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Billo Heinzpeter Studer
Präsident fair-fish international
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· editiert

Vielen Dank für diesen Artikel!
Eigentlich wäre es ja ganz einfach: Erkennen, was wir anderen Lebewesen antun, und unser Verhalten entsprechend verändern. Zwei konkrete Beispiele dazu.
Der Schlüssel zu einer nachhaltigen Landwirtschaft liegt nicht in irgendwelchen komplizierten Berechnungen, sondern in einem Umgang mit den genutzten Tieren, der ihren Bedürfnissen und Verhaltensmustern vollauf gerecht wird, abgesehen einzig vom Umstand, dass sie länger leben möchten, als wir ihnen zugestehen. Eine derartige Tierhaltung verlangt menschliche Zuwendung in einem Mass, das in aller Regel nicht einmal im Ansatz verfügbar ist, weil aus sogenannt ökonomischen Gründen schlicht zu viele Tiere gehalten werden (selbst auf Biobetrieben, die in der Schweiz zum Beispiel 2000 Legehennen pro Herde einzäunen dürfen, obschon den Hühnern Kleingruppen von 50 Tieren verschiedenen Alters entsprächen). Würde der Tierbestand eines Betriebs auf die verfügbare menschliche Betreuung limitiert, wären wir viele Umweltfolgen der heutigen Landwirtschaft los. Wer mehr tierische Produkte essen will, also auf diese Weise lieferbar sind, wird sich an Ersatzprodukte auf pflanzliche oder Zellbasis halten müssen, die eh bald den Markt fluten werden.
Noch deutlicher in der Fischerei: der Schlüssel zu deren nachhaltigen Gestaltung liegt allein in der Art, wie mit den gefangenen Tieren umgegangen wird. Vor allem die grosse industrielle Fischerei nimmt nicht die geringste Rücksicht auf das Leiden dieser Tiere, weder beim Geschehen während des Fangs noch beim Krepieren die an Bord. Genauso rücksichtslos geht diese Fischerei gleichzeitig mit der Umwelt und den übrigen Lebewesen im Gewässer um. Eine Fischerei hingehen, die vor allem darauf achtet, das Leiden der Tiere so kurz und so gering als möglich zu halten, kann weder Fischbestände leerfischen noch die Umwelt schädigen – fair-fish international hat sich soeben mit Partnern angeschickt, Optionen hierfür zu erforschen.
Der Gedanke, den ich mit diesen zwei Beispielen nahelegen will, ist folgender: Solange wir Menschen die uns umgebende und nährende Natur prinzipiell von uns abtrennen mit dem Argument, sie verfüge im Gegensatz zu uns über keine Seele, werden wir kein ökologisches Problem lösen – vor allem aber auch kein soziales: Denn das bequeme Argument der Seelenlosigkeit wurde in der Geschichte bis vor wenigen hundert Jahren gegen Nichtweisse verwendet, ja auch gegen weisse Frauen, Kinder und unterprivilegierte Männer: Sie durfte man gedankenlos ausbeuten, und im Grunde dürfen die ganz Grossen und jene, die ihnen das Wasser reichen und die Dreckarbeit besorgen, bis heute noch, einfach etwas besser getarnt. Solange es als selbstverständlich gilt, dass einige Menschen sehr viel mehr Nutzungsanspruch auf Erde besitzen, als er gleicherweise jedem Menschen zustünde, so lange wird weder Frieden unter Menschen noch mit der Natur möglich sein. Eine der dringendsten Transformationsfragen heisst daher: wie stoppen wir jene, die den Hals nicht voll kriegen, samt jenen, die ihnen dabei helfen?

