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Hui, das erhöht gleich meinen morgentlichen Blutdruck. Dass man zwei Tage in U-Haft sitzen kann wegen Teilnahme an einer gewaltfreien Aktion! Gibt (oder braucht) es dafür eine Begründung seitens der Zuständigen? Zu behaupten, die Aktivistinnen könnten flüchten, weitere "böse" Aktionen planen oder irgendwas verschleiern, wäre doch abwegig.

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Lieber Herr W., dank Ihrem Beitrag merke ich grad, dass ich nicht von Untersuchungshaft hätte schreiben dürfen, die muss ja von einer gerichtlichen Instanz angeordnet werden, hier handelte es sich um Polizeihaft. Ich werde das anpassen müssen. Dummer Flüchtigkeitsfehler von mir, erhöht meinen Blutdruck auch gleich. Liebe Grüsse, Brigitte Hürlimann

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Leiter Rechtsdienst UGZ a.D.
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Liebe Frau Hürlimann, nun ja, Ihr zweiter dummer Flüchtigkeitsfehler: in der Schweiz kann ein Person nähmlich 96 Stunden ohne richterlichen Beschluss in Haft gehalten werden. 48 Stunden haben Polizei und Staatsanwaltschaft Zeit, darüber zu entscheiden, ob sie beim Zwangsmassnahmengericht Antrag auf Untersuchungshaft stellen wollen und das Zwangsmassnahmengericht wiederum hat dann weitere 48 Stunden Zeit, über diesen Antrag zu entscheiden und die Freilassung bzw. Untersuchungshaft anzuordnen. Und ja - viel zu oft folgt das Zwangsmassnahmengericht dann leider dem (meist aus Textbausteinen zusammengestellten) Antrag der Staatsanwaltschaft - die in der Regel übrigens fast nie an der Verhandlung vor dem Zwangsmassnahmengericht teilnimmt - auf Untersuchungshaft, anstatt auf den in der StPO vorgesehenen breit gefächerten Katalog an Ersatzmassnahmen zurückzugreifen. Gruss R. G. H.

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ich halte das dennoch für missbräuchlich. ich würde dem Beugehaft sagen.

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Der Hinweis sei erlaubt, dass es reine Spekulation ist, was die Staatsanwaltschaft, die im Artikel leider nicht zu Wort kommt, „freut“ oder „beruhigt“. Als Behörde ist sie per definitionem Emotionen nicht zugänglich und allein Gesetz und Gerichtspraxis verpflichtet. Ich persönlich wäre mir jetzt nicht so sicher, ob es denn alle Funktionär:innen einer Behörde wirklich „lustig“ finden, Normen anwenden zu müssen, die allenfalls auch ihren eigenen Überzeugungen widersprechen und sich angesichts des Gesetzgebungsprozesses in der Schweiz leider nicht so tifig ändern lassen.

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Leser
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Wie die Normen anzuwenden sind, unterliegt bei der Staatsanwaltschaft offensichtlich einer Meinung und bei einigen Gerichten einer anderen. Weshalb die Staatsanwaltschaften gerade diese Normen (vielleicht contre queur) anwenden „müssen“ erschliesst sich nicht.

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Die Staatsanwaltschaft ist an das Prinzip „in dubio pro duriore“ gebunden, also „im Zweifel für das Härtere“ und hat deshalb zum Beispiel auch bei Unsicherheit Anklage zu erheben.
Das Gericht hingegen folgt dem Grundsatz „in dubio pro reo“, im Zweifel für die Angeklagte*n, und muss bei Unsicherheit freisprechen.

Insofern ist dieser Unterschied, den Sie ansprechen, bereits im System angelegt.

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Marcus Bosshard
veganer Klimaaktivist
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Ich übe mich hier in positiver Unterstellung: diese Fälle sind tatsächlich für Freisprüche prädestiniert. Mutige Richter urteilen entsprechend. Vielleicht will die Staatsanwaltschaft mit dem Weiterzug nur Freisprüche auf höherer Ebene bewirken.
Das Obergericht in Zürich ist offensichtlich nicht die Instanz, die solche Urteile schützt, aber die Rebels werden allfällige Verurteilungen ebenfalls weiterziehen.
Sie werden Recht erhalten. Durch die Gerichte oder durch die Geschichte.

