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blauäugige Bürgerin
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Danke für den Artikel. Immer wieder ein spannendes Thema. Persönlich bin ich überzeugt, dass Körper und Seele kein Gegensatz sind, sondern eine Einheit. Schon die geplagten Versuchstiere entwickeln anscheinend weniger oft ein Suchtverhalten, wenn sie artgerecht gehalten werden, vgl. die hier erwähnten Arbeiten: https://www.psychologytoday.com/us/…connection

Das legt nahe, dass Ex-Kinder mit Bindungsstörungen suchtanfälliger würden. Was wiederum zur Hypervigilanz passt, die bei PTSD bekannt ist und die Heilig beschreibt. Und dazu, dass uns Eltern ans Herz gelegt wird, dem Nachwuchs eine gewisse Frustrationstoleranz und gesunde Coping- und Konfliktlösungs-Strategien vorzuleben. Eine echte Herausforderung in einer Gesellschaft, wo Gewinn- und Geltungssucht als normal, ja teils gar als erstrebenswert gelten. Diskussionslos retten wir dieselbe Grossbank, welche die Klimajugend dafür verklagt, dass sie sich erfrecht, in ihren heiligen Hallen Pingpong zu spielen. (Die vielen Skandale im Ausland, v.a. Mocambique, seien hier ausgeklammert, gehören aber auch zum Thema.) Gleichzeitig haben wir null Hemmungen, die volle Härte der Justiz auf diese Jugendlichen loszulassen: Richter, die den rechtfertigenden Notstand der Klimakrise anerkennen, werden als befangen aus dem Verkehr gezogen. Umgekehrt natürlich nicht. Gesund geht anders.

(edit: typo)

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Liebe Frau F., beim Lesen des Artikels und Ihres wunderbaren Kommentars, ist mir so deutlich geworden, dass die Forschung in der Pharmazie grundsätzlich akzeptiert, dass Krankheiten nun Mal bestehen. Sie richten ihr Augenmerk darauf, wie man diesen kranken Zustand mit Medikamenten wieder reparieren, oder lindern kann.
Sie jedoch richten Ihr Augenmerk auf das gesunde Leben. Wie soll der Mensch leben, um weniger anfällig für Krankheiten zu sein. Zu recht verweisen Sie auf ein intaktes Beziehungssystem, der Mensch ist nämlich ein Beziehungswesen. Natürlich gehört die Ernährung und körperliche Betätigung dazu, um die Voraussetzungen für möglichst wenig Erkrankungen zu schaffen.

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Eine Untersuchung aus dem Jahr 2022 zeigte, dass Schweizer Sozial­versicherungs­rechtler eine Alkohol­missbrauchs­störung zwar als Krankheit ansahen, aber nicht als eine Krankheit wie Krebs, sondern als eine, die wenigstens teilweise selbst verschuldet sei.

In was für einer Kultur findet diese Beurteilung statt? Ist es nicht seltsam, dass Produktion von Alkohol (Wein) staatlich subventioniert ist (wie Tabak und Zucker auch), wir in einer Alkoholkultur leben (wer hat an einem Apero schon gesagt: ich trinke keinen Alkohol) und dieser Verzicht auf Alkohol viel weniger toleriert ist, als heutzutage der Verzicht auf Fleisch oder tierische Produkte?

Wenn ich also in geselliger Runde sage: ich trinke keinen Alkohol, dann wird vermutet, ich hätte ein Suchtproblem. Mein Entscheid, in der Oeffentlichkeit nur wenig oder gar keinen Alkohol zu trinken, ist durch die Alkoholsucht eines Freundes entstanden. Er hat es geschafft, wegzukommen. Aber in einer Umgebung zu leben, wo Alkoholkonsum normal ist, wo man gesellschaftlich viel eher akzeptiert ist, wenn man mittrinkt, das ist für jemanden, der irgendwann süchtig geworden ist, sehr schwierig. In jeder dieser geselligen Runden gibt es Menschen, die nicht trinken sollten, die es wahnsinnig lockt, die Alkohol einfach gern haben - und für die es sehr schwierig ist, auszuscheren, nicht dazuzugehören

Was will der Staat, die Politik eigentlich? Schädliche Produkte subventionieren, unter die Leute bringen, eine Trinkkultur pflegen und dann auf die mit dem Finger zeigen, die ihre Krankheit nicht mehr verbergen können? Wie pervers ist das?

