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Nochmals wunderbare und einsichtsreiche Einblicke von Daniel Graf zu Büchern, bereichert mit einer Einführung in einer gegenwärtige Debatte in der Literaturwissenschaft.
Zuerst zur Debatte: Dass die Werke von Murakami und Ferrante fad sind, egal wie zelebriert, kann ich nur zustimmen. Die anderen aufgeführten Autoren habe ich nicht gelesen. Ehrlich gesagt, Barfuss wurde ich auch in dieser Aufstellung führen; ich weiss aber, mit diesem Standpunkt werde ich nicht beliebt. Von Einheitsbrei auf "dem Markt" muss man jedoch entscheidend Abstand nehmen. Ich denke als erste an Rot (Hunger) und Mein kleines Prachttier, in der Republik vorgestellt: die beiden waren Einführungen in anderen Welten und in anderen Erzählweisen; total aufregend und beide ein absolut Novum! And both were hard to bear, gerade wegen den extremen Inhalten, but it was worth it to push through to the end. Es gibt weitere Beispiele von neuen Erzählweisen.
Zu den Büchern: die Besprechungen schaffen es, ein gutes Bild zu den Werken zu geben, ohne Spoilers rauszulassen. Ich schwanke zwischen Büchern 1 und 3, und vielleicht ist die Lösung sowohl als auch.
Eine Frage in die Runde: was die beiden Büchern verbindet, und wohl möglich auch Buch 2, ist, dass die Basis der Erzählung in der Perspektive eines Kindes (oder zwei Kinder) in der Familie fusst. Ist das jetzt ein Trend? Es fängt mit den frühkindlichen Erfahrungen an? Das Bildungsroman rückt sich zehn oder fünfzehn Jahre früher im Werdegang der Figur/en.

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Merci vielmals, lieber Herr Wall! Es freut mich natürlich, dass Sie eine Lanze auch für die sogenannten «schwierigen» Texte brechen. Und dass Sie – durchaus auch herausfordernde –Entdeckungen in diesem Bereich, wie etwa durch die Rezension von Christine Lötscher, schätzen. So umstritten solche formal oder inhaltlich gewagten Texte oft sind, so umstritten ist ja interessanterweise auch die Bewertung internationaler Erfolgsromane wie die von Moritz Baßler analysierten (die er übrigens nicht alle automatisch negativ beurteilt; es ist zunächst vor allem eine formale Analysekategorie, aber die Grundthese transportiert natürlich unweigerlich ein Werturteil mit, was auch zu manchen Widersprüchen in der Argumentation führt). Die Neapel-Tetralogie von Elena Ferrante würde ich persönlich zum Beispiel zu den grossen Texten der Weltliteratur zählen; Sie hingegen finden sie eher fad. Solche unterschiedlichen Beurteilungen und der Austausch über Gründe dafür machen bei Gesprächen über Literatur ja mit das Salz in der Suppe aus, und solange z.B. Bücher wie das von Baßler dazu beitragen, dieses Gespräch voranzubringen, ist das erst einmal etwas Tolles. Interessant finde ich Ihre Beobachtung zu kindlichen Erzählperspektiven. Das ist tatsächlich etwas, womit in den letzten Jahren auch nach meiner Wahrnehmung verstärkt gearbeitet wurde, nicht unbedingt in Richtung Bildungsroman, sondern um sehr verschiedene Bereiche kindlicher Erfahrungs- und Wahrnehmungsrealität einzufangen; häufig auch, um traumatischen Erfahrungen literarisch Ausdruck zu geben.

