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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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· editiert

Interessant wären in diesem Zusammenhang auch die politisch-ökonomischen Zusammenhänge, gerade im Hinblick auf die Medien- und Sozialpolitik. Denn die Entwicklung zur NZZ, wie sie heute ist, besitzt eine Vorgeschichte.

So etwa in der Zeit nachzulesen:

Der Vorgänger von Eric Gujer, Markus Spillmann, versuchte die NZZ zu öffnen, um neue, urbanere Leser und vor allem Leserinnen zu gewinnen. Es war ein riskantes Manöver gegen den Zeitgeist. Die Schweiz ist in den vergangenen Jahren konservativer geworden. Waren sich FDP und SVP einst spinnefeind, näherten sie sich in letzter Zeit immer mehr an. Ähnliches gilt für das Aktionariat der NZZ, das, sagt Oswald Iten, ein pensionierter Auslandsredakteur des Blattes, "ursprünglich zwar konservativ, aber wirtschaftsliberal, weltoffen und kosmopolitisch war".

Der Ruck nach rechts hinterlässt auch in der Medienlandschaft seine Spuren. Es begann 2001, als der Tessiner Financier und ZEIT-Kolumnist Tito Tettamanti den Jean-Frey-Verlag mitsamt der Weltwoche übernahm, die er später an Roger Köppel verkaufte, der heute für die SVP im Parlament sitzt. Es ging 2010 weiter mit dem Scharadespiel um die Basler Zeitung , bis irgendwann klar war: Dahinter steckt Blocher. Und dann kam Ende 2014 der gescheiterte Somm-Coup bei der NZZ. Es war der Verwaltungsrat, der den Blocher-Biografen damals installieren wollte. Er erhoffte sich eine Kurskorrektur. Mehr Härte, mehr Aufregung. Umgesetzt haben diese Doktrin nun Eric Gujer und René Scheu.

Auf Somms Ernennung folgten bekanntlich Proteste von Redaktion, Professor*innen und von "wahren Freunden der NZZ", die gegen die "Neuen Freunde der NZZ" antraten - und von Gujer mit Schreibverboten belegt wurden.

Einer der Betroffenen, der bereits genannte Oswald Iten, schrieb zum Schreibverbot von Brigitte Hürlimann:

Mit dieser Führung ging an der Spitze der NZZ die Bodenhaftung zum aufgeklärten, liberalen Zürcher Bürgertum - dem traditionellen Aktionariat der NZZ - verloren. Nur so war das Projekt mit dem Blocher-Trojaner Somm erklärbar, und damit der Aufstieg von Gujer möglich. Das Projekt Somm läuft weiter, einfach ohne Somm.

Kaspar Surber schrieb zum Antritt von René Scheu in der WOZ:

Von der "Weltwoche" zur "Basler Zeitung", von der NZZ bis zur SRG rollt eine rechte Medienoffensive durchs Land. An dieser ist auch Scheu beteiligt, mit einem Buch für die Privatisierung des Rundfunks. Seine Wirkung aufs NZZ-Feuilleton wird sich erst zeigen: Heute setzt es vor allem auf gründliche Rezensionen. Ersetzt Scheu diese nun mit seinen Debatten, die sich selten um Kultur drehen? Seine Wahl ist auf alle Fälle ein Hinweis darauf, dass sich die Unternehmensleitung einen akzentuierten ideologischen Kurs wünscht. Das ist denn auch das eigentlich Beunruhigende an der Ernennung: Den Financiers einer rechten Medienpolitik – neben Hummler vor allem Christoph Blocher und Tito Tettamanti – ist es bei zahlreichen Titeln gelungen, entscheidende Posten mit dienstfertigen Bewunderern zu besetzen. Journalistische Karriere macht man heute am einfachsten rechts. Das Gerücht vom linken Medienmainstream war nie falscher.

Konsequent wirtschaftsliberal geht es nun um Konzentration und Expansion. Nachdem unter CEO (und NEOS-Gründer) Veit Dengler die Digitalisierung und die Expansion nach Österreich gescheitert war, scheint die nach Deutschland unter Eric Gujer zu gelingen.

