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Solche soliden Interviews schätze ich sehr. Danke, Republik!

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Danke fürs motivierende Feedback!

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interessierter Leser
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Wichtiger Beitrag - nicht so toll, die Schweizer Strafjustiz. Sparen kommt vor den Menschenrechten, das scheint sehr schweizerisch zu sein. Auf lange Sicht kommt das aber teuer zu stehen, weil das Vertrauen in den Rechtsstaat sinkt.

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· editiert

Sehr erhellend, dieses Interview, vielen Dank dafür. Ich frage mich auch, ob eine polizeiliche Einvernahme bereits als „rechtliches Gehör“ bezeichnet werden darf. Denn dort werden die Antworten sehr häufig vom verhörenden Polizisten selbst notiert und sind am Ende teils so rudimentär, dass der Zusammenhang nicht mehr hergestellt werden kann bzw. sind sie teils sogar falsch. Auf Basis dieser Notizen erstellt dann der Staatsanwalt den Strafbefehl. Wenn man allerdings per Einsprache eine Einvernahme beim Staatsanwalt erreicht, steigen die zu zahlenden Kosten gleich mal um ein Vielfaches an (30 Minuten = 800 CHF).
Und was mich neben aller im Interview genannter Kritik auch noch sehr stört, ist die Frist, innert derer man per Strafbefehl rechtskräftig verurteilt werden kann: Angenommen, jemand ist drei bis vier Wochen lang in den Ferien, dann ist die Einsprachefrist bereits vorbei, wenn er niemanden hat, der für ihn eingeschriebene Briefe abholt und sie auch noch öffnet und liest. Eine Einsprache kann der andere dann aber nicht mehr stellvertretend formulieren und absenden. Die Einsprachefrist auf übliche 30 Tage zu erhöhen, würde den Staat nicht mehr kosten als jetzt, wäre aber auch schon etwas fairer.

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Liebe C. S., genau, die Einsprachefrist von 10 Tagen kritisiert Marc Thommen auch, er sagt ebenfalls, diese müsste auf die üblichen 30 Tage erhöht werden.

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Ich fände es vernünftig, wenn vor Erlass des Strafbefehls dem Beschuldigten rechtliches Gehör gewährt wird, wie anscheinend ja von Bundesrat auch beabsichtigt wurde (https://www.unilu.ch/fileadmin/faku…pdf#page25). Eine Parteimitteilung zu erhalten (mit Info des in Aussicht gestellten Strafbefehls), darauffolgend weitere Beweisanträge gestellt werden können, wäre fairer. Dann wäre auch in etwa zeitlich klarer, wann der Strafbefehl zugestellt wird und eine Frist von 10 Tagen wäre praktikabel. Als juristischer Laie war aber für mich verwirrend, dass bei einer Parteimitteilung zwar eine Frist von 10 Tagen stehen kann, diese aber verlängert werden darf. Bei einer Sistierungsverfügung, die absolut unerwartet zugestellt werden kann, ist die Frist von 10 Tagen fix, was extrem kurz ist.

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Mathematiker
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Die Frist auf z.B. 30 Tage zu verlängern, löst das Problem überhaupt nicht! Jemand kann und darf ja gerne auch mehr als 30 Tage abwesend sein, und der Sinn der Frist müsste sein, dass jemand seine Situation, seine Optionen, seine Chancen überlegen und sich beraten lassen und sich dann in Ruhe entscheiden kann.

Beginnt die Frist nicht erst zu laufen, wenn der Beschuldigte den Strafbefehl empfangen hat, also ggf. wenn er aus den Ferien zurückgekehrt ist? oder ist er dann per Zustellfiktion schon rechtskräftig verurteilt? Und werden diese Strafbefehle von der Post nicht als "Gerichtsurkunde" zugestellt? (Früher wA. D.s eine eigene Sendungs-Kategorie bei der Post.) Oder wenigstens als "Einschreiben mit Rückschein", bei dem eine unterschriebene Empfangsbescheinigung ggf. zu den Akten kommt?!

Und kann ein so (eben per Zustellfiktion) angeblich "rechtskräftig" Verurteilter dieses Urteil noch irgendwie anfechten, wenn er Kenntnis davon erhält? wie? wo? in Lausanne? in Strassburg? bestreiten, dass er in korrektem Verfahren verurteilt wurde? oder bleibt dann nur noch "abgereist ohne Adressangabe"?!

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Als Gerichtsurkunde definitiv nicht. Wir haben es erlebt, dass ein Strafbefehl als „nicht zustellbar“ beim Staatsanwalt lag, weil ein offenbar leseunkundiger Postbote den Namen auf dem Briefkasten nicht gefunden hatte. Der Strafbefehl galt trotzdem und es brauchte viel Erklärungskompetenz um noch Einsprache zu erheben. Das nennt sich dann „Antrag auf Wiederherstellung der Einsprachefrist“ und muss gut begründet werden, damit dem stattgegeben wird. In unserem Fall wA. D.s kein Problem, der Grund lag auf der Hand.
Ab wann die Frist läuft, wird nicht genau erläutert. Es gibt ein Erstellungsdatum und ein Zustelldatum, letzteres ist aber dA. D.tum, A. D.m die Staatsanwaltschaft den Strafbefehl versendet. Definitiv nicht identisch mit dem Empfangsdatum.
Man muss aber auch nicht schon alles abgeklärt haben um Einsprache zu erheben und man kann sie auch jederzeit wieder zurückziehen. Da eine weitere Einvernahme bei der Staatsanwaltschaft meist erst nach einiger Zeit stattfindet, hat man noch genügend Zeit sich beraten zu lassen.
Und wenn jemand längere Zeit nicht zu Hause ist, sollte er dann nicht sowieso dafür sorgen, dass jemand sich um seine Post kümmert?