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Lieber Herr Studer, haben Sie vielen Dank für Ihren Kommentar, dem ich mich weitgehend anschliessen würde. Insbesondere das, was Sie die prinzipielle Abtrennung des Menschen von der Natur nennen, scheint mir ein ganz wichtiger Punkt. In diesem Zusammenhang nur eine Anmerkung zu Ihren Überlegungen zum bedürfnisgerechten Umgang mit Tieren, wo Sie zurecht die Einschränkung machen, dass solche Konzepte «einzig vom Umstand» absehen, dass die Tiere «länger leben möchten». Das klingt fast ein wenig, als sei das ein Detail, ein kleiner Schritt, der zu einem «vollauf gerechten» Umgang mit den Nutztieren fehle. Aber ist das nicht das Allerfundamentalste, das Recht auf Leben? Und wenn man es weniger prinzipiell, sondern utilitaristischer betrachten würde, dann müsste man immerhin noch in nüchternen Zahlen festhalten: Ein Schwein mit einer natürlichen Lebenserwartung von 15 bis 20 Jahren wird in der Regel nach 6 bis 7 Monaten geschlachtet; Gänse mit einer natürlichen Lebenserwartung von 30 Jahren nach 4 bis 5 Monaten; was als Kalbfleisch verkauft wird, stammt von Rindern, die 20 Jahre leben könnten, aber meist im Alter von etwa 6 Monaten geschlachtet werden. Es handelt sich also keineswegs um kleine Lebenszeitverkürzungen – sondern Schlachttiere werden um nahezu ihr ganzes Leben gebracht. Man könnte auf dieser Basis also mit einiger Plausibilität dafür argumentieren, dass man damit von einem «vollauf gerechten» Umgang mit Tieren sehr weit entfernt ist. Bücher von Autor:innen wie Christine M. Korsgaard, Jonathan Safran Foer, Hilal Sezgin, Karen Duve u.v.a. thematisieren deshalb auch genau diese Punkte.

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Billo Heinzpeter Studer
Präsident fair-fish international
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Lieber Herr Graf, der von Ihnen vorgebrachte Gedankengang samt Literatur ist mir seit langem bestens vertraut; als ehemaliger Geschäftsleiter von KAGfreiland und als Gründer und Präsident von fair-fish setze ich mich seit Jahrzehnten damit auseinander, nicht zuletzt auch, in dem ich auf Nahrung von hierfür gehaltenen Tieren mich Ausnahmen verzichte. Num trifft das mit der längeren Lebensdauer als von uns nutzenden Menschen zugestanden allerdings auch auf die Kulturpflanzen zu, wir vergessen es nur allzu gern. Ich mich habe vor fünf Jahren einen Reader rund um diese Fragen herausgebracht, dessen Mitautoren ich zwei Fragen gestellt hatte: Darf mensch Tiere nutzen?, und, in einer zweiten Runde: Darf mensch Pflanzen nutzen? Für die 150% Veganer war die Antwort auf die zweite Frage ganz leicht: Ja – die anderen taten sich schwerer damit. Wenn wir davon ausgehen, das Entwicklungsbiologisch Wand im täglichen Geschehen alles miteinander verbunden ist: Warum soll dann das vorzeitige Beenden eines tierlichen Lebens ethisch auf einer prinzipiell Ebene beurteilt werden als jenes von pflanzlichem Leben? Von Pilzen noch gar nicht zu reden…
Reader: http://tierethik.ch

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Lieber Herr Studer. Sie haben mit Ihrem Beitrag gezeigt auf was es wirklich ankommt. Nur wer bereit ist, auf solche Weise seinen Teil zur Problemlösung beizusteuern hat wirklich etwas begriffen.

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Es ist eine der grossen Stärken der „Republik“, komplexe Themen und anspruchsvolle Lektüren in einer anregenden, prägnanten, differenzierten und übersichtlichen Form zusammenzufassen, wesentliche Fragen herauszuarbeiten und zum Nach-Denken anzuregen. Vielen herzlichen Dank dem Autor für diesen fundierten Bericht.

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Lieber Herr Kienholz, vielen herzlichen Dank! Was Sie schreiben, freut mich besonders, denn es bringt, glaube ich, das Anliegen der Republik-Crew genau auf den Punkt.

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Leser
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Grossartiger Beitrag zur Klimadebatte und deren Zusammenhang mit den sozialen Bedingungen. Vielen Dank für die Zusammenfassung der Bücher und all die Einsichten.