Neben der "NZZ Perspektive" mit "dem anderen Blick" auf Deutschland, schielt Gujer aber auch auf ein anderes, scheinbar abseitiges Gebiet: Mit "NZZ Global Risk" ist sie nun auch eine Agentur für "Intelligence", also nicht mehr nur für Nachrichten, sondern auch für Nachrichtendienst für Unternehmen. So wie BlackRock mit Aladdin - oder eben die CIA.

Damit wird auch die Frage zur Funktion Gujers beim NDB virulent, wie Carlos Hanimann - noch für die WOZ - schrieb: Wächter oder Berater?.

Doch: Quis custodiet ipsos custodes? (Wer wird die Wachen selbst bewachen?)

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Vielen Dank für die Quellen zu meiner Aussage von vor ein paar Tagen: die NZZ - eine ehemals wirtschaftsliberale Zeitung - wird immer mehr zu einem Spielball von SVP und rechtsliberalen FDPlern.

Die Relativierung des Thüringer "Wahldebakels" durch die NZZ macht jetzt noch deutlich mehr Sinn (Danke Republik) - sie ist das verlängerte Presseorgan der AfD (wobei in DE nicht unüblich, SZ/WAZ-Gruppe = SPD, FAZ = FDP/CDU, Junge Welt/taz = die Linke um ein paar Beispiele zu nennen; BILD = WerteUnion, dh Mischung aus CDU und AfD; einzig die Grünen haben m.W. kein eigenes Hausblatt).

Welch ein Niedergang einer einstmals so stolzen Zeitung...

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Jetzt ist die NZZ "Presseorgan" der AfD.... bon dieu .... einfältiger geht es nicht.

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@ Michel Rebosura: Danke, das war jetzt ein sehr wertvoller, informativer Kommentar. Wow. Klasse.

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danke für diese gute Zusammenfassung

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Also verfolgt die NZZ in Deutschland eine im wesentlichen ähnliche Strategie wie die Republik in der Schweiz - konzentriert, kontrovers, schrill - nur viel erfolgreicher ! Woran das wohl liegt ?

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Wer einen chaotischen Wirrkopf, wie Donald Trump, als Staatsmann der Klartext redet bezeichnet, kann wohl kaum die intellektuelle Debatte bestimmen.
Wer die Inhalte der Republik mit den boulevardesk verkürzten Blasenverstärkern der NZZ Online vergleicht hat wohl des eine oder das andere nicht gelesen

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Ziemlich grosses Maul, Herr Reber ! Immerhin hat dieser ‚Blasenverstärker‘ Offenbar mehr Erfolg als unser gemeinsames Pfarrblättchen !

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Woran leiten Sie ab dass die NZZ in Deutschland wesentlich erfolgreicher ist als die Republik in der Schweiz?

Schrill und kontrovers habe ich bisher in keinem unserer Strategie-Papieren gesehen. Hier die Strategie vom 2019.

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Die Republik hatte im Gegensatz zur NZZ vor drei Jahren noch 0 Abos. Das dürfte einen grossen Teil des unterschiedlichen Erfolgs - wie auch immer man den definiert - erklären.

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Es geht eigentlich nicht um den Erfolg von Republik, den ich auch anerkenne - sonst wäre ich nicht seit Beginn Mitverleger ! Es geht nur um die Überheblichkeit von Simon Reber gegen ein anders gestricktes, aber auch erfolgreiches Online-Medium. In meiner Region gibt es den Spruch: „Zuerst vor der eigenen Tür wischen !“

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Wenn es um Schweine­fleisch in deutschen Kitas, Greta Thunberg, gewalt­tätige Flüchtlinge oder «Rassismus gegenüber Deutschen» geht, ist die NZZ also auch deshalb zur Stelle, weil diese Meinungs­stücke oft hundertfach geteilt werden. Auf die ganz gewöhnliche politische Bericht­erstattung verzichtet das Büro dagegen gerne einmal.

Dieses 'Twitter-Ding' halte ich für eine Entwicklung, die nicht nur der NZZ nicht guttut.

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Die Werbeabhängigen Medien erinnern immer mehr an einen vernachlässigten Teenager mit ADHS, der um jeden Preis die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen versucht.
Das ist leider der Fluchtpunkt des marktliberalen Kapitalismus, aber anders als beim Teenager wächst sich das wohl nicht von selbst aus.

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Herr Reber,
Sie haben keine Ahnung von ADHS. Ihre Aussage ist diskriminierend.