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Die sogenannte Krawallgruppe der Staatsanwaltschaft Zürich hat aktiv die Anklage der Nötigung gesucht und erstmals auf die Blockade der Quaibrücke am 20.6.2020 durch XR angewendet (übrigens nur eine Woche nach der Black Lives Matter Demo, die ebenfalls über die Quaibrücke ging). Bisher wäre das gleiche als Teilnahme an einer unbewilligten Demonstration geahndet worden, was rechtlich besser passt, fassbarer ist und weniger hart bestraft wird. Das war eine aktive Suche nach mehr Repression (in meiner bescheidenen Erfahrung zumindest - und ich war dort und an mehreren Prozessen).

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Danke, da bleibt leise Hoffnung. Und ob der Formulierung der Staatsanwaltschaft ein Schmunzeln: "Der Verkehr habe «grosszügig» umgeleitet werden müssen".
Also im Umleiten des Verkehrs ist sie wenigstens grosszügig, unsere Polizei. Ob das Wort ursprünglich aus einem Polizeirapport stammt, kann nur vermutet werden. Aber grad wenn's dann um eine Übersetzerin geht, hätte der/die Staatsangestellte mit vermutlich akademischem Abschluss ein passenderes Wort setzen können. Mein Vorschlag: wäre «grossräumig», auf das Risiko hin, dass diese Wortwahl für den allenfalls notwendigen Mehrkilometer immer noch zu grosszügig gewählt scheint.

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Tinu Niederhauser
Trainer & Verleger
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Schon bald sitzt der Richter wegen zu grosszügigem Auslegen seines Ermessensspielraums selber auf der Anklagebank.

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Marcus Bosshard
veganer Klimaaktivist
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Und wird sich sachkundig und wortgewandt zu verteidigen wissen.

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;-)) hübsch

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Christina Marchand
Geschäftsleitung myNewEnergy
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Wie können wir erreichen, dass mehr Richter die Dringlichkeit und Tödlichkeit der Klimakrise verstehen und dementsprechend handeln.

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Das Problem in der Klimakrise sind sicher nicht die Richterinnen und Staatsanwälte in ihrer Funktion, sondern Politik, Stimmberechtigte und auch nicht stimmberechtigte Einwohner. Die könnten etwas bewegen.

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Das Problem sind wir alle und insbesondere unser System. Dazu gehört die Justiz, natürlich nach der fossilen Industrie, der Fleisch-Industrie/Landwirtschaft/Chemie, Finanz-Industrie, etc. Oft wird das Ganze mit Kapitalismus oder moderne Gesellschaft bezeichnet.

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Verlegerin
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Welche Rolle die Gerichte in dieser Sache spielen werden , ist aktuell noch nicht abschliessend beurteilbar. Die beim EGMR pendenten Klagen haben jedenfalls das Pontential, grössere Veränderungen zu bewirken. Ich bin gespannt.

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„Eine derartige Nutzung des öffentlichen Bodens sei schlicht hinzunehmen. Nur bei Gewalt müsse eingegriffen werden.“
„Wir sind an die Europäische Menschenrechts­konvention gebunden. Es gibt ein Mass an Behinderungen, das geduldet werden muss, damit die Meinungs­äusserungs- und die Versammlungs­freiheit gewährleistet sind. Eine halbe Stunde lang eine blockierte Brücke in Zürich zu haben, das muss man hinnehmen. Vor allem für ein derart wichtiges Anliegen.“
Bei allem hier geäusserten Lob für Harris muss man schon sehen, dass er die Frau nicht ihres Anliegens für das Klima wegen freisprach, sondern weil er der Ansicht ist, eine 30minütige Blockade des Verkehrs als Demonstration sei durch die EMRK geschützt. Das müsste nach Harris Logik natürlich auch gelten, wenn zB fünf Studenten mit dem Anliegen tieferer Studiengebühren oder fünf Hells Angels mit dem politischen Anliegen, die sexuelle Ausbeutung von Frauen weniger zu kriminalisieren dasselbe tun. Ein extremes und fiktives Beispiel, aber es soll das Problem bildlich zeigen. Ich hätte mir einen fundierteren Freispruch erhofft, gestützt auf den Notstandsartikel. Der Fall wäre dafür wohl geeigneter gewesen, als Tennis spielen im Haus eines anderen.

