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In einem Bericht des EJPD aus dem Jahr 2005 betitelt mit „Sicherheitspolitische Führung des Bundes und Kooperation der Nachrichtendienste“ https://www.ejpd.admin.ch/ejpd/de/h…6-220.html steht u.a.: „Der Strategische Nachrichtendienst (SND) im VBS und der Dienst für Analyse und Prävention (DAP) im EJPD werden künftig bei der Bearbeitung der Themenbereiche Terrorismus, Organisierte Kriminalität und Proliferation enger kooperieren.“ Während Terrorismus und Organisierte Kriminalität relativ eng umschriebene Themenbereiche sind, ist das bei Profileration (Unter Proliferation versteht man das schnelle Wachstum bzw. die Vermehrung oder Wucherung von Zellen oder Mikroorganismen) ziemlich unbestimmt. Das heisst das Wachstum z.B. der Klimabewegung kann als Profileration angesehen und demnach überwacht werden. Oder was meint man wohl damit?

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Ich nehme an, mit «Proliferation» ist die «Weitergabe von Massenvernichtungswaffen (Kern-, biologischen, chemischen und radiologischen Waffen) einschließlich ihrer Trägersysteme, Technologien, Know-how sowie des zu ihrer Herstellung benötigten Materials oder von Komponenten» gemeint.

Wie zum Beispiel in der «Tinner-Affäre» geschehen, in deren Folge die Schweizer Regierung im November 2007 auf Antrag des Souveränisten und damaligen Justizministers Christoph Blocher entschied, die Dokumente aus dem Besitz von Urs Tinner zu vernichten. Die GPK hegt den «Verdacht, dass die Vernichtung des Materials auf Druck der USA erfolgte, welche damit die Rolle der CIA in der Atomschmuggel-Affäre vertuschen wollte».

Der zentrale Passus (vgl. Kommentar unten), mit dem der NDB wohl seine Sammeltätigkeit begründet, ist dass sie dem

«frühzeitigen Erkennen und Verhindern von Bedrohungen der inneren oder äusseren Sicherheit» dienen, Bedrohungen etwa durch Terrorismus, gewalttätigen Extremismus oder die Weiter­verbreitung nuklearer, biologischer oder chemischer Waffen.

Dazu gehören aber auch «Demonstrationen mit Gewaltpotenzial», etwa für Sachbeschädigungen, von Farbbomben bis Brandanschlägen (etwa im Fall Novartis).

Der zentrale Ausdruck hier ist «frühzeitig». Es geht also um «Prävention». Und wie in anderen Bereichen herrscht dabei ein «Noch-nicht» von unmittelbarer Gefahr oder Verdachtsmomenten, sondern höchstens ein heuristisches Einschätzen von allgemeinen Risiken. So lässt sich auch das Sammeln von Daten zu an sich «unverdächtigen» Personen oder Gruppen begründen, d. h. erklären und/oder legitimieren.

Siehe dazu auch den «Lagebericht NDB – Sicherheit Schweiz 2019» (vgl. 2020 und 2021), etwa:

In dieser Welt der Verunsicherung und wachsender Unsicherheit gewinnt der Nachrichtendienst an Bedeutung: Seine Fähigkeiten der Antizipation und Früherkennung sind nötig, um Bedrohungen rechtzeitig zu identifizieren und zu beurteilen und – wo opportun – präventiv Massnahmen zu ergreifen. Das aus ungezählten Lagefragmenten zusammengefügte nachrichtendienstliche Gesamtlagebild ergänzt die Entscheidungsgrundlagen der sicherheitspolitisch Verantwortlichen wesentlich.

Oder das Unterkapitel «Was erwartet der NDB?» 60 ff. hinsichtlich gewalttätigem Rechts- und Linksextremismus und «Gewalttätiger Tierrechtextremismus redivivus?».

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Danke, Michel, für die weiter gehende Erklärung. Nimmt mich wunder, wer für diese Interpretation oder Übersetzung des wahrscheinlich früher nur in der Biologie/Chemie (Pharmazie/Medizin) verwendeten Begriffs verantwortlich ist.

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Klingt nach viel unnötigem Lärm um längst bekannte (alte) Datenbestände, welche die Geschäfts­prüfungs­delegation ja offenbar 2020 in ihrem Bericht bereits konkret bemängelt und gerügt hat. Seither hat der NDB gemäss Stellungnahme intern entsprechend nachgeschult, Bereinigungen und Präventivmassnahmen veranlasst. Ob diese genügen bzw. zielführend sind, werden wohl erst künftige Einsichtsgesuche ausweisen.