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Vielen Dank für Ihren Beitrag Frau Dolder. Ich finde es eben auch problematisch: einerseits hat das Trinken einen so wichtigen Stellenwert (zugehörigkeitsgefühl, soziales Schmiermittel, Entspannung etc.). Andererseits sind die Folgen von diesem total normalen Verhalten (die halt nur manche, längst nicht alle, treffen) wie eine Art weisser Fleck in unsere Gesellschaft, da müssen die Leute dann allein mit klar kommen.

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blauäugige Bürgerin
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Stichwort "allein": Gefühlt ist das sicher so, auch wenn eine Sucht immer Auswirkungen auf die ganze Familie hat. Es gibt Selbsthilfegruppen für fast jede denkbare Sucht, sei es nach Substanzen oder nach einem bestimmten suchtartigen Verhalten, das bei Betroffenen ebenfalls zu einem Dopamin-Kick führt. Bei der wohl häufigsten Sucht, dem Alkoholismus, gibt es solche Gruppen auch für Partner:innen und Angehörige. Besonders wichtig ist das für die Kinder der Süchtigen, deren Biografie das Erlebte meist tief prägt. Zu den Merkmalen suchtbetroffener Familien gehören Schweigen und Schuldzuweisungen. Hilfe zu suchen bedeutet, das Schweigen zu brechen. Abgesehen von der Scham, die es dabei zu überwinden gilt, sind solche Gruppen sehr niederschwellig. Mit diesen Fragen nicht mehr allein zu sein, kann Betroffene enorm erleichtern.

PS: Frage mich gerade, ob das, was Sie Reset nennen, dem Reparenting entspricht. Sehr verkürzt gesagt lernt man dabei (meist über mehrere Jahre), sich von den Infamitäten des Lebens nicht triggern zu lassen. Viktor Frankl hatte dasselbe etwa so formuliert: "Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.”

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Forscher haben ihr eine optische Faser ins Hirn eingepflanzt, die aus ihrem Kopf ragt wie eine Antenne… Also vermiesten sie den Nagern ihren Vergnügungs­tempel: Auf jeden Dopamin-Kick folgte ein kleiner Elektro­schock als Strafe… «Obwohl Labor­mäuse ein nicht sehr erfülltes Leben haben, gibt es dennoch individuelle Unterschiede»… Auch Lüscher will die Wirkung der Psychedelika in seinem Tier­modell nun genauer erforschen.

Es ist ja kein theoretisches Modell, sondern es sind lebende Nager, Säugetiere, Individuen. Ich nehme an, alles verläuft konsensuell und nach tierethischen Richtlinien?

Und wir diskutieren, ob wir ein Saussicon in die Ravioli füllen…

Schön fände ich mal eine biographische Hommage oder eine Reportage über «Das Leben einer Laborratte». Angesichts der Vorteile, die sie – und andere «Versuchstiere» – uns verschafften, sollten wir sogar ein Denkmal für die «Die anonyme Laborratte» errichten.

Am besten in Basel auf den Vorplätzen von Roche und Novartis.

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Konsens bei (nicht-Menschen-)Tieren ist nicht möglich aber die Auflagen an Tierversuche sind enorm riesig, also das geht durch tonnenweise Ethikkram.