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In den 80er-Jahren stand im Chemielehrbuch: CO2-Gehalt: 0,03%. Die Schülis haben den Zusammenhang zwischen CO2-Gehalt und Treibhauseffekt verstanden. In diesem Jahrhundert zeigten diese Bücher 0,04% an. Auch da zeigten sich alle einsichtig, auch was die Konsequenz der weiteren Steigerung angeht. Jetzt studiere man wieder einmal die ganzseitigen Autoreklamen, welche Schlüsse und Taten aus all den Einsichten, Einordnungen und Zusammenhängen gezogen werden!

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Lieber Herr S., herzlichen Dank, das freut mich sehr!

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Vielen Dank für diesen sehr lesenswerten Artikel. Leider werden zwei wichtige Punkte zu wenig beachtet: unsere kognitiven Verzerrungen. Die schweren Elektroautos sind erfolgreicher als die leichten. Das zeigt doch, dass wir ein gewaltiges Wahrnehmungsproblem haben und von einer Lösung noch sehr weit entfernt sind. Das noch grössere Problem ist die Bevölkerungszahl. Natürlich haben wir Europäer eine grosse Verantwortung pro Kopf, aber gesamthaft sind wir schon längst irrelevant: Indien stösst bald 4x mehr CO2 als Deutschland aus und China sage und schreibe 17x. Auch die Amerikaner sind längst abgehängt. Wir sind kaum mehr ein Teil der Lösung, also scheint für uns der einzig pragmatische Weg, sich auf das schlimmste vorzubereiten.
Das bedeutet jedoch nicht, dass wir nicht versuchen können, ein besseres Vorbild zu sein. Statt nur Askese zu predigen, die von den erwähnten Hedonisten nur mitleidig belächelt wird, sollten wir als Gesellschaft schrittweise neue Wege ausprobieren. Ziel muss unbedingt sein, dass wir insgesamt glücklicher werden. Etwas weniger arbeiten, etwas mehr für die Gesundheit tun und vor allem sich mehr an der Gesellschaft beteiligen statt auf sie neidisch zu sein. Nur falls wir es schaffen solidarisch zu werden, können wir bezüglich der Umwelt überhaupt handlungsfähig werden.

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Zu Elektroautos:

Dass hier von interessierter Seite die Mobilitätskrise gerne mit der Energiekrise verwischt wird, verschiebt beide Probleme in die Zukunft. Beim Elektro-Grossauto/SUV ist nur der Antrieb geändert, nicht aber die autozentrierte Denkweise oder der überhöhte Verbrauch. Ausserdem denken die Anbieter/Käufer gerne in Feriendistanzen und schleppen 99,9% des Jahres den Ferienakku mit sich herum. Eine Ressourcenverschwendung mit dem Aufkleber "Zukunft!". Von Auto-Mobilität als Lust- und Frustvehikel ganz zu schweigen. Früher hat Vater mit der Modelleisenbahn im Keller gespielt, heute spielt er in Echtzeit in Autos ohne Simulation. Wir werden alle noch überrascht sein, wie wenig Mobilität in Einzelfahrzeugen eines Tages nötig sein wird und darf.

Zu Bevölkerungszahl:

Ohne Ihre Zahlen nachzuprüfen:
Indien hat 1,4 Milliarden Einwohner -> ≈ 17-fach Deutschland
China hat 1,4 Milliarden Einwohner -> ≈ 17-fach Deutschland

Was ist die Berechtigung, diesen Ländern den Ausstoss nach deutschem Vorbild zu verweigern? Ausserdem haben Nordamerika und Europa ihre Drecksindustrien zum grossen Teil nach China "outgesourced". Und die sollen jetzt den Dreck für uns reduzieren?

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Nur damit es klar ist: ich möchte niemandem das Recht verweigern, CO2 nach deutschem Vorbild auszustossen. Ich wüsste nicht auf welcher Grundlage. Aber genau Ihr ideologisches Argument wird im Artikel ausführlich besprochen. Weil wir das so gemacht haben, gibt es den anderen nicht automatisch die moralische Rechtfertigung es gleich zu tun. Dem Planeten ist der pro Kopf Ausstoss so was von egal, es zählt nur die Summe. Zudem ist China schon bald für einen Drittel des globalen CO2-Austosses verantwortlich, also weit mehr als ihr Bevölkerungsanteil. Aber falls Sie damit sagen wollen, dass wir weniger aus China importieren sollten, dann bin ich bei Ihnen.