Weshalb also jetzt dieser Lärm um alte Befunde in einem Bericht ohne echten Mehrwert? Ist vermutlich politisch motiviert (Grüne & Journalist*innen), da ja bald NDG-Revision diskutiert und zerpflückt werden wird.

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Lukas Häuptli
Redaktor Inland
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Liebe Frau F., danke für Ihren Beitrag. Der springende Punkt ist: Der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) wird seit Jahren wegen der Erfassung von Daten über unverdächtige Parteien, Organisationen und Politikerinnen kritisiert - weil diese Erfassung eben gegen das Gesetz verstösst. Aber selbst nach der von Ihnen erwähnten Kritik der Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments sammelte er weiter entsprechende Informationen. Viele von ihnen befinden sich noch heute in den NDB-Datenbanken. Die letzten Auskünfte des Nachrichtendienstes, welche die «Republik» ausgewertet hat, stammen vom Mai 2022. Da kann von einem «alten» Fichen-Problem - leider - nicht die Rede sein.

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Alles wie gehabt, die ganze Schnüfflerei, der himmeltraurige Dilettantismus. Aber eigentlich nicht überraschend.
Es braucht nicht viel Fantasie um zu erkennen, welche „Schweiz“ hier gegen welche „Feinde“ verteidigt werden soll.

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Geograf. Alpsenn. Familienvater
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Es ist vermutlich etwas pauschal geurteilt, aber bei solchen Berichten kommt mir immer wieder der Aufsatz "Bullshit-Jobs" von David Graeber in den Sinn. Vor lauter Daten ist die Behörde völlig überlastet, braucht mehr Personal, um die vielen Anfragen der Bevölkerung zu bearbeiten. Aber was das ganze genau bringt, scheint niemanden wirklich zu interessieren.

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Vor lauter Daten ist die Behörde völlig überlastet

Für den Moment stimmt das. Richtig problematisch wird es dort, wo automatisierte Auswertung geschehen kann. Erstens, weil die Algorithmen nicht unbefangen sind (diverse Artikel hier auf dieser Seite), und zweitens, weil die Daten auf Vorrat gespeichert und viel später für etwas anderes genutzt werden können.

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genau das finde ich auch. arbeitsbeschaffung für die bürokratie. aber ev könnten ja die immer noch vorhandenen russischen oligarchen aufgespürt werden...?

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Ja, ich habe das Buch von David Graeber auch gelesen. Der NDB ist ein gutes Beispiel dafür, was Bürokratie anrichten kann: Ausser Spesen nichts gewesen und das erst noch illegal. Der Staatsapparat wird ständig mehr aufgeblasen, ohne dass Bedarf dafür wäre. Aber das Heer von Akademikern muss beschäftigt werden und der Staat scheint hierfür ein Auffangbecken zu sein. Die Bürokratie mitsamt Controlling und Beratern nimmt in einem Ausmass zu, dass einem Hören und Sehen vergehen. Die Welt (Schweiz) wird dadurch keinen Deut besser und die gravierenden Probleme lassen sich damit nicht lösen.

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Geograf. Alpsenn. Familienvater
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· editiert

Schon. Nur muss man aufpassen (und Graeber genau lesen): Bürokratie betrifft nicht nur den Staat, sondern auch die Privatwirtschaft. Und meiner Meinung nach gilt es nicht nur ein Heer von Akademiker*innen zu beschäftigen, sondern generell ein Überangebot an Arbeitskräften.

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Es ist verheerend, was da alles widerrechtlich gesammelt wird. Für mich ist nicht nachvollziehbar, weshalb es nicht juristische Folgen hat. Man würde meinen, widerrechtlich sei widerrechtlich...

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Sehr geehrter Herr Candinas, mit Ihrer Forderung nach juristischen Konsequenzen dürfte Ihnen ein Eintrag im Sammelsurium des Nachrichtendienstes sicher sein 😉.

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Die Mischung von Verstoss gegen Gesetze, Unprofessionalität, Ineffizienz und Lächerlichkeit war/ist gefährlich. Ausmisten bitte, diesen Laden. Und danke für die Recherche, den Artikel!
Mit Schmunzeln erinnere ich mich an den Eintrag in der Fiche (80er Jahre) einer Berner Politikerin: trinkt abends gern ein Bier 😁
Wenn das nicht sicherheitsrelevant ist!