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Danke, Herr Graf, dass Sie auch Ferrante gestreift haben. Gratulation, Mr Wall, dass Sie sich nicht mit dem Exposé der Tetralogie begnügen wollen. Sie wissen nicht, Sie wissen nicht, was Sie neben dem „Hauptpunkt“ noch alles erwartet. Sagen Sie mir nach der Lektüre von Nummer 2 bitte, ob das vielleicht ein Romanbündel für Frauen ist? Sie sind doch schnell. Oder doch besser nach Band vier? Bisher hatte ich nach der Lektüre nur das Bedürfnis, mich mit Frauen über dieses Werk auszutauschen. Nicht mal das ist mir gelungen bisher. Nach der Erwähnung von Ihnen, die bei mir erstmal Kopfschütteln & Zweifel auslöste, sag ich mir: Dem gehen wir auf den Grund.

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Danke lieber Herr Graf für die stimulierende Antwort! Zu Ferrante: muss ich zugeben, ich las nur Nr 1 und war von den distanzierten Schulerfahrungen nicht gefangen und von Schuhen nicht besonders begeistert - die Italiener und Lederschuhen - werde aber nach ihrer Meinungsmitteilung doch Nr 2 auf der Liste setzen; schliesslich sind Sie bei weitem nicht allein mit Ihrem Urteil und ich weiss, ich weiss, ich habe genügend über die Bücher gelesen: der Hauptpunkt ist die Schilderung der Freundschaft. Zum Bildungsroman: was ich aus meiner bescheidenen Ecke sagen wollte, war, es gibt kaum Bildungsromane mehr, oder? Oder nur in einer stark abgeänderten Form, wo das Erwachsenwerden einer Figur nur eine von mehreren Themen sind. Bspw. in "Tauben fliegen auf" wird die Hauptfigur am Schluss erwachsen, aber erstens nicht verheiratet, zweitens kriegt man keinen Hinweis, wie ihr Leben weitergeht, und drittens, spielen viele weitere Erzählungsstränge mit im Buch. Und dass ich auf Erzählungen aus kindlicher Sicht, die öfters einer traumatischen Natur aufweisen, aufmerksam sind, hängt mit den eigenen Lebenserfahrungen zusammen. Gut dass dies thematisiert wird!

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Die Literaturschau von Daniel Graf gehört für mich zum Anregendsten und Besten, was die Republik bieten kann. Vielen Dank für neue Blicke, Ohrenöffner und Horizonterweiterungen lieber Daniel Graf!

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Leserin
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Mir geht’s genauso! Grossen Dank an Daniel Graf!

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Dem Dank und dem Votum von Ihnen schliesse ich mich sehr gerne an!

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Vielen herzlichen Dank Ihnen allen!

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Gestutzt nach

"Seine Thesen wurden vor allem dort problematisch, wo er in auto­fiktionalen Romanen, die Fragen von race, class und gender verhandeln, bloss politische Botschaften an die ohnehin schon Gleich­gesinnten erkennen wollte, aber die literatur­historischen Errungenschaften dieser Texte übersah."

Da bekomme ich das Gefühl des herauswindens aus dem Generalverdacht.

Aufgehört zu lesen nach

"Doch ist seine Grund­these nicht deshalb interessant, weil sie eine brauchbare Diagnose zur Gegenwarts­literatur in ihrer Band­breite liefern würde (dafür ist sie zu pauschal); sondern weil sie einen Mass­stab setzt. Literatur, so liesse sich daraus ableiten, braucht eine Vielfalt von Macharten und Stilen statt die Verengung auf ein einziges Erfolgs­modell."

Die Grundthese (zuwenig Varianz) ist demnach zu Pauschal (also Falsch), der geforderte Massstab (mehr Varianz) aber gerechtfertigt.

Zu wenig wahrhaftigkeit, zu viel konstruktion seitens Autor, da bin ich sowas von raus.

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Multifunktional
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Schade, denn den eigentlichen Artikel und die drei spannenden Buchempfehlungen haben Sie damit verpasst. Die zitierten Stellen sind nur Einleitung. Ich rate Ihnen zu einem zweiten Leseversuch und einem Vorspringen gleich zur ersten Empfehlung. Die Einleitung können Sie getrost zur Seite lassen.

