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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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Was mir beim Überblick über den Krieg in der Ukraine, speziell unter der Rubrik «Die humanitäre Lage», zu fehlen scheint, ist die Situation der Flüchtlinge. Bereits über 1.25 Millionen Menschen sind aus der Ukraine geflüchtet. Bis zu 11 Millionen Flüchtlinge werden prognostiziert. Es könnte «die grösste Flüchtlingskrise des Jahrhunderts» werden. «Eine Welle der Solidarität empfängt sie in der Schweiz, Tausende bieten eine Unterkunft an».

Interessant ist dabei das framing mancher. Im Gegensatz zur «Flüchtlingskrise» ab 2015 handele es sich, so «Der andere Blick» der NZZ, dieses Mal um «echte Flüchtlinge». Diskriminierung? Fremdenfeindlichkeit? Rassismus? Ukrainer:innen bevorzugt zu behandeln, sei kein Rassismus sagen manche.

Doch es gibt auch Berichte, nach denen Menschen aufgrund der Hautfarbe an der Ausreise aus der Ukraine gehindert, ja hierzu auch angegriffen worden seien (Guardian, FAZ, Zeit, Standard, ARD, ZDF).

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Michel Rebosura
Ratsmitglied Project R Genossenschaft
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In Medien fielen auch Kommentare wie:

Ukraine “isn’t a place, with all due respect, like Iraq or Afghanistan, that has seen conflict raging for decades. This is a relatively civilized, relatively European – I have to choose those words carefully, too – city, one where you wouldn’t expect that, or hope that it’s going to happen.”

“It’s very emotional for me because I see European people with blue eyes and blond hair … being killed every day.”

“We’re not talking here about Syrians fleeing the bombing of the Syrian regime backed by Putin. We’re talking about Europeans leaving in cars that look like ours to save their lives.”

“Now the unthinkable has happened to them. And this is not a developing, third world nation. This is Europe!”

“Looking at them, the way they are dressed, these are prosperous … I’m loath to use the expression … middle-class people. These are not obviously refugees looking to get away from areas in the Middle East that are still in a big state of war. These are not people trying to get away from areas in North Africa. They look like any.”

“They seem so like us. That is what makes it so shocking. Ukraine is a European country. Its people watch Netflix and have Instagram accounts, vote in free elections and read uncensored newspapers. War is no longer something visited upon impoverished and remote populations.”

Eine Journalist:innen-Vereinigung in den USA schrieb gegen solche Äusserungen ein Statement:

“This type of commentary reflects the pervasive mentality in western journalism of normalizing tragedy in parts of the world such as the Middle East, Africa, south Asia, and Latin America.” Such coverage, the report correctly noted, “dehumanizes and renders their experience with war as somehow normal and expected”.

Und der Guardian-Kolumnist schreibt als Fazit pointiert:

[I]f we decide to help Ukrainians in their desperate time of need because they happen to look like “us” or dress like “us” or pray like “us,” or if we reserve our help exclusively for them while denying the same help to others, then we have not only chosen the wrong reasons to support another human being. We have also, and I’m choosing these words carefully, shown ourselves as giving up on civilization and opting for barbarism instead.

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Sehr verstörend, merci fürs Teilen. Vermutlich umso verstörender, weil ich mich zu einem gewissen Grad darin selbst wiedererkenne.

Eine ähnlich gelagerte Annektote von einem polnischen Freund, auf die Frage, wieso jetzt plötzlich Polen die Grenzen so grosszügig öffne während kurz vorher (bzw vermutlich immer noch) Leute im Grenzwald zu Belarus sich selbst überlassen werden. Er meinte, die Polen respektierten den Kampfeswillen der Ukrainer, während Flüchtende aus Afghanistan als Feiglinge angesehen werden und erst noch so frech seien, erst Tausende Kilometer weiter um Schutz zu suchen.

Bei diesem gleichgültigen «Pathos der Härte» läufts mir jeweils kalt den Rücken runter.

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Während sich das Zeitfenster für den Klimaschutz schliesst, wird uns wertvolle Zeit von Kriegen und Pandemien gestohlen. Es fällt mir schwer, dabei nicht in die alten Muster der Schwarzmalerei zurückzufallen. Dabei wissen wir nach 50 Jahren Umweltschutz-Weibeln, dass man damit nicht weiterkommt. Ich sähe unsere Aufgabe darin, die gute Geschichte unserer nächsten Zukunft zu entwickeln und zu erzählen. Aber angesichts dieser unmittelbaren Bedrohungen daran festzuhalten, kostet enorm Kraft. Es fühlt sich an, wie wenn einem die Zeit zwischen den Fingern zerrinnt. Bitte wieder mehr Positivnachrichten in den Wochenbericht einfliessen lassen :-/

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keine Rolle
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Kriege, Pandemien und Klimaschutz sind siamesische Drillinge. Alle drei zwingen uns, Gewohnheiten abzulegen und "The Inconvenient Truth" zu akzeptieren: Weniger ist mehr.