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glücklicher rentner/kino-operateur
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...zu deren ehrenrettung: die bier trinkende politikerin war eine thurgauer nationalrätin.
vorbehaltlos unterstütze ich ihre forderung nach ausmisten dieses ladens; bei der gegenwärtigen entwicklung kann nicht einmal mehr ein schmunzeln übrig bleiben.

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Merci für die Präzision zur fichierten Politikerin - und ja, ob der jetzigen Entwicklung vergeht einem das Schmunzeln.

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Betroffen wie alle
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Merci für die Info, liebe Autoren. Was wird denn eigentlich so über die "Republik" gesammelt? Sie haben doch gewiss schon öfters nachgefragt.

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Christian Merk
Aktiv-Rentner
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Guter Punkt! Wir warten gespannt auf einen Beitrag… 😬

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Sammeln von Artikel aus der "Schweizer Illustrierten" tönt besorgniserregend. Selbst mit guten Absichten erweckt das nicht einen Eindruck von Kompetenz.

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Interessant ist auch: Zu wem gehen diese Informationen?

Konsumiert der NDB all dies für sich selbst? Oder liefert er weiter? An wen?

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Vielen Dank für diesen Beitrag. Dass es diese Fichen gibt, verwundert nicht sonderlich, die vielen Angestellten beim NDB müssen ja etwas tun. Man habe die Ressourcen verstärkt, um aufzuräumen (?). Aber nachher sind sie immer noch da, um wieder Heu zu sammeln.
An verschiedenen Stellen wird darauf hingewiesen, dass Daten unrechtmässig gesammelt und gespeichert werden. Müssten solche Verstösse gegen das Gesetz nicht von Amtes wegen geahndet werden? Z.B. eine Untersuchung durch die Bundesanwaltschaft eingeleitet werden? Wer ist klageberechtigt? Und was sagt die oberste Chefin dazu?
Liebe Republik, bleib bitte dran!

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Ende der 80-Jahre hatten wir den Fichenskandal. Und dreissig Jahre später scheint es noch immer so zu sein, dass Daten von Bürgern, Parteien und NGO gesammelt werden, die nicht im Entferntesten etwas mit Terrorismus zu tun haben. Es ist schon bedenklich, mit welch dilettantischen Tätigkeiten der NDB offenbar sich zu legitimieren versucht. Wann endlich wird dieser Augiasstall ausgemistet? Es ist eine Zumutung, dass Steuergelder, und dies nicht zu knapp, für solch willkürlich ausgeführte Datensammlungen verschwendet werden. Hingegen sind die Erfolge des NDB, also dass staatsbedrohende Gruppierungen, Terroristen etc. aufgespürt worden wären, an einer Hand abzuzählen. Der NDB ist, wie eh und je, aufgrund seiner Arbeitsweise nicht in der Lage, zu beweisen, dass es ihn wirklich braucht. Ein auch rechtsstaatlich bedenklicher Auswuchs eines Nachrichtendienstes, der vor allem dadurch auffällt, aus der Geschichte nicht gelernt zu haben.

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Ein Witz aus dem Fichenskandal der 90er: 'Grossmutter, warum hst Du einen so grossen Computer?' - 'Damit ich Dich bessser erfassen kann, Rotkäppchen!' Dass die Datenqualität miserabel ist, hat man schon im Zug des Fichenskandals der 90er festgestellt. Damals war die Antwort, man müsse mehr in Informatikmittel investieren - von NSA sprach man damals noch nicht. Und schon damals blieb der schale Eindruck, dass die Wirksamkeit der Massnahmen nicht überprüfbar bleiben sollte. Darf ja nicht sein, dass ins Parlament gewählte Personen einen Nachrichtendienst, der sie bespitzelt, WIRKLICH überprüfen könnten.

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vielen Dank für den informativen Bericht. Als ehemals Fichierte Bürgerin bin ich nun doch wieder besorgt:
....selbst wenn ich meine Fiche anforderte, Stellung nahm, die dann als „unbegründet verdächtigt“ im Archiv für 50 Jahre versorgt wurde, war und ist es damit erledigt?
Meistens steht drauf: "der oder die Person X wurde nicht benachrichtigt!"

•Darf man das? Einfach ohne Offenlegung der Tatsachen Bürger bespitzeln, wegen wer weiss was für Verdächtigungen, ohne Benachrichtigung?

•Und dann, als alles offen zur Einsicht stand und anschliessend in Bern im Archiv
versorgt war, war die Sache damit erledigt?