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Wieder einmal Stelle ich fest, dass die Schweiz in wichtigen Belangen den europäischen Normen weit hinterher hinkt und eigentlich nur vom Spargedanken geprägt ist. Es ist zunehmend beschämend und auch peinlich.
Danke für diesen wertvollen Beitrag!

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Danke für diese Aufklärung, ich hatte keine blasse Ahnung, dass sich eines der reichsten Länder eine derartige Billigerjakob-Justiz leistet – und das in diesem Ausmass. Bin sprachlos.

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Theologin/Seelsorgerin
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Zustell­fiktion

Als ich dachte, jetzt kann es nicht absurder und schlimmer werden, folgte die Dossierfiktion.

Unfassbar. Danke für das Interview!

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Das hat mich auch geschockt: Ich kann [rechtskräftig] verurteilt werden, ohne es zu erfahren. Zum Beispiel, weil man meine Adresse nirgends mehr findet. Ufff.

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An guten Regeln Interessierter
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Wow, so spannend und lehrreich! Genauso wie der Artikel über das abgekürzte Verfahren vor zwei Tagen. Vielen Dank Frau Hürlimann!

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Merci! Und ich gebe den Dank an meinen Interviewpartner weiter, an Marc Thommen, der es schafft, ein komplexes Thema verständlich und spannend darzulegen.

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Sehr spannendes Interview. Eines das einmal mehr aufzeigt, dass "man" schon wüsste, wie eine korrekte, effektive Justiz zu organisieren wäre, wenn mA. D.nn nur wollte und die dafür notwendigen Finanzen zur Verfügung stellen würde. Effizienz ist per se nichts Schlechtes, das macht Marc Thommen klar. Im Gegenteil - wo man landen könnte, wenn mA. D.r Effizienz nicht auch Beachtung schenken würde, zeigte kürzlich ein Beitrag von radio srf am Beispiel der italienischen Justiz. Auch sehr hörenswert: https://www.srf.ch/audio/internatio…d=12368130

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ein offensichtlicher Nachteil, wenn "Regeln* der EU nicht unbedingt massgeblich sein müssen.

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In der Schweiz geht es immer, wirklich immer um das Geld. Es geht immer um Profit, um Gewinn, es geht um Effizienz und es geht nicht um Menschlichkeit, Mitmenschlichkeit oder Gerechtigkeit. Die Kultur dieses Landes ist zum Kotzen.

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Es ist davon auszugehen, dass es sich bei jedem Strafbefehl lohnt, Einsprache zu erheben. Der Strafbefehl ist so etwas wie der erste genannte Preis auf dem Basar. Ich kenne niemanden, der nach einem Rekurs schlechter dagestanden wäre als zuvor.

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Sehr gutes Interview! Und genA. D.shalb verleiht der Beobachter seit diesem Jahr den Fehlbefehl des Jahres - für den stossendsten Strafbefehl https://www.beobachter.ch/gesetze-r…022-567322

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Einsendungen für den Fehlbefehl 2024 hochwillkommen!

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Fehlbefehl, eine überaus treffende Bezeichnung. Ich befürchte, die Auswahl wird gross sein...

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Hm. Ich seh das Problem. Die Schweiz ist einfach immer noch VIEL zu ineffizient mit diesen Strafbefehlen. Warum nicht einfach die Polizisten das Urteil gleich selber sprechen und vollstrecken lassen? Da kommt dann auch gleich noch der persönliche Kontakt zustande. Die Polizisten nennen wir dann Judges... (JA. D.s ist Ironie. Wobei es mich nicht überraschen würde wenn der eine oder andere im NR/SR die nicht erkennen und das tatsächlich für ne gute idee halten würde)

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Sehr schöne Anmerkung!
So oberflächlich, wie manche Staatsanwälte die Akten studieren, bevor sie den Strafbefehl ausstellen, würde das wirklich keinen grossen Unterschied machen. Exekutive bleibt Exekutive 😜

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Sehr wichtiger Artikel! Diese Dinge sind einem grossen Teil der Bevölkerung vermutlich nicht bekannt und wenn dann denken wohl die meisten, dass es sie eh nicht betrifft und kümmert sie daher auch nicht. Dabei sollten wir einen guten, fairen Rechtsstaat unbedingt stets anstreben!
Gibt es eine Statistik dazu, wie die richterlichen Urteile ausfallen von Verfahren nach Einsprache, die vor Gericht landen?