Das Tierleid von Tierversuchen kann man sicher diskutieren (siehe dazu auch eine super Folge von Mai Think X https://www.zdf.de/show/mai-think-x…7-100.html ). Aber als Baustelle ist das sowieso ein verschwindend kleiner Nebenschauplatz neben den Tieren, die nicht für die Erkentnis leiden, sondern zum puren Vergnügen der Menschen (auch bekannt als "nicht-pflanzenbasierte Ernährung")

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Tobias Oetiker
Full Stack Engineer
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Danke für den Artikel! Den therapeutischen Einsatz von Psychedelic Drugs finde ich eine super vielversprechende Forschungsrichtung. Auch bei der Behandlung von PTSD scheinen gute Erfolge erzielt zu werden (Artikel zum Thema aus dem Smithsonian Magazine)

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Kritischer Leser
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Es besteht keine Notwendigkeit, das Suchtphänomen wie in diesem Artikel auf Alkohol zu reduzieren, weil alle Suchtphänomene mittels ein und desselben körperlichen Mechanismus funktionieren. Dieses Verständnis ist auch keineswegs neu. So habe ich in dem ausgezeichneten Buch "Craving for Ecstasy, The Consciousness & Chemistry of Escape" von Harvey Milkman und Stanley Sunderwirth, Lexington 1987 folgende allgemeine Definition von Sucht gefunden: "Eine selbst herbeigeführte Veränderung in Neurotransmission, die in Verhaltensproblemen resultiert." (S.6, meine Übersetzung). Die süchtigmachende Substanz oder Aktivität verändert die Neurotransmission. Weil sich der Körper an das neue Niveau von Neurotransmission anpasst, wird in Sucht früher oder später ein Zustand erreicht, in dem der oder die Süchtige nur noch unter der Voraussetzung normal funktioniert, dass sie sich die süchtigmachende Substanz zuführt oder die süchtigmachende Aktivität ausführt. Geschieht das nicht, reagiert der Körper, reagiert die Psyche mit entschiedenem Gefühl von Unwohlsein, funktioniert nicht mehr "normal". Auf dem Weg dahin erleben Süchtige oft das Phänomen, dass die Dosis des süchtigmachenden Stoffs, der süchtigmachenden Aktivität dauernd erhöht werden muss, damit der erhoffte Effekt eintritt.
Dieser Mechanismus ist derselbe, ganz egal, ob der oder die Süchtige nach Beruhigung, nach An- oder Aufregung oder nach einer bestimmten Fantasie giert. Nach Milkman und Sunderwirth bedingt eine Heilung von Sucht das Finden eines geeigneten Ersatzes. Einfach ist die Aufrechterhaltung von Abstinenz nach meiner Erfahrung aber keineswegs und die Gefahr von Rückfällen ist gross, vor allem in Zeiten, in denen die körperliche und psychische Resistenz ohnehin reduziert ist.

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Guten Tag, wir können diesen Artikel nicht unerwidert stehen lassen, da aus unserer Sicht (meine Frau und ich arbeiten seit Jahrzehnten mit Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen) zu vieles nicht korrekt ist oder wichtige Aspekte schlicht außer Acht gelassen wurden.
Wieso hat die Autorin keine breitere Sichtweise beleuchten wollen, sondern ist auf dem wenig hilfreichen Kontinuum zwischen “Willenslos” und “Medizinischer Defekt” hängengeblieben?
Wir hatten gehofft, die tunnelartige Betrachtung eines biopsychosozialen Phänomens wie einer Abhängigkeitserkrankung gehöre längst der Vergangenheit an und hätte Platz gemacht für vielschichtigere Sichtweisen, welche der vorhandenen Komplexität eher gerecht werden.
Nur ein Beispiel: uns sind so gut wie keine Menschen mit Abhängigkeitserkrankungen begegnet ohne eine Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) oder ohne komplexe PTBS. Diese hat eine höhere Erregung des Zentralnervensystems zur Folge, verbunden mit starken negativen und zum Teil massiv belastenden emotionalen Intrusionen. Zahlreiche Substanzen (insbesondere Alkohol, billig, verfügbar, akzeptiert) haben bei solchen Zuständen eine rasche, zuverlässig beruhigende Wirkung. In so einer Situation hat der Konsum von Alkohol einen schützenden und stabilisierenden Effekt.
Wir glauben, es wäre sowohl für Betroffene, aber auch für jede interessierte Person weitaus hilfreicher, mögliche biopsychosoziale Dynamiken auf dem Hintergrund von Traumageschehen und deren Folgen auf den menschlich Organismus zu verstehen und nicht auf Basis von zweifelhaften, eingleisigen wissenschaftlichen Experimenten mit Mäusen. Hier hat uns die Republik nun für einmal enttäuscht.