•Besonders in kleinen Kantonen und ländlichen Gebieten hatten sicher sämtliche
Behörden, eine Notiz gemacht, wenn nicht sogar ein Doppel des Dokumentes angefertigt.

•Wurden die sämtlich zurückgeschickt an die Ursprungsquelle , oder liegen die da "einfach mal so" immer noch herum in den Gemeinden ...
...zumindest sind sie immer noch in den Köpfen der "guten alten Behördenvertreter" vorhanden...
Diese wirken vor allem auf dem Land oft noch aktiv bei Sitzungen und Anlässen mit, werden um ihre Meinung gebeten, egal ob sie noch im Amt sind oder nicht!

.Gut, wenn man nun wieder Einsicht in Bundesfichen verlangen kann. Ich probierte es vor ein paar Jahren vorsichtshalber mal, man erklärte mir - das sei nicht mehr relevant - die Fichenangelegenheit sei passé.
Schrecklich, wenn das Theater wieder neu anfängt. Inzwischen bin ich pensioniert, damals musste ich "hier vom Land" oft mehr als 70 km pro Weg pendeln, um eine Arbeitsstelle als Lehrerin im Aargau oder in Zürich zu ergattern, nachdem ich vorher 20 Jahre hier an Ort und Stelle Legasthenie Stunden unterrichtete.

Solche Zeiten möchte ich nie mehr erleben.....

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Lukas Häuptli
Redaktor Inland
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Danke für Ihren Beitrag, liebe Frau A. Gerade die Frage der Löschung von Fichen wird die Schweiz sicher weiter beschäftigen.

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Klar doch wird auch der SAJV fichiert - das kennt man doch, Jugend ist per se verdächtig...

Rechtschreibung korrigiert

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Aus dem Präsidium der SAJV
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Besonders wenn sie als nationaler Dachverband Vernehmlassungsantworten schreibt...

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das habe ich mir noch zu wenig überlegt....woher nimmt der Nachrichtendienst all die vielen Bewacher....und was kostet das....wie wird das denn überhaupt finanziert, eigentlich müsste das auch im Nachrichtendienst klar sein, wieviel das überhaupt kostet.....

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Lukas Häuptli
Redaktor Inland
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· editiert

Gute Frage. Alles in allem hat der Nachrichtendienst des Bundes 375 Mitarbeitende und (für 2022) ein Budget von rund 110 Millionen Franken. Wie viele seiner Mitarbeitenden Daten erfassen und bearbeiten, gibt der Nachrichtendienst (zumindest auf die entsprechende Frage der «Republik») leider nicht bekannt.

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Ein aufschlussreicher Beitrag, besten Dank an die Republik. Er liest sich allerdings, als wäre der NDB ein Deutschschweizer Problem. Die erwähnten fichierten Personen, Parteien und Organisationen (ausser den gesamtschweizerischen), Politiker*innen etc. stammen allesamt aus der Deutschschweiz. Ich kann mir vorstellen, dass in der Romandie die Sachlage eine durchaus ähnliche ist. Spannend wäre zu erfahren, wie es sich in der wesentlich kleineren, italienischsprachigen Schweiz verhält, wo – nach meinen bisherigen Erfahrungen – die ganz alltägliche Informationsbeschaffung noch stark vom «Hörensagen» geprägt ist, und auch jegliche (lokal-)politische Aktivität sich in althergebrachten Seilschaften abwickelt. Wo mit andern Worten alle einen privaten Heuhaufen im Kopf haben (müssen), um im intransparenten Geflecht einer kleinräumigen Realität leben zu können.

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Angesichts der offenbar werdenden Qualifikation der Schweizer Datenbeschaffungs-Leute vermute ich, dass diese zuwenig gut französisch oder italienisch können, um in den entsprechenden Landesteilen zu „wirken“.

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Moment mal, Herr K., der NDB wird doch wohl auch Personal aus der italienischsprachigen Schweiz rekrutieren (müssen)?

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Lukas Häuptli
Redaktor Inland
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Lieber Herr D., Danke für Ihr Kompliment. Sie weisen zu Recht darauf hin, dass natürlich auch Parteien, Organisationen und Politiker aus der Romandie und aus dem Tessin fichiert worden sind.

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Aus dem Präsidium der SAJV
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Die zuständigen Mitarbeiter seien zudem geschult worden, die eingehenden Meldungen daraufhin zu prüfen, ob sie keinen Aufgabenbezug haben oder unter die Daten­bearbeitungs­schranke fallen.

