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Schön zu sehen, dass die Demokraten es endlich mit einer eigenen, positiven Vision versuchen, anstatt sich damit zu begnügen, auf Trump einzudreschen. Insbesondere Andrew Yang mit seiner "freedom dividend" (Grundeinkommen) scheint mir ein interessanter Kandidat zu sein.

Auf Steuerseite würde es den Demokraten aber nicht schaden, besser auf Experten und Wissenschaft zu hören (ironischerweise ist das Ignorieren wissenschaftlicher Erkenntnisse genau das, was sie Trump die ganze Zeit vorwerfen). Aus ökonomischer Sicht ist das Erhöhen des Spitzensteuersatzes und insbesondere auch die erhöhte Besteuerung von Kapitalgewinnen riskant. Etwas besser ist Yang's Finanzierungsvorschlag über eine Mehrwertsteuer. Noch besser (bzw. das kleinste Übel) wäre aber eine Vermögenssteuer, wie ich im folgenden erläutern werde.

Aus Sicht ökonomischer Anreize wäre eine Einführung einer Vermögenssteuer bei gleichzeitiger Abschaffung der Kapitalgewinnsteuer ideal. So wird sichergestellt, dass das Kapital derjenigen Kapitalisten, die es nicht produktiv einzusetzen wissen, langsam aber stetig entzogen wird, während Firmengründer und andere, die "den Kuchen" grösser zu machen wissen, weniger stark besteuert werden. Dieser Mechanismus wird z.B. von Guvenen et al. (papers.nber.org/conf_papers/f102820.pdf) wissenschaftlich untermauert. Die Schweiz macht dies bereits heute genau richtig und Macron genau verkehrt (die Abschaffung der Vermögenssteuern war eine seiner dümmsten Entscheidungen). Auch ist eine Vermögenssteuer deutlich einer Erbschaftssteuer vorzuziehen, denn letztere kann oft einfach umgangen werden, etwa in den USA durch Errichtung einer Stiftung, wie dies beispielsweise Zuckerberg bereits getan hat. Eine Vermögenssteuer, die wie in der Schweiz auch bei juristischen Personen erhoben wird, ist viel schwieriger zu umgehen und damit auch gerechter. Auch anzumerken ist, dass die Kapitalgewinnsteuer erst anfällt, wenn die Kapitalgewinne auch realisiert werden. Jeff Bezos müsste unter Ocasio-Cortez' Vorschlag also gar nicht so viel Steuern bezahlen, wie man denkt. Hinzu kommt, dass das Steueraufkommen aus einer Kapitalgewinnsteuer starken Schwankungen unterliegt, da es dem auf und ab der Börsen überproportional folgt. Die Mehrwertsteuer oder eine Vermögenssteuer ist viel berechenbarer und daher auch einfacher zu budgetieren.

Letztlich möchte ich noch anmerken, dass die beiden gezeigten Charts mit Vorsicht zu geniessen sind. Eine ähnliche, parallele Entwicklung besteht in den USA zwischen Ungleichheit und Medianalter (statistisch gesehen lässt sich damit 80% der Veränderung des Ungleichheit erklären). Das würde die These stützen, dass Ungleichheit auch ein demographisches Phänomen ist. Das ist insofern plausibel, als die Einkommens- und Vermögensunterschiede innerhalb einer Kohorte mit dem Alter zunehmen. Das heisst, mit steigendem Alter der Gesellschaft ist auch bei gleich gerecht bleibendem System eine Zunahme der Ungleichheit zu erwarten. Das nebenbei.

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Lieber Luzius, danke für den ausführlichen Kommentar!
Deine Aussagen zur Vermögenssteuer sind insofern interessant, als dass fast alle Länder (die Schweiz ist eine von meines Wissens drei Ausnahmen) sie abgeschafft haben. Das macht es schwierig, entsprechende Daten zu erheben und auszuwerten. Grundsätzlich finde ich sie etwas problematisch, weil sie dazu führt, dass ein Unternehmer, der sein ganzes Vermögen in der Firma hat, jedes Jahr einen Teil davon verkaufen müsste - davon wären Guvenens produktivste Unternehmer sogar überproportional betroffen. Immerhin findet das Papier auch, dass die optimale Einkommensteuer, die ich hier in Schutz nehmen möchte, deutlich progressiver wäre als heute.
Zum Thema Korrelation vs. Kausalität hast du natürlich Recht, wenn man sich nur die Zeitreihen innerhalb eines Landes anschaut. Allerdings würde das nicht den negativen Zusammenhang zwischen den Ländern erklären: Japan ist eines der überaltertsten Länder, hat aber trotzdem eine tiefe Ungleichheit. Dass progressivere Steuern die Ungleichheit reduzieren, ist ziemlich gut erwiesen (neben den Zitaten im Text hier ein weiteres: http://repec.iza.org/dp6910.pdf).

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Hi Gabriel, du greifst hier ein paar ganz wichtige Punkte auf, einen möchte ich aber noch ergänzen. Wie du richtig schreibst, gibt es einen zentralen Zusammenhang zwischen der Investitionsquote und dem langfristigen Wachstum (vereinfacht gesagt: wer mehr in Fabriken investiert, hat langfristig eine höhere Produktionskapazität). Was fast die gesamte aktuelle Wirtschaftslehre jedoch vernachlässigt bei der klassischen Formel: Produktion = Investitionen + Konsum + Staat, ist dass die Staatlichen Ausgaben ebenfalls Konsum oder Investition sein können. Wenn also die Steuern erhöht werden, beeinflusst das nicht nur, wie private investieren, es gibt dem Staat auch Mittel zu investieren, wenn er sie denn dafür nützt, und nicht in Militär-, AHV, und andere Konsumausgaben leitet. Konsumausgaben beeinflussen das kurzfristige Wachstum (werden die bestehenden Fabriken auch ausgelastet), können daher auch sinnvoll sein, je nach Konjunktur. In den USA herrscht eine massive Mangelinvestition bei der Infrastruktur. Höhere Steuern wären also nicht unbedingt wachstumsneutral: werden sie gezielt in produktives Kapital reinvestiert, so könnten sie sogar deutlich das langfristige Wachstum fördern. (Natürlich wäre dieser Effekt auch ohne Steuererhöhung möglich, wenn das Geld z.B. aus dem abartig hohen Wehretat abgezogen würde)

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Lieber Harald. Absolut einverstanden! Zum Thema Investitionen gibt's im Teil 2 mehr ;-)

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