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Lieber Herr S., vielen Dank! Sie haben natürlich vollkommen recht, wenn Sie sagen, dass in diesem Zusammenhang noch so viel mehr zu sagen wäre – obwohl der Artikel ja ohnehin schon grenzwertig lang ist. Man muss sich ja nur vor Augen führen: Die beiden Bücher, um die es geht, kommen zusammen auf rund 1000 Seiten, die selbst wiederum voller Referenzen sind, weil die Autoren eine unglaubliche Sichtung und Durchdringung von Material geleistet haben (ich habe hier lediglich einige ihrer Kernthesen vorgestellt; insbesondere bei Charbonniers Einzelanalysen gibt es darüber hinaus unendlich mehr zu lernen). Meiner Meinung nach zeigt sich daran etwas sehr Entscheidendes: Bücher, die Besonderes leisten, lassen mitunter auch klarer als bisher sehen, was zusätzlich noch vertieft werden könnte. Wir können sie sozusagen für einen Mangel kritisieren, den wir ohne sie gar nicht erkannt hätten (oder nicht in dieser Tiefe zu den Thesen der Bücher in Relation hätten setzen können). Und das ist dann vielleicht doch recht nah an der Idee von einem dialogischen, kollektiven Erkenntnisfortschritt. Was das Thema Autoindustrie und deren Beitrag zur Problemlösung angeht, muss ich sagen, da teile ich insgesamt die Skepsis, die Herr Feller in seinem Kommentar unten und Anonym 1 hier zum Ausdruck bringen.

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Indien stösst bald 4x mehr CO2 als Deutschland aus und China sage und schreibe 17x.

Bitte berücksichtigen, dass wir viele Waren aus diesen Ländern importieren. Und in viele CO2 intensive Firmen investieren. Wir tragen also auch hier viel Mitverantwortung.

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Wir haben höchstens eine Verantwortung als Konsumenten, aber wo die schwindelerregende Geldmenge investiert wird, die von unseren Zentralbanken seit der Finanzkrise gedruckt wird, darauf haben wir als Mehrheit der Bevölkerung kaum einen Einfluss und deshalb auch keine Verantwortung. Da bringt es auch nichts, sich dafür zu geisseln, sondern wir müssen uns mit den Problemen befassen, die wir auch lösen können. Und diese fangen für mich ganz klar in unserer eigenen Gesellschaft an.
Noch ein kleines Zitat von Einstein, das zum Thema gut passt und zumindest darüber sind wir uns wahrscheinlich einig : „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“

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genial die zusammenfassung und essenz dieser beiden bücher. diese einsichten braucht es, einen weiten blick. ob 'wir' bereit sind zu erkennen und zu handeln...?

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Liebe Frau P., besten Dank! Ihre Formulierung von der «Bereitschaft zu erkennen» finde ich ausgesprochen treffend. Denn es geht nicht allein um ein intellektuelles Verstehen, sondern um ein Verstehenwollen – und nicht zuletzt um die Bereitschaft, aus der gewonnenen Erkenntnis Konsequenzen zu ziehen. Damit tun wir Menschen uns bekanntlich am allerschwersten …

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"...dass auch die Zukunftsversprechen der Moderne dekarbonisiert werden müssen."
Danke für diese präzise Formulierung.

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Gaby Belz
semi-Rentnerin, semi-Berufsfrau
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Bruno Latours Formulierung „Erdgebundene“ für uns Menschen (in „Wo bin ich?“) sowie das ganze „Terrestrische Manifest“ hilft zu verstehen dass wir nicht nur nicht die Herr:innen der Welt sind, als die wir uns verhalten, sondern dass unsere Existenz hochgradig abhängt von „allem anderen“. Es kommt mir vor wie die nächste Kopernikanische (bzw. Latoursche) Wende: statt der Vertreibung der Sonne aus dem Zentrum allen Denkens geht es jetzt uns Menschen genau gleich. Gut so. Aber die Umsetzung auf politischer, rechtlicher, wirtschaftlicher und politischer Ebene sowie in der individuellen Alltagsgestaltung ist unendlich anspruchsvoll und dürfte zu lange Zeit in Anspruch nehmen. Hartmut Rosa‘s RESONANZ hat mir bis jetzt immer als Leitschnur geholfen.