Wie ist das zu deuten? War dieser Bezug zuvor kein Kriterium?

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Wenn sie den letzten absatz des zweitletzen abschnittes lesen, interpretiere ich das so, das von gewissen personen/organisationen… ansatzlos alles gespeichert wird (ich vermute mit automatisierten websuchen, die auf stichwörter absucht oder gezielt auf webseiten (inkl. FB/Instagram…) alles? speichert und erst dann eine zuordnung geschieht, aber, das geht aus der antwort hervor, es werden keine daten gelöscht.

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Danke für den Beitrag. Als ich meine Fiche Ende 8ziger Jahre anforderte, war auch ich schockiert über die Sinnlosigkeit, dass über meine Person einen Ordner mit Fotos und ziemlich nutzlosen Informationen angelegt wurde. Die Fotos zeigten mich, aufgenommen ab dem Dach der Post visavis, wie ich mit Schulkollegen mittags an der Zürcher Riviera hockte. Klar, das Trauma der Jugendunruhen und des Heroinproblem damals sass tief, aber eigentlich hat das nur dazugeführt dass wir Teenies nachträglich politisiert wurden, was ja eigentlich eher hätte verhindert werden sollen. Was mir damals und über die Jahre auch bewusst wurde ist, dass man natürlich meine Daten weiterhin ‚pflegt‘ es könnte ja noch etwas passieren? Deutlich gezeigt hat mir das, als ich mich offiziell auf der Gemeinde abmeldete und nach Paris auswanderte. Auf die Frage hin, was ich denn dort machen werde, wusste ich nichts genaues sagen und dementsprechend war ich gar nicht erstaunt dass ich zwei Jahre später, einen eingeschrieben Brief mit einer horrenden Busse und Androhung zur Fahnenflucht 🥴 der schweizer Armee erhielt. Ich war untauglich gesprochen worden, hatte mich offiziell abgemeldet und natürlich auch die ersten Militärpflichtersatz Rechnungen pünklich bezahlt…was sollte diese Schikane? Vielleicht musste einfach einen Bürolisten Job aufrecht erhalten werden? Klar eine Vermutung meinerseits, meine Grundhaltung gegenüber des Nachrichtendienst oder andere Datahoarder war ab da definitiv gesetzt.
Zum Schluss noch was lustiges…die legendäre Räp Crü um Black Tiger aus Basel nannte sich P27😎man sprach das englisch aus, vielleicht um nicht fichiert zu werden, oder eher weil es cooler tönte, Yo!

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Lukas Häuptli
Redaktor Inland
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Sehr spannend, Ihre Geschichte, lieber Herr B. Und die Anekdote um die Basler Rapper von «P-27» ist ganz gross. Man müsste sie mal fragen, woher ihr Name rührt.

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Wie ich von Black Tiger weiss, ist der Name vom Projekt 27 des Nachrichtendienstes abgeleitet. Unsere Rapvorbilder Public Enemy nannten sich den ‚black CNN‘

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Vielen Dank, Lukas Häuptli, für den brisanten Bericht darüber, dass der NDB diese Daten sammelt. Doch nebst der Frage, ob dieses Sammeln effektiv ist, sprich nützt, wäre die IMHO zentrale Frage, warum er diese sammelt.

Womöglich hat es nämlich nur für uns den Anschein, dass die Daten «in keinem Zusammenhang mit seinen Aufgaben stehen» – und das NDB «deshalb gegen das Gesetz» verstösst.

Es scheint also nur so, dass die Sammlerei «wahllos» und «willkürlich» ist und deshalb «sehr breit» «unverdächtige» «progressive Kräfte» trifft. Hinter der – oft belächelten – scheinbaren Inkompetenz verbirgt sich oft eine gefährliche Potenz, Macht.

Die naheliegende Vermutung ist, dass für sie diese Daten sehr wohl in ihren Aufgabenbereich fallen. Die Frage ist eben nur: Weshalb? Aufgrund welcher Kriterien und Raster?

Was sind seine Aufgaben, seine Zwecke?

  • Sicherung der «demokratischen und rechtsstaatlichen Grundlagen der Schweiz»

  • Schutz der «Freiheitsrechte der Bevölkerung» und deren «Sicherheit»

Welche Mittel darf er dafür verwenden?

  • Unter anderem das Sammeln von Daten.