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Inhalte und was man daraus machen kann

Auch ich als einheimischer Leser der Printausgabe mache mir zunehmend Sorgen über den schriller werdenden Ton der NZZ. So ist es immer wieder erhellend, zu beobachten, wie die Abschlussredaktion durch Platzierung und Titelwahl eine differenzierte Aussage zuspitzt und sie dadurch ihres eigentlichen Inhalts beraubt. Als Beispiel diene das Gespräch mit dem Kabarettisten Dieter Nuhr im Feuilleton der NZZ vom 10. Februar, welches ich als facettenreiches Plädoyer für mehr Toleranz gegenüber der Satire und der Kunst im Allgemeinen lese, einem Plädoyer, dem auch ich über weite Strecken zustimmen kann. Auf der Frontseite macht die Abschlussredaktion daraus einen Giftpfeil gegen die Grünen („Die Grünen versuchen, durch Verbote zu lenken“). - Der eilige Leser sieht sich in seinem Vorurteil von „höchster Stelle“ bestätigt und braucht den Hauptartikel gar nicht mehr zu lesen. Als weiteres Beispiel ist mir die Schlagzeile „Asylzentrum ausser Kontrolle“ (siehe NZZ vom 20. November 2019) in unangenehmer Erinnerung.

Nach meinen Erfahrungen ist die Redaktion der NZZ äusserst zurückhaltend, ja restriktiv, wenn es darum geht, Beiträge zu veröffentlichen, die sich kritisch mit der redaktionellen Arbeit auseinandersetzen. Das bedaure ich zutiefst und empfinde diesen Sachverhalt als einer Qualitätszeitung unwürdig. Die jedem Leserbriefschreiber automatisch zugestellte Antwort erscheint mir in diesem Licht besehen ziemlich hohl. (Zitat: „Als Stimme aus der Leserschaft ist Ihr Brief für die Redaktion auf jeden Fall wertvoll.“) Ich wäre aber stolz auf „meine“ Zeitung, wenn ich diese Antwort ernst nehmen könnte. Für die Finanzinstitute, so lese ich es immer wieder in der NZZ, ist Glaubwürdigkeit das höchste Gut. Und für die Medien?

Es gab einmal eine Zeit, da rühmte sich die NZZ ihrer „unaufgeregten Berichterstattung“. Diese Tugend scheint in Vergessenheit geraten zu sein.
Auch das bedaure ich und bin der Meinung, eine Qualitätszeitung sollte nicht auf diese Tugend verzichten.

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Vielen Dank, Herr L., für Ihre differenzierte Beurteilung der NZZ. Sie war in meiner Familie immer präsent und ich habe sie seit vielen Jahren abonniert - und gerade deshalb machen mir die reisserischen Titel und sinnlosen Zuspitzungen Sorge. Denn die Redaktion sollte sich darüber im Klaren sein, dass ihre Zeitung auch viele progressiv-liberale Leser hat, die die NZZ lesen mangels Alternative. Und die stossen sich zunehmend an diesen (und anderen) Grobheiten.

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Ja, das ist wohl die entscheidende Frage, die Sie stellen, Frau K.: Wessen Glaubwürdigkeit möchte die NZZ-Leitung gewinnen, glaubwürdig für LeserInnen wie Sie und ich, oder glaubwürdig für die Aktionäre?

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Dem schliesse ich mich an. Es trifft für mich genau!

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Sie treffen mit Ihren Beobachtungen zur Abschlussredaktion einen wesentlichen Punkt. Die NZZ gehörte rund 100 Jahre lang zu unserer Familien-DNA. Ich kündigte das Abonnement wegen der Guier/Scheu-Doktrin aus den bekannten und in diesem Beitrag und anderswo genannten Gründen. Was mich aber besonders bestürzte: Nur zwei Tage, nachdem die AfD (unter nicht unwohlwollender Begleitung der NZZ) in den Bundestag einzog, erschien ein länglicher Artikel mit der Schlagzeile: «Toni Brunner ist wieder da." Las man den länglichen Artikel, erfuhr man ganz am Schluss, dass Toni Brunner keinerlei Absichten auf ein Comeback hat. Fake Headlines... Das war nicht mehr die NZZ, wie ich sie kannte und – trotz allem – sehr schätzte.