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Guten Tag Herr S., Danke für Ihre Rückmeldung. Selbstverständlich war und ist mir bewusst, dass Abhängigkeit als biopsychosoziales Phänomen betrachtet wird und selbstverständlich haben Sie Recht: Ich habe mich entschieden, nur einen Aspekt davon auszuleuchten und vieles andere nicht betrachtet. Am Anfang meiner Recherche stand die Frage, wieso Menschen auch nach jahrelanger Abstinenz nicht wieder zu einem zwanglosen Konsum zurückkehren können. Und da kam ich auf die Neurowissenschaft. Mir erschien es relevant und wichtig, über diese Erkenntnisse zu berichten. Dass das, was früher als psychisches Phänomen betrachtet wurde, eine organische Entsprechung hat. Und die Erkenntnisse erschienen mir wichtig, besonders in dem Kontext wie wir die Sucht "ansehen". Ich sehe meine Arbeit wie die einer Bildhauerin: Am Anfang ist ein Klotz Materie und davon muss man ganz viel wegnehmen, so dass eine Figur entsteht. In dem Sinne habe ich also Sachen weggenommen, was nicht heisst, dass sie nicht wichtig sind, aber sie gehören in eine andere Figur. Das waren meine Entscheidungen, die Sie natürlich kritisieren dürfen, ich höre Ihre Einwände.

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Schön und gut, dann halt Psychedelisch: Was diese Forschenden aber ausser Acht lassen: Mäuse machen keine Psychotherapie. Bei mir hat das geholfen.

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Neugierig
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Nach Psilocybin-Behandlungen tranken Patienten weniger häufig als Patienten, die Psycho­therapie oder ein Placebo erhalten hatten.

Das Psilocybin wird mit Psychotherapie verglichen. Da geht es nicht mehr (nur?) um Mäuse.

Schlussendlich wird wahrscheinlich sowieso eine Kombination aus beidem (Psychotherapie + Substanzen wie Psilocybin) am effektivsten sein.

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Abhängigkeit wird mit Sucht gleichgesetzt. Man hat versucht vom stigmatisierenden Begriff Sucht wegzukommen, aber das ist nicht gelungen, der Begriff wird oft, auch in Fachkreisen, benutzt.
Zur Etymologie von Sucht
Das alt- und mittelhochdeutsche „Suht“, später „siech“, bedeutete „krank sein“. Früher wurden alle Krankheiten als Sucht bezeichnet. Das Wort „Gelbsucht“ als Relikt aus dieser Zeit ist heute noch zur Bezeichnung einer Leberentzündung gebräuchlich."Wiki

Studien wie im Artikel sind wichtig, aber eine Einordnung des Phänomens
Sucht als bio-psycho-soziales Geschehen (und deren Schnittstellen!) sind m.E. unverzichtbar. Gerade die soziale Umgebung, z.B. tragende Beziehungen sind bedeutsam, wenn es darum geht, den Ausstieg aus der Sucht zu schaffen. Beziehungen wirken auf die Motivation und Willenskraft. Diese wiederum auf körperliches Wohlbefinden...
Man wird dem Phänomen Sucht bzw. Dem suchtkranken Menschen eher gerecht, wenn man alle 3 Ebenen und deren Interaktionen berücksichtigt.

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(durch User zurückgezogen)

Ähm, was genau ist die wissenschaftliche Erkenntnis der Genfer Studie? Die Umprogrammierung ist kein "Hack", sondern eine ganz normale Funktion dieser Teile im Hirn. Da werden Erlebnisse und Handlungen mit positiver Wirkung verknüpft. Und daraus entstehen dann unsere Erwartungen, welche eintreffen oder enttäuscht werden können. Das ist schon mindestens seit meiner Studienzeit bekannt.

