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ichfürchte...
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Danke für dieses interessante update! Ich kann dank Ihrer sorgfältigen Schilderung sogar das Urteil verstehen. Wenn ich versuche, es auf andere Situationen zu übertragen, erscheint es mir als massvoller Schutz der Privatsphäre vor unnötigem Sensationsjournalismus und Paparazzitum, der in wichtigen Fällen trotzdem Recherchen ermöglicht.
Im konkreten Gerichtsfall hingegen wäre ich persönlich (juristische Totalbanause) grosszügiger gewesen, denn ein besetztes Haus wurde in aller Regel vom Bewohner komplett geräumt und da gibt es kaum mehr viel schützenswerte Privatsphäre vor Ort. Durch die Besetzung wurde das Haus sozusagen öffentlich gemacht (im gefühlten Sinne).

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Ja, das entspricht auch meinem Gefühl. In meiner Nachbarschaft gibt es einige besetzte Häuser, die manchmal auch zu Partys oder Konzerten laden. Ich hätte nicht das Gefühl, etwas Illegales zu tun, wenn ich einen solchen Event einmal besuchen würde.

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In diesen Fällen wäre abzuklären, ob der Hauseigentümer die Besetzung duldet. Dann ist der Tatbestand des Hausfriedensbruchs nicht gegeben und ein betreten straflos.

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Ja. Ich hätte auch anders entschieden, denn wie Sie sagen ist das Interesse des Grundeigentümers bei einem leerstehenden, nach eigener Darstellung baufälligen Haus beschränkt. Und die Journalistin wusste vor dem Betreten nicht, was genau ihre Recherchen ergeben würden. Ich hätte ihr einfach geraten, nichts zu publizieren, wenn sie auch nichts Relevantes findet. Aber so hat das Urteil einen grossen Chilling Effect, der in Zukunft die meisten Journalist*innen abhalten wird, bei besetzten Grundstücken vor Ort zu recherchieren. Und da werden der Öffentlichkeit wohl auch wichtige Informationen nicht mehr rapportiert. Grundeigentum wird zur Blackbox.

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Ortsbildschutz ist als Teilbereich von Heimatschutz eine staatliche Aufgabe, deren Umsetzung im öffentlichen Interesse liegt. Das Verlottern-Lassen eigentlich unter Schutz stehender Gebäude, bis definitiv nichts mehr zu retten ist, ist kein unübliches Vorgehen, um schlussendlich doch noch zu einer Abbruchbewilligung zu kommen. Alte Villen stehen häufig auf relativ grossen Grundstücken, der Überbauungsdruck ist parallell zur Renditeerwartung neuer Überbauungen mit intensiverer Raumnutzung entsprechend hoch.
Hätte die Journalistin den Fokus ihrer Berichterstattung auf diese Punkte gelegt, wäre das Urteil vielleicht anders ausgefallen.
Ich sehe weniger die Gefahr eines 'Chilling effectes' als vielmehr eine Aufforderung an die Journalist*innen, auch breitere Informationsinteressen im Auge zu behalten. Davon kann Berichterstattung eigentlich nur profitieren.

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Hobbyjurist
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Besten Dank für das Aktualisieren in dieser interessanten Sache. In meinem Empfinden hat der Artikel eine zu starke Schlagseite, wodurch ich mich eher desinformiert als aufgeklärt fühle. Um Missverständnissen vorzubeugen: Artikel dürfen und sollen teilweise auch Parteiisch sein, zumindest wenn dies Transparent gemacht ist, wie hier auch geschehen. Ich finde es dennoch bedauerlich, mir bei einem sehr informativ geschriebenen Artikel aufgrund der Wertung kein Bild machen zu können.

Mein Gefühl von Desinformation stammt von der wahrgenommenen Stilisierung des Falls zu einem Grundsatzentscheid, welcher eine angemessene Berichterstattung verhindert (zumindest über den Chilling Effect), in Verbindung mit der eher ‚diffusen‘ Urteilsbesprechung. Die Urteilsbesprechung finde ich diffus, aufgrund von drei Elementen:

  1. Es liegt eine Sachverhaltsfrage vor: Wollte sich die Journalistin ein Bild vor Ort über den Zustand des Gebäudes machen, um die wichtige Frage des Ortbildschutzes zu klären, wie es der Artikel eingangs anführt? Oder ist es eine Berichterstattung über eine Hausbesetzung, wie es im Republikartikel vom 18.6.2019 als Zitat von der Vorinstanz auftaucht? Das Gericht könnte wohl zum Schluss gelangt sein, dass zweiteres der Fall ist. Zumindest weist die Begründung darauf hin, da die tatsächliche Handlung (bloss Erlebnisbericht) und mangelnde Plausibilität dieser Erklärung (mangelnde Fachkenntnis) erkennbar ist.