Gemäss Gesetz sind das solche, die «dem frühzeitigen Erkennen und Verhindern von Bedrohungen der inneren oder äusseren Sicherheit»dienen, Bedrohungen etwa durch Terrorismus, gewalttätigen Extremismus oder die Weiter­verbreitung nuklearer, biologischer oder chemischer Waffen.

Dazu gehören aber auch «Demonstrationen mit Gewaltpotenzial», etwa Sachbeschädigungen.

Der zentrale Ausdruck hier ist «frühzeitig». Es geht also um «Prävention». Und wie in anderen Bereichen herrscht dabei ein «Noch-nicht» von unmittelbarer Gefahr oder Verdachtsmomenten, sondern höchstens ein heuristisches Einschätzen von allgemeinen Risiken.

Und hierzu traten in den letzten Jahren neben Links- und Rechtsextremismus sowie religiös motiviertem Extremismus auch der Tierrechts- und Ökoterrorismus in den Fokus. Etwa die Aktion der «Stop Huntingdon Animal Cruelty» gegen Vasella.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Nachdem in Wolhusen beinahe ein Neonazi-Konzert stattgefunden hat, stellte SVP-Kantonsrat Pirmin M. dem Justiz- und Sicherheitsdepartement eine Anfrage über Extremismus in Luzern. Spezifisch auch über den Ökoterrorismus und Tierrechtsextremismus.

Auszüge aus dem Antwortschreiben, das sich oft auf den «Lagebericht NDB – Sicherheit Schweiz» bezieht:

Zu Frage 2: Mit welchen Arten von Extremismus sind wir in der Schweiz und im Kanton Luzern vor allem konfrontiert?
Thema sind aktuell der Links- und der Rechtsextremismus sowie der Tierrechtsextremismus.

Der NDB verzeichnete 2018 eine auffällige Häufung im Bereich Tierrechtextremismus. Im Lagebericht 2019 wird diese Feststellung als Hinweis dafür erwähnt, dass eine bestehende Szene auch nach langen Jahren der Ruhe wieder gewaltsam agieren kann. Allerdings erreichen die aktuellen Aktivitäten nicht ansatzweise eine ähnliche kriminelle Energie wie vor Jahren in der Kampagne «Stop Huntingdon Animal Cruelty».

Seit 2015 wurden im Kanton Luzern keine gewalttätigen Vorfälle durch Rechtsextreme registriert. Insgesamt verhält sich diese Szene relativ ruhig. Hingegen waren zwischen 2016 und 2019 einige Vorfälle der linksextremen Szene zu verzeichnen. Es handelte sich dabei um nicht bewilligte Demonstrationen (in einem Fall mit Sachbeschädigung), um die versuchte Verhinderung einer Ausschaffung, um Hausbesetzungen (Sachbeschädigungen und Hausfriedensbruch) sowie einen Farbanschlag auf das Amt für Migration. Was den Tierrechtsextremismus anbelangt, sind uns im Kanton Luzern bislang keine nennenswerten, gewalttätigen Vorfälle bekannt.

Im Kanton Luzern sind uns bislang keine nennenswerten gewalttätigen Vorfälle von Tierrechtsextremismus bekannt. Daher lässt sich auch keine Beurteilung bezüglich potenzieller Gewalttätigkeit abgeben. Die beim Bund verzeichneten Ereignisse lassen sich analytisch drei Zusammenhängen zuordnen. Es geht erstens um Aktionen gegen die Jagd – insbesondere im Kanton Zürich und häufig unter dem Label Animal Liberation Front (ALF) –, zweitens vornehmlich in der Westschweiz um Sachbeschädigungen im Zusammenhang mit Fleischkonsum und drittens um die Gruppierung «269 Libération animale». Der NDB-Lagebericht spricht zudem von weiteren Aktionen, die sich nicht eindeutig zuweisen lassen und bereits in den Jahren zuvor verschiedentlich festzustellen waren.

Zu Ökoterrorismus – wenn dies als Gewaltakte gegen Sachen oder Personen im Zusammenhang mit der Umwelt definiert wird – liegen uns keine aktuellen Zahlen vor. Für 2018 sind weder in der Schweiz noch speziell im Kanton Luzern entsprechende Vorfälle bekannt.

Zu Frage 10: Wo sieht die Regierung Handlungsbedarf?
Massgebend ist ein Bündel von Massnahmen im präventiven Bereich (gemäss nationalem Aktionsplan), in der Früherkennung (nachrichtendienstliche Tätigkeit) sowie in der Kriminalitätsbekämpfung (Fedpol und kantonale Polizeikorps). Die Ressourcen der Nachrichtendienste konnten in den vergangenen Jahren auf nationaler wie auch auf kantonaler Ebene verstärkt werden.