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Nein ich konsumiere diesen Monat keine Texte und andere Medien mit verwischenden Inhalten. Erschreckend, wie wenig da noch übrigbleibt. Fazit nach 6 Tagen: Klarheit für das wesentliche steigt, die ohnehin schon recht grosse Lebensfreude hat einen Sprung gemacht, achtsamerer Umgang in Beziehung, Wahrnehmung der inneren Stimme und die Leistungsfähigkeit steigt. Muss niemand verstehen, aber es für mich zu behalten wäre unsolidarisch.

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Danke für Ihren Kommentar, N. Z.. Die Diskussion, auf die ich in der Einleitung Bezug nehme, ist nicht ganz unkompliziert und vielleicht nicht jedermenschs Sache, das kann ich verstehen und war für mich beim Schreiben auch eine Grundfrage: Wie umgehen damit? Wenn es bei Ihnen dazu geführt hat, dass Sie auf den eigentlichen Hauptteil keine Lust mehr hatten, ist das natürlich überhaupt nicht in meinem Sinne und ich hoffe, dass es für Sie beim nächsten Mal wieder besser funktioniert. Was unsere Überlegungen bei solchen Fällen sind, hat allerdings H. W., wie ich finde, sehr schön beschrieben. Konkret: Ich versuche dann zum einen, den Text sehr klar zu strukturieren, sodass man auch einzelne Abschnitte getrennt lesen bzw. überspringen kann. Zum anderen – so zumindest meine Intention – soll die Einleitung deutlich machen: Jetzt hole ich kurz aus für eine aktuelle Debatte im Hintergrund – danach kommen drei eingehende Buchvorstellungen, die das eigentliche Zentrum des Textes sind. So hoffen die Kolleg:innen und ich dann, dass diejenigen, die an der aktuellen Grundsatzdebatte weniger Interesse haben, einfach zum nächsten Abschnitt gehen – und diejenigen, die solche Kontexte wichtig finden, nicht darauf verzichten müssen.
Zu Ihren inhaltlichen Punkten selbst: Es geht dabei jeweils um das Verhältnis von Einzeltext und Generalthese. Der allgemeine Befund und die Anwendbarkeit für Einzeltexte sind eben zwei Paar Stiefel – und das geht hier teilweise so auseinander, dass auch der Befund generell fragwürdig wird. Die Prämisse, die man Baßlers Überlegungen aber entnehmen kann (mehr implizit als ausformuliert), teile ich vollkommen: nämlich dass Literatur vielfältig sein muss. Meine Kritik ist, dass es in Wirklichkeit viel mehr Vielfalt gibt, als seine pauschale These suggeriert. Kurz: Die Ebene der Generaldiagnose, die Einzeltextebene und die zugrundeliegende Prämisse sind verschiedene Dinge. Das versuche ich auseinanderzuhalten und keineswegs zu vermischen.

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Mal Abseits von jeglichem Paternalismus lieber Herr Graf, verstehe ich die Position von Bassler sehr gut. Er Argumentiert dass sich die Gegenwartsliteratur immer mehr auf ein erfolgreiches, vorhersehbares Modell konzentriert, das er als "neuen Midcult" bezeichnet und behauptet weiter, dass dies zu einer Verarmung und Homogenisierung der Literatur führt und fordert stattdessen eine breitere Vielfalt von Macharten und Stilen. Bassler zeigt auf, wie dieser Trend in der Gegenwartsliteratur entstanden ist und wie er dazu beiträgt, dass bestimmte Genres und Stile bevorzugt werden, während andere vernachlässigt werden. Er schlägt vor, dass Schriftsteller und Verleger sich mehr auf das Experimentieren mit verschiedenen Formen und Stilen konzentrieren sollten, um die Literatur lebendig und vielfältig zu halten. Insgesamt fordert Bassler eine Rückkehr zur Vielfalt und Kreativität in der Literatur und warnt vor den Gefahren einer Konzentration auf nur einen engen literarischen Kanon.