Wenn schon besteht der "Hack" darin, dass mit dem Dopamin ein positives Erlebnis vorgegaukelt wird, welches nicht existiert. Die Umprogrammierung muss und soll so funktionieren wie geschildert. Dass man sie in diesem Fall rückgängig machen möchte ist auch klar. Allerdings muss man dabei abwägen und aufpassen, dass man sich beim "Reset" keine neuen Probleme einholt.

"Willensschwach" hilft natürlich niemandem weiter, aber der Begriff ist auch nicht ganz falsch. Wir haben durchaus bewussten Einfluss auf diese Programmierung, in individuell unterschiedlichem Masse.

Weiter würde ich ein grosses Fragezeichen hinter die Elektroschocks machen - reale Suchtsituationen zeichnen sich gerade dadurch aus, dass die negativen Folgen nicht direkt spürbar sind. Sondern die Gesamtsituation verschlechtern, welche man momentan gut verdrängen kann. Also eine klassische hidden variable in der Game Theory.

Das einzige was die Elektroschocks m.E. zeigen, ist dass Elektroschocks als Therapieansatz nicht geeignet sind...

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wir sind abhängig von fossilen Brennstoffen, ob wir auch süchtig sind? es sieht so aus :-(. und btw: wer sich über Gesetze zu Sucht und insbesondere Alkohol in der Schweiz wundert, sollte mal betrachten, was unser Parlament so tut, beginnt beim Mittagessen, geht weiter am Apero und hört dann kaum auf.

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Martin Hafen
Präventionsfachmann, Soziologe
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Ich denke, es könnte sich lohnen, die involvierten Systemebenen analytisch zu trennen und sie dann wieder zueinander in Beziehung zu setzen. Die Systemtheorie (Luhmann) arbeitet diesbezüglich mit einem differenz-orientierten Systembegriff: das System als Einheit der Differenz von System und Umwelt.

Bezogen auf das Thema bedeutet dies, dass das Gehirn relevante Umwelt der Psyche und die Psyche relevante Umwelt des Gehirns ist, wobei beide Systeme vollkommen unterschiedlich operieren: Das Gehirn bio-elektrisch und bio-chemisch, die Psyche mit Gedanken und Wahrnehmungen.

Versuchsweise könnte man dann "Abhängigkeit" auf der Ebene des Gehirns verorten (durch nachhaltige Veränderung der neuronalen Strukturen), während sich Sucht auf das psychische System bezieht. Entzugserscheinungen sind letztlich nur dort erfahrbar, da sie auf Wahrnehmung angewiesen sind.

Letztlich lohnt es sich auch, die soziale Ebene mit ihrer Operativität der Kommunikation mit in die Überlegungen einzubeziehen - etwa in Hinblick auf den kulturellen Umgang mit Alkohol oder in Bezug auf Phänome wie Gruppendruck. Das macht "Sucht" letztlich zu einem bio-psycho-sozialen Phänomen.

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Guten Tag, Danke für Ihre Gedanken. Sie schreiben: "Das Gehirn bio-elektrisch und bio-chemisch, die Psyche mit Gedanken und Wahrnehmungen." Aber sind Gedanken und Wahrnehmungen nicht auch bio-elektrische und bio-chemische Phänomene?

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Die letzte Frage würde ich entschieden mit Nein beantworten. Alle Gedanken, Gefühle und Wahrnehmungen haben zwar eine biochemische Basis, sind jedoch nicht mit diesen Prozessen gleichzusetzen. Ein Gemälde hat auch eine physische Basis (z.B. Farbe, Leinwand etc.), jedoch würde man nicht behaupten, durch eine möglichst genaue chemische Analyse bekäme man mehr Erkenntnisse zum abgebildeten Geschehen. Sehr empfehlenswert zu diesem Thema die Gedanken des Philosophen Peter Bieri.
In dem Sinn sehe ich auch die Aussage von Anonym1 ("...die Sucht, das Krankhafte, ist eben gerade (neuro-)physiologischen Ursprungs. Hirnfunktionen und/oder Metabolismus werden verändert." ) nicht so eindeutig, eher scheint mir dies sehr ähnlich wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei.