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Geschätzte oder geschätzter Anonym1, ja, der Richter beruft sich bei seinem Freispruch auf die EMRK. Aber auch auf den Grund der Kundgebung (Klimakrise, eines der drängendsten Probleme der Gegenwart) und dass sie friedlich verlief. Der Menschenrechtsgerichtshof anerkennt, dass solche Veranstaltungen auch ohne Bewilligung unter den Schutz der Meinungsäusserungs- und der Versammlungsfreiheit fallen. Und die Worte des Richters fielen in der kurzen, mündlichen Urteilsbegründung. Wir müssen das schriftlich begründete Urteil abwarten, um eine tiefergehende Argumentation und Analyse lesen zu können.

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Vielen Dank. Der Artikel machte auf mich den Anschein, dass Ihnen schon mehrere gleichgelagerte Freisprüche dieses Richters inkl. Begründung bekannt seien. Ausserdem würde ich erwarten, dass er dieses Begründungselement bei der mündlichen Begründung medienwirksam deutlich erläutert. Dann müssen wir uns in der Tat vom schriftlichen Urteil überraschen lassen.

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Polizeiverhaft von 48 Stunden.

Früher gab es den Haftgrund "Weil es ihm guttut". Natürlich war das kein Haftgrund, sondern das, was es auch hier wahrscheinlich ist: Amtsmissbrauch durch Missbrauch des Verhaftsrechts.

In zivilisierten Ländern - auch in der Schweiz und sogar im Kanton Zürich - ist es nicht so, dass die Beschränkung der maximalen Dauer des Polizeiverhafts von 48 Stunden zugleich eine Berechtigung für die Anordnung desselben wäre. Die Berechtigung ist separat zu begründen. "Weil es im guttut" oder "Weil ich es kann" sind keine Legitimationen.

Was wäre denn eine solche Legitimation für Polizeiverhaft? Alles, was nötig ist, um das Strafverfahren - hier wegen verbotener Demonstration - durchführen zu können. Als da sind:
-- Feststellung der Personalien,
-- Feststellung der Tat, also die Teilnahme an der Demonstration und wo das war,
-- dazu gehört z.B. auch die Feststellung der Nötigung (wer wurde wozu genötigt etc.), was nach der Feststellung des Richters nicht stattfand oder vom Staatsanwalt als unbrauchbar empfunden und deshalb trotz Anklageprinzip nicht in den Strafbefehl genommen wurde.
-- Fühlten sich die Automobilisten im Stau genötigt? z.B. bei Anlagebetrug können es sich die Gerichte regelmässig nicht vorstellen, dass die Geschädigten ihren Schaden nicht wollten, und verlangen deshalb stets, dass eine repräsentative Anzahl von Geschädigten detailliert als Zeugen einvernommen wird. Und bei den Demonstrationen soll es nicht denkbar sein, dass es den Verkehrsteilnehmern nichts ausmachte auszuweichen, oder dass sie sogar Sympathie für die Demonstranten hatten? (Wenn die Polizei damit argumentiert, dass sie Verkehrsstaus zu verhindern bzw. zu vermindern habe, so ist das ein wunderbares Argument für eine Nicht-Nötigung, denn dass die Polizei arbeiten muss, mag mancher als Nötigung empfinden, ist aber keine.)

Wie auch immer, das meiste stand schon bei Anordnung der Haft fest. Weil der Staatsanwalt Straftaten von Amtes wegen verfolgen muss, musste er auch die Frage des Missbrauchs des Haftrechts prüfen bzw. erkennen und verfolgen oder allenfalls begründet auf Strafverfolgung verzichten (nicht "weil wir auf derselben Seite sind", sondern mangels Tatverdachts). Ich kenne einen Fall, da hat der Staatsanwalt nach einem Meinungsaustausch - d.h. Austausch seiner Meinung bei der Oberstaatsanwaltschaft - eine 200 Seiten lange Aktennotiz geschrieben, weshalb er keinen Verdacht habe.