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Leser
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Das Gespräch mit dem Kabarettisten Dieter Nuhr im Feuilleton der NZZ vom 10. Februar fand ich sehr interessant. Das in diesem NZZ-Beitrag ausgewiesene Video auf YouTube ist zu empfehlen.

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Wenn ich nur das lesen will, was meiner Meinung entspricht, kann ich direkt die Republik kündigen. Ich unterstütze das Projekt aber doch gerade, weil ich Anderes suche.
Aber noch aus einem weiteren Grund habe ich Bauchschmerzen bei dem Artikel: ein Medium, das noch ums Überleben kämpft-und das hoffentlich erfolgreich-sollte sich nicht über den vermeintlichen Niedergang einer traditionsreichen Zeitung freuen, die ich für ein wichtige Stimme halte.
Auch wenn man z.B. Gujers Meinung über Trump nicht teilt, um zu verstehen, warum der jetzige Präsident wahrscheinlich auch der nächste sein wird, ist sie hilfreich.
Mir ist zu viel Enttäuschung Ehemaliger im Artikel.

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Der Artikel hat eine Veränderung bei der NZZ untersucht, welche offensichtlich ist und meiner Meinung nach eine Diskussion verdient. Die Medienlandschaft zu verstehen ist wichtig für jeden Bürger.

Wo Sie jetzt einen Aufruf zur Kündigung des NZZ-Abos gelesen haben oder gar einen Appell nur Medien zu lesen, mit denen man gleicher Meinung ist, kann ich nicht nachvollziehen. Auch (Schaden)Freude konnte ich im Artikel nicht erkennen. Und zuletzt: Um zu wissen, dass viele Amerikaner Trumps rücksichtslose, „ehrliche“ Art schätzen, brauche ich nicht den Chef-Redakteur der NZZ. Diese Info findet sich bereits in fast jedem Artikel über Trump. Wenn das also der grosse Beitrag der NZZ zur intellektuellen Diskussion sein soll, stehts wohl wirklich schlecht um sie.

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Möchte mich dem anschliessen. Wir wollen nicht, dass jemand die NZZ kündigt. Und wir freuen uns auch nicht über die Entwicklungen, die wir hier aufgezeichnet haben. Die NZZ macht in weiten Teilen hervorragenden Journalismus. Gut, dass es sie gibt. Was wir aufzeigen wollen, ist, wie die NZZ in Teilen immer schriller wird. Wie das mit dem Geschäft und der Logik von Social Media zusammenhängt. Und warum das in Deutschland im Moment ganz gut funktioniert.

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Herr G.: Absolut ihrer Meinung, Danke.

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Gut gesagt. Leider kommen solche Überlegungen in diesen Spalten nicht gut an. Die meisten Leser der Republik bevorzugen offenbar Artikel von ehemaligen WOZ-Journalisten was nicht gerade für eine erfolgreiche Umsetzung der Raison d'être dieses Blattes spricht.

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Ich will hier nur kurz betonen dass die Ex-NZZ-Fraktion in der Rothaus-Redaktion doppelt so stark ist wie die Ex-WOZ.

NZZ: Fichter, Hürlimann, Meyer, Kolly, Fuchs, Preusse
WOZ: Hanimann, Seibt, Ryser

Gerne ergänzen falls ich jemanden vergessen habe ;)

Bei den regelmässigen Mitwirkenden ist es etwas komplizierter. Aber hat auch von beiden Fraktionen.

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Ich habe grundsätzlich kein Problem mit Medienkritik und aus ihr ist die Republik wohl auch (zumindest teilweise) entstanden. Trotzdem finde ich es schade, dass rund 2400 Wörter bzw ein Artikel in voller Länge für dieses Thema verwendet wird. Es hinterlässt den fahlen Beigeschmack von "schaut mal her, wie schlecht es die anderen machen". Das ist vielleicht eine Kolumne, aber nicht volle Artikel wert (bei 22 Franken im Monat / 240 Franken pro Jahr).

Ich bin ein relativ neuer Republik-Leser und erfreue mich stets an den Reportagen und Artikeln, welche die eigene Linie der Republik vertreten und für konsequenten Journalismus einstehen. Medienschelte (tut mir leid, es so zu formulieren) kann ich auf diversen Blogs und Websites auch gratis lesen.

Fazit: Weniger Zeit mit journalistischen Grabenkämpfen und mehr Zeit mit Berichterstattung verbringen.