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Liebe Frau Belz, vielen herzlichen Dank! Bruno Latour ist tatsächlich ein wichtiger, gemeinsamer Bezugspunkt von Charbonnier und Chakrabarty, ebenso wie Philippe Descola.

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Gaby Belz
semi-Rentnerin, semi-Berufsfrau
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Hab´s bestellt - vielen Dank für den Hinweis!

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Johanna Wunderle
NL
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· editiert

Lieber Herr Graf, die Art und Weise wie Sie uns die komplexe Materie, die Dipesh Chakrabarty und Pierre Charbonnier erörtert haben, näher bringen, ist schlicht genial. Und aus den Kommentaren wird deutlich, dass Sie den Erkenntnissen der beiden Autoren so klar vermittelten, dass sie Einfluss haben können auf unser Denken und Handeln. Herzlichen Dank für dieses grossartige Essay.

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Ganz herzlichen Dank, liebe Frau W.!

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Lieber Herr Graf, Sie haben mich mit diesem lesenswerten und augenöffnenden Text von zwei (Luxus)Problemen befreit: Einerseits habe ich einen Büchergutschein, der auf Einlösung wartet, andererseits habe ich lange Ferien im Sommer.

Eine Assoziation zu Dipesh Chakrabarty ist: die Paradoxien, die er thematisiert, das Rein- und Rauszoomen und das deutlich machen des "Gleichzeitig" von grundverschiedenen Sachverhalten, finden sich in verschiedenen mystischen Bewegungen (ich weiss, komplett anderer Inhalt, doch um den Inhalt geht es mir jetzt nicht), die sagen der (vielleicht einzig) sinnvolle Weg liegt darin, das dualistsche Denken zu überwinden und zu akzeptieren, dass wir in einer paradoxen Welt mit dem entweder/oder in vielen Fällen nicht weiterkommen.

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Liebe Frau B., herzlichen Dank. Ich bin alles andere als ein Experte für die verschiedenen Strömungen der Mystik, aber Ihren Hinweis darauf finde ich nicht zuletzt gerade deshalb interessant, weil es bei Chakrabarty eben auch um eine Denkbewegung geht, die etwas über die reine Inhaltsebene Hinausgehendes hat. Sein Schreiben scheint mir wie ein Versuch, gegen die blosse lineare Abfolge in der Sprache bzw. auf der Buchseite anzuschreiben und die beiden Perspektiven, Mikro und Makro, quasi gleichzeitig präsent zu halten, durch eine oszillierende Bewegung, in der immer rechtzeitig die eine Zoom-Einstellung gegen die vereinseitigende, übermässige Präsenz der anderen herbeigeholt wird. Allerdings, das ist dann gar nicht so anstrengend, wie das vielleicht eben klang :-) Viel Freude Ihnen jedenfalls beim Einlösen des Büchergutscheins!

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Theologin/Pfarreiseelsorgerin
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Lieben Dank für die Rückmeldung. Es ist tatsächlich weniger anstrengend, als es sich liest :)

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Leserin
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Meine Lieblingsstellen im Artikel:

Erstens: Nicht um der Natur, sondern um des Menschen willen muss der Mensch die Klimakrise lösen. Die Natur an sich – das zeigt die lange Erdgeschichte – kommt auch ohne uns zurecht. Wenn es um die Bewohnbarkeit des Planeten geht, dann sprechen wir eben zuerst von Bewohnbarkeit für uns. Und wir hätten längst guten Grund, uns mit all den vom Arten­sterben bedrohten Wesen im selben Boot zu sehen.

Diese Einsicht betrifft ja wirklich alle, auch die Reichen und die Superreichen, die Mächtigen, die Selbstbewussten und die Gewinner. Wie schnell diese Einsicht aber zu Stande kommt?