Unbewilligte Demonstrationen

Solche gibt es wegen Art. 22 Bundesverfassung nicht. Dort heisst es:
"1 Die Versammlungsfreiheit ist gewährleistet.
2 Jede Person hat das Recht, Versammlungen zu organisieren, an Versammlungen teilzunehmen oder Versammlungen fernzubleiben."
Folglich sind Demonstrationen höchstens anzumelden, bewilligt sind sie schon gemäss Verfassung. Und wenn sie angemeldet werden, können sie - wie jedes Recht - (a) aus guten Gründen d.h. nach Abwägung gegen andere Rechte und (b) gestützt auf eine gesetzliche Grundlage (auch eine Verordnung ist ok, wenn sie sich auf ein Gesetz abstützt) untersagt werden, wenn (c) keine praktikablen Varianten möglich sind, z.B. Verkehrsumleitung durch die Polizei (Verhältnismässigkeit). Dabei fällt ins Gewicht, dass der Schutz der verfassungsmässigen Rechte ebenfalls zu den polizeilichen Aufgaben gehört (Rechtsgüterschutz), weshalb die Polizei dafür sorgen muss, dass auch unangemeldete Demonstrationen möglich sind und möglichst wenig Schaden verursachen.

Das ist keine griffelspitzerische Arabeske eines Juristen, sondern ziemlich wichtig und wurde in Deutschland mit einem ähnlichen Verfassungsartikel schon lange erkannt. Zum Beispiel, wenn die Demonstration nicht angemeldet und nicht verboten war, so muss im Strafverfahren geprüft werden, ob das Verbot durch die Polizei vor Ort die drei obgenannten Voraussetzungen erfüllt, d.h. die Abwägung des verfassungsmässigen Versammlungsrechts gegen das Verkehrsstauproblem, wie es zu erwarten war, erfolgte und richtig ward und ob nicht andere Massnahmen die Probleme hätten entschärfen können. Es braucht eine Abwägung ex tunc und nicht bloss ein Foto einer Autokolonne, denn ein solches lässt die Frage des adäquaten Kausalzusammenhangs offen (warum Kolonne? Unfall, liegengebliebenes Auto etc.).

Nötigung

Noch etwas Drittes. Die Nötigung ist wie folgt definiert:
"181 StGB wird wegen Nötigung bestraft, wer jemanden durch Gewalt, Androhung ernstlicher Nachteile oder durch andere Beschränkung seiner Handlungsfreiheit nötigt, etwas zu tun, zu unterlassen oder zu dulden."

Dass eine Nötigung damit definiert wird, dass der Täter jemanden nötigt, ist ein Zirkelschluss, der jeden Juristen abschrecken müsste. Aber hier geriet es zum Ansporn. Das Bundesgericht hat den Tatbestand der Nötigung extrem ausgedehnt.
Eine Demonstration ist per se sicher weder Gewalt noch Androhung ernstlicher Nachteile. Bleibt nur die "andere Beschränkung der Handlungsfreiheit", das Paradebeispiel für einen auslegungsbedrüftigen Begriff, den das Bundesgericht extrem ausweitete. Eine Nötigung soll schon gegeben sein, wenn jemand "gezwungen" wird, über einen am Boden liegenden Menschen zu steigen, um z.B. in eine Bank zu gelangen. Beim "Über am Boden liegende Menschen Steigen" kann man ein Unbehagen wegen der Nähe zum "Über Leichen Gehen" nachvollziehen. Und die Opfer können auch nicht ausweichen, wenn sie in die Bank wollen.

Kann aber die nötigende "Beschränkung der Handlungfreiheit" auch dadurch verursacht werden, dass eine Automobilistin "gezwungen" wird, die linke statt der rechten Brücke zu benützen? Und ist eini Verkehrsstau wirklich dasselbe, wie die Verunmöglichung, eine Bank zu betreten? Und wie ist es bei einem Verkehrsstau, der mit Umleitungen reduziert oder verhindert wird? Und wie verhält es sich, wenn die Opfer vielleicht Sympathien für die Anliegen der angeblichen Täter haben?