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Martin Hafen
Präventionsfachmann, Soziologe
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Nein, aus der Perspektive der Systemtheorie sind diese Prozesse eine Umweltvoraussetzung für die Operativität im psychischen System - also unverzichtbar, aber nicht identisch. Die Frage, wie es von diesen neuronalen Prozessen zu Bewusstsein kommt, ist bekanntlich wissenschaftlich noch nicht beantwortet.

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"während sich Sucht auf das psychische System bezieht" – Nein, die Sucht, das Krankhafte, ist eben gerade (neuro-)physiologischen Ursprungs. Hirnfunktionen und/oder Metabolismus werden verändert.

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Martin Hafen
Präventionsfachmann, Soziologe
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Darum ja die Formulierung "versuchsweise". Jede Formulierung/Erklärung bleibt ja letztlich eine soziale Konstruktion, die mehr oder weniger überzeugend ist. Für mich ist Ihr Verständnis problemlos nachvollziehbar - vielleicht gibt es aber auch noch andere nachvollziehbare Varianten, die beim Verständnis weiterhelfen.

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Tinu Niederhauser
Trainer & Verleger
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Eine wichtige Klärung für Betroffene aber auch für Angehörige. Danke!

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Freie Mitarbeiterin Uni-Magazin Zürich
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Interessanter Artikel. Zu etwas hätte ich gerne mehr erfahren: Im Text wird ein grundsätzlicher Unterschied zwischen Sucht und Abhängigkeit gemacht. Als ich jetzt danach ein bisschen herumgegoogelt habe, habe ich aber nur gefunden, dass das synonym verwendet wird. Oder ev. "süchtig" als altmodischer gilt als "abhängig". Weiss jemand mehr dazu?

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Ich versteh das so: JedeR Süchtige ist auch abhängig, aber nicht jedeR Abhängige ist auch süchtig. Kann man das so sagen?

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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Hallo, siehe oben. Es gibt einige Fälle, wo man süchtig sein kann, ohne abhängig zu sein, jedenfalls wenn man das so unterscheidet: Abhängigkeit -> körperliches Entzugssymptome; Sucht -> Zwanghaftes Suchen. Aber in vielen Fällen ist es sicher so, wer süchtig ist, der ist meist auch abhängig. Nach einem Entzug ist die Abhänggkeit weg, wenn man die Entzugssymptome überwunden hat. Aber die Sucht, die bleibt eben.
edit „Symptom“

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Cornelia Eisenach
Wissenschaftsjournalistin
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· editiert

hallo zusammen, es gibt da tatsächlich ein begriffs-wirrwarr, deswegen macht Lüscher die Unterscheidung. Aber es wird sicher nicht überall so unterschieden. Es gibt auch Stoffe, zum Beispiel Kokain, die kaum oder keine Entzugssymptome machen, also wo es keine Abhängigkeit gibt, und trotzdem kann man danach süchtig werden. Die Sucht bezieht sich auf das Zwanghafte.
edit „Symptom“

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Mathematiker
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Ein Detail: Sie meinen wohl Entzugssymptome, nicht -syndrome, oder?

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Natürlich gibt es schwere Entzugssymptome bei Kokainabhängigkeit!
Angst und Depressionen, extreme Antriebslosigkeit rauben den Konsumenten häufig die Kraft.

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Verena Goanna •in :)) Rothen
fotografie, texte, bio blumen&gemüse
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Mit ihm kann die Maus ihrem Hirn einen Dopamin-Schub verpassen …

Zuweilen wirkt ein klitzekleiner Opernbesuch (zu Kinoeintrittspreis in Bern möglich!) just as well, if not: much better … Dopamin und Aufmerksamkeitstrigger plus überdies VollautomatikWaschanlage, offenbar, fürs Ohr; pianissimi inklusive.
Sehr zu empfehlen! (Einzige Voraussetzung: Sich einlassen darauf — und Texte (libretti) nehmen für das, was sie sind: mitunter reine Ironie. Gewollt oder ungewollt mal dahingestellt.
Es geht aber natürlich auch Rap, Hiphop, Techno, Ländler, whatever. Und vieles anderes mehr, worin auch ein überlastetes Gemüt einfach mal eintauchen kann.

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