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Es ist mehr als angebracht die NZZ zu kritisieren, nicht nur, (aber auch!) weil sie die Rechtspopulisten in D bedient. Anbei zusammengetragen, wie polemisch die NZZ seit Monaten und Monaten gegen die Klimabewegung (und gegen wissenschaftliche Fakten) anschreibt – ein Blogbeitrag von Lukas Fierz, Arzt, Neurologe, ehem. Berner Stadt- & Nationalrat:
https://lukasfierz.blogspot.com/201…gASTpU20PY

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Sie haben nicht tatsächlich Hilfe von der NZZ in sozialen Fragen erwartet, oder schon?

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Lieber Herr M., erstmal: Willkommen an Bord! Und vielen Dank für das konstruktiv-kritische Feedback.

Ja, das Projekt ist tatsächlich auch einer kritischen Sicht auf die Entwicklungen in der Medienbranche entstanden. Wir finden es wichtig, auch die «vierte Gewalt» ab und an kritisch zu hinterfragen.

Notabene auch uns selbst, zum Beispiel hier:
https://www.republik.ch/2019/06/14/…en-muessen
oder hier:
https://www.republik.ch/2020/02/04/…n-republik

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Sehr geehrte Frau Telek, sehr geehrter Herr Fuchs

Vielen Dank für Ihre Antworten.

Der Kommentar von mir war vielleicht etwas zu bissig formuliert. Wie erwähnt finde ich die Republik eine sehr willkommene Abwechslung in der hiesigen Journalismus-Welt. Als Basler gleich doppelt.

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Chefredaktor Gujer erhebt offenbar den Anspruch, «die grossen intellektuellen Debatten zu prägen». Im Unterschied zu vielen interessanten Artikeln seiner Untergebenen sind aber gerade seine eigenen Beiträge intellektuell hochgradig unbefriedigend. Eine Kostprobe lieferte er am letzten Wochenende mit einem «Leidartikel», in dem er das Impeachment gegen Trump als Missbrauch des «Notwehrrechts der Republik» hinstellte. Für ein Impeachment genüge es nicht, «dass ein Präsident mehr an seine Wiederwahl denkt als an die Interessen des Staates». Bundeskanzler Schröder habe im gleichen egoistischen Geist wie Trump gehandelt, als er sich weigerte, zusammen mit Bush in den Krieg gegen Saddam Hussein zu ziehen. Schröder sei es dabei «allein um seine Wahlchancen» gegangen. Woher weiss Gujer, aus welchen Motiven Schröder gehandelt hat? Dass Schröder durchaus bereit war, im Interesse der Sache seine Wahlchancen aufs Spiel zu setzen, bewies er mit der Umsetzung der Agenda 2010. Und während Trumps Erpressung der Ukraine weder im Interesse der Ukraine noch in demjenigen der USA lag, hätte Schröders Widerstand gegen Bush sowohl den Interessen der Menschen im Nahen Osten als auch denjenigen der USA dienen können, wenn er Bush hätte bremsen können.

https://www.nzz.ch/meinung/der-ande…ld.1538937

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Es ist kaum neu. Wenn Auflagezahlen die oberste Priorität bei Print- und anderen Medien sind, leidet die Qualität. 10% minus für die NZZ ist bedenklich. Eric Gujer hat sich seit seinem Antritt in die Gilde einer eher neuen, populistisch agierender Generation von Chefredaktoren nahtlos eingegliedert. Markus Somm, Roger Köppel etc. fahren oder fuhren Verluste in bemerkenswerter Höhe ein.

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Der Auftritt des NZZ-Vertreters in der phoenix-Runde letzter Woche zur Causa Thüringen war unsäglich! Allein das hätte ihren Artikel gerechtfertigt.
Vielen Dank

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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So wie Heidegger dem fatalen Irrtum erlag, "den Führer führen" zu können, so Gujer dem Glauben, die Neuen Rechten zurechtweisen zu können. Denn schlafwandlerisch rennt sie vielmehr der erregten Masse nach und verstärkt die desintegrativen Polarisierungstendenzen.

Zu seinem Selbstverständnis sagt Gujer lapidar:

Also wir haben sicher keinen Rechtsrutsch gemacht, sondern wir haben allenfalls in den letzten Jahren unser liberales politisches Profil etwas geschärft.