Weniger Konsum, weniger Reisen, weniger Erdöl, weniger Arbeit, weniger Wohlstand .... Die Lösung heisst Suffizienz und die kann durchaus positiv sein.

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Brot
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Merci für Ihre Rückmeldung. Denke ich auch, und genau bei diesem «positiv» müssen wir einhaken. Ein Zukunftsbild, dass von scheinbarem Verlust geprägt ist, löst verständlicherweise Abwehrreaktionen aus. Viel mitreissender fänd ich die Aussicht auf einen Gewinn.

Nicht «weniger Konsum», sondern «mehr Zeit» oder sogar «mehr Selbstwirksamkeit». Zu merken, dass man selber etwas herstellen kann, ist ein erhabenes Gefühl, mit dem kein Konsumrausch langfristig mithalten kann. «Weniger Reisen» klingt auch erst mal öde, da finde ich «Mehr Zeit für tiefe Einblicke» viel attraktiver. All die verschwendete Zeit in Warteschlangen und Blechbüchsen, wenn um die Ecke so viele Naturschönheiten Erfahrungen und Einblicke bieten, die auch zu Hause noch relevant sind.

Sie sehen, worauf ich hinaus will: Mit Enthaltsamkeitsgeboten füttern wir die Verlustangst, mit positiven Zukunftsbilder für einen Gewinn an Lebensqualität stimulieren wir die Sinne. Vermutlich liessen sich meine vergeistigten Angebote noch viel attraktiver aufpeppen, aber genau darauf sollten wir unsere Energie investieren. Ich sehe nicht, wie sich Suffizienz sonst als soziale Norm etablieren kann.

Umso frustrierender, wenn jetzt vermeidbare, menschengemachte Katastrophen uns die Resourcen für diesen Bauen an einer lebenswerten Zukunft abspenstig machen.

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, webpub&lektorin
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Zu den drei neuen „noch nicht peer-reviewten“, also noch nicht geprüften Studien: diese wurden praktisch zeitgleich mit Putins Angriffskrieg publik, was mich irritiert, schlicht vom Zeitpunkt her. Zweitens wegen der Tatsache, dass es für die Eile, Forschungen bereits in die Medien bzw. die breitere Öffentlichkeit zu bringen, bevor die bisher vorgängig übliche peer-review-Phase durchlaufen wurde und abgeschlossen ist, nicht den geringsten Anlass bzw. die Dringlichkeit, also Notwendigkeit mehr gibt. — In keinem der Medienberichte war das auch nur ein Randnotiz-Gedanke.
Es ist in den letzten Jahren eingerissen, quasi unter dem Radar, bzw. im Moment abgelenkter Aufmerksamkeit — wie jetzt ähnlich massiv wie, wenn nicht einiges massiver als zum Pandemiebeginn, praktisch zeitgleich mit dem Angriffskrieg von Putin in der Ukraine.
Dabei ging sofort unter, dass Selenski sofort den Menschengerichtshof angerufen hat, Putin wegen Bruchs all der von ihm und seinen Vorgängern mitunterzeichneten und ratifizierten Staatsverträge seit dreissig oder mehr Jahren und wegen des eklatanten Verbrechens und Verstosses gegen bestehendes Völkerrecht, dadurch, dass er einen direkten Angriffskrieg gegen einen souveränen Staat — und erst noch ohne jede Provokation — gestartet hat, anzuklagen und zur Rechenschaft zu ziehen; und zwar jetzt, sofort. Dafür, und genau dafür, wurde dieser nach dem Grauen des Zweiten Weltkriegs explizit geschaffen. Und selbstverständlich hätte das schon 2014 bei der Invasion in und Annexion der Krim geschehen müssen. Jetzt ist es aber sowas von allerhöchste Zeit. Viel dringlicher — und das heisst für die sofortige Anklage gegen Putin — ginge schlicht nicht mehr. Von Drohungen darf eine Gemeinschaft sich nicht von Rechtsinstrumenten abhalten lassen. Ganz im Gegenteil. Mit jeder Verzögerung steigt nur die Gefahr. Und die ist derart komplett real; nichts wird das pullen noch pushen noch ändern. — Recht muss angewendet werden, sonst stirbt es ganz schnell, erstickt; wir damit.
Vielleicht sollten wir die ganzen Timings etwas im Auge behalten und auch mal hinterfragen. — Mit Corona waren und sind bis heute die Zwangslager in China, wo eine ganze Ethnie bis heute eingesperrt ist, auch schon vollkommen von unserem Bildschirm verschwunden.
Danke an die Redaktion für die weiterhin voll funktionierende Arbeit hier! Kann auch grad nicht einfacher geworden sein.

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, webpub&lektorin
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P.S. und vieles anderes mehr. Wie die Tatsache, wie gleichgültig wir uns gleichzeitig anderen Flüchtenden, die ebenfalls an unseren Grenzen und rund um uns herum sterben, gegenüber verhalten.

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