Ein analoger Sachverhalt hilft weiter: wie verhält es sich, wenn die Leute einen Umzug der Limmat entlang zum Central machen und dabei brav die Trottoirs benützen und dann mit geringem Abstand am Central alle Fussgängerstreifen benützen und wieder zurückgehen? Der Stau wäre wohl noch grösser und die Trottoirs würden ebenfalls voll. Aber eine Nötigung wäre es nicht. Wenn aber Verkehrsstaus auch mit legalem Gehen verursacht werden können, können sie nicht per se nötigend sein.

As simple as that.

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Irritierter
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(Bearbeitung: Sterne werden zT als Formatierung verstanden => Korrektur mit \ versucht)

Das drängende Bedürfnis verstehe und teile ich, dass die Gesellschaft endlich vorwärts macht und mit den (vielen) grossen Missständen endlich aufräumt. Irgendwie scheinen mir aber Artikel wie Diskussion am (empfundenen) eigentlichen Kern der "Geschichte" vorbei zu gehen: dem Thema "un/bewilligt".

Wieso war die Demo "unbewilligt"?

Nach meinem Empfinden sollen Demonstrationen angemeldet und idR freigegeben* sein. Denn: Unerwünschte Folgen sollen geordnet angegangen werden können.

(* Das Wort "bewilligt" scheint mir, ist dringend zu ersetzen: Weder Beamtete noch Bevölkerung sollen das Gefühl haben, Behörden könnten "hoheitlich" etwas "bewilligen" oder "verbieten". Die Behörden sollen der Bevölkerung dienen und sachlich abwägen, ob im jeweiligen Fall zwingend etwas gegen eine Kundgebung spricht. )

Und: Die Egozentrik "ich mache was mir passt" und "erzwinge einfach (m)eine Lösung" ist ein wieder sehr populäres – aber ungünstiges, weil weiter polarisierendes Mittel. Es würde dir/mir auch nicht passen, wenn das "die anderen" machen. Die Akzeptanz zufällig Betroffener und politischer Gegner*innen ist wesentlich grösser, wenn die Rechtmässigkeit anerkannt wurde.

"Unbewilligte" sollen nur dann stattfinden, wenn der Demonstrationsgrund es aus zeitlichen Gründen nicht anders zulässt und Behörden unangemessen entschieden hatten oder Verfahren schikanös sind und so ihrerseits zu zivilem Ungehorsam NÖTIGEN.

Wenn die Dringlichkeit nicht gegeben ist, scheint mir sinnvoller, zuerst gegen die entsprechenden Behörden vorzugehen** (zB Demonstration – oder besser Aktionen? – und/oder Ombudsstelle/Verfahren, je nach vorhandenen Ressourcen).

(** Das "Instrument" Behörden sehe ich nicht als Gegenpol. Viele arbeiten dort, und aus vielen Familien. Sie sind wichtig und sollen der Bevölkerung dienen. Die entsprechenden – und va die heiklen – Stellen*** sind aber entsprechend und unbedingt unabhängig von persönlichen oder einseitigen Interessen zu besetzen! Ansonsten werden (empfundener) Machtmissbrauch, Unzufriedenheit und entsprechend die (sonst kaum mehr auflösbare!) Polarisierung weiter zunehmen. Darüber muss sich die Gesellschaft einig sein.)

(*** Das gleiche Thema sehe ich bei der Aufstellung von zu wählenden Kandidat*innen: Einseitige Interessen und Taktiererei werden immer Unzufriedenheit und Aggression schüren. Gefragt sind weit- und umsichtige oder solche, die Kompromisse schmieden können, welche sowohl von weiten Teilen der Bevölkerung wie auch von Minderheiten als akzeptabel anerkannt und damit Polarisierung, Gezerre und Stillstand überwunden werden können.
Wie wär's mit einem Wettbewerb um Weit- und Umsicht?!)