Doch gerade beim Feuilleton unter René Scheu sieht ein Medienwissenschaftler:

Es geht also viel mehr, viel stärker um gesellschaftliche Identitätsfragen und eben nicht mehr unbedingt um so die klassischen Links-Rechts-Fragen in der Wirtschaftspolitik. Identität ist wichtig. Und in dem Bereich kritisiert die 'NZZ' immer stärker die angebliche political correctness, sie kritisiert die angebliche Moralisierung in der Gesellschaft und inszeniert sich dort stärker als Vertreterin eines Bürgertums und dieses Bürgertum wird dann bedroht von einem vermeintlich links-grünen Meinungsklima.
Damit erntet die "NZZ" viel Applaus von rechts-konservativen Kreisen und Rechtspopulisten vor allem in Deutschland.

Sie agiert also genau mit jener Identitätspolitik, die sie vorderhand "sachlich" zu kritisieren meint.

Womöglich ist diese "Profilschärfung" nur konsequent. Und einzig Leser*innen der alten "Alten Tante" sind überrascht und enttäuscht (so wie die Autor*innen von der dirigistischen "Liniendurchsetzung"). Sie offenbart nämlich nur "ihre" Haltung (bzw. jene von Gujer, Scheu & Co.): Nationalkonservativ und wirtschaftsliberal, ohne Scheu Nationalradikale rechts von der CDU/CSU und der FAZ zu bedienen - und zu normalisieren.

Abgestossen wird die sozialliberale und progressive Seite für eine offene Demokratie.

Redlich wäre nun, dies nicht mehr als bloss "liberal" zu bezeichnen, so als würde sie als "neutrale Stimme" eine "Mitte" ansprechen. Diese "Strategie der Äquidistanz" (Binswanger) ist zum Scheitern verurteilt oder nurmehr als ideologische Verneblungstaktik verwendbar - als "Mythos des liberalen Bürgertums" (Motadel).

Oder ist das "liberale Bürgertum" schon zur "extremen Mitte" geworden?

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Leser
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Der Vergleich von Heidegger mit Gujer hinkt, weil Heideger durch und durch ein Nazi war.

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Heidegger war Anpasser und Opportunist, der in seinem gedanklichen Wolkenkuckucksheim hoffte, mit seiner Illusion, den Führer führen zu können, seine Philosophie zur grössten zu machen und ihr tausendjährige Geltung zu verschaffen. Zum Nationalsozialismus hatte er ein ambivalentes Verhältnis. Seine späteren Selbstrechtfertigungen sind peinlich, und das darauffolgende Verstummen erst recht. Wie weit das mit Gujer vergleichbar ist, finde ich schwierig zu beurteilen.

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Selbstredend hinken Vergleiche immer. Es kommt also auf den Vergleichspunkt an. Und die Frage, ob Nazi oder nicht, ist hier nicht der Punkt. Sondern vielmehr, ob ein*e Intellektuelle*r glaubt, Mächtige (zur Vernunft/zum Rechten/zur Mitte) führen zu können.

Oft eine Selbstüberschätzung, die auch wie Platons Reisen nach Syrakus enden können.

Mark Lilla schreibt dazu in seinem Buch Der hemmungslose Geist. Die Tyrannophilie der Intellektuellen über Philotyrannen, die der Faszination der Stärke erliegen.

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Ich bin einigermassen mit dem Artikel zufrieden. Einigermassen.
Herr Guyer ist im Grunde nicht haltbar.
Aber nicht wegen seinem Rechtsdrall, sondern weil er keinen Tiefgang hat. Unreflektiert.

Keinen besonderen Tiefgang haben allerdings auch einige Punkte Frau Theiles in ihrem Artikel.
Ich zitiere einen:
"Streitpunkt war ein bei ihr (Frau Geisel) bestellter Artikel über die Rollen­bilder muslimischer Männer in Neukölln, den Scheu redigierte.
«In der Auseinander­setzung um das Redigat ging es nicht nur um Fakten, sondern auch darum, ein bestimmtes Weltbild zu bedienen», sagt Geisel, die als freie Autorin gelegentlich für die Republik tätig ist."