Wenn sie die angebliche Generalthese für falsch halten, verstehe ich nicht warum darauf überhaupt einleitend zu einer Bücherpräsentation eingegangen wird. Die Einleitung lässt sich nämlich in drei Worte Zusammenfassen: "Vielfalt ist gut.".

Der Unterschied ist lediglich, das Bassler diese bedroht sieht, sie dazu im Gegensatz finden das es in Wirklichkeit mehr Vielfalt gibt als Bassler behauptet. Deswegen mutet ihre Präsentation dieser Bücher etwas seltsam subjektiv-persönliches an, eine private Antwort auf Bassler gar, kein Bericht für die Leserschaft. Ich veröffentliche meine Chat Verläufe auch nicht, verlange dafür Geld und lasse mich dafür liken. Da kann ich mir auch Youtube-Reactions reinpfeiffen (ich Übertreibe).

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Frau, fast75, Theologin, Redaktorin
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Vielen Dank für diesen ganzen Beitrag. Ganz wichtig für mich: die Einleitung, die Auseinandersetzung mit Bassler, der Nachvollzug von dessen eigener Kritik und eigenem Neu-Denken. Danke auch für die Ermutigung zum möglichst selber frisch Hinschauen, Neulesen. Zu den drei Buchpräsentationen kann ich aktuell noch nichts sagen. Brauche noch Zeit und Raum zum genaueren Lesen.
Daniel Graf gehört für mich zu den wichtigsten Ankermenschen bei Republik.

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Finde es sooooo wichtig, dass der Blick verändert wird, hin zu den Nischen. Dort entsteht Neues. Darum: Entdeckt Literatur und Sonstiges bei den Unabhängigen Buchhandlungen!

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Lieber Daniel Graf, es fällt mir schwer Wörter zu finden für Ihren Beitrag.
Er hat mich berührt und begeistert.
Schon die Einleitung war interessant. Die Buchbesprechungen hervorragend. Für mich auch schon Literatur.
Das Tharayil Buch interessiert mich am meisten. Mit soberen Sätze wusste er das Zusammenleben zweier Welten in einer Familie treffend zu zeigen. Lyrik durchdrungen von grosser Klarheit.

Es war so eine Wohltat diesen Text zu lesen. Das wollte ich zum Ausdruck bringen.
Sogar wenn ich Ihren Beitrag nicht gerecht werden kann.
Vielen Dank.

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Guten Abend,

Auch mir gefiel das Buch von Tharayayil spontan. Habe es nun bestellt und freue mich. Ich kann Ihren Kommentar nur zustimmen:)

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Für Ihr wertschätzendes Feedback, fürs Lesen und für Ihr Interesse an der Gegenwartsliteratur möchte ich sehr herzlich danken!

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Vorbildlich die Auseinandersetzung mit Bassler in der Einleitung: Ihm widersprechen und ihn gleichzeitig wertschätzen: Das ist Debattenkultur. Vielen Dank für den Link zu Basslers Essay: Ein toller Text, es lohnt sich, ihn genau zu lesen- und sich dann auf die Suche nach verborgenen Schätzen zu machen.

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Rudolf Weiler
Literat, Enthusiast und Feedbäcker
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"Literatur, so liesse sich daraus ableiten, braucht eine Vielfalt von Macharten und Stilen statt die Verengung auf ein einziges Erfolgs­modell." Richtig, greift aber für mich zu kurz. Inhalte und Sprache befinden sich in Texten guter Literatur in einer Art Testphase oder Entwicklungslabor, hinterfragen die Existenz, philosophieren mindestens ansatzweise, lösen sich im Idealfall von der Tradition, schielen nicht nach schnellem oder grossem Erfolg, sind das Resultat eines intensiven Denkprozesses und nicht ein Gebastel mit Erfolgsrezepten. Im besten Fall enthalten sie Neues, Unkonventionelles, Revolutionäres. Die Postmoderne hat viele neue Möglichkeiten eröffnet. Wer sich dem ganz verschliesst, gehört für mich nicht in die A-Klasse.

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