Denn da ist ja der Alltag, die heutigen Bilder von Erfolg, von wertvollem Leben. Materielle Erfolge als Beweis der eigenen Tüchtigkeit und Intelligenz sehen und dabei in langer Tradition ausblenden, dass dieser Erfolg auf Ausbeutung anderer Menschen, anderer Wesen, von allem, was jetzt noch gratis oder mit geringen Kosten zu haben ist, beruht.
Dazu ein weiteres dickes Buch: Jason W.Moore "Kapitalismus im Lebensnetz"

Die Ideen von Freiheit und Gleichheit, schreibt Charbonnier, waren historisch immer auch ein «Versprechen vom Ende der Armut». Und Armut ist innerhalb «einer Ökonomie des Über­flusses» nur «noch skandalöser».
Diese Feststellung bekräftigt mit Nachdruck die Macht des Psychologischen: Armut ist keine absolute Grösse; Menschen definieren und skandalisieren sie immer relational, im Vergleich unter­einander.

Und wer da noch Inspiration möchte, wie eine Gesellschaft sich auch anders organisieren könnte und das in der Vergangenheit auch an verschiedensten Orten auf der Welt über viele Jahrhundert gemacht hat:
"Anfänge" von Graeber und Wengrow.

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Liebe Frau D., vielen herzlichen Dank für die weiterführenden Buchhinweise. Jason W. Moore ist in diesem Kontext schon deswegen interessant, weil Chakrabarty sich mit ihm und dem Begriff des «Kapitalozän» (als Gegenbegriff zum «Anthropozän») intensiv auseinandersetzt. Und das Buch von Graeber/Wengrow ist in der Tat ein ähnliches Kaliber wie die beiden hier diskutierten Bücher: vom Umfang her und vom Anspruch, aber nicht zuletzt auch deshalb, weil es ähnlich herausfordernd und inspirierend ist.

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Ein sehr erhellender Beitrag.
Letztlich macht die ganze Debatte für mich das Problem eines Urkonflikts innerhalb der Menschheit überdeutlich. Dem zwischen unseren darwinistisch, gefühlsbetonten Trieben und egoistischen Bedürfnissen, die vor allem darauf abziehlen und möglichst zu reproduzieren und unsere DNA zu verbreiten und dem der Bedürfnisse des Kollektivs, die wir mit unserem Verstand zu erkennen in der Lage wären, deren einseitige Erfüllung durch das Individuum uns aber nichts gibt und uns traurig zu denen in unserer nahen Umgebung schielen lässt, die jenen Bedürfnissen unbedarft nachgehen oder nachzugehen scheinen. Damit will ich nicht sagen eine Gruppe könne uns nichts geben, evolutionär muss diese aber eben klein sein, ansonsten habe ich ja keine höhere Wahrscheinlichkeit meine DNA weiterzugeben oder dazu von dieser zu profitieren. Wenn ich jemandem 1000 km entfernt, den ich nicht kenne und mit dem ich nichts zu tun habe oder je haben werde, einen Büffel lasse, dessen Erlegung meine Existenz hätte sichern können, was habe ich dann davon und macht das Fortbestehen meiner DNA wahrscheinlicher? Darin von mir aus ist in unserer grossen globalisierten Welt die Ursache zu suchen.

Das Problem hier besteht für mich in der fundamentalen Tatsache, dass in Verzicht und Gerechtigkeit für Personen und Gruppen zu denen wir keinen Bezug haben, oder ihn noch nicht haben können (zukünftige Generationen), keine persönliche emotionale Belohnung steckt, zumindest wenn sie nicht als kollektive Aktion von allen mitgetragen werden. Wenn wir also rein materialistisch über unser Leben urteilten, so wären wir stets gezwungen auszuloten, wie viel belohnendem Egoismus wir uns, ob dem Damoklesschwert über der gesammten menschlichen Existenz hängt, überhaupt noch leisten können und würden nur weiter betrübt, ob all dem Leid, das wir für unsere kleine Freude anrichten.

Ein Gegengewicht konnten früher, so wohlfeil es angesichts der Probleme, die diese in der Vergangenheit verursachten, auch anhören mag, Glauben, Religion und Traditionen schaffen. Sie gaben den Menschen ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, auch bei Aktionen des Verzichts und der Demut und lösten die Glücksgefühle aus, die wir uns heute teuer erkaufen müssen. Die Separation des Menschen und der Gang in eine sinnlose, kalte Welt hinterlassen eine riesige emotionale Lücke, die gefüllt werden will. Gefüllt werden muss. Und bis heute füllen wir sie mit vielen Ressourcen. Sinn und Erfüllung geben sie uns nur kurzzeitig, aber wir nehmen das, denn es ist besser als nichts... Nietzsche sagte Gott sei tod, aber darf er das überhaupt? Für vieler Menschen Seelenheil ist das ohne die Ersatzreligion Kosum eine mehr als berechtigte Frage.