Dass (bevorteilte wie auch andere) Bevölkerungsteile und Behörden gegen "unbewilligte" streng vorgehen wollen, kann ich gut verstehen, wenn ich mir ihre Angst vor vermehrt "unbewilligten", mehr Gewaltbereitschaft und entsprechend chaotischen Zuständen vorstelle. Solche Ängste sind bei diesen wie anderen Themen und Anlässen und immer grösseren Spannungen sehr wohl begründet. Entsprechend werden Nachahmer*innen vor "unbewilligten" abgeschreckt – und das ist wohl im Interesse der meisten.

Gegen diese Angst haben wohl auch solche "wohlwollenden" Richter*innen zu kämpfen****, wenn sie zu zivilem Ungehorsam aufrufen – und das obwohl nicht klar ist (oder zumindest mir aus der beschriebenen und diskutierten Situation nicht klar wird), ob die entsprechende Behörde diese (und andere solche Demonstrationen) ungerechtfertigt verhindert hatte.

(**** Da Gesetze oft nicht alles vorhersehen und umfassen können – und zudem den Entwicklungen oft hinterher hinken: Vielleicht müssten Richter*innen – anstatt dass sie sich exponieren müssen – die Möglichkeit dazu haben, festzuhalten, wenn ein Gesetz gebrochen wurde, es aber im vorliegenden Fall nicht dem Rechtsempfinden entspricht und die Sühne entsprechend auszusetzen ist, bis das geregelt ist. – Vielleicht würde das den/die Gesetzgeber*in anspornen ;)

Und: Im Gegensatz zu grenzwertigem Widerstand stossen gehaltvolle, witzige Aktionen wohl allgemein auf sehr viel mehr Verständnis und Interesse ;)

Vielleicht geht es aber eigentlich um die Frage, wie so viele ihre Angst und ihre unterdrückte oder aufkommende Wut ausdrücken können – und ihr Wunsch, dass es – auch gegen Ignoranz und Interessen Einflussreicher – endlich vorwärts geht!

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Es ist angesichts der grauenhaften Folgen der tagtäglich an Fahrt aufnehmenden Klimakatastrophe an der Zeit, dass die Rechtsgüterabwägung endlich grundsätzlich überdacht und angepasst wird, auch in Fällen wie diesem. Der Entscheid erscheint mir aufgrund des ausgezeichneten Berichts - vielen Dank - materiell richtig. Leider dürfte es wohl das letzte Verfahren in Sachen Klimaaktivisten dieses Richters gewesen sein. Seine persönlichen Bemerkungen am Schluss der Verhandlung lassen ihn für künftige Verfahren dieser Art als befangen erscheinen. Wenn ihm überhaupt noch solche Fälle zur Bearbeitung und Verhandlung zugewiesen werden sollten, dann dürfte die Staatsanwaltschaft ihn wegen des Anscheins der Befangenheit wohl erfolgreich ablehnen. Das ist ausserordentlich zu bedauern, denn nun verschleppt sich die überfällige Reformation der Rechtsgüterabwägung in solchen Verfahren, welche dieser kluge und mutige, aber leider am Schluss überschäumende Richter so bedenkenswert, aber leider nicht subtil genug mitgetragen hat. Sic tacuisses, iudex mansisses? (Wenn du geschwiegen hättest, wärst du Richter geblieben? In Abwandlung eines seit der Antike in der einen oder anderen Form bekannten Sinnspruches)

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das mag zwar sein, doch es ist genau diese Systemlogik, die soviele RichterInnen und uns alle dazu bringt, nicht den eigenen Verstand sprechen zu lassen sondern mitzumachen. ich finde, es braucht eine Aenderung, auch am Obergericht und am Bundesgericht und natürlich bei der Polizei und der Staatsanwaltschaft. Dazu ist es nötig, dass sie vom Bezirksrichter Harris mindestens mal hören.