Ist es verwunderlich, dass der SVP-Kantonsrat nach dem Beinahe-Neonazi-Konzert sich vor allem auf den Ökoterrorismus und Tierrechtsextremismus einschoss? Laut Daniel Binswanger darf uns dies nicht verwundern.

Es ist einfach, sich über die «Achse des Guten» zu mokieren, aber man sollte die Delirien über «Dekarbonisierungs­massnahmen» auf keinen Fall unterschätzen. Neben der Migration etabliert sich gerade die Ökologie als neuer Lieblings­feind des Rechts­populismus. Das gilt selbstverständlich für Donald Trump, der in dieser Hinsicht ideologische Pionier­arbeit geleistet hat, aber auch für die deutsche AfD, deren Parteichef Alexander Gauland offiziell zu Protokoll gab, dass der Widerstand gegen die Klimapolitik nach dem Euro und der Migration zum «dritten grossen Thema der AfD» gemacht werden müsse. Es gilt ebenfalls für die Schweizer SVP, die sich mit diesem Parlaments­wahlkampf auf den Weg gemacht hat, von der Anti-Europa- zur Anti-Klima-Partei zu mutieren. Wir werden uns daran gewöhnen müssen, dass paranoide Theorien über «Umwelt­diktatur» und «Klimakolchose» ins rhetorische Standard­programm integriert werden.

Dass deshalb an sich unverdächtige «progressive Kräfte», seien es SP, Grüne, Menschen- oder Tierrechtsorganisationen sowie Klima-Aktivist:innen, unsinnigerweise ins Visier der präventiv agierenden Sicherheitsbehörden wie dem NDB kommen, erhält vor diesem Hintergrund ihren «Sinn».

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Lukas Häuptli
Redaktor Inland
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Danke für die Ausführungen, lieber Herr Rebosura. Vor allem Ihren Hinweis darauf, dass der Nachrichtendienst Gefahren gemäss Gesetz «frühzeitig» erkennen soll, finde ich spannend. Nur rechtfertigt das natürlich nicht, dass er Daten über völlig unverdächtige Parteien, Organisationen und Politiker sammelt.

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Interessant, dass es in unserem Land zumindest einen Bereich zu geben scheint, in dem Prävention betrieben wird, wenn offensichtlich auch in einer völlig grotesken Art. Danke für Ihre Ausführungen.

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Interessant wäre auch, Verhältnisse zu kennen. Finden sich da neben Millionen Einträgen zur russischen Armee ein paar Tausend Einträge zu Schweizern? Oder sind es hauptsächlich letztere? Müsste der NDB nicht beschwichtigen, dass dies nur Beifang sei?

Die genannten Beispiele lassen mich vermuten dass einiges an Handarbeit nötig ist um all dies zusammen zu tragen. Was auch heisst, dass die Sache schlecht skaliert. Der NDB lastet sich mit seinen eigenen Landsleuten aus und verliert wichtige Dinge aus den Augen?

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....Seither würden die zuständigen Mitarbeiterinnen vor der Abspeicherung einer Information prüfen, ob diese einen «Aufgabenbezug» aufweise und für die Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben des NDB tatsächlich benötigt werde, sagt die Sprecherin. Inhalte, die diesen «Aufgabenbezug» nicht hätten, würden anonymisiert oder, wo das noch nicht geschehen sei, einer Verwendungs­sperre unterstellt...

Da stellen sich für mich fragen:
Informationen scheinen immer noch ansatzlos gesammelt zu werden. Da wären die kriterien dieser informationsbeschaffungen in frage zu stellen. Vermutlich sind da webcrowler im einsatz die einfach alles sammeln was von "untersuchungswürdigen" quellen stammt (aufstockung des heuhaufens)?
Mit der anonymisierung bestätig die sprecherin ja, das solche nicht dem gesetzlichen auftag entsprechenden informatione nach wie vor gespeichert werden genaus so wie die "verwendungssperre?"
Wozu information speichern die nicht verwenden werden dürften. Auch aus anonymisierten informationen kann anhand der quantität der informationen heute rückschlüsse auf die identität der info gezogen werden. as heisst einer person, einer gruppierung zugeordnet werden. (Google lässt grüssen)
Was versteht der NDB unter werwendungssperre. Werden diese information bei suchläufen ausgesperrt, dann müssten sie auch nicht gesperrt werden sondern gelöscht. Z.Bsp. teilnahme an demos abcdefg... unterliegen einer verwendungssperre, werden aber, da ersichtlich, ins gesamtbild einer überwachung und deren einordnung einfliessen.
Ein überdenken der sammelwut sieht für mich anders aus.