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Das Analysieren und das Ziehen von Schlussfolgerungen halte ich zwar auch für sehr wichtig, um "richtig" zu handeln. Einfach konzeptlos drauflos handeln ist nicht sinnvoll. Aber in Bezug auf die Zerstörung unserer Lebensgrundlagen und des menschlichen sozialen Zusammenhaltes bestehen schon seit überlängster Zeit genügend Informationen in genügender Verbreitung, um die Dringlichkeit und Richtung von Lösungen zu erkennen. Und entsprechend zu handeln. Jede:r Einzelne von uns muss ab sofort, ab jetzt, ab heute ihr/sein Tun entsprechend gestalten. Nein, nicht Energie sparen, nicht "nachhaltig einkaufen" (was auch immer das sein soll), nicht "verzichten", usw.! Das bringt fast nichts, denn die individuelle Ebene ist zwar ein Faktor, aber ein viel zu kleiner. Für welchen Konsum soll ich mich als Individuum denn entscheiden, wenn das Angebot aus ausschliesslich ausbeuterischen Verhältnissen stammt (ökologisch und/oder sozial)? Soll ich dann gar nicht konsumieren? Auch wenn wir es gerne glauben wollen, aber es gibt im sog. freien Markt fast keine problemlosen Produkte zu kaufen.
Auch die Politik scheint wider besseren Wissens nicht fähig zu sein, die offensichtlich erforderlichen Dinge zu entscheiden und durchzusetzen.
Unser Handeln muss das zerstörerische systemische Grundrauschen unserer Wirtschaft infrage stellen - nein: ausschalten! Konkret: bremsen, blockieren, sabotieren, so viel und so wirksam und so rasch wie möglich. Gleichzeitig müssen wir Alternativen aufbauen, aber echte (nicht irgendwelche Marketingkampagnen, nur wegen ein paar CO2-Anteilen weniger im beworbenen Produkt oder für ein grünalternatives Image oder etc.). Beides, d.h. das Blockieren/Ausschalten sowie das Neu-Aufbauen betrifft zuallererst die ökonomische Ebene, denn dort findet alles statt, sowohl das Problem wie auch die Lösung. "It's the Economy, Stupid!".
Jede:r von uns muss sich selbst, seine Zeit und sein Knowhow aus der herrschenden Problem-Wirtschaft verabschieden, aktiv, selbsttätig, wirksam, jetzt. Und gleichzeitig in eine Lösungs-Wirtschaft umsteigen, ebenso aktiv und selbsttätig, aber am besten gemeinsam mit anderen zusammen, und auch das nicht als "geschlossene Gesellschaft" sondern als offene Struktur. Eine Struktur mit verfassten verbindlichen ökologischen, sozialen und politischen Ansprüchen. Denn nur so entsteht relevante Wirksamkeit. Demokratisieren wir die Wirtschaft, bilden wir Genossenschaften, für alle nötigen und möglichen Lebensbereiche. Überlassen wir die Wirtschaft nicht einer "unsichtbaren Hand" sondern nehmen wir sie in unsere eigenen (sicht- und fassbaren) Hände. Wirtschaften wir mit Prinzipien, die viel weiter gehen, als die Politik es von uns zu erwarten wagt. Und nehmen wir unsere Bedürfnisse, unsere Prinzipien, uns selbst ernst!
Gefragt ist jetzt eine Art von Unternehmer:innentum, welches sowohl den heutigen Unternehmer:innen sowie den Politiker:innen sowie auch den Gewerkschaften sowie den sozialen Bewegungen leider noch viel zu fremd ist, obwohl ihre Anlage uns seit Jahrzehnten, nein, Jahrhunderten (!) geläufig sind bzw. sein müssten: Allmende/Genossenschaften/Gemeingüter/Commons/Gemeinde/Selbstverwaltung- bzw. Organisation/direkte Demokratie (8ung: "Selbstverwaltung" und "Demokratie" für alle Teilnehmende der Gemeinschaft, nicht nur für diejenigen mit dem "richtigen" Pass oder der "richtigen" Hautfarbe oder dem "richtigen" Geschlecht, etc.).