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Müsste man wohl erforschen, was ziemlich aufwändig wäre, weil erstinstanzliche Urteile kaum öffentlich publiziert werden.

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Studentin
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Die Verlinkung zum "berühmten Beispiel" führt zurück zum Artikel. Wäre es möglich den Link noch anzupassen? Ich würde gerne mehr davon erfahren.

Stelle im Artikel: "Ein berühmtes Beispiel ist die schiefgelaufene Herz­transplantation am Universitäts­spital Zürich, da wurden 2007 die involvierten Chirurgen per Strafbefehl abgeurteilt und wegen fahrlässiger Tötung bestraft."

Ich danke im Voraus:)

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Oh Mist, das sollte nicht sein. Hier der Link: https://www.nzz.ch/newzzf3cwu3w9-12…duced=true

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Herzlichen Dank für den Hinweis! Der Link ist im Beitrag nun richtig gesetzt.

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Die beschriebene Strafbefehlspraxis offenbart ein allgemeines Problem: Juristen scheuen den Sachverhalt, seine Facetten und Nuancen. Die Befragung von Persoen, gleich in welcher Funktion im Verfahren, erzeugt Nuancen, die eine dürre Sachverhaltsschilderung in den Akten nicht aufweist. Das kann unter Umständen die Entscheidung anspruchsvoller machen, abgesehen davon, dass die Befragung Zeit kostet, die sich derjenige spart, der seinen Strafbefehlt "ab Blatt" erlässt.
Anders gesagt: Menschen mit ihren farbigen Schilderungen stören die reine juristische Argumentation. Die Tendenz, Sachverhalt auszublenden, zeigt sich nicht nur im Strafbefehlsverfahren, sondern beispielsweise auch in Verwaltungs- und gelegentlich sogar in Gerichtsverfahren.
Ich habe es in mehr als 15 Jahren Anwaltstätigkeit nie erlebt, dass eine Verwaltungsbehörde wie der Bezirksrat oder die Verwaltungsgerichte je eine am Verfahren beteiligte Person befragt hätten. Die Entscheidungen ergehen immer nur gestützt auf die vorhandenen und eingereichten Akten.
Und wie oft lesen wir in Gerichtsurteilen, dass eine Frage offenbleiben kann (die eine Befragung Beteiligter erfordert hätte), da sie ohnehin unwesentlich ist?

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Werden wir je erleben, dass sich diese Praxis ändert, Herr F.? Oder anders gefragt: Was bräuchte es, für eine Praxisänderung?

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Rüdiger Lautmann hA. D.eses Phänomen schon in den 70er Jahren in seinem Buch "Justiz - die stille Gewalt" beschrieben. Wenn wir heute dasselbe feststellen (müssen), haben wir es mit sehr gefestigten Gewohnheiten zu tun. Das lässt sich am ehesten damit erklären, dass die Juristenausbildung sich auf das Studium des Rechts konzentriert und die Sachverhaltsfeststellung zu kurz kommt. Und eben: Sachverhaltsermittlung kostet Zeit, bindet Arbeitskraft und ist daher teuer.

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Senftube
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In der Tat: „Uff.“

Frage zu Sexual- und Gewaltdelikten, genauer gesagt häuslicher Gewalt. Das sind oft Delikte ohne Zeugen. Was leider oft dazu führt, dass Opfer, meist Frauen oder Kinder, die Delikte nicht nachweisen können, insbesondere wenn es keine klar einer Ursache zuweisbaren körperlichen Verletzungen (mehr) gibt. Es gibt aber auch Fälle, in denen in einem Rosenkrieg gelogen wird, in dem es zu falschen Anklagen kommt… In dubio pro reo, also: Können solche Delikte ohne Zeugen, in denen in Prozessen oft Aussage gegen Aussage steht, auch in so einem Verfahren abgewickelt werden?

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Brigitte Hürlimann
Gerichtsreporterin
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Ich poste Ihnen hier den Link zu den Voraussetzungen fürs Strafbefehlsverfahren, aus dem Strafprozessrecht: https://www.fedlex.admin.ch/eli/cc/…de#art_352

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Senftube
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Ganz herzlichen Dank, und auch für das spannende und aufschlussreiche Interview!

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Demokrat
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Im St. Galler Tagblatt vom 16. Mai ist der Fall eines Handwerkers beschrieben, dem versehentlich 249 Franken überwiesen worden waren. Zunächst bemerkte er das Malheur nicht, zumal ihm in der Einvernahme ein falsches Datum genannt worden war. Prompt erhielt er einen Strafbefehl mit Bussbescheid. Vor Gericht wurde er vollumfänglich freigesprochen und die Staatsanwaltschaft gerügt. Die Rechtssprechung hat also funktioniert, auch weil sie nach dem Grundsatz "in dubio pro reo" funktioniert, die Staatsanwaltschaften aber in der Regel von einer Straftat ausgehen. Mit einer Einsprache kann diesem Ungleichgewicht begegnet werden. Das ist jedermanns und -fraus Recht, das ja von niemandem bestritten wird.

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Auch ein Danke von mir.

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