Achso! Hält sich Frau Theile, zusammen mit Frau Geisel, für die einzigen Wesen in dieser Journalisten-Welt, die Journalismus als Beruf haben, jedoch kein Weltbild ihr eigen nennen?
Oder war das, was die NZZ von Frau Geisel wollte, gegen ihr Weltbild und deshalb völlig unzulässig? "Fakten" ohne Weltbild?

Come on !!! Im Jahr 2020 sowas zu lesen, treibt meinen Blutdruck hoch.
Bitte ehrlich bleiben und die Sache beim Namen nennen.

Die Republik muss aufpassen, damit nicht jegliche tendentiöse (Mainstream) Pseudo-Kritik Eingang in die Artikelreihen findet.

Der Klub ist entweder ein offener und damit tendenziell grosser - oder er ist klein und schmächtig und bedient nur seine Kundschaft, die gleichgeschaltet ist.

Die einen wollen Zügs zum Nachdenken und Evaluieren - die Letzteren bloss nicken.

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Ende 2016 wurde Geisel, die in Berlin lebt und vor allem im Feuilleton der NZZ schrieb, ihr fixer Vertrag gekündigt. Mit dem neuen Feuilleton-Chef René Scheu habe sie keine gemeinsame Basis finden können. Konkreter Streitpunkt war ein bei ihr bestellter Artikel über die Rollen­bilder muslimischer Männer in Neukölln, den Scheu redigierte. «In der Auseinander­setzung um das Redigat ging es nicht nur um Fakten, sondern auch darum, ein bestimmtes Weltbild zu bedienen», sagt Geisel

Herr Leemann, im Vergleich zum Artikel ist Ihre Kritik bedauernswert unsachlich.
Die Aussage von Sieglinde Geisel ist, sie hätte ein bestimmtes Weltbild bedienen sollen. Nirgendwo steht, dass sie selber kein Weltbild habe (man wüsste auch gar nicht, wie das gehen sollte...). Es ist gewiss das Recht eines jeden langjährigen Autoren, jeder langjährigen Autorin, im eigenen Beitrag kein mit dem eigenen nicht übereinstimmendes Weltbild vertreten zu wollen. Wenn daraufhin eine Kündigung erfolgt, muss man das nicht näher ausführen. Es spricht für sich.
Wie Sie zu der Gegenüberstellung von "Fakten" ohne Weltbild? kommen, ist genauso unerfindlich, wie was genau an dieser Schilderung Ihren Blutdruck zu drei Ausrufezeichen hochjagt. Ausser vielleicht der Mangel an weiblicher Subordination?

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Frau J. - unsachlich scheinen mir vor allem Ihre Ausführungen und Unterstellungen.
Allerdings sind sie typisch für die heutigen "Sach-Diskussionen". Besonders in D und was deutsche Problematiken angeht. Schwarz oder weiss - und basta. Moralin und Gejammere.

Aber gut, zu Ihren Aussagen: Ich monierte, dass der Angriff auf das Weltbild der NZZ (das man als Journalistin meiner Meinung nach kennen sollte) absurd war, da verbunden mit der Aussage, DIE hätten ein Weltbild und die Schreiberin, die bloss "Fakten" liefern (ich unterstrich - Fakten ohne Weltbild, wenigstens hier stimmen Sie mir zu, das gibt es nicht- wow, welche Erkenntnis), die bösen Rechten der NZZ aber diese nicht hören wollten.
Welch traurige Geschichte.
Vor allem in Bezug auf die unglaubliche Weltfremdheit Frau Geisels.
Von welchem "bestimmten Weltbild" sprechen Sie übrigens? Genau dies wollte die NZZ wohl nicht, nämlich das Weltbild Frau Geisels ("Rollenbilder muslimischer Männer" - da läuten bei mir alle Glocken in allen Tönen) zu bedienen.
Die NZZ hat eben ihre eigene "Wahrheit". Wie alle, die irgendwie, irgendwo Macht haben.

Diese Jammerigeschichte über abgelehnte Artikel und Entlassung ist bloss noch eins - lächerlich unreal. Machtausübung ist nun bigosh ein UR-altes Thema, wenn auch für Sie und Frau Geisel offenbar ganz neu.
Was gelernt, vielleicht? Nämlich, dass die eigene Meinung zu vertreten was kosten kann und keine Puppenstube ist?