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(von der Moderation verborgen)
Gaby Belz
semi-Rentnerin, semi-Berufsfrau
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Ich bin seit vielen Jahren aktiv bei der Gemeinwohl-Ökonomie-Bewegung, die sich genau um den von ihnen so ultimativ geforderten Umbau der Wirtschaft geht ("Stellen wir die Wirtschaft vom Kopf auf die Füsse" / Christian Felber). Gemeinwohl-orientierte vor Finanz-Bilanzierungen für Unternehmen, Gemeinden, Bildungsorganisationen werden heute weltweit umgesetzt und dienen als Entwicklungs- und Bewusstseinsschulungsinstrumente für alle Beteiligten. Es geht nur MIT den Menschen! Wir freuen uns über weitere Mitstreitenden! Sie finden alles Wissenswerte dazu im Netz.

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(Beitrag verborgen, weil der Kontext zum geposteten Link fehlte.)

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Liebe Frau Belz
Hier haben wir erklärt, warum wir uns wünschen, dass gepostete Links in einen Kontext eingeordnet werden. Und darauf hingewiesen, dass wir uns erlauben, Links ohne Kontext zu verbergen.

Ich möchte Sie deshalb bitten, den Inhalt des Links – beziehungsweise warum Sie glauben, dass dies hier relevant ist – kurz einzuordnen und neu zu veröffentlichen.

Herzlich, PM

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Die tausendseitige Philosophie scheint eine positive Perspektive zu vernachlässigen: Nur mit den erneuerbaren Energien eröffnet sich die Möglichkeit, die historisch erkämpfte globale Ungleichheit zu überwunden (https://www.ibee-studer.net/ökonomik/, für diese konstruktive These brauche ich nur 155 Seiten :-)
Die auf eine begrenzte Menschengruppe begrenzte Nutzung fossiler Energie hat deren Produktivität und Einkommen vervielfacht. Dass sich fossiler Wohlstand in der heute ausgeprägten Form egalitärer hätte entwickeln können, wie der Autor philosophiert, halte ich für unmöglich: (Fossile) Energie könnte im Verhältnis zu Arbeit nie dermassen billig sein, wenn alle Menschen die gleiche Kaufkraft hätten.

Ohne Ungleichheit hätte sich der lokal-begrenzte fossile Überfluss nicht entwickeln können, und die Ungleichheit wäre ohne fossile Ressourcen niemals so ausgeprägt.

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Werner Fuchs
Unternehmer
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· editiert

"Zuallererst die eigene Dekarbonisierung beschleunigen", eine gute Aussage. Hat in meinem Fall teilweise funktioniert, weder Heizung, Auto noch sonst was wird fossil betrieben, der Energieverbrauch ist tief und fliegen längst kein Thema mehr, Fleisch gibt es selten. Leider funktioniert dies nur, wenn man will - das Umfeld will vielfach nicht. Der Spass ist wichtiger, Motorrad, Sportwagen, Boot, Ferienflug alles wird gesellschaftlich hoch geachtet, wenn ich mich nicht täusche. Egal ob Mami, Politiker oder Arbeiter, mehr, grösser und weiter ist besser. Somit fahren wir mit Vollgas in die Wand, einige haben dabei wohl Ihren Spass.

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Als jemand, die sich im Studium gerade intensiv mit diesem Thema befasst, kann ich für weitere Lektüre zu Klimagerechtigkeit und sozialen Fragen (wenn auch weniger universalistisch), Leah Temper und Juan Martínez-Alier empfehlen. Sehr interessant ist auch der "Environmental Justice Atlas" (www.ejatlas.org) der Konflikte um ökologische Gerechtigkeit dokumentiert. Zeigt auf faszinierende Art und Weise, wie soziale Fragen und Umweltprobleme Hand in Hand gehen.

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