  2. Der Artikel scheint eine simple Begründung einer Frage des Verbotsirrtums als Anforderung an Journalismus aufzublasen: „Untauglich ist die Forderung der Luzerner Richter, dass ein Journalist bei der Polizei oder der Staats­anwaltschaft nachfragt, ob ein Augen­schein auf einem Grundstück legal ist.“ Beim Verbotsirrtum muss ich nicht nur wissen, ob die Journalistin nicht wusste, dass ihre Handlung verboten ist. Ich muss auch prüfen, ob die Journalistin dies hätte wissen können. Die „Forderung“ bei der Polizei nachzufragen erscheint mir daher mehr als Floskel für die Begründung, dass ein Mindestmass an Rechtskenntnis im Strafrecht schlicht vorausgesetzt ist. Für dieses Tatbestandselement muss Journalisten nicht eine gesonderte Regelung zugestanden werden, wie allen anderen.

  3. Im Satz „ Sie müssen bei einer Recherche, die eine Straftat in Kauf nimmt, noch sorgfältiger abwägen, ob sie mit einer allfälligen Straftat Informationen «von wirklich erstrangiger Bedeutung» für die Öffentlichkeit erlangen können.“ liegt eine implizite Behauptung, welche nicht weiter Begründet ist und bei welcher ich eine gewisse Skepsis habe: „noch sorgfältiger“ suggeriert bereits eine sorgfältige Abwägung. Ich bin skeptisch, wenn ich eine Berufsgruppe das Sonderrecht zugestehen soll, Straftaten ohne Strafe zu begehen. Da will ich hohe Anforderungen stellen und wenig Spielraum für Lücken geben. Die rechtliche Anforderung „ Recherchen auch auf einem Grund­stück bleiben in Zukunft möglich, falls die Umstände zumindest erahnen lassen, dass man vor Ort Missstände antreffen wird und der Journalist diese auch erkennen kann.“ scheint mir dies vernünftig zu Berücksichtigen. Wenn vorangehend keine Umstände vorlagen, die einen Missstand „erahnen lassen“ oder die Journalistin diese nicht erkennen kann, fehlt mir die suggerierte bestehende Sorgfalt.

Ich bin mir bewusst, dass bei meinen drei Punkten die Sache ganz anders sein kann, als ich es unterstelle: 1. Kann es gut sein, dass die Journalistin ursprünglich tatsächlich über den Zustand des Gebäudes berichten wollte. 2. Kann eine sorgfältige medienanwaltliche Prüfung der Sache stattgefunden haben, wodurch die Journalistin nicht wissen konnte, dass sie eine verbotene Handlung unternimmt. 3. Kann es vielleicht sinnvoll sein, eine medienfreundlichere Verhältnismässigkeitsprüfung zu erwarten (kleine Straftat Hausfriedensbruch in eine besetztes Gebäude wiegt sich auf mit der kleinen Geschichte über Hausbesetzer). Nur wird mir nicht klar, ob ich es mit einem Fisch (Gerichtsberichterstattung) oder einem Vogel (Kommentar) zu tun habe, da ich zu stark beide Elemente sehe. So fehlt es mir an Einordnung.

Schliesslich muss ich dem Autor trotz (Oder gerade wegen) aller Kritik für den sehr anregenden Artikel danken und hoffe, dass das Urteil veröffentlicht wird, um mir ein etwas besseres Bild machen zu können.

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Dieser Zustand war entscheidend für die Frage, ob das Haus, das unter Ortsbild­schutz steht, abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt werden darf, wie Bodum es plante.

Hätte sich die Journalistin tatsächlich mit dem baulichen Zustand des Hauses befasst und ihn dokumentiert statt mit dem Abendessen der Besetzer*innen, wäre das Urteil wohl anders ausgefallen. Die Interpretation, dass es sich um einen reinen Erlebnisbericht handle, ist nachvollziehbar. Von öffentlichem Interesse ist weniger die Besetzung als der Ortsbildschutz.

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