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Olivia Kühni
Journalistin Republik
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Herr Leemann, ich sehe das ähnlich wie Sie: es gibt halt unterschiedliche Haltungen, manchmal passt es nicht (mehr), und dann lässt man es besser sein. Ein Grund, warum Machtkritik oft scheitert, ist genau der: wenn man sich über Macht an sich empört, statt darüber, dass sie dümmlich, missbräuchlich, vulgär eingesetzt wird. Das ist die Haltung von Kindern. Jedes Handeln, auch "zum Guten" (aaarrrghh) braucht Macht oder Potenz.

Nur eins, bitte: lassen Sie das Wörtchen gleichgeschaltet sein, Sie wissen warum.

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Wir dürfen einfach nie vergessen, dass Eric Gujer nur darum NZZ-Chefredaktor geworden ist, weil zuvor Christoph Blocher abgesagt hatte.

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Ich finde das wirklich traurig und schade. Die NZZ war mal meine Lieblingszeitung. Nirgendwo sonst gab es früher eine solchen ausführlichen Auslandsteil und vor allem eine so gründliche Berichterstattung, seriös recherchiert mit wesentlichen Hintergrundinformationen, die man sonst nirgends fand. Und mit Auslandsteil meine ich alle, von Algerien über Neuseeland nach Zimbabwe. Nicht nur über das langweilige Deutschland.
Dieses ständige schielen von Deutschschweizer Zeitungen nach Deutschland ist sowieso etwas, das mir absolut unverständlich ist. Etwas das ich leider auch an der Republik kritisieren muss. Diese ständige Berichterstattung über Deutschland ist mehr als nur langweilig und vor allem auch sehr unnötig. Dafür gibt es genug Deutsche Medien. Viel wichtiger für eine Schweizer Zeitung ist es den Sprung über den Rösti- und Polentagraben zu schaffen. Das heisst, zu wissen was im Tessin und der Westschweiz läuft und wieso das wichtig ist. Oder eben auch mal über ganz andere Länder, nicht nur ständig über Deutschland. Es gibt viel spannendes da draussen. Deutschland ist es nicht!

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Flavio Frei
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Danke für den spannenden Artikel; passt sehr gut zu einer Podcast-Folge, die ich gestern gehört habe (zum neuen Buch von Ezra Klein). Genau mag ich mich nicht erinnern, aber scheinbar wird der Grossteil aller politischer Tweets mit grosser Reichweite von nur 10% der Twitter-User versendet. Gleichzeitig ist nur jeder 5. US-Amerikanerin auf Twitter.

Für Medientitel (wie z.b. NZZ, so wie hier geschildert) ist der Anreiz dann natürlich gross, einerseits gemäss eigenen, expliziten Standards und andererseits gem. impliziten "Twitter-Standards" zu publizieren. Es wird spannend zu sehen, ob diese doppelgleisige Strategie als Geschäftsmodell aufgeht.

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Meine Erfahrung: ich war Abonnentin der NZZ, trotzdem wurde meine Kommentarfunktion gesperrt, und zwar weil ich den Einfluss der Autolobby mit der mir eigenen Beharrlichkeit kritisierte.

Wenn also Anna Schneider die NZZ als Verteidigerin der Meinnungsfreiheit aufspielt die gegen Zensur anschreibe, ist das eine grobe Verdrehung der Tatsachen.
Die NZZ ist unter Gujer zu einem völlig schein-liberalen Blatt mutiert das unangenehme Meinungen zensuriert.
Vermutlich ist die NZZ mittlerweile von der Autolobby unterwandert wie die Weltwoche und die SVP.
Der Stil der NZZ wird ja auch immer ähnlicher zu dem der Weltwoche: schrill und schein-liberal.

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Urs Fankhauser
Citoyen
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· editiert

Besten Dank für diesen Artikel. Er ist sehr informativ und von der in anderen Kommentaren beklagten Häme oder Schadenfreude habe ich nix mitgekriegt. Die publizistische Neuausrichtung dürfte auch eine demografische Komponente beinhalten: Junge lesen nur noch online, für sie gibt's das schrille Kurzfutter. Nur Alte abonnieren noch Printmedien. Da ältere Menschen tendenziell rechter eingestellt sind, als jüngere, driftet man mit der Printausgabe halt noch weiter nach rechts. Ich weiss, ich weiss - das ist jetzt natürlich sehr vereinfacht. Es geht mir um Tendenzen.

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