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Vielen Dank für diesen Bericht, der mich dank Einzelrichter Harris doch ein kleines bisschen zuversichtlicher in die Zukunft blicken lässt. Und lässt mich hoffen, dass sich noch viele von uns gewählte Würdenträger (nicht nur Richter) in eine klima- und menschenfreundliche Richtung bewegen. Wie diese Frau und bestimmt viele dieser Aktivistinnen in Polizeigewahrsam behandelt wurden ist für mich unvorstellbar in unserem Rechtsstaat. Solche Berichte erwarte ich bestimmt nicht aus der Schweiz zu hören. Seit 5min bin ich Mitglied der Klimaseniorinnen.

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https://www.rts.ch/info/regions/fri…limat.html
wird das Gericht des Kantons Fribourg jetzt auch wegen Befangenheit von weiteren Klimaprozessen befreit?

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ehem. Fachrichter im Nebenamt
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Leider geht beim Beitrag und den meisten Kommentaren das sehr fragwürdige Verhalten der zürcher Staatsanwaltschaft unter. Diese ist längst nicht mehr neutral, unbefangen und sachlich, wie sie gesetzlich verpflichtet wäre, sondern betreibt eine repressive harte Politik gegen ihr missliebige Personen.

Zwei (aktenkundige) Beispiele von vielen:
Bei A wurde spätabends in seine Wohnung eingebrochen. Er brachte dieses Offizialdelikt bei der Polizei zur Anzeige. Nach vielen Monaten erhielt er von der zürcher Staatsanwaltschaft einen wüsten Brief, indem er beschuldigt wurde (wörtlich): "an einer schweren Krankheit zu leiden und seiner Urteilsfähigkeit verlustig gegangen zu sein". Weiter wurde er aufgefordert (wörtlich): "sich in ärztliche Behandlung zu begeben [...] sowie einen ärztliche Attest beizulegen, die seine Urteilsfähigkeit bescheinigen". Es stellte sich später heraus, dass einer der beiden Einbrecher der Dorfpolizist war. Dieser rüppelhafte Dorfpolizist wurde von der Gemeinde wenig später fristlos (!) entlassen; er hatte wohl noch andere Gesetzesverstösse auf dem Gewissen. Der wüste, verleumderische und zutiefst beleidigende Brief wurde von der zürcher Staatsanwaltschaft als Kopie auch an weitere Adressaten (auch an das zürcher Obergericht) versandt, wohl in der Absicht, den Anzeigeeinreichenden bei den Adressaten zu verleumden und zu diskreditieren.

Ein weiteres aktenkundiges Beispiel: Eine zürcher Bank hatte bei ihrem (ehemaligen) Kunden B (ohne Kundenauftrag! und ohne ihn zu orientieren und ohne dessen Einverständnis) "hintenherum" 5'000.- Fr. abgehoben und irgend einem anderweitigen Empfänger zukommen lassen. Nach mehreren Rückfragen erhielt Kunde B von dieser Bank nur ausweichende Ausflüchte wie (Zitat): "wir wissen von nichts". Auch ein persönliches Vorsprechen des Kunden B bei seiner Bank brachte nur Ausreden und aktenkundige Falschaussagen. Die schlussendlich notwendige Strafanzeige dieses Offizialdeliktes wurde von der zürcher Staatsanwaltschaft in einem anschuldigenden, hässlichen Brief abgetan. Darin wurde dem Bankkunden von der Staatsanwaltschaft (u.a.) vorgeworfen, dass es nicht vorstellbar wäre, dass Bankangestellte derartige Fehler begehen würden und dadurch ihre Bankkarriere gefärden täten. Eine Untersuchung des Offizialdeliktes wurde von der zürcher Staatsanwaltschaft nicht vorgenommen, obschon sie dazu gesetzlich verpflichtet wäre. Weitere Beispiele: www.willkür-schweiz.ch/juristen-kartell/

Hier sind die aufsichtspflichtige Politik verpflichtet sowie die Medien aufgefordert, bei der zürcher Staatsanwaltschaft genauer hinzuschauen.

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Chapeau vor Richter Harris, denn er ist im wahrsten Sinne des Wortes über seinen juristisch richterlichen Schatten gesprungen!

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Verlegerin
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Ich bin berührt.
Und bald sitzt tatsächlich der Bundesrat auf der Anklagebank, nämlich am europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

https://www.klimaseniorinnen.ch/uns…e-am-egmr/

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