn gleichzeitig erkennt man auch deren Arbitrarität und Kontingenz, also Zufälligkeit und Nicht-Notwendigkeit. Aber immerhin findet man seine Gründe, mit denen man seine singuläre, ex-zentrische Position begründen kann – im Wissen, dass das «Haus des Seins», in dem man gewöhnlich mit seinem «Habitus» bekleidet wohnt, über einen Abgrund errichtet worden ist.

Eine Frage noch: «Gegen-Gewalt» klingt ja etwas martialisch, aber Du beziehst Dich dabei auf Bourdieus Buch Contre-feu, zu Deutsch Gegenfeuer. Wortmeldungen im Dienste des Widerstands gegen die neoliberale Invasion (1998), und dem Begriff der «Gegen-Macht»? Darin sagt er:

Eine wahrhaftige Demokratie ist ohne wirklich kritische Gegenmacht
nicht möglich.

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Ich bin Beraterin für gendersensible Kommunikation für Unternehmen und beobachte genau das, was Sie in diesem Artikel sehr treffend analysiert und schön beschrieben haben. Danke dafür. Und wenn Sie Hilfe brauchen im aktuellen Varianten-Dschungel: Kommen Sie an einen meiner Vorträge im neuen Jahr, dann haben Sie wieder den Durchblick.

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