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Lukas Häuptli
Redaktor Inland
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Lieber Herr W., Danke für Ihren Hinweis. Ich bin den Eindruck nie losgeworden, dass der Nachrichtendienst des Bundes (NDB) sehr viele Daten sehr unsystematisch gesammelt hat. Sicher aber ist, dass er viel zu viele Informationen zusammengetragen hat. Symptomatisch: Seine politische Aufsicht (die Geschäftsprüfungsdelegation des Parlaments) fragte schon 2020, «warum der NDB Tausende von Pressemeldungen beschafft, für deren Bearbeitung offensichtlich niemand Zeit hat».

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Leserin
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Die Kritikerin im Dialog, N. F., s.u.: was ist das wohl für eine Person? Der Schattenriss verweist auf das 18., 19.Jh. Laut Wikipedia sei er bei den Verbindungsstudenten nach den Befreiungskriegen im 19.Jh. gross in Mode gekommen. Dazu gehörten ein starker Nationalismus mit den bekannten Nebenwirkungen Antisemitismus. Schade sehen wir nur den Schattenriss.

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Jonas Studach
Community-Support
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Liebe Frau D.,
Auch wenn die Kritik dieser Person keinesfalls akzeptiert werden muss (sie wurde ja auch bereits gekontert): Ich würde es begrüssen, wenn Sie, anstatt auf die Person zu zielen, sich auf die Argumente, die Aussagen und deren Lücken fokussieren könnten.
Der Schluss, den Sie aus dem Schattenriss ziehen, scheint mir ausserdem dann doch auch ein bisschen gar vorschnell.
Herzlich, JS

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Eine entscheidende Frage bleibt irgendwie offen: Wer benutzt diese Daten wozu? Ist es wirklich nur Dokumentation oder auch staatliche Überwachung? Staatliche Verfolgung gar? Wenn sich der NDB nicht an die Gesetze hält, tun dass andere Ämter eventuell auch nicht?

Der Bezug der erwähnten Informationen zum Zweck "Verhindern von Bedrohungen der inneren oder äusseren Sicherheit, etwa durch Terrorismus, gewalttätigen Extremismus oder die Weiter­verbreitung nuklearer, biologischer oder chemischer Waffen" ist dermassen uneinsichtig, und die bisherigen Erfahrungen mit unkontrollierten Geheimarmeen so krass, dass im heutigen Klima grösste Befürchtungen nicht abwegig sind.

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Danke! Bitte dranbleiben!

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Datenlieferant
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Wir wissen doch alle, dass Daten einen immensen Wert darstellen können. Vielleicht sammelt unser liebes Heimatland einen grossen Schatz an. Nur, hat Google & Co. den viel grösseren...😉

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eigentlich hätte man sich das bereits lange denken können, nun während dem Ukraine Krieg kommen doch viele Schutzsuchende in die Schweiz.... und dazu auch noch aus dem Osten....das ist offenbar eine regelrechte Bedrohung ...

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Eventuell ein wenig naïv
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Obwohl ich unter Dauerstress lebte, erinnere ich mich an die Fichen Affäre. Mein Kommentar dazu war damals: -Wenn man ein ruhiges Gewissen hat, hat man nichts zu befürchten!
Nur dass ein ehemaliger Vormund 2008 zu mir sagte: -Auch Sie wurden 1970 in Zürich beobachtet.
Was war mit Art. 11 der Bundesverfassung: Schutz der Kinder und Jugendlichen. 1 Kinder und Jugendliche haben Anspruch auf besonderen Schutz ihrer Unversehrtheit und auf Förderung ihrer Entwicklung? Auch versuchten sie nicht, mich für 2 Jahre nach Hindelbank zu schicken, wäre dies meine Rettung gewesen, mussten die Eltern ja einen Vertrag unterzeichnen.
Nach Zürich ging ich 1969, als 18 jährige, weil ich eine Stelle als Praktikantin in einer Import Firma hatte und somit auch meine Deutschkenntnisse etwas verbessern konnte.
Wurde übrigens in dieser Firma fast wie ein Familienmitglied aufgenommen.

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